
Kaum zu glauben, aber es ist schon ein halbes Jahrzehnt her, dass der erste europaweit serienmäßig mit Hybridantrieb ausgestattete Lkw an den Start ging: der Atego von Mercedes-Benz. Heute, fünf Jahre später, ist bereits seit einem Jahr der neue Atego auf Europas Straßen unterwegs – und der Hybrid-Atego Geschichte, obwohl mehr als 100 Fahrzeuge ausgeliefert wurden. Den Neuen gibt es nicht mehr mit Hybridantrieb.
Einer der möglichen Gründe: Im Sternkonzern gibt es eine weitere Marke, die ebenfalls im Revier des Atego unterwegs ist. Der Fuso, einst ein Mitsubishi-Juwel, funkelt nun voll und ganz unter dem Sternenhimmel und hat mit dem Canter einen ebenso alltagstauglichen wie praktischen Lkw im Programm. Der Allrounder deckt nicht nur die Leistungsklassen von 3,5 bis 8,55 t zulässigem Gesamtgewicht ab, sondern kann per Allradantrieb ins unwegsame Gelände, als reiner Elektroantrieb völlig emissionsfrei fahren oder eben als Hybrid-Lkw helfen, den Spritdurst mächtig zu mindern. Daher werden alle Sternkunden, die nach einem Hybrid-Atego fragen, an die Schwestermarke weiterverwiesen. Und das sind nicht wenige. Seit 2012 wird im portugiesischen Werk Tramagal der Fuso Canter auch als Eco Hybrid gebaut und er hat bereits mehr als 2.000 Kunden gefunden.
Amortisation in drei bis vier Jahren
Die Gretchenfrage beim Hybrid lautet: Lohnt sich das überhaupt, gleich zwei Welten unter einer Haube arbeiten zu lassen, also den Elektroantrieb mit einem Verbrennungsmotor zu kombinieren? Ja, lautet die eindeutige Antwort. „Er verbraucht gegenüber dem reinen Dieselantrieb bis zu 23 Prozent weniger Kraftstoff und kann sich in drei bis vier Jahren amortisieren“, konstatiert Erk Rönnefarth, Leiter Marketing und Produkt Fuso Europa, und definiert die Zielgruppe gleich mit – Gewerbetreibende und Flottenmanager in dicht besiedelten Räumen. „Mit dem gleichermaßen abgas- und geräuscharmen Antrieb eignet sich das Fahrzeug für Einsätze in Ballungsgebieten und anderen emissionsempfindlichen Bereichen.“
Bei einem Anschaffungspreis von um die 60.000 Euro abhängig von der Ausstattung für den Hybrid- Canter ist das eine klare Ansage, liegen doch die Mehrkosten für die Hybridvariante bei netto 8.500 Euro. Doch was bekommen Käufer des einzigen Leicht-Hybrid-Lkws auf dem Markt? Unter der Haube des Fuso Canter Eco Hybrid arbeitet ein Drei-Liter-Diesel aus dem Fiat-Konzern mit einer Leistung von 110 kW/150 PS, der ein Drehmoment von immerhin 370 Newtonmetern auf die Straße wirft. Er hat natürlich dank Abgasnachbehandlung Euro VI.
Ihm zur Seite steht ein Elektromotor mit 40 kW, der über sein gesamtes Drehzahlspektrum kontinuierlich ein Drehmoment von 200 Newtonmetern liefert. Das ist schließlich einer der großen Vorteile eines Elektromotors: Er liefert von Anfang an die volle Kraft.
Beim Motor handelt es sich um einen permanentmagnetisch erregten Drehstrom-Synchronmotor mit Lithium-Ionen-Batterie, die eine Spannung von 270 Volt/2 kWh hat. Es gilt das übliche Verfahren: Muss der Fahrer bremsen, wird Energie automatisch in die Batterie eingespeist. Die kann der Elektromotor dann beim nächsten Anfahren oder Beschleunigen nutzen und so den Spritverbrauch minimieren.
Gegenüber Einzelwelten hat eine Doppelwelt aus Elektro- und Verbrennungsmotor den großen Nachteil, dass zusätzliches Gewicht an Bord kommt. So bringen der Elektromotor und sonstiges Equipment für den Hybrid zusätzlich rund 150 Kilogramm in den Canter ein. Da sich aber der Hybrid in der Version des Canter mit 7,49 t zulässigem Gesamtgewicht befindet, spielen die drei zusätzlichen Zentner eine nur untergeordnete Rolle: Denn die Ausführung als Fahrgestell mit Fahrerhaus bringt es auf eine Tragfähigkeit von bis zu 4,8 Tonnen. Erk Rönnefarth: „Damit ist der Canter Klassenbester auch im Vergleich zu konventionell angetriebenen 7,5-Tonnern.“
Dass er zu den besten seiner Klasse gehört, unterstreicht der Canter auch regelmäßig durch Auszeichnungen in Japan wie Europa. Erst im November 2014 heimste die Hybridvariante zum zweiten Mal den „Irish Green Commercial of the Year“ ein, ein Preis im Rahmen der „Fleet Transport Award“ und vergeben von Nutzfahrzeugexperten, darunter Motorjournalisten, Ingenieure und Fahrlehrer. Sie beurteilen unter anderem Kraftstoffeffizienz, Leistungs-Gewichts-Verhältnis, Fahrkomfort, Fahrverhalten und Kabinenausstattung.
Tatsächlich nimmt der Fahrer auf edlen Schwingsitzen der Firma Isringhausen Platz. Für Fahrkomfort sorgt ein Duonic-Doppelkupplungsgetriebe, das sauber und leise arbeitet und den Wagen stets im optimalen Drehzahlbereich hält. Bei der Beschleunigung schaltet das Doppelkupplungsgetriebe weich nach oben und lässt auch nie eine Leistungslücke bis zur gewünschten Geschwindigkeit erkennen. Hinzu kommen noch nützliche Features wie etwa eine Kriechfunktion, die bei stockendem Verkehr oder bei schwierigen Fahrmanövern auf engstem Raum hilfreich ist. Und mit einer Parkfunktion ist das Einparken des Canter Eco Hybrid auch kein Problem mehr. Wer die Mäusekino-Funktion im Armaturenbrett vom Pkw-Bereich her kennt und sich exakt mit tollen Diagrammen anzeigen lassen kann, wann der Hybridmodus aktiv ist, muss sich im Canter umstellen. Erstens fällt die Anzeige wesentlich kleiner aus als auf großen Navigations- oder Entertainmentbildschirmen, zweitens zeigt nur ein kleines Balkendiagramm an, wann der Lkw Energie zurückgewinnt oder verbraucht. Das reicht zwar aus, um sein Fahrverhalten zu optimieren, ist aber spartanisch. Das gilt übrigens generell für den Innenraum. Spaltmaßfetischisten werden Albträume bekommen, der weniger verwöhnte Nutzfahrzeuglenker eines japanischen Lkws freut sich, dass in dem schlichten Plastikambiente wenigstens nichts klappert.
Wer das Modell als Fahrgestell samt Fahrerhaus ordert, kann seinen Einsatzzweck breit abstecken. Das garantiert zum einen die Tragfähigkeit von 4,8 Tonnen, zum anderen verfügt der Canter immer noch über sehr kompakte Abmessungen. So lässt sich der Hybrid gerade im Stadtgebiet oder auf Kurzstrecken vom Lieferfahrzeug bis hin zum kommunalen Einsatzwagen einsetzen.