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Angekommen sind sie dort nie, sondern einfach nur im Kreis gelaufen und wieder nach Hause zurückgekehrt. Trotzdem waren sie immer „relaxt“, entschleunigt bis zum Geht-nicht-mehr. Ein Leben am Rande des Nichts, und nicht umsonst heißt seine Biografie „Wer fast nichts braucht, hat alles“. Eigentlich ein fantastisches Motto, was wir uns heute zu eigen machen sollten. 

Panama wäre als mittelamerikanischer Staat weitgehend uninteressant, wäre da nicht dieser Panamakanal. Eine komplizierte Konstruktion über 82 Kilometer, 1914 eröffnet und Ende 1999 von den Vereinigten Staaten als unveräußerliches Eigentum an das panamaische Volk übergeben worden. Der Kanal verbindet den Atlantik mit dem Pazifik und erspart aufwendige Fahrten um Kap Hoorn oder über die Magellanstraße am untersten Ende Südamerikas.

Anders als der Suezkanal, der ein reiner Meerwasserkanal ist, hat der Panamakanal mit einem Höhenunterschied von 26 Metern zu kämpfen, was den Einsatz mehrerer Schleusen bedeutet. Er stellt eine Haupteinnahmequelle des panamaischen Bruttoinlandsprodukts dar. Makaber ist, dass der Suezkanal durch ein Schiff unter panamesischer Flagge („Ever Given“) über Tage blockiert worden ist. Durch einen Sandsturm und daraus resultierende schlechte Sicht war das 400 Meter lange Containerschiff auf Grund gelaufen. Tiger und Bär hätten sich den Kanal bestimmt gerne mal ganz entspannt angesehen.

Bei uns ist aber gerade nichts mehr so richtig entspannt. Selbst in Videokonferenzen scheint sich eine Art aggressive Grundstimmung breitzumachen. Vielleicht trägt wesentlich dazu bei, dass wir seit Monaten ständig vor dem Rechner zu Hause hocken. Mobilitätsverlust ist halt auch eine psychische Belastung. Und die Meldungen aus der Politik sind ja auch nicht gerade dazu angetan, die Stimmung in eine andere Richtung zu lenken. Ganz im Gegenteil, wir erleben da so eine Art politischen Klimawandel. 

Apropos Klimawandel: Der Polarwirbelsplit zeigt (jetzt) eindrücklich, wie eigentlich recht abstrakte meteorologische Phänomene reale und fühlbare Auswirkungen haben können. Die Verlangsamung insbesondere der Jetstreams sorgt dafür, dass Wetterlagen über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben und es keine schnellen Änderungen mehr gibt. Lange Regen, lange trocken, lang kalt oder heiß. Und wenn die Sache mit dem Versiegen des Golfstroms Realität wird, wie neue Studien nahelegen, werden wir in Europa nochmals vor ganz anderen Problemen stehen. 

Doch zurück zu den irdisch-menschlichen Problemen. Da ist dann tatsächlich vom „Traumduo“ Spahn-Scheuer die Rede, sollte dann wohl besser „Albtraumduo“ heißen. Wie man so viel in so kurzer Zeit versemmeln kann, ist schon aller Ehren wert. Damit hat sich Deutschland nachdrücklich als Logistikstandort weltweit empfohlen. Da passt einfach alles zusammen: Unfähigkeit, Inkompetenz und Überheblichkeit. Fehlt da noch etwas?

Manchmal fühlt man sich da ein wenig an die griechische Mythologie erinnert. Ein genauerer Blick darein ist hochinteressant und sehr lehrreich. Die ganze Geschichte ist ein wenig kompliziert. Alles, was man weiß, stammt aus der Zeit so 700 vor Christus, und zwar neben Homer mit seiner Ilias und der Odyssee hat der Dichter Hesiod den wichtigsten Beitrag geleistet („Werke und Tage“ sowie „Theogonie“). Damals wurde man für das Erfinden von Geschichten noch verehrt. Heute sieht das bekanntermaßen ein wenig anders aus. 

So beauftragte der Cybergott Zeus seinen Kumpel Hephaistos, eigentlich zuständig für Feuer und Schmiedekunst, eine Frau namens Pandora aus Lehm zu erschaffen.

Für jede Partnervermittlung heute eigentlich eine Pleiteerklärung, Lehm habe ich jeden Tag nach meinem Hundespaziergang zur Genüge an den Schuhen. Die ganze Sache galt als Racheakt für den Diebstahl des Feuers durch Prometheus. Wie gesagt, ein wenig verwickelt ist die Geschichte.

