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Pro Jahr ereignen sich in Deutschland rund 200.000 Wegeunfälle, in mehr als der Hälfte der Fälle handelt es sich dabei um Straßenverkehrsunfälle. Verkehrsunfälle auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstelle nach Hause stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Statistische Relevanz von Wegeunfällen
Nach statistischen Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) ereigneten sich im Jahr 2010 in der gewerblichen Wirtschaft und bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand insgesamt 223.973 meldepflichtige Wegeunfälle – mit steigender Tendenz beim Unfallrisiko. Für das erste Halbjahr 2011 sehen die Zahlen kaum anders aus: Im Vergleich zum Vorjahr haben sich im ersten Halbjahr 2011 insgesamt 100.147 meldepflichtige Wegeunfälle ereignet; gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum ist dies eine Zunahme von 15,9 Prozent (19.177 Unfälle). 167 meldepflichtige Wegeunfälle hatten in diesem Zeitraum einen tödlichen Ausgang, was sogar einer Zunahme um 17,6 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum entspricht. Ferner kamen 2.837 neue Unfallrenten für Wegeunfälle hinzu; dies entspricht einer Zunahme um 5,4 Prozent. Etwas besser sieht es hingegen im Bereich der nicht meldepflichtigen Wegeunfälle aus: Die erfassten 78.402 Leistungsfälle entsprechen gegenüber dem Vorjahr einem Rückgang um 9,0 Prozent.

Gerichtliche Klärung des Versicherungsschutzes bei Wegeunfällen in 2010/2011
Wegeunfälle gehören juristisch gesehen zu den Arbeitsunfällen, als Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit; vergleiche § 8 SGB VII. Versicherte Tätigkeit ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Auch die Gerichte haben sich in zahlreichen Fällen mit der juristischen Aufarbeitung von Wegeunfällen als Arbeitsunfall befassen müssen. Stets wiederkehrende Streitfragen waren dabei insbesondere die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit, die Unterbrechung des Heimwegs und das Nehmen von Umwegen beziehungsweise Abwegen aus den verschiedensten Gründen.

Wegeunfall und alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit
Das Bayerische Landessozialgericht München hat in einem Urteil vom 14.12.2011, Az. W 2 U 566/10 klargestellt, dass die Berufsgenossenschaft von ihrer grundsätzlichen Leistungspflicht nur dann völlig frei wird, wenn die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit als wesentliche Unfallursache feststeht. In dem vom Bayerischen Landessozialgericht entschiedenen Fall verlangten die Witwe und die Halbwaisen nach dem unfallbedingten Tod des Versicherten auf dem Heimweg von der Arbeit Entschädigungsleistungen von der Gesetzlichen Unfallversicherung. Der Versicherte war auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeitsstätte von der Bundesstraße abgekommen und mit seinem Wagen gegen einen Baum geprallt. Beim verstorbenen Unfallfahrer wurde eine Blut-Alkohol-Konzentration (BAK) von 0,93 Promille festgestellt.

Die Berufsgenossenschaft verneinte deshalb einen Versicherungsfall, weil der Alkohol die wesentliche Unfallursache gewesen sei. In erster Instanz hatte das Sozialgericht anders entschieden und den Klägern Recht gegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Unfallversicherungsträgers wurde vom Bayerischen Landessozialgericht zurückgewiesen.

Zur Begründung hieß es, dass der auf dem Heimweg bestehende Versicherungsschutz nicht entfallen sei, weil der Versicherte unter Alkoholeinfluss stand. Bei der festgestellten relativen Fahruntüchtigkeit (BAK unter 1,1 Promille) sei nicht nachgewiesen, dass der Alkohol allein die wesentliche Unfallursache war. Eine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit sei daher nicht hinreichend erwiesen. Den Anscheinsbeweis, dass bei relativer Fahruntüchtigkeit der Alkoholeinfluss die wesentlicheUnfallursache war, sah das Bayerische Landessozialgericht durch die ernsthafte Möglichkeit einer betriebsbedingten Übermüdung nach einem Arbeitstag von 13,5 Stunden als entkräftet an.

Mit dieser Entscheidung hat das Bayerische Landessozialgericht klargestellt, dass allein eine relative alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung noch nicht ausschließt. Dies allerdings gilt nur dann, wenn sie andere, unternehmensbedingte Umstände in den Hintergrund drängt und als allein wesentliche Ursache anzusehen ist.

