
Flottenmanagement: Herr Ostermann, Sie wurden im April vergangenen Jahres zum Präsidenten des BDL gewählt. Mit welchen Erwartungen und auch Zielen sind Sie diese Position angetreten? Welche Änderungen konnten Sie bereits anstoßen?
Kai Ostermann: Bei meiner Amtsübernahme waren mit der Strategie „Leasing 2020“ schon entscheidende Weichen gestellt. Jetzt geht es darum, die Strategie kontinuierlich umzusetzen. Ein zentraler Punkt ist dabei, uns als Branche noch näher zur Realwirtschaft und zum deutschen Mittelstand zu positionieren. Nicht ohne Grund sagen wir: vom Mittelstand für den Mittelstand. Daraus folgt auch eine stärkere Vernetzung mit anderen Wirtschaftsverbänden. Bereits erfolgreich abgeschlossen ist die Eröffnung des BDL-Büros in Brüssel, mit dem wir näher am Puls sind, da viele regulatorische Vorhaben in Deutschland zunächst mit europäischen Verordnungen starten. Unser Grundanliegen ist jedoch, die Bedeutung der mittelständischen Leasingwirtschaft für die deutsche Wirtschaft zu betonen.
Flottenmanagement: Das Leasing mit Kilometervertrag konnte laut CVO Fuhrpark-Barometer 2017 erneut zulegen, auch in Zukunft scheint diese Form der Finanzierung bevorzugt zu werden. Was macht Leasing für Unternehmen im Allgemeinen so interessant? Und wo liegen die Vorteile in Bezug auf Unternehmensflotten?
Kai Ostermann: Das CVO Fuhrpark-Barometer verdeutlicht sehr gut, dass Leasing im Fuhrpark unverändert erste Wahl ist. Nach der Studie nutzen zwei Drittel der Flottenmanager in Deutschland Leasing, was im Übrigen deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegt. Wir haben hier also einen hoch entwickelten Markt mit einer sehr starken Akzeptanz. Auch unsere Marktzahlen zeigen, dass die Attraktivität des Fahrzeugleasings ungebrochen ist: So haben wir 2017 ein Wachstum des Neugeschäfts von 6,3 Prozent erzielt. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen bietet Leasing ergänzende Services, die Kunden auf unterschiedlichste Weise entlasten, damit sich diese auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können. Zum anderen können die Unternehmen immer wieder zu den aktuellsten Modellen wechseln. Das hat nicht nur Vorteile bei der Außenwirkung, vielmehr können Unternehmen ihren Dienstwagennutzern auch die modernste und damit sicherste Technik bieten. Zugleich lassen sich Unternehmensstrategien unter der Überschrift „Green Fleet“, sprich die Verbesserung der CO2-Bilanz und der Umweltfreundlichkeit, leichter umsetzen. Hier sieht man, dass der „grüne Gedanke“ längst kein Gimmick mehr ist, sondern Realität. Nicht zuletzt haben auch die klassischen Vorteile des Leasings wie Bilanzneutralität, Planbarkeit von Kosten und die Entlastung von der Wiedervermarktung nicht an Bedeutung verloren.
Holger Rost: Eins möchte ich ergänzen: Der administrative Aufwand in Unternehmen bezogen auf die Fahrzeugflotte hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Über Leasinggesellschaften sowie deren professionelle Servicepartner lässt sich dies bequem auslagern. Und das im Rahmen einer Kostenkontrolle, die nachweist, dass die Auslagerung für das Unternehmen auch in Bezug auf die Kosten attraktiv ist. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des Leasings: die professionelle Kostenkontrolle durch Reportingsysteme, die alle notwendigen Angaben zum Dienstwagen enthalten, einschließlich der für die Steuererklärung relevanten Größen.
Wenn wir dann noch kleine Unternehmen in die Betrachtung einbeziehen, die keinen Fuhrparkleiter haben und bei denen stattdessen ein Mitarbeiter die Flotten quasi nebenher betreut, ist es noch wichtiger, dass ein professioneller Anbieter zur Seite steht, der diese zusätzlichen Aufgaben übernehmen kann.
Flottenmanagement: Was erhoffen Sie sich von der neuen Bundesregierung? Wo sehen Sie Ansatzpunkte für eine engere Zusammenarbeit zwischen Regierung und Bundesverband?
