
Gepäckverlust und –beschädigung bei Flugreisen
Für Flugreisende sind die Haftungsfragen bei Gepäckverlust im Wesentlichen im sogenannten Montrealer Übereinkommen (MÜ) vom 28. Mai 1999 geregelt, welches das Warschauer Abkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr weitestgehend abgelöst hat. Das Montrealer „Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr“ ist seit 2004 auch in Deutschland in Kraft. Im Kern regelt diese Übereinkunft (MÜ) die Haftung des vertraglichen Luftfrachtführers für Schäden, die während eines Fluges an Personen, Gepäck oder Fracht entstehen. Sie gilt nicht nur für internationale zivile Flugverbindungen, sondern durch die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen mittelbar auch für Flüge innerhalb Europas sowie im innerdeutschen Flugverkehr.
Nach dem Montrealer Übereinkommen liegen die Haftungsgrenzen bei Gepäckschäden (Beschädigung, Zerstörung oder Verlust des Gepäcks) sowie bei verspäteter Auslieferung des Reisegepäcks pro Fluggast – nicht pro Gepäckstück – bei bis zu 1.131 Sonderziehungsrechten, was umgerechnet circa 1.220 Euro entspricht.
Was rechtlich als „Schaden“ anzusehen ist, bestimmt sich nach dem neben dem Montrealer Überkommen anwendbaren Recht. Soweit deutsches Recht Anwendung findet, gelten neben vertraglichen Ansprüchen aus dem Beförderungs- und Frachtvertrag auch deliktische Ansprüche nach §§ 823 ff., 249 BGB. Dies bedeutet, der Fluggast muss in jedem Falle dazu in der Lage sein, seine gepäckbezogenen Ersatzansprüche darzulegen und im Streitfalle nachzuweisen, vor allem also dass und in welcher Höhe er einen Schaden erlitten hat.
Daher ist es vor allem aus Nachweisgründen praktisch gesehen unerlässlich, einen Gepäckverlust umgehend am Zielflughafen am Gepäck(verlust) schalter – meist einem bestimmten Schalter „lost and found“ – sowie zusätzlich bei der Fluggesellschaft zu melden. In der Regel wird dort ein Formular über den Gepäckverlust (Verlustprotokoll) ausgefüllt. Dieses sollte gut aufgehoben werden – zusammen mit dem Flugticket und den meist darauf festgeklebten Gepäckabschnitten, aus denen sich die entsprechenden Gepäck-Registrierungsnummern ergeben. Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ist es wichtig, alle Schadenbelege gut aufzubewahren.
Nach einer Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 15.05.2012, Az. I-3 U 59/11, 3 U 59/11) haftet der Luftfrachtführer auch bei Abhandenkommen von nicht aufgegebenem Reisegepäck einschließlich persönlicher Gegenstände nach Art. 17 Abs. 2 S. 3 MÜ, wenn der Schaden auf sein Verschulden oder das Verschulden seiner Leute zurückzuführen ist. So ergibt sich aus Art. 17 Abs. 2 S. 3 Montrealer Übereinkommen (MÜ) die nachvertragliche Nebenpflicht des Luftfrachtführers, im Flugzeug aufgefundene Gegenstände der Fluggäste für diese zu verwahren, sie also aufzubewahren und in Obhut zu nehmen, das heißt gegen Zerstörung, Beschädigung und Verlust zu schützen. Nimmt ein Mitarbeiter des Luftfrachtführers einen aufgefundenen Gegenstand an sich, so stellt dies keine bloße Gefälligkeit dar, sondern begründet dieselben Pflichten wie bei einem Verwahrungsvertrag nach § 688 BGB. Zu dem nicht aufgegebenen Reisegepäck einschließlich persönlicher Gegenstände zählen alle Gegenstände, die der Fluggast mit ins Flugzeug nimmt, also auch die im Flugzeug liegen gebliebene Brieftasche eines Fluggastes. Ein Mitverschulden des Fluggastes ist allerdings haftungsmindernd zu berücksichtigen. In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall des Verlustes einer Brieftasche von Louis Vuitton aus Epi-Leder mit 7.000 Euro an Bargeld nahm das Gericht ein hälftiges Mitverschulden (50 Prozent) des Fluggastes an. Dieser habe sich in erheblichem Maße nachlässig verhalten, als er sich beim Verlassen seines Sitzplatzes nicht vergewissert hat, ob er zusammen mit den ebenfalls auf den Sitz gelegten Zeitschriften auch die Brieftasche erfasst hat. Angesichts des Wertes der Brieftasche und des wertvollen Inhalts oblag ihm eine besondere Sorgfalt, sich zur vergewissern, ob er die Brieftasche beim Aussteigen mitgenommen hat.
Gepäckverlust und –beschädigung bei Bahnreisen
Bei Bahnreisen ist das Eisenbahnunternehmen verpflichtet, das Gepäck nebst Handgepäck eines Bahnreisenden entsprechend den Tarifbestimmungen zu befördern. Über aufgegebenes Gepäck wird ein gesonderter Reisegepäck-Beförderungsvertrag mit entsprechenden Obhutspflichten des Bahnunternehmers abgeschlossen. Daher haftet das Bahnunternehmen nur für den Verlust oder die Beschädigung des aufgegebenen und transportierten Gepäcks, und zwar unabhängig davon, ob ein Verschulden nachgewiesen werden kann oder nicht. Neben dem Gepäck-Beförderungsvertrag kommen das Frachtrecht sowie die Haftungsnormen der §§ 823 ff., 249 BGB zur Anwendung.
