
Flottenmanagement: Herr Dr. Rieß, das Auto verändert sich – langsam, aber sicher steigen die Zulassungszahlen alternativ angetriebener Fahrzeuge, von Gas über Hybrid bis Elektro. Auch gibt es neue Mobilitätskonzepte abseits des eigenen Pkw. Wie sehen Sie die Mobiltät in deutschen Fuhrparks beziehungsweise von Arbeitnehmern allgemein in fünf oder zehn Jahren? Was wird sich verändern?
Dr. Rieß: Unsere Riskmanager, die unsere großen Flottenkunden im Tagesgeschäft begleiten, berichten von einer recht zögerlichen Einführung alternativ angetriebener Fahrzeuge. Hauptgrund dafür ist die schwierige Versorgung der Fahrzeuge und damit verbundene höhere Prozesskosten. Mit dem Ausbau der Netze für Tank- und Ladestellen könnte hier eine Veränderung eintreten. Gleichzeitig werden beispielsweise die Fahrer über Telematiklösungen wie beispielsweise eCall unterstützt. Die Unternehmen werden durch eine Echtzeitübersicht über Position und Route aller Fahrzeuge informiert. Dazu laufen bereits in unserem Hause Pilotprojekte. Bei den hohen Kilometerleitungen gewerblich genutzter Flotten lässt sich aber über die Zeiträume solcher Paradigmenwechsel nur spekulieren.
Flottenmanagement: Wie sehen Sie die neuen Fahrzeugkonzepte seitens der KFZ-Versicherung? Ändert sich das Versicherungsrisiko mit den neuen Fahrzeugarten? Sind potenzielle Schäden günstiger oder teurer? Elektrofahrzeuge beispielsweise haben aufgrund geringer Reichweite ja per se niedrigere Laufleistungen und wenig Autobahnanteil.
Dr. Rieß: Auf der Autobahn passieren die wenigsten Unfälle! Wenn sich die geringere Laufleistung in Ballungsräumen auf gefährlicheren Straßen abspielt, wird das Risiko nicht geringer. Wenn ein Fußgänger oder Fahrradfahrer das leise Elektroauto nicht hört, steigt das Risiko! Wenn der teure Batteriesatz zerstört wird, ist das teurer als ein Blechschaden. Die Frage wird hier sein, ob die Nutzer solcher Fahrzeuge sich anders verhalten. Das können nur Statistiken beweisen, die wir heute noch nicht haben.
Flottenmanagement: Für zusätzliche Sicherheitssyteme bieten einige Versicherungen in Fuhrparks Abschläge auf den Versicherungsbetrag an. Wird es für beispielsweise Elektrofahrzeuge auch Auf- oder Abschläge auf die Prämie geben, und wenn, ist das rein politisch bedingt oder gibt es eine konkrete sachliche Grundlage?
Dr. Rieß: Wir werden natürlich unseren Beitrag zu umweltfreundlicherer Mobilität leisten. Zusätzliche Sicherheitssysteme sind aber nicht nur auf Elektrofahrzeuge beschränkt. Sie reduzieren generell die Eintrittswahrscheinlichkeit von Unfällen oder schweren Verletzungen. Damit werden sie in Statistiken und damit im Preis berücksichtigt. Das kann aber in beide Richtungen gehen. Der Airbag, der die schwere Gesichtsverletzung verhindert hat, muss anschließend natürlich ersetzt werden und verteuert die Reparatur.
Flottenmanagement: Wer seine Batterie im voll oder teilweise batterieelektrischen Fahrzeug nicht in der eigenen Garage oder auf dem Firmenparkplatz laden kann, hat immer auch das Risiko, dass das Ladekabel gestohlen wird. Mit dem Effekt, dass dann nicht nur das teure Kabel weg ist, sondern die gesamte individuelle Mobilität zunächst drastisch eingeschränkt wird. Gibt es hier Lösungen, wie sieht das die Versicherung?
Dr. Rieß: Die Mitversicherung von Zubehör oder Inhalten ist für uns gelebte Praxis. Hier werden vor allem die Pannenhelfer und Assisteure vor neue Herausforderungen zu Erhaltung der Mobilität gestellt.
Flottenmanagement: Neben neuen Antriebslösungen für das Auto selbst verbreiten sich auch zunehmend neue Mobilitätskonzepte - beispielsweise das CarSharing, Mietmodelle und so weiter. Hier funktioniert das Modell der personen- beziehungsweise vorschadenbasierten Prämie nicht mehr. Welche Versicherungsmodelle für künftige Mobilitätskonzepte entwickelt die Allianz, wie kann gegebenenfalls ein gewerblicher Fuhrpark davon profitieren? (zum Beispiel Poolfahrzeuge, interne oder externe Nutzung von CarSharing und Vermietmodelle)
Dr. Rieß: Letztlich erfordert das deutsche Zulassungsrecht immer einen Fahrzeughalter. Bei diesem wird man, wie wir das heute schon in der Flottenversicherung tun, Schadenfrequenzen und Durchschnittsschäden messen können, aus denen wir wiederum auf statistischer Grundlage Bedarfe und Preise ermitteln können. Aber natürlich stellen uns die neuen Mobilitätskonzepte vor neue Aufgaben, für die wir als Versicherer eine passende Versicherungslösung finden müssen.
