Die Tat ist verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB. … Der erzwungene komplette Stillstand von 20 Minuten […] wurde […] weiter dadurch verstärkt, dass für die Blockade eine stadteinwärts führende Hauptverkehrsader zur Hauptverkehrszeit an einem Montagmorgen gewählt wurde, sodass im Ergebnis mehrere 100 Autos betroffen waren. Die Aktion war medial angekündigt worden, nicht aber der konkrete Blockadeort, sodass die betroffenen Fahrzeugführer keine Möglichkeit hatten, eine Ausweichroute zu wählen. […]
Der im weitesten Sinne festgestellte Sachbezug [kann] nicht dazu führen, die Verwerflichkeit zu verneinen, wenn … sich die Angeklagten unter Berufung auf eine moralische Überlegenheit an der Fahrbahn festkleben und dabei das Ziel verfolgen, unter Instrumentalisierung zufällig betroffener Dritter möglichst lange eine Blockade zur Erregung größtmöglicher Aufmerksamkeit zu erreichen. […]
Die Angeklagten können sich auch nicht als Rechtfertigung für ihr Handeln auf sog. Zivilen Ungehorsam berufen. […] Laut BVerfG legitimiert ziviler Ungehorsam gezielte und bezweckte Verkehrsbeeinträchtigungen durch Sitzblockaden jedenfalls dann nicht, wenn Aktionen durch Verkehrsbehinderungen in die Rechte Dritte eingreifen, die ihrerseits unter Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts als Instrument zur Erzwingung öffentlicher Aufmerksamkeit benutzt werden. Ein derartiger ungeschriebener Rechtfertigungsgrund ist abzulehnen, da seine Anerkennung auf Legalisierung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele hinausliefe. Hiermit wäre eine Selbstaufgabe von Demokratie und Rechtsfrieden durch die Rechtsordnung selbst verbunden und dies wäre mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung schlechthin unverträglich.
AG Heilbronn, Urteil vom 06.03.2023, Az. 26 Ds 16 Js 4813/23