
„Laden und Tanken“, wie unser Special in dieser Ausgabe heißt, nimmt die unterschiedlichen Antriebsarten sowie deren Infrastruktur unter die Lupe. Bereits bei der Einführung von Autogasbeziehungsweise Erdgasfahrzeugen vor ein paar Jahrzehnten stellte sich die Frage, wo der entsprechende Kraftstoff bezogen werden kann. Daher ist der Durchbruch einer neuen Antriebstechnologie immer auch an die Verfügbarkeit einer entsprechenden Infrastruktur gekoppelt. Dies zeigt sich insbesondere bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, ganz gleich, ob es sich dabei um batterieelektrische oder mit einer Brennstoffzelle ausgerüstete Modelle handelt. So erklärten sich Fahrzeughersteller vor ein paar Jahren noch das Zögern der Kunden beim Thema Elektromobilität damit, dass eine entsprechend ausgebaute Ladeinfrastruktur fehlte. Auch heute sind noch Vorbehalte gegenüber dieser Antriebsform vorhanden, wenngleich die heute geförderten Plug-in-Hybride (PHEV) mindestens 60 Kilometer rein elektrisch zurücklegen können und batterieelektrische Kleinstwagen wie der VW e-up! mit seiner 32-kWh-Batterie realitätsnahe WLTP-Reichweiten von über 250 Kilometer aufweisen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass gemäß Angaben der Bundesnetzagentur am 1. Juni 2022 insgesamt 52.605 Normalladepunkte sowie 9.395 Schnellladepunkte öffentlich zugänglich waren. Im Vergleich hierzu gab es Ende 2021 gerade einmal 14.459 Tankstellen in Deutschland. Natürlich sollte man hierbei erwähnen, dass sich an einem Ladepunkt nicht mehrere Fahrzeuge gleichzeitig laden lassen, während an einer Tankstelle oftmals mehrere Tanksäulen für die Versorgung mit Kraftstoff zur Verfügung stehen. Aber: Ladepunkte lassen sich nahezu überall realisieren, wo auch ein Stromanschluss vorhanden ist. Die Zahlen der Bundesnetzagentur beziehen sich ausschließlich auf die öffentlich zugänglichen Ladepunkte; Ladepunkte auf Betriebsoder Privatgeländen werden nicht berücksichtigt, genauso wie die Möglichkeit des Ladens über den Schuko-Stecker.
Die dezentrale Energieversorgung, da wo das Fahrzeug parkt, also in der Stadt, auf der Arbeit oder zu Hause, ist ein Trumpf der Elektromobilität. Doch da trotz steigender Zulassungszahlen von (teil-)elektrisch angetriebenen Fahrzeugen längst nicht jeder Fuhrpark rein elektrisch unterwegs ist, haben Tankstellen noch lange nicht ausgedient. Im Gegenteil, dieser Energiemix ist auch für die Anbieter von Multi-Energie-Tankstellen und Hybrid-Tankkarten ein Gewinn: „Die Elektrifizierung von Fuhrparks ist heute die wesentliche Herausforderung für Flottenverantwortliche. Verwaltung, Buchhaltung, Monitoring und Reporting – auch im Hinblick auf die CO2-Bilanz – sind bei gemischten Flotten sehr viel komplexer als bei rein konventionell motorisierten Fuhrparks. Unser Ziel ist es, unseren Kunden immer die bestmögliche und einfach zu nutzende Lösung für ihren Fuhrpark zu bieten, unabhängig von der Art der genutzten Antriebe. Wir wollen alle benötigten Mobilitätsservices aus einer Hand bieten, denn so erleichtern wir unseren Kunden ihre gesamte Flottenverwaltung. Ein Anbieter, eine Rechnung, das ist unser Anspruch“, erklärt Richard Röhr, Sales Director DACH bei UTA Edenred. Gerade auf der Langstrecke und bei Reisen wird die Tankstelle als Energielieferant auch für Elektrofahrzeuge nach wie vor interessant bleiben. Der Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur über das Tankstellennetz ist heute bereits in vollem Gange: So gibt es in Deutschland bereits rund 700 Aral pulse Ladepunkte an über 100 Aral-Standorten. Mit einer Ladeleistung von bis zu 350 Kilowatt soll es über Aral pulse möglich sein, mehrere Hundert Kilometer Reichweite innerhalb von zehn Minuten nachzuladen; die passende Ladetechnik am Fahrzeug vorausgesetzt. Zudem kündigten im Mai 2022 Shell und ABB E-Mobility den Aufbau des ersten deutschlandweiten Netzes mit der Schnellladesäule Terra 360 an. Mehr als 200 der Ladesäulen mit einer Leistung von je bis zu 360 kW sollen in den nächsten zwölf Monaten an den Shell-Tankstellen in Deutschland in Betrieb genommen werden. Unter dem Namen „Shell Recharge“ sind heute bereits viele Tankstellen mit 150-kW-DC-Ultraschnellladesäulen ausgestattet, die zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden.
