Ladungssicherung. Aktuelle Tendenzen in der Rechtsprechung
Jedes Jahr passieren auf deutschen Straßen durchschnittlich 2.500 Unfälle durch schlecht gesicherte Ladung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schätzt hierbei die Kosten auf jährlich rund 500 Millionen Euro, was das enorme Schadenpotenzial von ungesicherter Ladung verdeutlicht.

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Auch die Rechtsprechung der letzten Jahre zeigt deutlich, dass die Probleme im Bereich der Ladungssicherung trotz verbesserter technischer Möglichkeiten zu deren Durchführung keineswegs abgenommen haben. Die einschlägigen Gerichtsentscheidungen im Zusammenhang mit unzureichender Ladungssicherung stammen überwiegend aus dem Bereich des Bußgeld- und Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts sowie aus dem Polizei- und Ordnungsrecht (also dem Verkehrs- Verwaltungsrecht) anlässlich der Untersagung der Weiterfahrt beziehungsweise der Stilllegung von Fahrzeugen und Anhängern. Last, but not least spielen aber auch Schadenersatzfragen im Rahmen zivilrechtlicher und handelsrechtlicher Auseinandersetzungen eine Rolle. Auch wenn der überwiegende Teil der Entscheidungen zur Ladungssicherung sich auf Lkw oder Gespanne über 3,5 Tonnen bezieht, orientieren sich die Verantwortlichkeiten für die ordnungsgemäße Sicherung der transportierten Ladung und Güter bei Pkw und Kleintransportern an den gleichen Maßstäben. Die Entscheidungen aus dem „Lkw- Bereich“ sind daher insoweit auch ohne Weiteres auf Pkw und Kleintransporter übertragbar.
Grundsätzliche Verantwortlichkeiten und Ladungssicherung
Dabei trifft es typischerweise die „üblichen Verdächtigen“: Absender, Verlader, Frachtführer, Fahrer und Fahrzeughalter – also praktisch alle am Güterversand und -transport Beteiligten – tragen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Ladungssicherung. Unabhängig von der Frage, ob sich Verwaltungsgerichte mit der Stilllegung von Fahrzeugen und Anhängern bei unzureichender Ladungssicherung zu befassen haben, Straf- beziehungsweise Bußgeldrichter im Rahmen von Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren oder die Zivilgerichte im Rahmen von zivilrechtlichen Schadenersatzfragen bei der Beschädigung unzureichend gesicherter Transportgüter – nahezu alle Gerichtsentscheidungen im Zusammenhang mit Sachverhalten der Ladungssicherung ziehen als zentrale Norm § 22 Straßenverkehrsordnung (StVO) heran.
Nach § 22 Abs. 1 StVO sind die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den § 22 Abs. 1–5 StVO. Die Norm sieht keine personelle Beschränkung auf Fahrer, Halter oder Fahrzeugeigentümer vor. Diese Vorschrift richtet sich nach der Rechtsprechung nicht nur an den Führer und an den Halter des Fahrzeuges, sondern an jeden, der für die ordnungsgemäße Verstauung der Ladung verantwortlich ist, insbesondere aber an denjenigen, der unter eigener Verantwortung das Fahrzeug beladen hat. Gegen § 22 Abs. 1 StVO wird bereits dann verstoßen, wenn beispielsweise bei einer Notbremsung die Ladung verrutscht.
Nach § 23 Abs. 1 StVO steht auch der Fahrzeugführer in der Pflicht, denn er ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch die Ladung beeinträchtigt werden. Ferner muss er auch nach § 23 Abs. 1/Satz 2 StVO dafür Sorge tragen, dass das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die Ladung und die Besetzung vorschriftsmäßig sind und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung nicht leiden. Der Fahrer ist hiernach sogar unter Umständen verpflichtet, sein Fahrzeug stehen zu lassen, wenn er Mängel daran bemerkt. Diese Regel gilt im Übrigen auch für den Fahrzeugeigentümer beziehungsweise seinen Fuhrparkmanager als den diesbezüglich ernannten Vertreter.