Flottenmanagement: Welche weitere neuen Angebote im Zusammenhang mit dem Wandel der Mobilität plant die Allianz?
Dr. Rieß: Wir unterstützen unsere größeren Kunden mit einer Anzahl von mindestens 50 Fahrzeugen mit unseren eigenen Flotten-Riskmanagern, die bei der Fuhrparkoptimierung und Kostensenkung die Unternehmen vor Ort unterstützen. Wir haben auf Veränderungen in der Nachfrage reagiert und begleiten unsere internationalen Flottenkunden auch mit internationalen Versicherungsprogrammen ins Ausland. Wir forschen natürlich im Allianz Zentrum für Technik an verschiedensten Themen, beispielsweiese im Rahmen der European Road Safety Charta. Wir arbeiten auch, wie bereits gesagt, mit Pilotprojekten an verschiedenen Zukunftsthemen, beispielsweise im Bereich Telematik.
Flottenmanagement: Wie sehen Sie den Trend zum (teil-)autonomen Fahren – wird es künftig Autos geben und wann, bei denen der Mensch nur noch Mitfahrer ist, und nicht mehr Fahrer? Ist das dann noch individuelle Mobilität und würde das Sinn ergeben? Wie sieht das haftungs- und versicherungstechnisch aus?
Dr. Rieß: Viele Experten gehen davon aus, dass in wenigen Jahren die Technik zum autonomen Fahren derart ausgereift sein wird, dass wir uns als Gesellschaft, aber auch als Versicherer, diesem Thema stellen müssen. Ich begrüße diese Entwicklung, weil sie neue Möglichkeiten für Mobilität eröffnet, beispielsweise für ältere Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr selbst Auto fahren können, aber auch, um Verkehrsströme zukünftig besser organisieren zu können, zur Senkung der Unfallzahlen und zur CO2-Reduktion.
Derzeit ist autonomes Fahren mit der StVO nicht vereinbar. Die Juristen berufen sich hierbei auf die Regelungen des Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr aus dem Jahre 1968. Darin heißt es unter anderem, dass jeder Fahrzeugführer unter allen Umständen sein Fahrzeug beherrschen muss. Natürlich hat 1968 noch niemand an von alleine fahrende Fahrzeuge gedacht. Und die Juristen sind sich derzeit auch uneinig, ob das Wiener Abkommen geändert werden muss, um ein autonomes Fahren zu ermöglichen. Es wäre aber meiner Meinung nach wichtig, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen für Klarheit sorgt.
Aber auch, wenn autonomes Fahren in Deutschland möglich ist, benötigt man noch eine Versicherung. Denn Sinn und Zweck der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeuge ist der Gedanke des Opferschutzes. Eine Besonderheit für Kraftfahrzeuge besteht dabei darin, dass der Halter gemäß § 7 StVG aus der sogenannten Gefährdungshaftung auch dann haftet, wenn kein Fehlverhalten vorliegt. Also auch dann, wenn Fahrer und Assistenzsystem alles richtig gemacht haben, besteht ein Haftungsrisiko. Und das Auto wird auch weiterhin im Vergleich zu einem Fußgänger, Radfahrer und anderen Verkehrsteilnehmern eine Gefahr darstellen, für die man einen Versicherungsschutz zwingend benötigt. Außerdem werden auch die Fahrzeuge der Zukunft einen erheblichen Wert haben. Daher ist der Schutz für Wertvernichtung also eine Kaskoversicherung dringend erforderlich.
Flottenmanagement: Noch eine Frage am Rande: Haben Sie persönlich auch schon ein Elektroauto oder ein alternativ angetriebenes Fahrzeug? Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit diesem Thema?
Dr. Rieß: Ja, ich fahre persönlich ein Elektrofahrrad und nutze seit kurzem Telematikanwendungen der Allianz. Und ich fahre immer wieder mit unseren Elektrofahrzeugen aus dem Allianz Fuhrpark. Mich begeistert bei den Elektroautos vor allem, wie spurtstark der Elektromotor im Stadtverkehr ist und das Fehlen der gelernten Motorgeräusche. Es ist immer wieder faszinierend, beim Fahren nur noch die Rollgeräusche des Fahrzeuges zu hören.