
Jaja, 2022. Bereits dem letzten Beitrag konnten Sie, liebe Leserinnen und Leser, entnehmen, dass die Geschehnisse, die das Jahr mit sich brachte, zum Teil unvorstellbar waren. Krieg, hohe Inflationsraten, Energiekostenexplosion, Lieferengpässe, Zinssteigerungen, und alles ausnahmslos negativ. Trotz dieser Widrigkeiten haben sich die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich eines Wirtschaftseinbruchs und damit verbundene Rezessionsängste zumindest noch nicht ganz bestätigt. Was jedoch bleibt, das ist die Unsicherheit. Werden die von der Politik ergriffenen Maßnahmen zur Rettung der Wirtschaft greifen? Was werden Gas- und Strompreisbremsen, außer einer horrenden Neuverschuldung, die uns allen mittelfristig in Form von Steuererhöhungen auf die Füße fällt und auch die nächsten Generationen belasten wird, am Ende bewirken? Wie geht es am Arbeitsmarkt weiter? Wie wird sich die Wirtschaft behaupten? Bleibt die Inflation hoch? Wie werden sich andere Konflikte, wie zum Beispiel China/Taiwan oder Kosovo/Serbien, entwickeln? Wie geht es mit der Ukraine weiter und welche weiteren Konsequenzen drohen hier? Themen, die das letzte Jahr nachhaltig geprägt haben und die bei uns noch 2021 auf keiner Agenda zu finden waren.
Schauen wir uns zusätzlich die bekannten Neuerungen an, die 2023 mit sich bringt, dann kann man irgendwie verstehen, warum man das neue Jahr statt mit „Frohes Neues“ dann doch mit „Helau, Alaaf und Narri, Narro 2023!“ begrüßen würde. Im Unterschied zu den erwähnten unbekannten Größen sind Themen wie Zuschusskürzungen bei der E-Mobilität, LkSG oder CSRD schon griffiger und lassen erahnen, welche Mehraufwände kostentechnisch und administrativ entstehen werden. Bei der E-Mobilität werden durch die Kürzung der Zuschüsse und gleichzeitig weiter steigende Zinsen die Leasingraten spürbar nach oben getrieben. Außerdem ist davon auszugehen, dass auch die Automobilhersteller ihren „Beitrag“ zur Verteuerung leisten und ihrerseits die Preise weiter anheben werden. Diese Preissteigerungen sind ziemlich sicher, weil sie ohnehin schon in der Vergangenheit jedes Jahr turnusgemäß erfolgt sind. Die Frage ist nur, in welchem Umfang dies geschieht. Hier ist zu befürchten, dass die althergebrachten und gebetsmühlenartig vorgetragenen Argumente wie Inflation, Lohnkostensteigerung, Lieferengpässe und steigende Energiepreise für weitere deutliche Preiserhöhungen herangezogen werden. Seltsam ist dabei nur, dass die zuletzt erzielten Gewinne alle üblichen Rahmen gesprengt haben. Doch der Aktionär will ja zufriedengestellt werden, sodass die neuerliche Steigerung der Margen durch (Achtung!) Premiumisierung der Produktpalette als der tatsächliche Grund unerwähnt bleibt. Na dann: Helau!
Dann ist da das LkSG oder Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Dieses ist seit dem 1. Januar 2023 für Betriebe mit mehr als 3.000 Mitarbeitern gültig. Grundsätzlich sind Idee und Zielsetzungen des Gesetzes absolut lobenswert, soll doch – vereinfacht ausgedrückt – hierdurch letztendlich zum Beispiel menschenunwürdiges Arbeiten (Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Missachtung von Arbeitsschutzmaßnahmen) weltweit vermieden werden. Des Weiteren soll die Missachtung von Umweltschutz bei Rohstoffgewinnung und Herstellung verhindert werden, wenn dies unmittelbar Menschenrechte berührt. Die Anforderungen indes sind administrativ betrachtet nicht unerheblich. So müssen beispielsweise nicht nur bestehende Lieferanten und Dienstleister eines entsprechenden Betriebes nach Risikoländern und Risikobranchen analysiert und identifiziert werden. Auch müssen Maßnahmen definiert und ergriffen werden, um die entsprechenden Risiken zumindest zu minimieren. Für Dienstleistungsunternehmen ist der hierbei zu analysierende Lieferantenstamm im Vergleich zu produzierenden Unternehmen deutlich überschaubarer, was aber den durch die Aktionen entstehenden Aufwand nicht erspart. Auch taucht immer wieder die Frage auf, wie weit man beim Ergreifen von Maßnahmen gehen muss. Beispiel gefällig? Angenommen Ihr Betrieb verkonsumiert pro Jahr 2.000 Kilogramm Kaffee. Einerseits ein klarer Fall: Sie verkaufen den Kaffee nicht weiter, sondern stellen diesen Ihrer Belegschaft zum kostenlosen Verbrauch zur Verfügung. Müssen sie aber angesichts der Menge nicht vielleicht doch beim Kaffeeröster um nähere Infos zu Herkunft und Arbeitsbedingungen im Erzeugerland bitten und dies dann dokumentieren? Wie verhält es sich bei größeren Fuhrparks? Muss ich als Fuhrparkleiter und Herr über 1.000 Dienstwagen eventuell doch den Hersteller um nähere Auskünfte zur Lieferkette und den Produktionszuständen im Ausland bitten? Wie sieht es bei den E-Fahrzeugen beim Thema Akkus aus? Und wie beim Thema Subunternehmer der Hersteller/ Lieferanten? Nun, ein Teil der Fragen beantwortet sich von selbst mithilfe einer zusätzlichen Klausel im LkSG, die das Handeln vom Grad der möglichen Einflussnahme abhängig macht. Eine kleine Bäckerei wird wohl kaum eine ausländische Großmühle zur Offenlegung der kompletten Bezugskette der Rohund Zusatzstoffe bewegen können, weil eben die Möglichkeit der Einflussnahme in diesem Beispiel äußerst gering ist.
