Der Senat hält es nicht für pflichtwidrig, dass die beklagte Gemeinde ihrer Dienstanweisung für die Baumkontrolle die Baumkontrollrichtlinie der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (sog. FLL-Richtlinie) zugrunde legt, die auf der Erfahrung von zahlreichen mit der Baumpflege befassten Fachverbänden beruht und deshalb an oder auf öffentlichen Straßen und Wegen stehende Bäume nicht generell in halbjährlichem Abstand einer Sichtkontrolle in belaubtem und unbelaubtem Zustand unterzieht. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass die FLL-Richtlinie derzeit der zutreffende fachliche Standard bei der Beurteilung der Frage sei, welche Maßnahmen man zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit Bäumen in bewohnten Gebieten beobachten muss und dass er deshalb auch selbst von diesem Standard ausgehe.

Nach den differenzierten Grundsätzen dieser Richtlinie ist es grundsätzlich ausreichend, bei einem stärker geschädigten Baum, der sich in der Reife- oder Altersphase befindet und an einem Standort mit berechtigterweise höheren Sicherheitserwartungen des Verkehrs steht, ein Kontrollintervall von einem Jahr festzulegen, nämlich dann, wenn die Schädigungen so geartet sind, dass sie sich voraussichtlich nicht innerhalb eines Jahres auf die Verkehrssicherheit auswirken. Daher kam es auch bei der hier zu beurteilenden 40 Jahre alten Robinie mit Standort an einer innerstädtischen Straße und an einem Gehweg in einem Wohngebiet regelmäßig in Betracht, ein jährliches Kontrollintervall vorzusehen.

Die Richtlinie geht aber selbst davon aus, dass in begründeten Fällen auch kürzere Intervalle und besondere Untersuchungen in Betracht zu ziehen sind, insbesondere bei starken Schäden. Solche Besonderheiten waren, wie der Sachverständige dargelegt hat, hier gegeben. Die beklagte Gemeinde hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass das äußere Erscheinungsbild der Baumkrone mit einer gesunden und vitalen Robinie nicht annähernd vergleichbar war.

OLG Frankfurt, Urteil vom 11.05.2023, Az. 1 U 310/20