Nun kommt aber der Gag in der Kurzdarstellung: AUTOR Pandora bekommt eine Büchse mit auf den Weg (Pfand unbekannt). Sie sollte diese den Menschen übergeben, aber mit der Maßgabe, sie auf keinen Fall zu öffnen. Wie es dann aber so kommt, hatte sie (nach der Hochzeit mit Prometheus Bruder Epimetheus) nichts Besseres zu tun, als die Büchse zu öffnen. Damit kamen alle Übel über die Menschheit wie Krankheit und Tod, ja und sogar Arbeit! 

Eigentlich sollte der Büchse am Ende dann auch noch „Hoffnung“ entweichen. Sie wurde aber leider wieder verschlossen. Ob sie nochmals geöffnet wurde, ist nicht belegt, darüber streiten die Historiker. Um dem ganzen Treiben, auch mit Blick auf unsere momentane Situation, die Krone aufzusetzen (nicht die der Queen!), hat der bekannte Philosoph Friedrich Nietzsche gesagt, das größte aller Übel ist die Hoffnung (geschrieben in „Menschliches, Allzumenschliches“). Denn die Hoffnung würde nur „die Qual der Menschen verlängern“.

Das klingt alles nicht besonders gut, aber irgendwie spiegelt das schon die Situation wider, in der wir sind. Es scheinen sich die Entwicklungen in irgendeiner Form selbst zu überholen. Man ist da auch ein wenig an Lucky Luke erinnert, dem Cowboy aus den Comic-Heften, der seinen Colt schneller ziehen konnte als sein Schatten. Solche Leute bräuchte man jetzt. 

Eher allerdings ist man an den Straßenfeger „Timm Thaler“ von 1979 erinnert, der sein Lachen verkauft hat. Dafür würde man heute kein Geld kriegen, zu lachen gibt es eh nichts mehr. Da werden in großem Stil Schnelltests vertickert, wobei man nicht mal an eine einigermaßen vernünftige Anwendung im privaten Bereich glauben kann. Es hilft hier nur dreierlei: impfen, impfen, impfen.

Derweil die Demonstrationen gegen Anti-Corona- Maßnahmen an Fahrt aufnehmen. Da treffen sich in Kassel mal locker 20.000 und gehen auch gegen die Polizei vor. Schlimmer noch, es werden auch überall Rettungskräfte attackiert. Bei diesen Meldungen ist so ein kleiner Vulkanausbruch auf Island fast schon eine gute Meldung. Keine Vulkanasche, die den Flugverkehr lahmlegt, wie das 2010 bei dem Vulkan mit dem für mich immer noch unaussprechlichen Namen „Eyjafjallajökull“ der Fall war. Es tritt nur ein wenig Magma aus, keine große Sache dort. 

Island hat auch eine interessante Sicherheitsstrategie, aus der wir lernen können. Jeder muss auf sich selbst aufpassen, es wird nicht alles von oben geregelt. An steilen Abhängen und Wasserfällen gibt es keine Absperrung, das habe ich mir vor etwas über einem Jahr selbst angeschaut. Da laufen Chinesen in Badelatschen (Flip-Flops) auf spiegelglattem Grund bis an den Rand des Abgrundes. Man muss nicht alles verstehen.

Wie das mit der Mobilität weitergeht, oder besser fährt, ist letztendlich vollkommen unklar. Der ÖPNV wird lange brauchen, um sich zu erholen. Nur noch 30 Prozent Fahrgäste im Vergleich zu früher. Es fällt jede dritte Verbindung aus, das Vertrauen ist sowieso weg. Die Transportbetriebe sind finanziell ebenso am Abgrund, ohne Absperrung. Also wieder zurück in den eigenen Pkw, ob privat oder aus der Flotte. 

Nun kann man lange darüber diskutieren, wer die aktuelle Pandemie-Büchse geöffnet hat. Die Gerüchte um Laborversuche in Wuhan kursieren nach wie vor, doch der Virus soll angeblich schon viel früher unterwegs gewesen sein. Der wenig bekannte Begriff der Zoonose kommt dann ins Spiel, Virenübertragung vom Tier auf den Menschen, aber auch umgekehrt. Hinterher ist man immer klüger, klar, aber hilft das dann wirklich? Man sollte sich lieber auf die nächste Pandemie einstellen, anstatt über den aktuellen Zustand zu jammern.