Eine weitere Grundlage bei Ladungssicherungsverstößen ist regelmäßig § 31 Abs. 2 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). §31 StVZO regelt die Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge. Dessen Absatz 2 regelt, dass der Halter die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen darf, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass der Führer nicht zur selbstständigen Leitung geeignet oder das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, die Ladung oder die Besetzung nicht vorschriftsmäßig ist oder dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung leidet. Sofern also beim Transport der Ladung ein Gefahrenpotenzial besteht, muss der Fahrzeughalter den Fahrern entsprechende Anweisungen erteilen und ferner auch regelmäßig die zur Ladungssicherung erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen.

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Nicht zu vergessen ist § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wonach der Halter eines Fahrzeuges dem Verletzten zivilrechtlich auf Schadenersatz haftet, wenn beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder Anhängers Menschen getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Der Fahrzeughalter haftet hiernach also auf Schadenersatz, wenn die verrutschte oder herabfallende Ladung einen Menschen verletzt oder tötet oder Sachen beschädigt. Diese Ersatzpflicht trifft nach § 18 Abs. 1 StVG auch den Fahrer, es sei denn, er kann nachweisen, dass der Schaden nicht durch sein Verschulden verursacht worden ist.
In diesem Kontext steht häufig auch die Verantwortlichkeit nach § 130 OWiG. Danach handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Voraussetzung ist, dass eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch die gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.
Technische Seite der Ladungssicherung
Im Hinblick auf die technische Seite der Ladungssicherung hatte bereits das OLG Hamm (Beschluss vom 06.08.2009, Az. 2 Ss OWi 590/09) ausgeführt, dass für die nach § 22 Abs. 1 StVO zu treffenden Sicherungsmaßnahmen die gegenwärtig anerkannten technischen Beladungsregeln in der VDI-Richtlinie 2700 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen“ allgemein zu beachtende Grundregeln darstellen. Diese sind allerdings nicht schematisch anzuwenden, sondern unterliegen als „objektiviertes Sachverständigengutachten“ der richterlichen Nachprüfung, erforderlichenfalls unter Anhörung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung. Die Richtlinienreihe VDI 2700 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen“ beschreibt, welche Kräfte auf eine Ladung im Fahrbetrieb einwirken und wie diese grundsätzlich gesichert werden kann.
Aktuelle Änderungen im Bußgeldkatalog ab Mai 2014
Eine Vernachlässigung der Ladungssicherungspflicht durch den Verantwortlichen kann nach §49 Abs. 1 Nr. 21 und 22, 24v StVO als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Für Ladungssicherungsverstöße gelten seit Mai 2014 der neue Bußgeldkatalog und das neue Punktsystem. Hier drohen nach dem neuen Bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog ab dem 1. Mai 2014 Geldbußen im Regelsatz von 60 bis 75 Euro sowie Punkte im Flensburger Verkehrszentralregister. Handelt es sich um Gefahrgut, kann die Ordnungswidrigkeit nach §10 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG) sogar mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden.
Verantwortlicher Personenkreis für verkehrssichere Verladung
Das OLG Celle (Beschluss vom 28.02.2007, Az. 322 Ss 39/07) hatte bereits vor längerer Zeit klargestellt, dass die Pflicht zur verkehrssicheren Verladung neben dem Fahrer und dem Halter des Fahrzeugs auch den Versender der zu transportierenden Gegenstände trifft. Die Pflicht zur Sicherung der Ladung eines Kraftfahrzeuges gemäß §22 StVO trifft neben dem Fahrer und dem Halter auch jede andere für die Ladung eines Fahrzeuges verantwortliche Person. Da § 22 StVO den Adressatenkreis offen lässt, folgt daraus, dass die Verpflichtung aus § 22 StVO alle Personen trifft, die mit dem Ladevorgang befasst sind.
