
Den Kia Niro einzuordnen, gelingt gar nicht so einfach. Ein klassisches SUV ist er nicht, ein richtiger Van auch nicht. Seine Höhe von 1,56 Metern zeigt dann aber auch: Ein gewöhnlicher Kompakter sieht anders aus. Sei es drum, vielen Passagieren ist es lieber, ein bisschen höher einzusteigen, weil es bequemer ist. Doch dazu später mehr. Vorher ein kleiner Rundgang um das Auto, das sich im Vergleich zum Vorgänger gewandelt hat zum attraktiven Designerstück mit farblich abgesetzten C-Säulen. Aber auch die Front ist cool mit ihrem schmalen Dekostreifen; die Scheinwerfer-Einheiten sitzen weit außen und produzieren ein prägnantes Tagfahrlicht. Sichelförmige Schlussleuchten passen in der Linienführung zum herausgearbeiteten Element der C-Säule, welches seinerseits gleich übergeht in die angedeutete Radhausverkleidung. So steckt der Niro voller liebevoller Design-Spielereien, die alle Stück für Stück zutage treten, wenn man ihn nur lange genug anschaut. Und es bleibt kurzweilig dabei – das Gestalterteam hat also einen guten Job gemacht.
Innen geht es weiter mit spannendem Design. Viele Kleinigkeiten fallen erst nach einer gewissen Zeit ins Auge. Beispielsweise das komplexe, mehrteilige Dekor der Armaturentafel – sogar mit erkennbarer Illumination bei Dunkelheit. Und in der Anmutung erreicht der Kia absolute Premium-Qualität. Alles wirkt solide und wertig – nichts klappert oder wackelt. Dann das große Display, zwar nicht „curved“, wie vielfach heutzutage ausgeführt, jedoch definitiv in „Panorama“-Größe, wie man in der Preisliste lesen kann, aber wie es nun einmal auch stimmt. Die zweigeteilte, extravagant geformte Ausgabetafel mit ihrer abfallenden Silhouette beherbergt schließlich nicht nur das Kombiinstrument, sondern im zweiten Teil den multifunktionalen Displaypart. Diagonale? Immerhin 26 Zentimeter! Feine, tiefschwarz-glänzende Klavierlack-Elemente erfreuen das Auge darüber hinaus. Bedient wird weitgehend über das Menü und der unterhalb des Screens angebrachten Leiste mit variabel belegbaren Touch-Feldern. Immerhin – es bleibt bei einem physischen Regler, der wahlweise die Lautstärke oder die gewünschte Innenraumtemperatur steuert. Und praktische Elemente weist das Interieur ebenso auf – als da wären einige Ablagen inklusive induktiver Lademöglichkeit für Smartphones sowie ein gerüttelt Maß an USB-Schnittstellen – sogar in der Beifahrersitzlehne, damit auch die Fondpassagiere nicht von der Stromzufuhr abgeschnitten werden.
Stichwort Strom: Der spielt auch für den Fahrbetrieb eine Rolle – denn der Kia EV bewegt sich ja rein elektrisch. Dazu installierten die Ingenieure eine Batterie mit knapp 65 kWh Kapazität. Damit lassen sich in der gewichteten WLTP-Betrachtung 460 Kilometer zurücklegen. Allerdings macht Kia keinen Hehl daraus, mit diesem Modell nicht die absolute Ladeperformance anzustreben. So pendelt sich die Ladeleistung bei etwas über 80 Kilowatt ein – was völlig in Ordnung geht, da klar kommuniziert. Damit beläuft sich die Ladezeit an der Gleichstromsäule auf 45 Minuten, um den Akku von zehn auf 80 Prozent zu bringen. Mit einem entsprechenden Zwischenstopp, den man als ausgiebige Pause nutzen kann, lassen sich aber auch in der Praxis durchaus weite Reisen realisieren. Mittels dreiphasiger Wechselstrom-Lademöglichkeit lässt sich die Batterie binnen etwas mehr als sechs Stunden von zehn auf 100 Prozent laden – nicht nur für Wallbox-Kunden interessant, sondern auch für Städter mit Typ 2-Säule in der Nähe. Wer viel fährt, sollte unbedingt zur effizienzsteigernden Wärmepumpe (840 Euro Aufpreis) greifen.
