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Was macht man, wenn unbedingt deutsche Ingenieurskunst in die Garage soll, aber beim Design ein paar rassige Striche bevorzugt werden? Klarer Fall für den Seat-Händler. Denn der hilft weiter, wenn es ein Produkt aus dem Volkswagen-Konzern sein soll, aber das Blechkleid doch bitte zum Hinschauen anregen darf. Mit dem Leon klappt das ganz gut: Zackige Scheinwerfer schaffen zusammen mit den markanten Sicken einen heißblütigen Auftritt ganz nach dem Muster des spanischen Labels. Eine besonders kantige Linienführung verleiht der unteren Mittelklasse einen individuellen Touch innerhalb des Markengruppen-Portfolios und sorgt somit für klare Wiedererkennung. Dass der Kompaktklässler auf dem modularen Querbaukasten des Konzernregals basiert, sieht man ihm erstens kein bisschen an und hat zweitens auch keinen Einfluss auf den spezifischen Charakter, was Badge-Engineering-Befürchtungen im Keim erstickt.

Schön, dass die Spanier Zugriff auf das komplette Motorenprogramm des Verbunds haben und die Produkte auch mit der gleichen Technik wie jene der Mutter ausstatten; so werkelt unter der Haube des Testwagens der bekannte Common-Rail- Diesel mit zwei Liter Hubraum. Analog zu den Modellbrüdern mit den anderen Logos auf dem Kühlergrill gibt es wunschgemäß 150 PS auf die Vorderräder. Das ist ein Plus von zehn Pferdchen gegenüber dem Vorgänger und sorgt zusammen mit der im Gegenzug durchgeführten Gewichtsreduktion von bis zu 90 Kilogramm für knackige Fahrleistungen. Demnach beschleunigt der TDI binnen achteinhalb Sekunden auf Landstraßentempo und ist damit schon in eine sportliche Liga aufgestiegen, während die Papiere dem vorherigen Modell noch eine ganze Sekunde mehr Zeit bescheinigten für die gleiche Disziplin. Doch was sind schon Werksangaben im Vergleich zur Praxis.

Und genau hier zeigt sich, dass eine winzige Anfahrschwäche erhalten geblieben ist, was mit einem Single-Turbo indes kaum vermieden werden kann. Aber sobald Ladedruck anliegt und 320 Nm Drehmoment über die vorderen Pneus herfallen (ab 1.750 Umdrehungen), giftet der Kompakte los und kann je nach Einsatz der Kupplung auf dem Asphalt malen. Erst jenseits der 3.000 Touren-Marke flacht das Zugkraft-Hoch ab und garantiert für ein fülliges Drehzahlband. Demnach kann der Diesel absolut schaltfaul gefahren werden – fast eine Verschwendung angesichts der präzisen Sechsgang-Box. Wenn das keine Einladung ist, bei Gelegenheit mit dem Hebel in der Mitte ein bisschen flinker umzugehen. Vor allem windungsreiche Landstraßen machen mächtig Spaß, wenn der kräftige Selbstzünder kurz vor Kurvenausgang wieder bissig anzieht. In Stellung „Sport“ reagiert das Gaspedal gar noch einen Tick giftiger auf zackige Befehle. Außerdem geben die Verantwortlichen der hier getesteten FR-Line dem Käufer ein Sportfahrwerk auf den Weg, das merklich straffer abgestimmt ist als bei der Basis, den Leon aber keineswegs in einen unkomfortablen Knochenrüttler verwandelt.

So werden langwellige Pistenverwerfungen souverän geschluckt; nur harte Querfugen machen sich natürlich bemerkbar, aber das ist eben der Preis für ein ordentliches Dynamik-Plus, das mit der Linie FR ja auch wissentlich erkauft wird. Dann steht der Fronttriebler außerdem auf potenten 17-Zöllern der 45er-Serie, die das Straßenprofil immer ein bisschen intensiver in den Innenraum hineintragen als die kleineren Standardräder. Dass die Servolenkung längst von einem Elektromotor gespeist wird, haben die Entwickler inzwischen richtig gut im Griff – keine Spur von Anflügen synthetischer Charakteristik. Ganz im Gegenteil, das Lenkrad liegt gut in der Hand und lässt den Südeuropäer mit hoher Genauigkeit um die Ecken preschen und wie an der Schnur gezogen auch mit hohen Tempi geradeaus fahren. Somit wurde ein gelungener Kompromiss zwischen moderater Sportlichkeit und ordentlicher Langstreckentauglichkeit gefunden.

Übrigens verfügt der FR serienmäßig über Sportsitze mit ausgeprägten Wangen, damit die Insassen Querbeschleunigungsorgien gut überstehen. In der Tat geizen die strammen und gleichzeitig bequemen Stühle keineswegs mit Seitenhalt; dabei animiert auch die sportlichste Ausstattungslinie nicht immer zu wilden Manövern. Luftige Platzverhältnisse in beiden Reihen unterstreichen die Allroundfähigkeit des 1,3-Tonners; darüber hinaus besticht er mit solider Verarbeitung, die dem Volkswagen-Standard entspricht. Und hier gilt wieder das Gleiche wie für die Außenhaut: Beim Design geht der Spanier andere Wege und setzt deutliche Akzente mit dominierendem Rot bei der Beleuchtung und analog zum Kleid auffällig kantiger Formensprache. Bei den Instrumenten herrscht aufgeräumte Klarheit zweier Rundskalen mit ordentlicher Ablesbarkeit. Dazu passt die sterile Mittelkonsole, auf der die Tasten für die Klimatisierung schon fast etwas verloren wirken.

Mindestens 21.672 Euro netto sind erforderlich für den Leon FR 2.0 TDI mit 150 PS – allerdings ist damit auch eine reichhaltige Ausrüstung verbunden. Ohne Frage liefert Seat das volle Sicherheitspaket, in dem sogar der Knieairbag enthalten ist. Für ein wenig FR-Exklusivität sorgen derweil nicht nur das Badge im Kühlergrill und auf dem Heckdeckel, sondern auch ein gut sichtbares Doppelrohr. Des Weiteren befinden sich Bluetooth-Freisprechanlage, Klimaautomatik, Radio und Tempomat an Bord. Als weltweit erste untere Mittelklasse kann der neue Seat Leon mit LED-Vollscheinwerfern ausstaffiert werden, das heißt: Entweder rollt der Heißblüter mit Halogen oder LED (1.000 Euro netto) an den Start – Xenonlicht ist passé. Und bitte das Navigationssystem nicht vergessen – die integrierten Anlagen sind inzwischen so günstig geworden, dass man einfach zuschlagen muss. Für 546 Euro netto ist man dabei.