Da kann man dann auch über die Macht von Gedanken philosophieren. In „Der Schrecken der Medusa“ kann Richard Burton Flugzeuge abstürzen lassen oder Kirchen zum Einsturz bringen. Das soll jetzt kein weiterer Exkurs in die griechische Mythologie sein, Medusa war da auch im Spiel. Aber wie schon gesagt, man kann da viel lernen. 

Schauen wir uns mal die automobile Zukunft näher an. Wird wirklich, wie mein (ehemaliger) Kollege Ferdinand Dudenhöffer prognostiziert, ab 2035 kein Verbrenner mehr auf der Straße sein? Eine steile These, hat sie am Ende doch keinen Gehalt. Hat vielleicht auch damit etwas zu tun, dass eine Studie (von Physikern!: „Die Grenzen der Erde“) ab 2036 eine deutliche Verknappung der Erdölressourcen vorausgesagt hat. Dann wird es nochmals deutlich teurer als heute schon.

Man muss sich natürlich auch vor Augen halten, dass die Vorkommen der Erde, was insbesondere die für Elektromobilität erforderlichen Rohstoffe angeht, begrenzt sind. Da handelt es sich um Lithium, aber auch um Kobalt und Kupfer. In der Wissenschaft wird immer von „Skalierbarkeit“ gesprochen. Wie kann man kleine Lösungen auf den großen Markt bringen? Man sieht das gerade bei den Impfdosen. Das ist nicht so einfach, diese Dinge hochzurechnen. Und Rechnen allein hilft nicht, es muss ja am Ende auch technisch umsetzbar sein.

Man muss sich da wahrscheinlich ein Beispiel an Reinhold Messner nehmen. Die Philosophie der Bergbesteigung vor ihm war geprägt von Megaunternehmungen. Er war dann der erste, mit seinem Kumpel Michael Dacher, der vor über 40 Jahren den K2 ohne Sauerstoffmaske bezwang. Nadelstichartig ging es da rauf, damit hatte er eine neue Ära der Bergbesteigung eingeleitet. Vor Corona habe ich ihn noch im Flugzeug getroffen. 

Die Welt wird nach Corona eine andere sein. Aber wenn wir jetzt anfangen, alle Grenzen über den Haufen zu werfen, werden wir ganz schnell auf einen wahrscheinlich noch schlimmeren Zustand zurückgeworfen werden, als wir ihn vorher schon hatten. Von der Politik allein gelassen, muss auch ich als Dekan der Fakultät für Physik der Universität Duisburg-Essen einsame Entscheidungen fällen.

Wir sind in einer entscheidenden Phase. Was mir nur zu denken gibt, ist, dass die Menschen das nicht realisieren. In der Physik wird schon lange diskutiert, ob es „Paralleluniversen“ gibt. Dass diese so konkret werden könnten innerhalb kürzester Zeit, ist erstaunlich, ja beängstigend. Es driftet in der Gesellschaft ein Teil einfach ab, wie beim Segeln. Zu befürchten ist, dass diese Entwicklung noch eine ganze Weile anhält. Aus der Nummer kommen wir so schnell leider nicht raus. 

Genauso beängstigend ist die Tatsache, dass man den apokalyptischen Warnungen vor Corona nicht mehr entkommen kann. Selbst wenn man sein Smartphone in den nächsten Fluss schmeißt und Fernsehen und Zeitungen ignoriert, die Schrecken der Corona-Medusa holen einen ganz schnell ein. Überall und an jeder Ecke wird man damit bombardiert und quasi „gefoltert“. Da wünschte man sich auch ein eigenes Paralleluniversum, um sich darein zu flüchten.

Und dann wird sich an der ganzen Pandemie auch noch reichlich bereichert. Insbesondere die Maskenwirtschaft scheint da ein willkommenes Betätigungsfeld zu sein. Wie sagte schon Goethe so schön in Faust 1: „Nach Golde drängt, Am Golde hängt Doch alles. Ach wir Armen.“ Pandora lässt grüßen!

 

AUTOR

PROFESSOR DR. MICHAEL SCHRECKENBERG, geboren 1956 in Düsseldorf, studierte Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promovierte. 1994 wechselte er zur Universität Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von Transport und Verkehr erhielt. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders im Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem Verhalten darauf. 

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Onlineverkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein-Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen bei Evakuierungen.