Die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Abl. L 315/14 DE vom 3.12.2007) gibt hier einen Regelungsrahmen vor: Art. 41 in Anhang I A Kap. III Abschnitt 1 regelt die Entschädigung bei gänzlichem oder teilweisem Verlust des Reisegepäcks. Wenn die Höhe des Schadens nachgewiesen ist, wird eine Entschädigung in der nachgewiesenen Höhe gezahlt, jedoch nicht mehr als 80 Rechnungseinheiten je fehlendes Kilogramm Bruttomasse oder 1.200 Rechnungseinheiten je Gepäckstück. Ist die Höhe des Schadens nicht nachgewiesen, gibt es nur eine pauschale Entschädigung von 20 Rechnungseinheiten je fehlendes Kilogramm Bruttomasse oder von 300 Rechnungseinheiten je Gepäckstück. Die konkrete Art der Entschädigung, je fehlendes Kilogramm oder je Gepäckstück, wird in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Bahnunternehmens festgelegt. Art. 43 regelt insoweit die Rechte bei Beschädigung des Gepäcks und bei dessen verspäteter Auslieferung.
Bei Verlust des Handgepäcks, für das der Bahnreisende regelmäßig selbst verantwortlich ist, haftet das Bahnunternehmen demgegenüber allenfalls dann, wenn ihm ein diesbezügliches Verschulden nachgewiesen werden kann. Art. 33 in Anhang I A Kap. III Abschnitt 1 der EG-Verordnung Nr. 1371/2007 regelt zur Haftung, dass der Beförderer für Schäden wegen gänzlichen oder teilweisen Verlusts oder wegen Beschädigung von Sachen und Handgepäck, zu deren Beaufsichtigung der Reisende gemäß Art. 15 verpflichtet ist, nur dann haftet, wenn ihn ein Verschulden trifft. Dieser Nachweis wird wenn überhaupt in den allermeisten Fällen nur unter großen Schwierigkeiten zu führen sein. So schließt dann auch die Deutsche Bahn in ihren Beförderungsbedingungen eine Haftung auch für stehen oder liegen gelassene Gepäckstücke aus.
Besseren Schutz bietet gegebenenfalls eine Reisegepäckversicherung; denn von dort ist in der Regel mit einer höheren Entschädigung zu rechnen als vom Eisenbahnunternehmen. So handelt ein entsprechend versicherter Bahnreisender nach einer Entscheidung des Hanseatischen OLG Hamburg (vom 25.10.1973, Az. 3 U 60/73) nicht grob fahrlässig, wenn er sich auf einer längeren Bahnreise den üblichen Gepflogenheiten entsprechend verhält und beispielsweise sein Reisegepäck gelegentlich für kurze Zeit ohne Aufsicht im Abteil zurücklässt.
Nach § 36 Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) haftet das Bahnunternehmen zudem für die Aufbewahrung des Gepäcks. Dies betrifft aber nur Reise- und Handgepäck, welches das Bahnunternehmen als Verwahrer zur Aufbewahrung annimmt, beispielsweise in Schließfächern an Bahnhöfen. Die Bedingungen für die Aufbewahrung regelt der entsprechende Tarif. Die Haftung kann dabei mit Ausnahme von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit auf einen Höchstbetrag je Gepäckstück beschränkt werden. Weiteres zur Haftung für Reise- und Handgepäck, das in Schließfächern aufbewahrt wird, ergibt sich in der Regel aus den Bedingungen für die Vermietung von Schließfächern.
Auch der Bahnreisende muss bei Gepäckverlust oder -schaden die Höhe des ihm entstandenen Schadens darlegen und nachweisen. Daher sollte ein Gepäckverlust beziehungsweise eine -beschädigung umgehend bei der Gepäckannahme am Bahnhof gemeldet werden. Ist der Schaden nicht gleich erkennbar, sind Ausschlussfristen zu beachten: Meist muss der Gepäckschaden binnen einer Woche gemeldet werden. Auch hier gilt die Empfehlung, unbedingt alle entsprechenden Schadenbelege nebst Schadenmeldung gut aufzubewahren.
Gepäckverlust und –beschädigung bei Busreisen
Die Fahrgastrechte von Busreisenden bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck sind in der am 1. März 2013 in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr geregelt, und zwar für den Fall eines Unfalls mit dem Bus.
Kap. II Art. 7 regelt insofern die unfallbedingte Entschädigungsleistung für Verlust oder Beschädigung von Gepäck. Ansprüche bestehen zunächst gemäß den geltenden nationalen Rechtsvorschriften über den Schadenersatz – also nach den Haftungsnormen der §§ 823 ff., 249 BGB. Dies gilt aber in erster Linie für Gepäckschäden anlässlich von Unfällen, die aus der Nutzung von Kraftomnibussen resultieren. Dabei wird die Höhe der Entschädigung zunächst gemäß den geltenden nationalen Rechtsvorschriften berechnet. Es bestehen aber der Höhe nach Regelungen zu Höchstgrenzen bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck: Dies sind nicht weniger als 1.200 Euro je Gepäckstück. Die Entschädigung im Falle einer Beschädigung von Rollstühlen und anderen Mobilitätshilfen oder Hilfsgeräten entspricht stets dem Wiederbeschaffungswert oder den Reparaturkosten der verloren gegangenen oder beschädigten Ausrüstung.
Auch bei Busreisen gilt das unter dem Gesichtspunkt des Schadennachweises das zu den anderen Reiseformen Gesagte zur umgehenden schriftlichen Schadenmeldung bei der Busgesellschaft sowie hinsichtlich der sorgfältigen Aufbewahrung der Schadenbelege.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
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