Auch das Hessische Landessozialgericht mit Urteil vom 13.05.2011, Az. L 9 U 154/09 urteilte, dass der Versicherungsschutz auf dem Weg von der Arbeit zum Wohnort entfällt, wenn für das Unfallereignis die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten allein wesentlich ist.

Ein besonderer Aspekt bei der Entscheidung war die Frage, ob der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht gegenüber dem verunfallten Mitarbeiter verletzt hat. Das Hessische LSG stellte dazu fest, dass die gesetzliche Unfallversicherung auch bei der Verletzung der Fürsorgepflicht des Unternehmers gegenüber den Beschäftigten die zivilrechtliche Haftung ablöst. Sofern sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag und nicht aus anderen Umständen ergibt, erstreckt sie sich aber nur auf Gefahren und Umstände, die ihren Ursprung in der betrieblichen Sphäre haben. Auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht unter dem Gesichtspunkt der Gefahrerhöhung ist denkbar, wenn der Arbeitgeber entweder selbst Alkohol zur Verfügung stellt oder Alkoholkonsum am Arbeitsplatz duldet und generell keine Schutzvorkehrungen gegen das anschließende Benutzen von Pkw im verkehrsuntüchtigen Zustand trifft. Bei einer eigenverantwortlichen Schädigung des Versicherten durch Alkoholkonsum stellt sich ein Unterlassen des Arbeitgebers aber als eine untergeordnete, nicht wesentliche Mitverursachung zumindest in Fällen des bloßen Alkoholmissbrauchs dar. Bei erkennbarer Alkoholabhängigkeit kann dies anders zu werten sein.

Wegeunfall und Unterbrechung des Heimwegs
Gleich mehrere Entscheidungen befassen sich mit der Fahrtunterbrechung des Heimwegs beziehungsweise mit dem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Denn das Zurücklegen von Wegen stellt in aller Regel nicht die Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst dar, sondern ist dieser vor- oder nachgelagert und steht hierzu in einer mehr oder weniger engen Beziehung, so zum Beispiel bei Betriebswegen oder dem Weg zur Arbeit.

Zu beachten ist, dass nach der Rechtsprechung Vorbereitungshandlungen, also solche Verrichtungen, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit vorangehen und/oder ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (beispielsweise Wartung, Betanken des eigenen Pkw, Kauf einer Bahnfahrkarte für den Weg zur Arbeit, Erkundigungsfahrt zur neuen Arbeitsstelle) oder die der Beseitigung von Hindernissen beim Zurücklegen des Arbeitswegs (Schneeschaufeln zur Freilegung der Garagenausfahrt) bis hin zu Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft (Kauf von Medikamenten, Kauf von Lebensmitteln) reichen. Trotz ihrer Betriebsdienlichkeit sind solche Vorbereitungshandlungen grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Versicherungsschutz besteht daher nur ausnahmsweise, wenn ein besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zu der versicherten Tätigkeit besteht.

Der Versicherungsschutz für vorbereitende Tätigkeiten ist grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt. Ausnahmen hiervon kommen nur in Betracht, wenn die Vorbereitungshandlung mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung (Wegezurücklegung) so eng verbunden ist, dass beide bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden. Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt wird.

Der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz entfallen jedoch, wenn der Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen wird. Dafür ist es unerheblich, ob der Versicherte den eingeschlagenen Weg verlässt, um an einer anderen Stelle einer privaten Verrichtung nachzugehen und erst danach auf den unter Versicherungsschutz stehenden Weg zurückzukehren oder ob er lediglich seine Fortbewegung an Ort und Stelle unterbricht, um etwa in einem Geschäft am Straßenrand einzukaufen.

Das Sozialgericht Berlin (Urteil vom 09.12.2010, Az. S 98 U 794/08) hatte sich mit einer Fahrtunterbrechung anlässlich einer privaten Abschiedsfeier einiger Mitarbeiter zu befassen. Hierzu führte das SG Berlin auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 27.10.2009 – B 2 U 23/08 R) aus, dass der sachliche Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit dann entfällt, wenn ein grundsätzlich versicherter Heimweg aus eigenwirtschaftlichen Gründen für mehr als zwei Stunden unterbrochen wird. Die Abschiedsfeier einer Gruppe von Ein-Euro-Jobbern aus einem Förderprojekt sei aber keine (die Arbeitszeit gewissermaßen verlängernde) Betriebsveranstaltung, wenn die Idee hierzu allein von den Mitarbeitern kam, die die Feier eigenständig organisierten, realisierten und auch finanzierten, ohne dass die Feier von der Autorität der Unternehmens- beziehungsweise Standortleitung getragen worden wäre. Daher stellte die Abschiedsfeier gerade keine im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung durchgeführte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung dar.