Strenge Anforderungen an Aufsichts- und Überwachungspflichten
Das OLG Bamberg (Beschluss vom 12.06.2013, Az. 2 Ss OWi 659/13) hatte sich im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens mit den Anforderungen an die Aufsichts- und Überwachungspflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung von Ladungssicherungsvorschriften zu befassen. Dabei stellte das OLG Bamberg klar, dass an die Erfüllung der nach § 31 Abs. 2 StVZO dem Halter obliegenden Aufsichts- und Überwachungspflichten für die Einhaltung der aus den §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1 Satz 1 StVO resultierenden Ladungssicherungsvorschriften strenge Anforderungen zu stellen sind. Ihre Erfüllung setzt auch bei einer wirksamen Delegation auf qualifiziertes Personal (hier: Disponent) zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung mit Blick auf die besonderen Gefahren, die von entsprechenden Verstößen gegen die Ladungssicherheit für den öffentlichen Straßenverkehr ausgehen, nicht nur voraus, dass der insoweit Verantwortliche bei der Auswahl und Schulung der Fahrzeugführer die erforderliche Sorgfalt walten lässt und diese mit den notwendigen (Unter-)Weisungen versieht. Erforderlich ist vielmehr auch, dass die Beachtung der Weisungen durch gelegentliche – auch unerwartete – Kontrollen überprüft wird, weil nur so eine wirksame, nicht lediglich auf zufällig entdeckte Verstöße beschränkte, planmäßige Überwachung gewährleistet ist, welche auch präventiv wirkt.
In den Entscheidungsgründen war auch zu lesen, dass der Betroffene, auf den die Logistikfirma ihre speziellen Halterpflichten gemäß § 31 Abs.2 StVZO wirksam delegiert hatte, keine ausreichenden Vorkehrungen für die Einhaltung der Ladungssicherungsvorschriften getroffen hatte. Dies kann nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung mit Blick auf die besonderen Gefahren, die von entsprechenden Verstößen für den öffentlichen Straßenverkehr ausgehen, nur dann angenommen werden, wenn der Verantwortliche bei der Auswahl und Schulung der Fahrzeugführer die erforderliche Sorgfalt walten lässt, diese mit den notwendigen Weisungen versieht und sich durch gelegentliche – auch unerwartete – Kontrollen davon überzeugt, dass die Weisungen auch beachtet werden. Nach den Urteilsfeststellungen führte der Betroffene keine regelmäßigen Stichproben bei den Fahrern durch, sondern wurde nur tätig, wenn er zufällig an einem Fahrzeug vorbeikam und ihm etwas auffiel. Damit blieb es dem Zufall überlassen, ob entsprechende Verstöße von ihm beim Gang über das Betriebsgelände festgestellt wurden oder nicht, was im Übrigen das Erkennen „verborgener“ Mängellagen, die nur bei einer gezielten Kontrolle auffallen, von vornherein ausschloss.
Abgrenzung der Verantwortlichkeiten für die Ladungssicherheit
Das OLG Hamm (Beschluss vom 28.01.2013, Az. III-5 RBs 213/12, 5 RBs 213/12) hatte sich mit der Abgrenzung der Verantwortlichkeiten für die Ladungssicherheit zwischen Halter, Verlader und Fahrzeugführer zu befassen. Dabei stellte das OLG Hamm klar, dass Fahrer und Verlader für die Einhaltung der Vorschriften über die Beladung und Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR verantwortlich sind (§ 9 Abs. 13 GGVSE). Halter und Beförderer haben dem Fahrzeugführer die zur Durchführung der Ladungssicherung erforderliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen (§ 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE). Insoweit genügt es, dass sie die im Einzelfall benötigten Sicherungsmittel in ausreichender Anzahl an einem Standort zur Verfügung stellen, an dem sich der Fahrzeugführer ihrer ohne Schwierigkeiten bedienen kann. Die tatsächliche Benutzung der zur Verfügung gestellten Sicherungsmittel ist allein Sache des Verladers und des Fahrzeugführers. Diesbezüglich obliegt dem Halter und Beförderer auch keine Kontroll- und Überwachungspflicht.
In der Sache belegten die tatrichterlichen Feststellungen einen vorwerfbaren Verstoß gegen § 37 Abs. 1 Nr. 6o GGVSEB nicht, wonach derjenige ordnungswidrig handelt, der vorsätzlich oder fahrlässig dem Fahrzeugführer entgegen § 19 Abs. 2 Nr. 15 GGVSEB eine erforderliche Ausrüstung nicht übergibt. Ein solcher Pflichtenverstoß des Betroffenen ist vorliegend nicht festgestellt, denn das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass die näher bezeichneten Gefahrgüter nicht hinreichend gegen Verrutschen gesichert waren und die an Bord des Fahrzeugs befindlichen Sicherungsmittel nicht eingesetzt wurden. Diese Mängel können jedoch nicht dem Betroffenen in seiner Eigenschaft als Inhaber der Spedition, die Fahrzeughalter und Beförderer war, angelastet werden. Der Halter und der Beförderer haben nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE im Straßenverkehr lediglich dafür zu sorgen, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR verfügt.