Kai Ostermann: Auch wenn die Jamaika-Sondierungsgespräche gescheitert sind, haben wir positiv zur Kenntnis genommen, dass offensichtlich alle Parteien die Regulierung einfacher und proportionaler ausgestalten wollen. Das ist ein gutes Signal und bestärkt uns in unseren Forderungen. Wichtig bleibt, dass angemessene Rahmenbedingungen für Unternehmensinvestitionen nicht angesichts einer guten Wirtschaftslage und positiver Aussichten aus dem Blickfeld der Politik geraten. Dazu gehört, dass man den Bürokratieabbau weiter angeht und die steuerlichen Rahmenbedingungen im Blick behält. Zum Beispiel ist die Überarbeitung der AfA-Tabellen längst überfällig, denn diese sind seit 15 Jahren nicht angepasst worden, obwohl sich die Wertverläufe immer schneller ändern.
Nicht zuletzt bleibt unsere Forderung nach der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung bestehen. Die degressive AfA trägt dem tatsächlichen Wertverlauf einer Investition viel besser Rechnung. Nehmen Sie beispielsweise ein Fahrzeug: Das verliert nicht linear an Wert, sondern büßt zu Anfang in kurzer Zeit einen Großteil seines Wertes ein. Gegen Ende des Fahrzeuglebens ist die Wertverlustkurve hingegen flach, sodass das Fahrzeug über lange Zeit fast den gleichen Wert hat.
Flottenmanagement: Die Vorzeichen im Bereich des Mobilien-Leasings sind durchweg positiv. Worauf ist der Anstieg von gut sechs Prozent im Neugeschäft im vergangenen Jahr zurückzuführen? Wie sind die Aussichten für 2018?
Kai Ostermann: Wenn man das Jahr Revue passieren lässt, zeigt sich, dass das Fahrzeugleasing Treiber des Leasingwachstums gewesen ist. Sein Anteil am Neugeschäft ist mit rund drei Vierteln auch erheblich. Inzwischen sind 40 Prozent der Neuzulassungen Leasingfahrzeuge; nach Anschaffungswert liegt der Leasinganteil sogar bei fast 70 Prozent.
Für 2018 gehen wir davon aus, dass das Leasingneugeschäft mindestens in gleicher Höhe wächst wie die gesamtwirtschaftlichen Ausrüstungsinvestitionen. Nach jüngsten Prognosen sollen diese um fünf Prozent steigen. Von diesem Wachstum wird die Leasingwirtschaft sicher entsprechend profitieren.
Flottenmanagement: Im Bereich der Fahrzeugfinanzierung ist aktuell ein starker Wandel von Leasingunternehmen zu Mobilitätsdienstleistern zu verzeichnen. Wie sieht die Situation in anderen leasingrelevanten Branchen aus? Ist die Erweiterung des Angebotsspektrums für Leasingunternehmen eher als Zusatzgeschäft oder als Notwendigkeit zu sehen?
Kai Ostermann: Nahezu alle Leasinggesellschaften sind – in unterschiedlicher Ausprägung – bereits heute einer reinen Finanziererrolle entwachsen und decken zusätzliche Beratungsund Serviceangebote ab. Zudem hat sich eine Vielzahl von Leasingunternehmen auf Branchen oder Objektkategorien spezialisiert und konzentriert sich beispielsweise fast ausschließlich um das Fahrzeug-, Baumaschinen- oder IT-Geschäft. Andere Gesellschaften haben sich auf weitaus kleinere Nischen wie die Land- und Forstwirtschaft spezialisiert. Diese Expertise bietet den Kunden einen klaren Mehrwert. Gleichzeitig lassen sich darüber auch weitere Services anbieten, das reicht von der Objektversicherung über die Schadenregulierung bis zur Verwaltung des Gesamtobjekts. Dies stellt eine starke Differenzierung Differenzierung von der reinen Finanzierung dar, denn klassische Finanzierer können diese Services nicht abdecken.
Holger Rost: Das Fahrzeugleasinggeschäft mit seinen Services war eine Art Impulsgeber für andere Branchen, indem hier Servicekomponenten zum reinen Finanzierungsgeschäft hinzukamen. Entscheidend für den Erfolg von Services ist, dass die Mitarbeiter in den Leasinggesellschaften oftmals keine Banker sind, sondern aus den einzelnen Branchen kommen und über ein entsprechendes Objekt-Know-how verfügen. Daher können Leasinggeber einschätzen, welche Services der Kunde braucht, wo es sinnvoll ist, bestimmte Services auszulagern, und daraus auf den Kunden zugeschnittene Angebote entwickeln. Serviceleistungen sind auch eine Notwendigkeit, um sich am Markt behaupten zu können.