Klar jedoch ist: Für die Beachtung und Umsetzung der Regelungen des LkSG werden Betriebe entsprechende Ressourcen vorhalten müssen, die – wer hätte es gedacht? – zusätzliche Kosten verursachen. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten müssen irgendwie wieder aufgefangen und ausgeglichen werden, was angesichts ohnehin stark steigender Preise auf der einen Seite und dem stärker werdenden Wettbewerb auf der anderen Seite nicht ganz unproblematisch sein dürfte. Wie ein Betrieb das hinbekommt, das bleibt ihm dann wieder selbst überlassen. In diesem Sinne: Besten Dank und Alaaf!
Habe ich Sie schon genug verwirrt? Dann sollten Sie jetzt tief durchatmen und sich mit der nächsten Begrifflichkeit vertraut machen: CSRD oder Corporate Sustainability Reporting Directive. Dies ist ein weiteres Thema, welches aber nicht ab sofort, sondern erst ab dem Geschäftsjahr 2024 greift. Darüber wird dann im Jahr 2025 berichtet. Entsprechend sollten die Vorbereitungen für die Umsetzung schon jetzt getroffen werden. Zunächst einmal soll diese neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung die bisher geltende Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (Non-Financial Reporting Directive, NFRD) ersetzen. Vereinfacht ausgedrückt soll hierdurch der soziale und ökologische Fußabdruck von Unternehmen sichtbar gemacht werden. Sie baut im Prinzip auf das schon länger bestehende CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz auf. Neben den Angaben in Bezug auf die EU-Umweltziele betrifft der Bericht auch Angaben zu gesellschaftlichen („social“) und Unternehmensführungsaspekten („compliance“). Eine Auflistung der Details erspare ich mir und Ihnen, denn hierzu wäre vom Umfang her ein Sonderdruck des „Flottenmanagement“ erforderlich.
Warum ich das hier erwähne? Nun, inhaltlich gibt es tatsächlich Überschneidungen mit vielen bereits laufenden Aktivitäten. Ob Compliance oder Nachhaltigkeitsberichte, jede Einkäuferin und jeder Einkäufer und natürlich auch alle Fuhrparkverantwortlichen hatten und haben mit dieser Thematik irgendwie zu tun. Allerdings sei bei der Betrachtung dieser neuen Regelungen die Frage erlaubt, warum hier nicht ein einheitliches Werk geschaffen wurde, in dem man genau diese Themen bündelt. Aus den Erfahrungen mit der Gestaltung und den schrittweise folgenden Umsetzungsvorgaben des LkSG ist jedenfalls zu vermuten, dass die Vorgaben noch nicht endgültig sind und weitere Handreichungen folgen werden. Das alles trägt nicht unbedingt zur Vereinfachung bei und erschwert die Planbarkeit, mit der wir ja ohnehin schon aus den eingangs erwähnten Gründen zu kämpfen haben.
Fazit: Neben der Unsicherheit bei den zu erwartenden Konsequenzen aus den aus 2022 übernommenen Lasten ins neue Jahr und den obigen kleinen Beispielen für Neuerungen im Jahr 2023 können wir uns ganz sicher auf prickelnde Entwicklungen einstellen, die wir aktuell nicht einschätzen oder vorhersehen können.
In diesem Sinne ein frohes Neues oder gemäß dem Narrengruß in der schwäbisch-alemannischen Fasnacht: Narri, Narro!
AUTOR
Peter Insam ist seit rund 30 Jahren im Einkauf für Betriebsmittel und Investitionsgüter unterwegs, von denen er seit mehr als 25 Jahren die Geschicke verschiedener nationaler und internationaler Fuhrparks gelenkt hat. Heute ist er als Head of Corporate Procurement und zwischenzeitlich auch als Prokurist unter anderem für die knapp 700 Firmenfahrzeuge der Hays AG verantwortlich. Zuvor war er rund zehn Jahre für den Einkauf von Betriebsmitteln und Investitionsgütern für den Medizintechnik-Hersteller Maquet GmbH in Rastatt tätig. Hierzu gehörte auch die Leitung des Fuhrparks mit 350 Fahrzeugen am Standort Rastatt. Darüber hinaus sammelte er zahlreiche Erfahrungen im Rahmen von Auslandsaufenthalten in Frankreich und Australien.