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Wer einmal einen Oldtimer bewegt und bei laufendem Motor etwas aus dem Kofferraum geholt hat, weiß, was saubere Abgase sind. Oder was sie nicht sind: Wenn die Kleidung noch tagelang nach verbranntem Benzin riecht, war sicherlich kein Katalysator im Spiel. Heute ist kaum mehr vorstellbar, wie die Luft in den Innenstädten bis in die Achtzigerjahre gerochen haben muss. Die Abgase moderner Fahrzeuge dagegen sind nahezu geruchlos; und Hose wie Jacke bleiben es auch nach einem Aufenthalt hinter dem Auspuff, ob der Motor nun läuft oder nicht. Klar, moderne Triebwerke produzieren dank immer ausgefeilterer Verbrennung bereits recht saubere Rohemissionen – da ist es verhältnismäßig einfach für den Katalysator, die Restschadstoffe in unschädliche Abfallprodukte wie CO2, Wasser und Stickstoff umzuwandeln. Rußpartikel sind beim Benziner mit Saugrohreinspritzung kein Thema, direkteinspritzende Ottomotoren jedoch verbrennen den Kraftstoff bei Volllast nicht vollständig und signalisieren dies in Form schwarzer Auspuff-endrohre.

Denn die Einspritzung erfolgt hier direkt in den Brennraum; bevor aber die Gemischbildung samt anschließender Verbrennung stattfindet, muss der Kraftstoff verdampfen. Vor allem im oberen Drehzahlbereich kommt es dazu, dass nachströmende Benzintröpfchen nur an der Oberfläche verbrennen und Partikel hinterlassen. Ab der Euro-5-Norm werden erstmals Partikelgrenzen für Benziner ausgesprochen. Diese liegen bei 4,5 Milligramm je Kilometer – eine Grenze, welche die Techniker gut im Griff haben. Mit der für Neuwagen ab 2015 geltenden Euro-6-Norm wird sich die Vorschrift in puncto Partikel zwar noch nicht verändern, doch für die Zukunft ist das freilich denkbar. Überhaupt kommt der Benziner noch ungeschoren davon – für ihn wird es bis auf eine vorgeschriebene Partikelanzahl (im Unterschied zur Ausstoßmenge) keinen Unterschied zur jetzt gültigen Norm geben. Ganz anders sieht es beim Diesel aus. Den Selbstzündern gehen die Behörden an den Kragen. Zwar bleibt es bei den Partikelgrenzwerten, doch setzen ihm die Stickoxide zu.

So wird der Grenzwert von derzeit 180 mg NOx je Kilometer auf magere 80 heruntergesetzt; ironischerweise hängen einfach umzusetzende Maßnahmen zur NOx-Reduktion wiederum von einer anderen Stellschraube ab, bei der ebenfalls Reduktion Not tut: Die Rede ist vom Kraftstoffverbrauch. Je magerer (und somit auch besser) die Dieselverbrennung abläuft, desto mehr Stickoxid entsteht. Bei weniger Luftüberschuss, also wenn das Gemisch fetter und die Verbrennungstemperatur geringer ist, wird der Stickoxidausstoß eingedämmt, doch dann steigt die ebenfalls unerwünschte CO2-Emission. Wenn der Selbstzünder also gleichzeitig effizient wie ungiftig bleiben muss, sind aufwendigere Maßnahmen erforderlich, die jedoch seinen Anschaffungspreis in die Höhe treiben und ihn demnach an anderer Stelle wieder unrentabel machen. SCR-Katalysatoren sind das Zauberwort. Mittels Harnstofflösung können die Stickoxide zu ungiftigem Stickstoff reduziert werden, was den Spagat zwischen magerer und gleichzeitig sauberer Verbrennung möglich macht.

Doch dieser Vorgang erfordert sowohl einige Bauteile als auch Wartung. Schließlich muss der Harnstoff in einem kleinen Tank gelagert und von Zeit zu Zeit nachgefüllt werden. Es wird ferner eine Regelelektronik nötig – dazu zählen zum Beispiel NOx- und Temperatursensoren. Speicherkatalysatoren sind eine weitere Möglichkeit, dem NOx-Problem Herr zu werden. Dabei werden die Stickoxide in einem entsprechenden Kat aus Platin und Barium zwischengespeichert, um sie dann in regelmäßigen Zyklen zu Stickstoff zu reduzieren. Dazu wird das Gemisch kurzzeitig angefettet, was sich wiederum nachteilig auf den Konsum auswirkt. So düster, wie viele Fachleute das Euro-6-Diesel-Szenario in den letzten Monaten gezeichnet haben, scheint es aber nicht zu sein angesichts der vielen bereits in den Preislisten auftauchenden Modelle – getreu dem Motto: Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht. Dass die Fahrzeuge im Schnitt 1.000 bis 2.000 Euro teurer werden könnten, vermuten Fachleute allerdings schon.

Ob sich Diesel-Kleinwagen dann noch rentieren, müsste im Einzelfall geprüft werden. Oft jedoch entscheiden sich die Kunden gar nicht wegen der Kosten für einen Selbstzünder, sondern wegen des bulligen Drehmoments. Gerade im Leistungsbereich um 100 PS glänzt er mit satter Zugkraft, während Benziner in der Größenordnung eher zäh sind. Addiert man noch die höheren Versicherungsprämien, ergeben sich ordentliche Mehrkosten für den Diesel, die erst im Falle von hohen Jahresfahrleistungen wieder aufgefangen werden. Anders bei großen Fahrzeugen wie Vertreter der oberen Mittelklasse; in diesem Segment sind Ottotriebwerke ganz schöne Spritschlucker – da hat der Diesel leichtes Spiel. Dank verschiedener Möglichkeiten der Aufladung erzielt man bei ihm inzwischen auch locker Literleistungen von über 100 PS, allerdings sind diese neuen Generationen mit Sicherheit nicht mehr so haltbar wie alte Kammerdiesel. Damals waren Kilometerleistungen von über einer Million kein Problem, die spezifische Leistung galt aber schon als gut, wenn sie 30 PS überstieg.

Ach ja, findige Techniker haben übrigens auch eine Methode entwickelt, den Diesel ganz ohne aufwendige Abgasnachbearbeitung über die Euro-6-Schwelle zu hieven. Es gibt bereits Varianten, die eine ähnlich niedrige Verdichtung aufweisen wie Benziner, um ihren Verbrennungsprozess zu optimieren. Niedrigere Temperaturen halten den Stickoxid-Anteil im Zaum. Und außerdem können Werkstoffe wie Aluminium ohne Probleme eingesetzt werden, was das Gewicht wiederum reduziert. Doch auf dem Weg zum lokal emissionsfreien Fahren per Elektroantrieb werden die Anforderungen weiter hochgeschraubt. Wenn Neuwagen im Jahr 2020 im Schnitt maximal 95 g CO2/km ausstoßen, dann werden deren Abgase gleichzeitig auch noch sauberer sein müssen, davon ist jedenfalls auszugehen. Und da die Rußpartikelfrage auch beim Ottomotor gestellt werden wird (was komplexere Abgasnachbearbeitung zur Folge haben wird), bestehen gute Chancen, dass der Diesel für Vielfahrer weiterhin wirtschaftlicher bleibt. Vorausgesetzt, die Kraftstoffpreise ändern sich nicht. Vielleicht wird es ja die eine oder andere Überraschung geben.