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Flottenmanagement: Jedes Jahr befördert die BVG rund 980 Millionen Fahrgäste an ihr Ziel. Wie muss ein Fuhrpark gestaltet sein, um diese Aufgabe bewältigen zu können? Und inwieweit stellt dies auch eine Herausforderung für ein Fuhrparkmanagementsystem dar?

Heinrich Coenen: Um dieses Fahrgastaufkommen bewältigen zu können, sind allein über 1.400 Fahrzeuge des öffentlichen Personennahverkehrs, sprich Busse und Straßenbahnen sowie 154 U-Bahnzüge, tagtäglich im Einsatz. Hinzu kommt eine Dienstwagenflotte von rund 400 Fahrzeugen, die für unterschiedlichste Einsatzzwecke genutzt wird und zum Teil in Pools organisiert ist. So sind hier beispielsweise Spezialfahrzeuge für die Bearbeitung der Leiterbahnen von Straßenbahnen oder Fahrzeuge für die Instandhaltung der 173 U-Bahnhöfe sowie der über 7.200 Haltestellen zu finden. In der operativen Betriebssteuerung kommen dabei neben den Pkw – mit und ohne Sondereinbauten – auch Transporter zum Einsatz.

Parallel zur Einführung von Fleet+ wurde mit der Zentralisierung des Fuhrparkmanagements der dezentral stationierten Fahrzeugflotte begonnen. Doch dies war nur eine der Herausforderungen, der wir uns stellen mussten: So war es uns zum einen neben der Kostentransparenz und der Realisierung von Einspareffekten ein Anliegen, auch die Aufgaben der Halterhaftung stringent durchzuführen. Zum anderen wollten wir eine Fahrzeugreduktion vornehmen, um auch hier die Kosten zu optimieren. Doch dieser umfangreiche Aufgabenkatalog konnte über Excel-Datenbanken, die auch in vielen anderen Unternehmen in der Flottenverwaltung zum Einsatz kommen, nicht mehr umgesetzt werden. Daher wurde die Entscheidung getroffen, ein standardisiertes Fuhrparkmanagementsystem mit nahtlosen Schnittstellen zum hauseigenen SAP-System zu implementieren.

Hans-Joachim Guth: Die vorher genutzte Software wies einen wenig integrativen Charakter auf. Hinzu kam, dass auch verteilte Arbeitsplätze nur schwer unterstützt werden konnten. Gerade bei Managementaufgaben ist es unerlässlich, dass alle Kollegen denselben Datenbestand zur Verfügung haben. Daher ging es bei der Einführung von Fleet+ bei der BVG darum, in einer Datenbank mit einem Berechtigungssystem integrative Themen sowie Schnittstellentechnik umzusetzen. Nicht zuletzt lässt sich auch eine gewisse Transparenz bei dieser Fuhrparkgröße nur über eine spezialisierte Softwarelösung realisieren.

Natürlich gab es auch bei der Flotte der BVG einige Herausforderungen, die es in Fleet+ umzusetzen galt: Beispielsweise mussten bestimmte Besonderheiten, was die Stammdaten angeht, in der Serviceflotte beachtet werden. Unter anderem sollten geeignete Autos identifiziert werden, um die entstehende Geräuschemission in den Nachtstunden auf ein Minimum zu reduzieren. Zusätzlich mussten aber auch sämtliche Daten aus den alten Datenbanken und auch aus SAP sehr sorgfältig in das neue System überführt werden und dort für alle berechtigten Mitarbeiter leicht zu administrieren sein.

Daher war die Zielstellung für Fleet+ bei der BVG klar: ein durchgängiges System zu schaffen, welches dank Schnittstellen alle Arbeitsschritte von der Bestellung über den Wareneingang bis zur Reparaturfreigabe und der Rechnungsprüfung mit dem hauseigenen SAP-System verknüpft und auf Knopfdruck auswertbar macht. Damit entfällt die doppelte Datenpflege und auch übrige Daten beispielsweise von Tankkarten oder der innerbetrieblichen Pool- und Langzeitvermietung können ins SAP-System übertragen werden.