Verantwortlichkeit von Halter und Beförderer für die Ladungssicherung
Im Zusammenhang mit der Beförderung von gefährlichen Gütern hatte das OLG Hamm (Beschluss vom 01.04.2008, Az. 3 Ss OWi 128/08) bereits zuvor entschieden, dass der Halter und der Beförderer nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE im Straßenverkehr lediglich dafür zu sorgen haben, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung verfügt. Die tatsächliche Benutzung der zur Verfügung gestellten Sicherungsmittel ist allein Sache des Verladers und des Fahrzeugführers. Diesbezüglich obliegt dem Halter und dem Beförderer auch keine Kontroll- und Überwachungspflicht.
Stilllegung bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
Häufiger Streitpunkt im Rahmen der Stilllegung von Fahrzeug und/oder Anhängern sind die Kosten für die Stilllegungsmaßnahme, die in der Regel aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften von den Verantwortlichen per Bescheid eingefordert werden. Beispielhaft hierfür ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Chemnitz (Urteil vom 30.01.2014, Az. 3 K 1281/12), das sich mit einem Leistungsbescheid im Zusammenhang mit der Stilllegung eines im Straßenverkehr unter Last trotz fehlender Verkehrssicherheit und Ladungssicherung (hier: Strohballen) bewegten Anhängers zu befassen hatte. In der Sache ging es um die Kosten für die Begleitung eines Anhängers durch zwei Polizeifahrzeuge mit zwei Polizeibeamten. Das VG Chemnitz stellte fest, dass durch die unzureichende Ladungssicherung eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs entstanden sei, weshalb der Anhänger im Rahmen der Verkehrssicherung nach Rücksprache mit der Kraftfahrzeugzulassungsbehörde durch die Polizei zurückbegleitet worden und auf Weisung der Kraftfahrzeugzulassungsbehörde stillgelegt worden war.
Die Polizei konnte gemäß § 3 SächsPolG (vergleichbare Regelungen finden sich in allen Polizeigesetzen der Bundesländer) die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei diejenige zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheint und den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Durch eine polizeiliche Maßnahme darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zu den beabsichtigten Erfolgen steht.
Eine Gefahr ist eine Sachlage, die in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die öffentliche Sicherheit führen würde. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass einerseits keine Gewissheit vorausgesetzt wird, dass andererseits die entfernte Möglichkeit nicht ausreicht. Für das Wahrscheinlichkeitsurteil ist eine Prognose über den weiteren Geschehensablauf erforderlich. Je bedeutsamer das Rechtsgut ist, desto geringer sind die Anforderungen. Maßgebend für die Beurteilung ist der Kenntnisstand im Zeitpunkt des polizeilichen Handelns. Die öffentliche Sicherheit umfasst neben dem Schutz von Leben und Gesundheit auch, dass Recht und Gesetz eingehalten werden, beispielsweise die Regelung der Straßenverkehrsordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungs-Verordnung.
