
Eines ist klar: Der neue Volkswagen ID.3 ist offensichtlich ein Fest für Passanten. Wann immer der in Makena-Türkis lackierte Wolfsburger auftaucht, dreht er Köpfe, als habe er eine magnetische Anziehungskraft. Sicher, die Farbe verstärkt den futuristischen Eindruck, aber es ist auch das Karosseriedesign und seine Lichtelemente. Markante Umrandungen der modern-geschwungenen Scheinwerfer machen neugierig, und eine über die gesamte Front führende Lichtleiste hat etwas Zukunftsweisendes. Dazu noch das weiße Volkswagen-Logo, perfekt ist der Stilmix der Moderne. Der ID.3 wird eindrucksvoll in Szene gesetzt und inszeniert sich selbst – beispielsweise, indem das Leuchtspektakel schon startet, wenn man sich dem Auto mit Schlüssel in der Tasche nähert. Dann begrüßen den Passagier die beschriebenen LED-Leisten. Und auch bestimmte Fahrzeugstatus werden von Licht begleitet, so auch das Laden mit einem grünen Schein im unteren Bereich der Frontscheibe, so dass man sichergehen kann, der lautlose Star saugt am Stromnetz.
Ein Blick auf die vom Kraftfahrtbundesamt herausgegebenen Zahlen zeigt, dass der ID.3-Verkauf Fahrt aufnimmt. Die Produktion läuft hoch, inzwischen bevölkern schon deutlich über 10.000 Exemplare heimische Straßen. Der Erfolg mag auch darin begründet sein, dass der Wolfsburger aller Jugendlichkeit zum Trotz eine konservative Note nicht verleugnen kann. Das Heck wirkt zwar eigenständig mit der schwarz abgesetzten Kofferraumklappe und den grazilen Rückleuchten, vermittelt aber dennoch einen Hauch von Golf, was wiederum Vertrauen schafft. Dieses ist so ausgeprägt, dass vorbeigehende Interessierte manchmal „Elektrogolf“ brabbeln, obwohl das weiße „ID.3“-Badge kaum zu übersehen ist. Die ID-Modellsparte zu entwickeln, war durchaus ein smarter Schachzug von Volkswagen. Anhänger dieser Division fußen auf dem modularen Elektrobaukasten – Vorteile beim Packaging batterieelektrischer Fahrzeuge sind die Nutzung des Bauraums und beispielsweise großzügige Platzverhältnisse innen trotz kompakter Außenabmessungen, was in urbanen Gebieten vorteilhaft sein kann.
Bei einer Außenlänge von nur 4,26 Metern kommt der ID.3 auf einen Radstand von 2,77 Metern, was schon Mittel- und nicht mehr Kompaktklasse entspricht. Doch die spannende Frage, die sich der geneigte Leser stellen dürfte, lautet sicherlich, wie praxistauglich ein ID.3 sein kann. Unser Testwagen mit mittlerer Batterie (58 kWh) erzielt bei kalter Witterung realistische Reichweiten von rund 300 Kilometern. Damit kann man schon arbeiten, wichtiger jedoch ist die Frage, was passiert, wenn die Batterie auf großer Fahrt zur Neige geht. Da hilft das hierzulande schon recht dichte Ladenetzwerk. Entlang der Hauptachsen und selbst im ländlichen Raum findet man hinreichend viele Schnellladesäulen, die den Strom wenigstens mit 50 kW, häufig aber sogar mit bis zu hundert kW in den Lithium-Ionen-Speicher pumpen. Fahrzeugseitig erlaubt der ID.3 mit dem 58 kWh-Akku ebenfalls einhundert kW. In der Praxis allerdings wird diese Ladeleistung säulenseitig ohnehin nur kurz erreicht – aber selbst mit der Hälfte sattelt man binnen 20 Minuten rund 40 Prozent Kapazität drauf, wenn die Batterie recht leer und gut temperiert ist. Damit kommt man im Falle des mittleren Akkus rund 120 Kilometer weit.