Gleichzeitig war die leichte Bedienbarkeit für alle Mitarbeiter ohne Systembrüche ein weiterer wichtiger Aspekt in der Umsetzung. Nicht zuletzt galt es aber auch, ein Berechtigungskonzept zu erarbeiten, da viele Entscheidungen innerhalb der BVG durch den Personalrat mitbestimmungspflichtig sind und dessen besondere Anforderungen berücksichtigt werden müssen.

Flottenmanagement: Herr Coenen, was waren letztendlich die Beweggründe, sich für Fleet+ zu entscheiden? Inwieweit spielt die räumliche Nähe hierbei eine Rolle?

Heinrich Coenen: Zunächst einmal ist die örtliche Verbundenheit reiner Zufall, aber im Nachhinein muss ich zugeben, dass die räumliche Nähe zu Carano in unserem Fall sicherlich dazu beigetragen hat, den Aufwand innerhalb des Projektverlaufes noch weiter zu minimieren. Neben diesem Aspekt ging es in einem vorgelagerten Auswahlverfahren in erster Linie darum, dass wir abgesehen von den Schnittstellen ein standardisiertes Fuhrparkmanagementsystem mit einem geringen Individualisierungsgrad implementieren wollten. Diese Anforderung erfüllte Fleet+ aufgrund der objektbasierten Struktur.

Gleichzeitig flossen viele Aspekte, wie die Bedienbarkeit, die Betreuung, das Potenzial für Schnittstellen sowie das gesamte Leistungsspektrum, mit in das Auswahlverfahren ein. Daneben waren es aber auch die Referenzen, die Carano nachweislich auf dem Markt vorweisen konnte, sowie Beispielprojekte für die Umsetzung längerfristiger Ziele, die zu der Entscheidung für Fleet+ führten.

Ich möchte aber auch auf den eigentlichen Nutzen der Implementierung eines Fuhrparkmanagementsystems eingehen: Vor rund drei Jahren, als der Erstkontakt zu Carano zustande kam, waren die Fahrzeuge überwiegend geleast und wurden mithilfe des dort mitgelieferten Fuhrparkmanagementsystems administriert. Aufgrund der Betrachtung der Gesamtbetriebskosten haben wir uns jedoch entschieden, aus dem Leasing auszusteigen und in die Eigenfinanzierung zu gehen. Natürlich ist auch bei der Eigenfinanzierung die Kostentransparenz bei den Entscheidungen zur Fahrzeugbeschaffung unerlässlich und diese kann schlichtweg nur über ein Fuhrparkmanagementsystem mit aktuellen Daten realisiert werden.

Flottenmanagement: Seit Mai dieses Jahres steht das Forschungsprojekt „Shared E-Fleet“ auch Unternehmen aus Berlin zur Erprobung zur Verfügung. Was verbirgt sich hinter diesem Projekt? Und welchen Nutzen können Unternehmen hieraus ziehen?

Hans-Joachim Guth: Unter „Shared E-Fleet“ verstehen wir Corporate E-Carsharing der Zukunft. Der Gedanke des Teilens ist durchaus ein aktueller Trend in der Gesellschaft, zunehmend steht nicht mehr der Besitz eines Fahrzeugs im Vordergrund, sondern man teilt ganz einfach Fahrzeuge. Diesen Ansatz des Teilens, der aktuell eher im Endkundenmarkt anzutreffen ist, überführen wir in den Businessbereich. Dabei wird das Carsharing über ein Betreiberkonzept realisiert, bei dem unterschiedliche Firmen gleichberechtigt auf die Fahrzeuge zugreifen können. Das alles ist nicht wirklich neu, aber diesen Ansatz dann auf eine Elektrofahrzeugflotte zu übertragen, die aufgrund ihrer Spezifika eine ganz neue Herausforderung darstellt, ist der Schwerpunkt dieses Projektes, das durch ein Konsortium von acht Unternehmen und Forschungseinrichtungen umgesetzt wird.

Grundlage für „Shared E-Fleet“ ist eine cloud-basierte IT-Lösung, welche unter anderem die Buchung, den Fahrzeugzugang, die Einsatzoptimierung und das Lademanagement steuert. Gleichzeitig soll durch eine dynamische Einsatzplanung und ein abgestimmtes Energiemanagement eine möglichst hohe Auslastung der Fahrzeuge garantiert werden. Alles in allem trägt „Shared E-Fleet“ dazu bei, die Nutzung eines Elektrofahrzeugs in der Flotte so einfach wie nur möglich zu gestalten, und das vom Zugang bis zur Abrechnung. Daher sollen hiermit auch Unternehmen mit verteilten Standorten, Immobilienbetreiber wie Technologieparks mit hoher Unternehmensdichte, Kommunen und Verkehrsbetriebe, um nur einige Beispiele zu nennen, angesprochen werden.