Anders hätte der Fall wohl ausgesehen, wenn die Feier als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung von der Autorität der Unternehmensleitung getragen worden wäre. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn der Veranstalter dabei nicht oder nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt. Die Unternehmensleitung muss zwar nicht selbst Veranstalter sein. Es genügt aber, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert. Veranstalter – im Auftrag der Unternehmensleitung – können daher auch der Betriebsrat oder eine Gruppe beziehungsweise einzelne Beschäftigte des Unternehmens sein. Die Billigung der Unternehmensleitung muss sich nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Änderungen (zum Beispiel auf die Arbeitszeit oder das Benutzen betrieblicher Räume bezogen) erstrecken, sondern die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihr gewollt sein. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, die in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens erfolgen, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Filialen verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder beispielsweise Filiale als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert.

In einem anderen Fall hatte das OVG Lüneburg (Beschluss vom 15.04.2011, Az. 5 LA 79/10) über einen Wegeunfall bei Unterbrechung des Zusammenhangs mit dem Dienst durch dreistündigen Schlaf zu entscheiden. In dem Fall ging es um die Frage, ob ein Beamter, der auf der Rückfahrt von seiner Dienststelle zu seiner Wohnung einen Unfall erlitten hat, nachdem er die Rückfahrt zuvor für mehr als drei Stunden unterbrochen und während dieser Zeit in seinem Pkw geschlafen hatte, einen Anspruch auf Dienstunfallschutz hat. Nach der Rechtsprechung des BVerwG bewirkt eine kurzfristige Unterbrechung der Rückfahrt zwar grundsätzlich allein keine Lösung des rechtlich wesentlichen Zusammenhangs mit dem Dienst. Es muss sich jedoch um eine Unterbrechung handeln, wie sie beim Zurücklegen eines Weges typischerweise auftritt. Die Unterbrechung darf nach der Art und dem Zeitaufwand auch nicht in einem Missverhältnis zur Dauer des Weges im Ganzen stehen. Vorliegend kam das OVG Lüneburg zu dem Ergebnis, dass eine drei Stunden und zehn Minuten lange schlafbedingte Unterbrechung aber sowohl nach ihrer Art als auch nach dem zeitlichen Ausmaß in einem Missverhältnis zur Dauer des Weges im Ganzen stehe. Eine solche Unterbrechung sei daher ausschließlich dem persönlichen Bereich des Beamten zuzurechnen und führe zur Lösung des wesentlichen Zusammenhanges der Rückfahrt mit dem Dienst.

Auch das Bayerische Landessozialgericht (Urteil vom 25.10.2011, Az. L 3 U 52/11) hatte sich mit einer reisebedingten Pause zu befassen. Es stellte in seinem Urteil fest, dass ein Busfahrer, der während einer reisebedingten Pause verunfallt, nur dann gesetzlich unfallversichert ist, wenn auch die unfallbringende Tätigkeit in dieser Pause in einem inneren Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Busfahrer steht. Der Besuch eines Fußballspiels als Zuschauer (hier: Unfall in der Allianz Arena) sei jedoch dem privaten, nicht versicherten Bereich zuzurechnen.

Auch Tankpausen können in den unversicherten Bereich fallen. Das Landessozialgericht Berlin- Brandenburg (Urteil vom 03.11.2011, Az. L 3 U 7/09) stellte hierzu fest, dass das Auftanken eines zur Fahrt zum und vom Ort der Tätigkeit benutzten Kraftfahrzeugs nach der Rechtsprechung grundsätzlich seinem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sei, und zwar unabhängig davon, ob das Auftanken nur eine geringfügige Unterbrechung des Weges zur Arbeitsstelle bedeutet hätte oder ob der verletzte Autofahrer sich zum Auftanken vom Straßengelände hätte entfernen müssen.