Und die Bedeutung von Services steigt: Wenn man heute auf Mobilitätskonzepte schaut, ein in der Fahrzeugfinanzierung gängiger Begriff, kann man einen großen Trend erkennen. Es werden einfach Kilometer eingekauft, unabhängig davon, ob diese Kilometer mit der Bahn, dem Flugzeug oder mit dem Auto zurückgelegt werden. Dies lässt sich noch nicht auf alle Leasingsegmente übertragen und ist auch ein Stück weit von der Region, in der wir uns bewegen, abhängig. Beispielsweise sind Carsharing-Angebote nur in Großstädten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln oder München lohnenswert, wohingegen sie in ländlichen Regionen nicht Fuß fassen können.
Ohne Frage sind auch die Digitalisierung und die Möglichkeiten, die sich in Kombination mit der Digitalisierung ergeben, wichtige Entwicklungsfelder: Während wir früher über Modelle wie „pay-per-use“ gesprochen haben, geht es heute darum, digitale Zusatzangebote zu generieren. Beispielsweise im Maschinenbereich eine Art „predictive maintenance“ anzubieten, sprich die Wartung über Sensoren so zu bestimmen, dass die Arbeitsabläufe des Kunden nicht gestört werden. Und hier werden in den nächsten Jahren durch die Digitalisierung und die technische Weiterentwicklung viele neue Services entstehen.
Flottenmanagement: Die Digitalisierung ist in aller Munde und verheißt positive Aussichten für ein Wirtschaftswachstum. Welche Digitalisierungsstrategien sind für die Leasingwirtschaft interessant?
Kai Ostermann: Die Digitalisierung ist auf drei Ebenen für die Leasingwirtschaft interessant: Zum einen haben wir Kunden, die sich der Digitalisierung stellen müssen. In ihren Unternehmen stehen Investitionen an, da sie mit der alten Technologie nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die zweite Ebene sind die bereits angesprochenen neuen Produkte. So lassen sich über die Digitalisierung ganz neue Leasingmodelle entwickeln, die voraussichtlich auch nutzungsorientierter werden. Ich würde sogar so weit gehen, dass das Leasing unter Digitalisierungsbedingungen eine Renaissance erleben wird, da Eigentum in der digitalisierten Welt an Bedeutung verliert. Dies wiederum kommt dem Leasing zugute, da hier seit jeher Eigentum eine untergeordnete Rolle spielt. Die Menschen wollen heute nutzen – das beginnt bei so einfachen Dingen wie dem Musikhören. Es werden keine CDs mehr gekauft, sondern Abos über Streamingplattformen wie Spotify abgeschlossen, die es ermöglichen, jederzeit und überall auf ein nahezu unbegrenztes Musikangebot zuzugreifen. Und dieses Verhalten wird sich mehr und mehr auch in geschäftlichen Aktivitäten wiederfinden. Leasinggesellschaften können wichtige Treiber dieser Entwicklung sein, wenn sie ihr Produktspektrum entsprechend ausrichten.
Last, but not least ist die Digitalisierung der eigenen Prozesse für Leasinggesellschaften ein relevantes Thema – das ist die dritte Ebene. Denn auch hier geht es darum, weniger Papierkram und mehr durchgängige Prozesse zu haben, das heißt weniger Medienbrüche und Schnittstellen.
Holger Rost: Ich möchte noch einmal auf den Punkt der engeren Zusammenarbeit mit der künftigen Regierung zurückkommen: Jede der Parteien hat Digitalisierung in ihrem Programm stehen und die Leasingwirtschaft steht bereit, die anstehenden Investitionen zu finanzieren – und das sind enorme Summen, die im Raum stehen. Hier sehe ich gutes Wachstumspotenzial für das Leasing, zumal die Leasinggesellschaften aufgrund ihrer Expertise prädestiniert sind, diese Investitionen zu realisieren. Das kann einen zusätzlichen Push für unser Geschäftsmodell geben, vorausgesetzt die Rahmenbedingungen stimmen.