Die Entwicklung des Tankstellenund Hybridtankkartengeschäfts hängt auch stark davon ab, wie schnell sich (teil-)elektrisch angetriebene Fahrzeuge im Fahrzeugbestand in Deutschland durchsetzen können. Ein Wandel in der Mobilität geschieht nicht von heut auf morgen und erfordert auch aufseiten der Anbieter ein Umdenken: „Den Wandel der Mobilität haben wir bei der Westfalen AG bereits vor der Pandemie erkannt und uns darauf vorbereitet – Mobility Hub ist hierbei das richtige Stichwort. Alternative Antriebsarten rücken vermehrt in den Fokus: neben Elektromobilität auch LNG, CNG und Wasserstoff. Damit gehen auch verschiedene Erwartungen und Ansprüche der Autofahrer*innen einher. Viele Flotten nutzen bereits verschiedene Antriebsenergien, die Infrastruktur in den jeweiligen Bereichen ist unterschiedlich ausgebaut. Für viele Fuhrparkmanager*innen stellt dieser Wandel eine große Herausforderung dar. Die Mitarbeiter*innen müssen flexibel sein und wissen, wo sie das Fahrzeug zu welchem Preis betanken können. Westfalen hat das Problem erkannt und trägt bereits zum Aufbau der Infrastruktur in diesen Bereichen bei“, gibt Marc Fasel, Leiter Mobilität • BU Mobility bei der Westfalen AG, zu verstehen.
Die COVID-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben in den letzten Monaten auch zu mehr Verunsicherung bei vielen Kunden geführt, insbesondere bezüglich der Kosten. Für Anbieter bedeutet dies, Transparenz ist eines der höchsten Güter: „Das Wichtigste ist erst einmal, unseren Kunden einen Überblick über die Situation in Europa zu verschaffen. In welchem Land gibt es welche staatliche Unterstützung, um die Kraftstoffpreise abzufedern? Wir bieten unseren Kunden deshalb tagesaktuelle Informationen zu den jeweiligen staatlichen Subventionierungen in ganz Europa. Zudem stellen wir detaillierte Übersichten zu Preisverläufen und Durchschnittspreisen zur Verfügung. Transparenz ist im Augenblick das Entscheidende“, erklärt Sven Mehringer, Managing Director Energy & Vehicle Services bei DKV Mobility.
Vielfältige Ansätze in der Tankstellenbranche, aber auch von externen Anbietern zeigen, dass die Tankstelle der Zukunft wohl eher einem Mobilitätshub entsprechen wird. Dieser Hub stellt dann einerseits einen technischen Schnittpunkt unterschiedlicher Formen digital gemanagter Mobilität dar, andererseits aber auch einen realen Treffpunkt für Nutzer dieser modernen Mobilitätsalternativen, die auf ihrem Weg umsteigen, rasten und sich versorgen wollen. Das Bezahlen netzgebundener Medien (beispielsweise Strom) dürfte weitestgehend kontaktlos oder eben via App erfolgen. „Wir bieten unseren Kunden Mobilität entlang der Customer Journey. Es geht um die Verbindung und integrale Abrechnung der Ecosysteme Mobilität, Multi-Energie und perspektivisch auch der Reise-Conviences über nur eine Mobilitätskarte. Die Verbindung dieser Bausteine bis zum digitalen Bezahlen via Karte oder App bietet unseren Kunden eine maximale lokale bis europäische Beweglichkeit“, umreißt André Courteille, Leiter Fleet & Mobility bei der TotalEnergies Marketing Deutschland GmbH, die Entwicklungen im Tankstellenund Tankkartenbereich. Die Digitalisierung hat zunehmend auch Einfluss auf sogenannte Mobilitätskarten: „Flottenkunden setzen auf digitale Angebote und vollumfängliche Abrechnungslösungen. Dies hat die BayWa Mobility Solutions GmbH mit der Produktlösung fleet@all realisiert. Ob Ladungen im öffentlichen Bereich, Tankungen, Wäschen und Ladungen zu Hause, mit der BayWa fleet@all-Lösung rechnen wir den Fuhrpark auf einer Rechnung ab“, erläutert Marcel Heinze, Leiter Profitcenter Digital Mobility & Vertrieb Tank-/Ladekarten bei der BayWa Mobility Solutions GmbH. Obwohl zahlreiche Vorteile für den Einsatz von digitalen Angeboten sprechen, sind physische (Hybrid-)Tankkarten aus Sicht der Arval Deutschland GmbH längst noch nicht überflüssig: „Wir von Arval sind uns sicher, dass die Digitalisierung auch vor dem (Hybrid-)Tankkartengeschäft nicht haltmacht. Vor allem im Bereich App-basierter Zahlungsmöglichkeiten sehen wir großes Potenzial. Große Player wie DKV, Shell oder BayWa haben bereits vor der Corona-Pandemie an der Entwicklung digitaler Tankkarten gearbeitet und diese auch für ihre Kunden angeboten. Derzeit machen Apps die physische Karte noch nicht überflüssig, möglicherweise fällt diese jedoch in Zukunft weg.“
Fazit: Alternative Antriebsformen, insbesondere die Elektromobilität, werden den Fahrzeugbestand in den nächsten Jahren weiter durchdringen. Das führt dazu, dass Tankstellen, wie wir sie heute noch kennen, sich verändern und zu Mobilitätshubs avancieren. Hybrid-Tankkarten bieten Flotten mit verschiedenen Antriebskonzepten dabei die Möglichkeit, auch zukünftig flexibel auf die jeweiligen Anforderungen zu reagieren. Nicht zuletzt sind sie Wegbereiter für digitale Abwicklungsverfahren, welche vorteilhaft in Hinblick auf Zeitersparnis, Sicherheit und Komfort sind. Ob die (Hybrid-)Tankkarte in Zukunft noch physisch vorhanden ist oder in einer App hinterlegt, ist dabei eigentlich nebensächlich.