Dass die Sachlage bei Parkunfällen anders zu beurteilen sein kann, entschied das SG Wiesbaden (Urteil vom 27.10.2011, Az. S 13 U 49/11). Es stellte fest, dass keine Unterbrechung des versicherten Heimwegs vorliegen würde, wenn die Versicherte bei dem Versuch, ihren zunächst vor der Garage abgestellten, dann aber zurückrollenden Pkw aufzuhalten, um ihn anschließend in die Garage zu fahren, verletzt wird. Die sich der verletzten Autofahrerin darstellende Situation, als sie sich nach dem Öffnen des Garagentors umdrehte und sah, wie sich ihr Pkw in Bewegung setzte und den Hang hinabrollte, stellte zwar im Verhältnis zum üblichen Vorgehen beim Einstellen des Pkw in die Garage eine Abweichung dar. Die von der Verletzten infolgedessen vorgenommene Handlung hatte jedoch keine in ihrer Privatsphäre begründete Ursache, sondern ihre Handlungstendenz war weiterhin darauf gerichtet, die mit dem Abstellen das Pkw in der Garage verbundenen Verrichtungen fortzusetzen, nämlich das Fahrzeug anzuhalten und dann in die Garage zu fahren.

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, Lohmar
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de

 

 

Rechtsprechung

Schadenrecht/Haftung
Zur Abrechnung auf Neuwagenbasis nach Verkehrsunfallschaden

Eine Schadensabrechnung auf Neuwagenbasis scheidet aus, wenn ein Leasingfahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits einen Monat zugelassen war und über 4.200 km Laufleistung aufwies. Das beschädigte Fahrzeug war jedenfalls zum Unfallzeitpunkt nicht mehr als Neuwagen zu qualifizieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies „äußerstenfalls“ bis zu einer Fahrleistung von 3.000 km oder einer Gebrauchsdauer von etwa einem Monat anzunehmen. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Grenze einer Laufleistung von 3.000 km ganz deutlich überschritten, nämlich um gut 41 Prozent. Jenseits dieser Grenze kommt eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nur in Betracht, wenn wegen mit einer fachgerechten Reparatur nicht zu beseitigender konkreter technischer oder ästhetischer Mängel dem Geschädigten eine Weiterbenutzung unzumutbar ist. Etwaige Gewährleistungsunsicherheiten genügen dafür nicht, sondern sind nach der Rechtsprechung des BGH nur als besondere Umstände bei der Betrachtung für Laufleistungen zwischen 1.000 und 3.000 km zu berücksichtigen. Nachdem im vorliegenden Fall zudem auch die Monatsfrist für die Gebrauchsdauer schon bis zum letzten Tag, also voll, ausgeschöpft war, besteht insgesamt kein Anhalt für eine Unzumutbarkeit der Weiterbenutzung des ordnungsgemäß reparierten Unfallwagens, welche ganz ausnahmsweise trotz der Überschreitung einer Fahrleistung von 3.000 km noch eine Abrechnung auf Neuwagenbasis rechtfertigen könnte.

Für eine rechtsfortbildende Ausweitung der 3.000 km-Grenze sieht der Senat keinen Anlass. Die heutzutage – möglicherweise – längere Gesamtnutzungszeit von Fahrzeugen lässt keinen Rückschluss darauf zu, wie lange ein Pkw nach seiner erstmaligen Inbetriebnahme nach wirtschaftlicher Verkehrsanschauung noch als fabrikneu qualifiziert werden kann. Dass sich insoweit an der allgemeinen Anschauung durch Verbesserungen beim Durchrostungsschutz und der Langlebigkeit der Motoren etwas Entscheidendes geändert hätte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof noch in seinem jüngsten Urteil vom 9. Juni 2009 (BGHZ 181, 242 – juris-Rdnr. 18) die sogenannte „Faustregel“ einer Fahrleistung von 1.000 km als Regelgrenze für die Bewertung von Fahrzeugen als fabrikneu ausdrücklich bestätigt. Ob wegen der Sonderkonstellation bei Leasingfahrzeugen von einem geringeren Integritätsinteresse ausgegangen werden kann und ob dies ebenfalls gegen eine Abrechnung auf Neuwagenbasis spricht, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.
OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, Az,. 14 U 181/11


Ordnungswidrigkeitenrecht
Entziehung der Fahrerlaubnis bei Fahren unter Einfluss von Cannabis

Bei Fahren unter dem Einfluss von Cannabis gilt die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen als für längere Zeit beeinträchtigt oder aufgehoben. Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Der Senat folgt der vorherrschenden Auffassung, wonach ein THC Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum zur Annahme mangelnder Trennung im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV führt. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.01.2012, Az. 16 A 2075/11