In Anwendung dieser Grundsätze ergab sich Folgendes: Die mangelhafte, den Anforderungen des § 22 Abs. 1 StVO nicht genügende Ladungssicherung stellte (subjektiv und objektiv) eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Die mangelhafte Ladungssicherung wurde durch ein Sachverständigengutachten bestätigt, wonach die Gefahr, dass Heuballen herabfallen und andere Verkehrsteilnehmer gefährden konnten, ebenfalls bestätigt war. Bestand demnach eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, waren die Polizeibeamten berechtigt und verpflichtet, diese Gefahr durch geeignete, mögliche und verhältnismäßige polizeiliche Maßnahmen abzuwehren. Eine mögliche Maßnahme, die Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren, wäre das Umladen des Transportguts vor Ort auf einen anderen Anhänger gewesen, was aber eine zeitweise Sperrung der Straße erfordert hätte. Keine mögliche Maßnahme wäre es gewesen, mit dem Frontlader lediglich den Ballen, an dem eine Pressschnur gerissen war, herabzuheben und provisorisch von Hand mit einer Schnur festzubinden. Auch dazu hätte die Straße kurzzeitig gesperrt werden müssen und das (objektive) Problem der mangelhaften Ladungssicherung (Heuballen zwei- beziehungsweise dreifach übereinander ohne rückwärtige und teils ohne seitliche Sicherung, keine „form- und/oder kraftschlüssige Sicherung“) und das (subjektive) Problem der Verkehrsunsicherheit des Anhängers wäre dadurch nicht beseitigt worden, sondern lediglich das Problem, dass aus einem der zwei obersten Heuballen aufgrund des Risses einer Pressschnur Heu herausquoll und herabfiel. Das Herausquellen und Herabfallen des Heus war nur eines der Probleme; daher ist es auch ohne Belang, ob eine das Herausquellen und Herabfallen verhindernde Bindung mittels einer Schnur von Hand möglich gewesen wäre.
Eine weitere mögliche Maßnahme war es, den Anhänger noch kurz in Begleitung der Polizei am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Diese Maßnahme war besser geeignet, weil sie schnell und wirksam war, da die Fahrt dorthin zurück, wo der Betroffene den Anhänger beladen hatte, nur kurz war. Die mit einem Umladen vor Ort verbundenen Probleme entstanden erst gar nicht. Das Umladen zu organisieren und durchzuführen, hätte auch mehr Zeit der Beamten des Beklagten in Anspruch genommen, als den Anhänger wenden zu lassen und zurückzubegleiten; es wäre für den Betroffenen daher auch teurer geworden.
Frachtführerhaftung bei Beschädigung von Transportgut
Das OLG Hamm (Urteil vom 23.02.2012, Az. I-18 U 126/11, 18 U 126/11) hatte sich mit der Frachtführerhaftung bei Beschädigung von Transportgut zu befassen. In der Entscheidung ging es um die Schadensverteilung bei unterlassenem Hinweis des Transportfahrers auf Verlademangel durch unsachgemäße Befestigung einer Bettfräsmaschine sowie das Mitverschulden des Versenders.
Das OLG Hamm urteilte, dass der Frachtführer für einen evidenten, die Betriebssicherheit gefährdenden Verlademangel des Absenders haftet, auf den der Fahrer vor Fahrtantritt pflichtwidrig nicht hinweist, auch dann wenn das Transportgut infolge des Verlademangels in einer Verkehrssituation beschädigt wurde, in der die Betriebssicherheit des Transportfahrzeugs nicht konkret beeinträchtigt war. Die Verantwortung des Absenders für den Verlademangel begründet ein Mitverschulden.
Im Rahmen des § 427 Abs. 1 Nr. 3 HGB gilt der Rechtsgedanke des § 254 BGB. Der Frachtführer, der gem. § 412 Abs. 1/Satz 2 HGB für die betriebssichere Verladung verantwortlich ist, muss gegenüber dem verladepflichtigen Absender insbesondere auch Verlademängel rügen, die die Betriebssicherheit gefährden können. Die insoweit den Absender und den Frachtführer treffenden Pflichten können sich überschneiden. Ist ein Verlademangel zudem evident, muss der Frachtführer auf diesen auch deswegen hinweisen, weil ihn die allgemeine Rechtspflicht trifft, das ihm zur Beförderung übergebene Gut vor Schäden zu bewahren.
Der vom Sachverständigen festgestellte Verlademangel war auch für den Frachtführer evident. Bereits das in den Frachtpapieren angegebene Gewicht der zu befördernden Maschine musste dem Frachtführer klar machen, dass eine sichere Fixierung des ersichtlich besonders schweren Maschinenbetts mit allein 15 Zurrgurten nicht zu erreichen war, weil die notwendige Spannkraft mit diesen nicht bewirkt werden konnte. Diese bereits zur Prüfung der Betriebssicherheit notwendigen Überlegungen sind auch von einem Fahrer zu verlangen, der in der Lage sein muss, die Betriebssicherheit des von ihm durchzuführenden Transportes zuverlässig zu beurteilen.
