
Tankstelle (und davon gibt es in Deutschland über 14.000 Stück) anfahren, Klappe auf und Rüssel rein: Nach maximal vier bis fünf Minuten fasst der Tank wieder so viel Energie, dass es 500 bis 600 Kilometer ohne weiteren Stopp gen Ziel geht. Das klappt selbst mit den reichweitenstärksten batterieelektrischen Fahrzeugen noch nicht. Ein 100-kWh-Akku steckt nur in entsprechend großen Autos, die wiederum so viel Energie verbrauchen, dass kaum mehr als 400 Kilometer drin sind. Und das auch nur bei idealen Außentemperaturen und behutsamer Fahrt. Kälte geht gleich aus mehreren Gründen auf die Reichweite: Denn erstens wird die Heizung aus der Traktionsbatterie gespeist und zweitens nimmt die Leistungsfähigkeit heute eingesetzter Lithium-Ionen-Batterien bei niedrigen Temperaturen ab. Ja, eine Wärmepumpe schafft leichte Abhilfe, aber hier macht der hohe Wirkungsgrad der E-Technologie einen Strich durch die Rechnung – denn es fällt einfach nicht genug Wärme ab, als dass eine leistungsfähige Klimatisierung möglich wäre.
Die Ausgangslage: In aktuellen Elektroautos eingesetzte Lithium-Ionen-Batterien arbeiten mit einer sogenannten Elektrolytflüssigkeit. Das heißt, die Ionen – so nennt man die geladenen Teilchen – fließen in dieser Flüssigkeit, die man sich als zähe „Creme“ vorstellen muss, zwischen Plus- und Minuspol hin und her. Wird es draußen kälter, wird auch die Elektrolytflüssigkeit noch zäher, dann wächst der Widerstand und die Ionen wandern langsamer zwischen Kathode und Anode (plus und minus). Dieses Phänomen hat die Wissenschaft längst erkannt und arbeitet mit Hochdruck an einer Nachfolger-Generation – sogenannte Feststoffakkus werden in absehbarer Zeit in Serienproduktion gehen. Volkswagen- Chef Herbert Diess hatte unlängst bekanntgegeben, dass der Konzern bis zum Jahr 2025 Feststoffakkus in die Serie bringen möchte. Das wären nur noch vier Jahre – in Automobilzyklen gemessen wirklich keine lange Zeit mehr. Und mit den Feststoffbatterien könnte man gleich noch diverse weitere Probleme lösen.
Nicht nur, dass dieser Batterietyp weitgehend unempfindlich gegen Kälte wäre: Die Energiedichte würde drastisch steigen. Derzeit ist es so, dass sich im Bereich der Anode, also des Minuspols, Kristalle bilden können – besser bekannt als Dendriten. Sie entstehen bei der häufigen Anlagerung von Lithium an der Anode, was im Laufe des elektrochemischen Arbeitsprozesses der Batterie über das Flüssigelektrolyt ja ständig geschieht. Diese Dendriten sind scharf und spitz ausgeformt, sodass sie den Separator durchstoßen können, was zu den bekannten Akkubränden aufgrund von Kurzschlüssen führen kann. Also installieren die Ingenieure auf der Anode eine Schutzschicht aus Graphit, um diese Kristallbildung zu verhindern und die Batterien sicherer zu machen. Genau dieser Schutz aber wiederum senkt die Energiedichte. Kommt man jedoch ohne dieses Graphit aus, was bei Festkörperakkus der Fall ist, könnten die Speicher doppelt so viel Strom speichern. Ein kompaktes BEV, das heute mit 400 Kilometern Reichweite glänzt, läge dann bei satten 800 Kilometern – da kämen selbst die härtesten Reichweitenskeptiker ins Grübeln.
Allerdings ist die reine Reichweite auch nicht der entscheidende Faktor. Denn eine volle Batterie mit Energie für viele Hundert Kilometer ist ja schön und gut – aber was, wenn der große Speicher wieder befüllt werden muss? Heutzutage benötigt ein handelsüblicher Lithium-Ionen- Akku abhängig vom Lademanagement bis zu einer Stunde, um an einem Schnelllader wieder auf 90 Prozent vollgeladen zu werden. Doch das ist zu langsam, um die Elektromobilität vollends alltagstauglich zu machen. Das Argument, man werde sich schon irgendwie arrangieren, hilft nicht weiter. Wenn die E-Mobilität einen Durchbruch erleben will, muss das Kapitel der Praktikabilität dringend angegangen werden. Hier müssen es BEV dann mit heute üblichen Verbrennern aufnehmen können. Fünf bis zehn Minuten für einen Ladevorgang mögen erträglich sein, bei einer deutlich längeren Zeit ist fraglich, ob potenzielle Kunden mit den entsprechenden Einbußen im Alltag leben könnten, zumindest Langstrecken-Nutzer.
Die Hoffnung ruht auf einem leichten, aber ziemlich festen Material: Graphen. Der chinesische Autokonzern GAC habe eigenem Bekunden nach bereits einen Graphen-Akku in der Enderprobung, der mit 600 Ampere binnen zehn Minuten vollgeladen werden könne. Wie weit der GAC-Akku wirklich fortgeschritten ist, lässt sich derzeit aufgrund der dürftigen Datenlage schwer sagen. Zu dieser Einschätzung kommt auch der Batterieexperte Professor Ulrich Schubert, seines Zeichens Chemiker an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Entscheidend für die Demokratisierung eines solchen Speichers sind auch die Graphen-Kosten – denn der Werkstoff mit der extrem guten Leitfähigkeit ist leider auch extrem teuer. Aber Graphen-Batterien werden kommen – auch die nahe Dresden ansässige Firma Skeleton Technologies forscht mit Hochdruck auf diesem Gebiet. Doch selbst wenn es gelingen sollte, einen Akku zur Serienreife zu bringen, der sehr schnell aufgeladen werden kann, bleibt immer noch die Herausforderung, derart leistungsfähige Ladesäulen zu installieren. Um den Strombedarf zu verdeutlichen: Um 60 kWh binnen weniger als zehn Minuten in eine Batterie zu powern, sind konstant 500 Kilowatt nötig – damit könnte man auch rund 70 Küchenherde mit vier Kochplatten bei voller Auslastung betreiben.
Doch neben Zielgrößen wie Ladetempo und Energiedichte muss der Umweltaspekt weiter im Blick gehalten werden. Denn erstens wird Lithium langfristig zum knappen Gut und und zweitens ist dessen Abbau auch umweltschädlich. Dieser verändert die Grundwasserspiegel von Dörfern und kann für die Kontamination von Süßwasser sorgen. Längst forschen Wissenschaftler bereits an Alternativen und sprechen von Natrium-Ionen- Akkus – denn Natrium ist viel einfacher zu gewinnen. Allerdings taucht hier wieder das Problem mit der Energiedichte auf. Auch die Tage des unter schwierigen Arbeitsbedingungen zu gewinnenden Schwermetalls Kobalt dürften gezählt sein. Es bleibt spannend in der Batterietechnik – denn klar ist: Nur wenn es performante Batterien gibt, wird das Gros der Bevölkerung mitziehen – denn Alltagstauglichkeit ist das oberste Gebot, auch bei batterieelektrischen Autos.