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Wir erleben eine Fülle von Verrücktheiten, die unsere Zukunftsplanungen vom letzten Jahr völlig ad absurdum geführt haben. Die Aufzählung lässt sich fast beliebig fortsetzen. Allein die dramatischen Veränderungen im Fuhrparkbereich, die uns in diesem Jahr ereilt haben, waren 2021 nicht vorstellbar. Steigende Zinsen, eigentlich eine Begrifflichkeit, die vor nicht allzu langer Zeit im Vokabular der EZB-Verantwortlichen praktisch nicht existierte, treiben heute die Leasingraten mit nach oben. Wenngleich der Anteil an der Gesamtrate eher gering ist. Hinzu kommen die einerseits eben sinkenden Nachlässe und andererseits stark steigenden Preise der Automobile – eine Belastung, die ratentechnisch durch tatsächlich nur moderat angehoben kalkulierte Restwerte nicht aufgefangen werden kann.

Umso erstaunlicher ist die Entwicklung bei der Elektromobilität, bei der die Kostenexplosion noch deutlicher wird. Hier drehen diverse Hersteller derart hemmungslos an der Preisschraube, dass auch hier der Wunsch nach dem etwas anderen Umgang mit dem erwähnten Kräutertee entsteht: Wenn da der Listenpreis in einem Beispiel von ursprünglich etwa 63.000 Euro um 7.500 Euro nach oben schnellt und die vermeintliche Mehrausstattung, mit der der Hersteller dieses satte Plus begründet, dies definitiv nicht aufwiegt.

Damit aber nicht genug. Hinzu kommen die unverändert schlechten Restwerte, die erwähnten gesunkenen Nachlässe und die gestiegenen Zinsen, die das Objekt der Nachhaltigkeit massiv verteuern. Und es geht noch munter weiter. So wird die BAFA-Förderung ab dem 1. Januar 2023 ebenfalls deutlich reduziert. Ein Schritt, der bei Plug-in-Hybriden noch nachvollziehbar und sehr zu begrüßen ist – hier entfällt die Förderung gänzlich. Gut so, da sich PHEV in der Praxis nicht ansatzweise als so nachhaltig erwiesen haben, wie es auf dem Papier dargestellt wurde. Bei den rein batteriebetriebenen Fahrzeugen sind die Kürzungen indes sehr negativ. So reduziert sich der Förderanteil des Bundes für Kfz bis 40.000 Euro Listenpreis von 6.000 auf 4.500 Euro und bei Fahrzeugen über 40.000 Euro Listenpreis von 5.000 auf 3.000 Euro. „Besser“ noch: Nach derzeitigem Stand gelten diese Förderungen dann ab dem 1. September 2023 nur noch für Privatpersonen. Gewerbetreibende gehen dann bei der Beschaffung von Dienstfahrzeugen leer aus. Knifflig dabei auch: Es gilt der Tag der Zulassung und nicht das Bestelldatum.

Angesichts der aktuellen Lieferfristen sollte man entsprechend gleich ohne Förderung kalkulieren. Ach ja, und durch die erwähnten Preissprünge bei den Herstellern entledigen sich diese so ganz nebenbei indirekt und zumindest teilweise der von ihnen zu gewährenden Kaufprämie.

Was sind die Konsequenzen? Nun, stellt man Diesel-Pkw und Stromer mit gleichen Listenpreisen gegenüber, so liegt die monatliche Leasingrate beim Stromer zwischen 150 und 200 Euro pro Monat über dem des Diesels. Glauben Sie nicht? Lassen Sie sich auf Basis Ihrer aktuellen Konditionen einfach mal entsprechende Leasingangebote geben. Sie werden zum ähnlichen Ergebnis gelangen: Mehrkosten in Höhe von etwa 2.000 Euro pro Jahr. Sollten Ihnen an dieser Stelle, liebe Leserinnen und Leser, die Taschentücher schon ausgegangen sein, empfehle ich den Griff zur Kleenex-Rolle, denn das Trauerspiel um die teuer gewordene Nachhaltigkeit geht noch weiter. Stichwort: Strompreise. Diese sind, wie wir ja alle schon als private Stromverbraucher bitterlich erkennen mussten, exorbitant gestiegen. So ächzen inzwischen praktisch alle Unternehmen unter zum Teil drastischen Mehrkosten, was speziell für energieintensive Branchen gilt.