Flottenmanagement: Wäre die BVG dann nicht auch ein Adressat für ein solches Projekt?

Hans-Joachim Guth: Natürlich wären die Berliner Verkehrsbetriebe ein Adressat für ein solches Angebot als Add-on zum bestehenden Mobilitätskonzept. Jedoch wollen wir die BVG unter anderem gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation und der Technischen Universität Dresden in einem groß angelegten Nachfolgeprojekt begleiten. Dabei ist angedacht, dass in einer spezifischen „eFuhrparkverwaltung“ die Administration und der Betrieb einer Elektrofahrzeugflotte kosteneffizienter und nachhaltiger gestaltet werden kann. Denn die Integration von Elektrofahrzeugen bedeutet gleichzeitig neue operative Herausforderungen wie beispielsweise geringe Reichweiten, Ladezeiten, häufigere Ladezyklen oder die Bedenken der Mitarbeiter bezüglich der Reichweiten. Diese neuen Aspekte bedingen eine Entlastung der Fuhrparkmitarbeiter und der Handhabbarkeit durch automatisierte Prozesse. Gleichzeitig kommt auch der Disponierung knapper Ressourcen wie den Ladestationen, gesonderten Stellplätzen oder dem Lademanagement eine hohe Bedeutung zu. Und dies kombiniert mit einer gleichbleibenden Fahrzeuganzahl erfordert weitere Optimierung.

Heinrich Coenen: Das E-Carsharing ist insgesamt ein interessantes Thema für uns im internen Betrieb. Zurzeit sind wir noch mit Verbrennungsmotoren unterwegs, jedoch ist ein erster Schritt zur Kosteneinsparung, die Bildung von Fahrzeugpools, bereits getan. Dabei hilft uns das System von Carano weiter, da wir nun auch über eine webbasierte Plattform für die Anmietung der Fahrzeuge verfügen und somit den Pool weiter ausdehnen können. Ein weiterer Schritt ist die Integration von Elektrofahrzeugen: Als landeseigenes Unternehmen müssen wir uns der Verantwortung stellen und auch innovative Technologien in den Fuhrpark aufnehmen. Diese beiden Schritte erfolgen mit der Zielsetzung, einen sehr effizienten Fahrzeugeinsatz zu generieren, bei dem auch alle äußeren Komponenten wie Ladeinfrastruktur, Lademanagement und die Verwaltung von Fahrzeugen und Daten berücksichtigt werden müssen.

Im Endeffekt soll im Elektromobilitätsprojekt eine umfängliche Analyse und Optimierung von Abläufen als Nebenprodukt der Bestandsaufnahme entstehen, wobei unsere spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse vollkommen integriert werden. Zugleich soll das Projekt aber auch eine funktionsfähige und bedarfsfokussierte Lösung darstellen, die eine komplette Verwaltung aller „eFlottenbestandteile“ wie Ladestationen, Fahrzeuge et cetera ermöglicht. Nicht zuletzt ist es auch dazu gedacht, geplante beziehungsweise vorhandene Fuhrparkelemente wie beispielsweise Schlüsselkastensysteme durch aktuelle, vernetzte und zukunftsfähige Technologien (Kartenzugangssysteme, UHF-Schranken-Steuerung et cetera) zu ersetzen, die darüber hinaus auch die optimale Einbindung in „eFuhrparks“ mit Ladeverifizierung erlauben.

Und hier sehen wir gemeinsam mit Carano eine Chance, eine gewisse Vorreiterrolle einzunehmen, um am Ende des Projektes eine Vergleichbarkeit hinsichtlich Cent pro Kilometer zwischen konventionell angetriebenen Fahrzeugen und Elektrofahrzeugen zu erzielen. Diese kann im Folgenden auch dazu beitragen, Prognosen zu erstellen, wie ein Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Erweiterung der Elektroflotte gestaltet werden müssen, um auf steigende Stunden- beziehungsweise Kilometernutzung zu reagieren.