Doch genug der Theorie, fahren wir los. Dank 204 Pferdchen gehört der Niro nicht zu den langsamen auf der Straße. Er legt mit sanftem Drehmoment-Anstieg los, was dem elektrischen Fahren einen gewissen Pfiff gibt – keine Spur nämlich von Gleichförmigkeit. Wer das rechte Pedal tief durchdrückt, spürt dezenten Druck im Kreuz. Kein Wunder, der Koreaner beschleunigt kräftig, erreicht die 100 km/h-Marke in sportlichen 7,8 Sekunden. Ein Sportwagen wird aus dem nützlichen Niro aber keineswegs, er federt komfortabel und gibt daher den angenehmen Tourer. Da kommt dem Kompakten allerdings sein Reifenformat entgegen. Mit der Dimension 215/55 gelingt das Dämpfen einfach entspannter als mit extremen Niederquerschnitten. Gut dosierbare Bremsen und eine leichtgängige, aber nicht synthetische Lenkung geben dem Niro genau das Quäntchen Fahraktivität, das nötig ist für den Fahrspaß im Alltag, ohne ihn hektisch wirken zu lassen. Außerdem bleibt er bis in höhere Temporegionen leise, was im Komfort-Kapitel punktet.
Apropos. Weil man die nötigen Komponenten in einem Elektroauto etwas geschickter sortieren kann, ist das Platzangebot wirklich vorzüglich. Natürlich auch vorn, aber richtig gut geht es insbesondere Passagieren, die hinten mitreisen. Um Kontakt mit den vorderen Lehnen zu halten, muss man sich schon anstrengen oder eine herausragende Körperlänge aufweisen. Kuschelige Sitzgelegenheiten unterstreichen, dass der Niro mehr kann als die Einkäufe um die Ecke erledigen. Und falls der Einkauf doch etwas größer wird – auch dafür ist der Kia gewappnet dank knapp 1.400 Litern Laderaumvolumen. Und er ist nicht nur Nutzwert-Profi, sondern ebenso ein Ass im assistierten Fahren.
Erstens funktioniert die rechnergesteuerte Längsregelung betont geschmeidig – der Crossover bremst betont sanft bis zum Stillstand herunter, wenn der Vordermann selbiges tut. Zweitens haben die Techniker dem Fronttriebler noch mehr Gadgets mit auf den Weg gegeben. Davon profitieren zum Beispiel Menschen, die derart zugeparkt wurden, dass sie (zumindest durch die Türen) nicht mehr in ihr Fahrzeug gelangen können. Kein Problem – den Niro einfach per Funkfernbedienung von außen aus der Parklücke bugsieren. Dieser Spaß kostet allerdings 1.084 Euro netto extra (inklusive Head-up-Display).
Wer das Extra jetzt nicht unbedingt haben muss, bekommt für 39.992 Euro (netto, ohne Förderung) dennoch ein ziemlich vollgepacktes Vehikel. Autonome Bremsfunktionen, elektrische Heckklappe, LED-Scheinwerfer, aktive Lenkung, Navigationssystem, Parkpiepser, oder Sitzheizung – alles serienmäßig. Gegen 1.000 Euro netto gibt es deutlich erweiterte Brems-Umfänge sowie einen Totwinkel-Warner. Wer den Kia Niro attraktiv findet, sollte möglichst schnell zuschlagen, um dieses Jahr noch die Förderung von insgesamt 9.000 Euro einzustreichen. Dienstwagenfahrer dürfen sich übrigens über eine weitere Sparmöglichkeit freuen: Die Grundlage für die pauschale Versteuerung privater Fahrten erfolgt auf Basis des geviertelten Brutto-Listenpreises.