Bezogen auf die Elektromobilität sind natürlich auch hier die Zeiten des günstigeren Stroms vorbei. Selbst der Großkunde muss mittlerweile nicht selten zwischen 45 und 55 Cent netto pro Kilowattstunde entrichten. Bezogen auf den Strombezug über die betriebliche Wallbox kosten so 20.000 Kilometer mit dem Stromer bei einem Durchschnittsverbrauch von 20 kW/h pro 100 Kilometer immerhin 2.000 Euro (50 Cent/ kWh) – wohlgemerkt, wenn der Stromer nur an der Wallbox lädt. Heftiger wird es an den DC-Säulen, wo man gerne fast das Doppelte berechnet. Anders gerechnet: Bei einem Lademix von 50/50 wären das in unserem Beispiel 3.000 Euro. Zum Vergleich: Bei einem Diesel-Pkw mit einem Verbrauch von 7 l/100 km, gleicher Jahresfahrleistung und einem Nettodieselpreis von 1,80 Euro liegen die Kosten bei 2.520 Euro. Huch! Und hier sind die Differenzen bei den Leasingraten noch nicht einmal berücksichtigt. In Summe wären das in unserem Rechenbeispiel Mehrkosten für den Stromer von etwa 2.500 Euro pro Jahr. Na, schon Weinkrämpfe? Dann bin ich jetzt mal ganz fies, lege noch mal nach und erinnere daran: Das sind die Mehrkosten pro Jahr für ein Fahrzeug.

Gut, man kann das sicher nicht so verallgemeinern, aber rechnen Sie einfach mal ganz sachlich selbst auf Basis Ihrer eigenen Parameter nach. In jedem Fall wird klar, dass Elektromobilität so zumindest aus Kostensicht nicht interessanter ist und mehr und mehr zur Belastung wird. Keine Frage: Alle Unternehmen wollen ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten und setzen dies auch konsequent in vielen Bereichen um. Mehrkosten wurden und werden dafür gerne hingenommen, was der zuletzt stark gewachsene Zuspruch für die Elektromobilität deutlich zeigt. Als Beleg hierfür sprechen die Zulassungszahlen eine deutliche Sprache. Mit Blick auf die nun stark veränderte Kostensituation und die weiter steigenden Kostenrisiken dürfte die Bereitschaft hierzu allerdings sinken, wenn sich das gesamtwirtschaftliche Umfeld weiter verschlechtert. Und das ist, wenn man den Prognosen nur ansatzweise Glauben schenken darf, zu erwarten.

Der Privatkunde wird sich angesichts deutlich steigender Listenpreise trotz des nur noch ihm zuteilwerdenden BAFA-Zuschusses in Kaufzurückhaltung üben, weil auch er unter den massiven Steigerungen der Lebenshaltungskosten zwangsläufig anders priorisieren wird und den Neuwagenkauf zurückstellt. Wie soll dann die Nachhaltigkeit bei der Elektromobilität noch vorangetrieben werden?

Hoffen wir, dass die Menschheit zügig zur Vernunft kommt und dieser Irrwitz ein Intermezzo bleibt, damit wir unseren Kräutertee dann doch lieber wieder trinken.

 

AUTOR

PETER INSAM ist seit rund 30 Jahren im Einkauf für Betriebsmittel und Investitionsgüter unterwegs, von denen er seit mehr als 25 Jahren die Geschicke verschiedener nationaler und internationaler Fuhrparks gelenkt hat. Heute ist er unter anderem für die knapp 800 Firmenfahrzeuge eines international tätigen Personaldienstleisters verantwortlich. Zuvor war er rund zehn Jahre für den Einkauf von Betriebsmitteln und Investitionsgütern für einen Medizintechnik-Hersteller tätig. Darüber hinaus sammelte er zahlreiche Berufserfahrungen im Rahmen von Auslandsaufenthalten in Frankreich und Australien.