Haftung des Güterumschlagsbetriebs für beförderungssichere Verladung der Güter
Das LG Hamburg (Urteil vom 19.02.2010, Az. 412 O 95/09) hat für das Frachtgeschäft ferner entschieden, dass in dem Falle, wenn keine abweichende Vereinbarung besteht, es dem Güterumschlagsbetrieb obliegt, für eine beförderungssichere Verladung des Guts zu sorgen, und zwar gegenüber seinem Vertragspartner, der im Verhältnis zu einem die Ware in seinem Auftrag abholenden Frachtführer Absender ist.
Es oblag dem Güterumschlagsbetrieb gemäߧ412 I HGB, für die beförderungssichere Verladung der Kabeltrommeln zu sorgen. Anderweitige Vereinbarungen haben die Parteien nicht getroffen. Der während des Transports eingetretene Schaden beruhte unstreitig auf der mangelnden Ladungssicherung. Das hatte zur Folge, dass zugunsten des Frachtführers der Haftungsausschluss des § 427 Abs. 1/Satz 3 HGB eingreift, wonach der Frachtführer für Schäden im Zusammenhang mit dem Verladen des Guts durch den Absender oder Empfänger nicht haftet.
Auf die Frage, ob die Verladung betriebssicher war, kam es in diesem Zusammenhang nicht an. Zwar ist es gemäß § 412 I Satz 2 HGB Sache des Frachtführers, für eine betriebssichere Verladung zu sorgen. Doch steht in diesem Fall fest, dass sich etwaige Beeinträchtigungen der Betriebssicherheit nicht auf den Transport ausgewirkt haben. Die Schäden sind dadurch entstanden, dass die Kabelrollen nicht vollständig fixiert waren und während der Fahrt aneinanderstießen. Es ist durchaus denkbar, dass dadurch in bestimmten Verkehrssituationen eine Gefahr für den Betrieb des Fahrzeugs entstehen konnte. Eine derartige Gefahr hat sich hier aber unstreitig nicht realisiert. In Fällen, in denen eine nicht beförderungssichere Verladung auch die Betriebssicherheit beeinträchtigt, ist Voraussetzung für eine Mithaftung des Frachtführers, dass der Schaden gerade auf die eingetretene Betriebsunsicherheit zurückzuführen ist. Wurde das Gut – wie hier – geschädigt, ohne dass der betriebsunsichere Zustand des Beförderungsmittels dafür kausal war, hat der Frachtführer grundsätzlich nicht für den Schaden einzustehen.
Sorgfaltspflichtverletzung – fehlende Sicherung des Transportguts
Das Saarländische Oberlandesgericht Saarbrücken (Urteil vom 13.03.2013, Az. 5 U 342/12) hatte sich in einer anderen Schadensersatzklage mit der Haftung eines Busunternehmers zu befassen, genauer genommen mit der Sorgfaltspflichtverletzung durch fehlende Sicherung eines mitgeführten Musikinstruments. Das OLG Saarbrücken urteilte, dass wenn ein Busunternehmen den Transport eines Schülerorchesters mit dessen Instrumenten übernimmt, es verpflichtet ist, während der Beförderung auch die Instrumente gegen Verlust und Beschädigung zu schützen.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de
Autor
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer aus St. Augustin berät und vertritt mittelständische Unternehmen, Unternehmerpersönlichkeiten sowie Privatpersonen im Wirtschafts-, Zivil-, Arbeits- und Verkehrsrecht und ist bundesweit als juristischer Dienstleister tätig. Ein besonderer Kompetenzbereich ist das Dienstwagen- und Fuhrparkrecht. Rechtsanwalt Fischer ist Mitglied der ARGE (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein) und Autor zahlreicher Publikationen zum Dienstwagen- und Verkehrsrecht, unter anderem in der Fachzeitschrift „Flottenmanagement“, „Der Kfz- Sachverständige“ und „autorechtaktuell.de“. Als freiberuflicher Dozent ist er für das Goethe-Institut in Bonn tätig und hält bundesweit Seminare zu „Dienstwagenüberlassung und Arbeitsrecht“ sowie zu „Professionelles Schadensmanagement im Fuhrpark“ für das Weiterbildungsinstitut CompendiumPlus aus Osnabrück.

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