Das erfordert im Umgang mit längeren Strecken etwas Planung, ist aber handzuhaben. Wer häufig auf weite Tour geht, sollte netto 2.365 Euro mehr für das Modell Pro S ausgeben – hier ist ein 77 kWh-Akku inbegriffen, der mit satten 549 Kilometern WLTP-Reichweite gelistet wird. Doch jetzt ab hinters Steuer. Mit Schlüssel in der Tasche reicht es schon aus, sich auf dem Fahrersitz niederzulassen, um die Startbereitschaft zu aktivieren. „D“ per Drehschalter einlegen, und los gehts. Ein Blick auf die Pedale – Pause- und Play-Symbol – zeigt, dass der ID seine Eigner spielerisch an das Thema Elektromobilität bringen will. Ach ja, spielerisch – genau so geht die 204 PS starke E-Maschine mit dem 1,8-Tonner um, reißt ihn förmlich in Fahrt und setzt Pedalbefehle frappierend direkt in Vortrieb um. Natürlich, es müssen schließlich keine Übersetzungen gewechselt werden. Wenn der Verbrenner kurz vor dem Gangwechsel noch Luft holt, klebt der Fahrerrücken im ID schon fest an der Lehne. Dabei fällt der werkseitig angegebene Standard-Sprint bis 100 km/h mit 7,3 Sekunden weniger spektakulär aus, als sich der Schub anfühlt.
Mit der Heckantriebseinheit wird der E-Volkswagen außerdem zum sportiven Landstraßen- Schreck, zoomt sich flugs von Kurve zu Kurve und verliert dabei dennoch das Komfort- Thema nicht aus den Augen – ein Tourer par excellence. Und beim entspannten Dahincruisen hat man Gelegenheit, den Innenraum wirken zu lassen, der abgesehen von der Displaygrafik in Wagenfarbe eher funktional als flippig ist. Viele Taster braucht es nicht, weil die Architekten so gut wie alle Funktionalitäten auf den Touchscreen verlagert haben. Lautstärke und Temperatur werden zwar direkt angesteuert, allerdings auch per Sensorfläche auf dem schicken, schwarzen Kunststoff unterhalb des Monitors. Ein Weilchen muss man sich mit dem komplexen Menü auseinandersetzen, aber immerhin gestaltet sich der Aufbau intuitiv dank bestens verständlicher Icons.
Reden wir über Geld. Bezüglich Steuer sowie Unterhalt ist das Elektroauto natürlich im Vorteil. Vor allem Dienstwagenfahrer werden entlastet und müssen den privaten Fahranteil lediglich mit einem Viertel Prozent vom Bruttolistenpreis besteuern. Kfz-Steuern entfallen gar für zehn Jahre, und zusammen mit Bund und Hersteller erhält der Kunde 9.000 Euro Förderung, die vom Listenpreis heruntergeht. Dieser beträgt für die 204 PS-Variante ab netto 30.668 Euro, und der Kurs ist human, wenn man bedenkt, dass Features wie Bluetooth-Freisprechanlage, Einparkhilfe, diverse autonome Notbremsfunktionen inklusive Fußgänger- und Radfahrer-Erkennung, LED-Scheinwerfer, Navi, Spurhaltewarner und Verkehrszeichenerkennung serienmäßig sind. Unbedingt an Bord – das gilt für den ID.3 ebenso wie für alle anderen vollwertigen Autos – sollte der aktive Tempomat, der hier übrigens feinfühlig steuert und das Auto sanft herunterbremst, wenn der Vordermann seine Fahrt verlangsamt. Unter dem Strich fährt Volkswagens erstes Batterieauto, das für eine breite Masse zugänglich sein soll, gefühlt übrigens auch nicht anders als ein Verbrenner, zumal die Geräusche während der Fahrt ohnehin hauptsächlich durch den Wind entstehen.