
Volkswagen erneuert seine Fahrzeuge stets nach dem Prinzip Evolution statt Revolution. Das gefällt sowohl den Kunden, die ihre Autos zügig durchtauschen als auch denen, die ihren Neuwagen möglichst lange behalten: Der eine muss seinem Nachbarn nicht auf die Nase binden, schon wieder ein neues Auto gekauft zu haben, während der andere sich darüber freut, dass sein fahrbarer Untersatz möglichst lange frisch aussieht. Demnach besitzt auch der gerade lancierte, völlig neu entwickelte Passat Wiedererkennungswert – er sieht eben aus wie ein typischer Passat. Und doch haben die Gestalter alles getan, um Volkswagens neue Mittelklasse modern aussehen zu lassen. Vor allem die Scheinwerfer-Partie mit den zackigen Leuchteinheiten und einem feinen Chromrand, der sich über die gesamte Haubenkante zieht, verleiht dem Mittelklässler gar etwas Futuristisches. Die Heckleuchten erreichen dieses Ziel mittels feiner Linie in der Mitte. Um das stärkste Diesel-Modell kenntlich zu machen, verpassten die Kreativen dem Wolfsburger zwei trapezförmige Auspuff-Endrohre, die jedoch kaum auftragen.
Apropos stärkster Diesel: Noch nie war ein Passat mit Selbstzünder so kräftig wie jetzt. Selbst die frühere Sechszylinder-Spitzenversion leistete maximal 150 PS – und sogar der direkte Vorgänger der aktuellen Ausgabe (2,0 TDI) war mit maximal 177 PS nicht nennenswert bäriger unterwegs, wer also deutlich mehr Punch wollte, musste zum Benziner greifen, was für Flottenkunden grundsätzlich ein Problem darstellt wegen der Car-Policy. Solchen Kunden kann ab sofort geholfen werden. Denn die Ingenieure brachten die Leistung des mit zwei Turboladern aufgepumpten Zweiliters auf stattliche 240 PS, was dem Triebwerk den Titel des bisher stärksten Vierzylinder-Diesels einbringt, und zwar nicht nur auf Volkswagen bezogen, sondern markenübergreifend. Somit bekommen Leistungsfans mit begrenztem Spritbudget endlich auch bei Volkswagen eine Möglichkeit, ein bisschen Performance genießen zu dürfen, ohne äußerlich aufzufallen. Und ohne an der Tankstelle zu verarmen, denn mit 5,3 Litern im gemittelten NEFZ bleibt der Passat zurückhaltend im Durst.
Die Spannung steigt also, wie fährt der ölbefeuerte Power-Wolfsburger? Zunächst einmal unauffällig – und das darf ruhig im wahren Sinne des Wortes verstanden werden. Die Akustiker haben den mit piezoelektrischen Einspritzdüsen ausgerüsteten und per se schon kultiviert laufenden Common-Rail offenbar großzügig gedämmt; so hebt er selbst bei höherer Drehzahl kaum seine Stimme – und im Alltag wird die ja nicht einmal nötig. Satte 500 Nm Drehmoment toben zwischen 1.750 und 2.500 Touren, das ist genau der Bereich, in dem das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe den Motor meist hält. Mit dem starken Aggregat verfügt dieses ab sofort über eine Lamellen-Nasskupplung, um die starken Zugkräfte auch verschleißarm übertragen zu können. Mit dem Biturbo ist man wahrlich souverän unterwegs, was sich auch in der Schaltstrategie widerspiegelt. Hektische Anflüge sind dem Getriebe fremd, und die Übersetzungswechsel erfolgen betont sanft. Unter Volllast entwickelt der bisher stärkste Passat ausgeprägte Sprinterqualitäten und erreicht Landstraßentempo binnen 6,1 Sekunden. Und damit er immer verzögerungsfrei in Schwung kommt, spendierten die Techniker ihm serienmäßig permanenten Allradantrieb – angenehmer Nebeneffekt ist auch, dass es gar unter forcierten Einsatzbedingungen keinerlei Antriebseinflüsse in der Lenkung gibt.
Eine moderate Weiterentwicklung des Fahrwerks soll in der Praxis vor allem Akustik- und Gewichtsvorteile bringen. In puncto Grundabstimmung wird sich auch in Zukunft nichts ändern für Passat-Fahrer: So liegt der Schwerpunkt auf kommoder Fortbewegung. Was die Verantwortlichen Performance- Achse nennen, ist ein optimierter Kompromiss zwischen ansehnlicher Dynamik und feinem Komfort. Auch wenn der durchaus flinke Passat alles andere als ein Sportwagen ist, macht der Ausflug auf die kurvige Landstraße dennoch Spaß. Hinzu kommt die präzise und ordentlich rückmeldende E-Servolenkung, um den Mittelklässler behände um die Ecke zu dirigieren. Effektive Dämpfer, die beim potentesten Selbstzünder übrigens frei Haus in der Kennlinie verstellbar sind, lassen den rund 4,76 Meter langen Volkswagen Bodenwellen aller Art wirkungsvoll wegfiltern.
Seine Reisequalitäten offenbart der geräumige Niedersachse, der außen um zwei Zentimeter geschrumpft ist, freilich auf der weiten Strecke. Hervorragende Sitze sorgen für veritablen Komfort, der auch nach vielen Hundert Kilometern Fahrt noch anhält; innen haben die Architekten indes nur Nuancen verändert – alte Passat-Hasen werden keine Überraschung erleben. Allerdings hat sich beim Infotainment jede Menge getan. Insbesondere die Option „Active Info Display“ (ab 546 Euro netto) dürfte nicht nur für verspielte Naturen reizvoll sein. Mit ihr ist das Instrumentarium komplett frei von mechanischen Zeigern – so entsteht eine große Fläche, auf der die Konstrukteure ihre Anzeige-Konfiguration uneingeschränkt vornehmen konnten. Für den User bedeutet das zum Beispiel, dass er die große Navi-Straßenkarte direkt vor seinen Augen positionieren kann fast über das gesamte, 12,3 Zoll große Display mit gestochen scharfer Auflösung. Selbstredend präsentiert sich das Interieur des neuen Passat ganz in gewohnter Volkswagen- Manier bestens verarbeitet.
Für den großen Diesel werden mindestens 36.953 Euro netto fällig – die Serienausstattung kann sich indes sehen lassen. Neben den Selbstverständlichkeiten wie Klima- und Radioanlage bietet die „Comfortline“ eine erhöhte Sicherheitsausrüstung, zu der auch ein autonomes Bremssystem zählt. LED-Scheinwerfer sowie Parksensoren sind ebenfalls stets dabei. Eine Neuheit ist die sogenannte Fahrzeug-Teilsteuerung im medizinischen Notfall: Die Sensorik kann eine Bewusstlosigkeit erkennen und das Fahrzeug – allerdings ohne Spurwechsel – zum Stilstand bringen. Es ist in dem großen Fahrerassistenzpaket (ab 2.394 Euro netto) enthalten, das neben den typischen Helfern wie Ein- und Ausparkautomatik sowie Spurhaltewarner auch einen Stauassistenten und aktiven Tempomat besitzt. Ein Navigationssystem ist ab fairen 466 Euro netto zu haben – Bluetooth-Freisprechanlage inklusive.