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Flottenmanagement: Das Thema Reifenlabel ist auf der Internationalen Fachmesse „Reifen“ in aller Munde. Was halten Sie von dem Reifenlabel und was hat der Verbraucher davon?

Dr. Rainer Landwehr: Wir begrüßen das Reifenlabel und sehen es als wichtigen Beitrag an, den Endverbraucher über die Vielfalt der Eigenschaften eines Reifens aufzuklären. So gibt das Label im Wesentlichen Informationen über drei Eigenschaften – den Rollwiderstand, der ein Indiz für die Wirtschaftlichkeit ist, das Nassbremsverhalten, das ein wichtiger Faktor für die Sicherheit ist, und das externe Rollgeräusch, welches in Hinsicht auf die Umwelt von Bedeutung ist. Damit fördert das Label insbesondere die Informationsverbreitung und die Aufklärung des Kunden. Auf der „Reifen 2012“ haben wir zwei Pkw-Konzeptreifen der Marken Goodyear und Dunlop präsentiert, die beide die bestmögliche Wertung „A“ für die Kraftstoffeffizienz sowie gleichzeitig für die Nasshaftung erreicht haben. Generell darf ein Reifen nicht als dreidimensionale Angelegenheit angesehen werden, denn es handelt sich dabei um ein hochkomplexes multidimensionales Produkt. So untersuchen wir während der Entwicklungs- und Testphase eines neuen Reifens bis zu fünfzig unterschiedliche Kriterien, und damit weit mehr als das, was über das Label wiedergegeben werden kann.

Flottenmanagement: Eine Differenzierung von Sommer-, Winter- und Ganzjahresreifen findet in der Beurteilung durch das Label nicht statt. Ist dies für den Verbraucher nicht irreführend? Und sehen Sie vielleicht an anderer Stelle einen Nachbesserungsbedarf?

Dr. Rainer Landwehr: Wir sind erst einmal froh, dass wir die aktuellen Anforderungen der Europäischen Union in die Realität umgesetzt haben. Es ist natürlich richtig, dass es eine enorme Bandbreite von Einsatzmöglichkeiten für Reifen gibt. Um auf die Kriterien des EU-Labels zurückzukommen, bedeutet dies, dass andere Kriterien in der Entwicklung eines multidimensionalen Produktes, wie zum Beispiel eines Winterreifens, im Vordergrund stehen. Zwar stehen Rollwiderstand und Geräuschentwicklung als Zielgrößen, aber sie haben in der Entwicklung eines Winterreifens nicht die überragende Dominanz. Insofern sehen wir da eine klare Differenzierung zwischen den Produktgruppen sowohl bei Pkw-, aber auch ganz bestimmt bei Lkw-Reifen, deren Anwendungsspektrum des Endverbrauchers noch viel umfangreicher ist. So werden viele Lkw auf Baustellen oder Kiesgruben genutzt, wo die Geräuschentwicklung nicht das Entscheidende ist. Daher muss man beachten, dass das Label zwar eine große Aussagekraft für ein großes Segment – den Sommerreifen – hat, aber für andere Anwendungsbereiche die Aussagekraft begrenzt ist.

Flottenmanagement: Wie beeinflusst die neue EU-Verordnung die Entwicklungsausrichtung bei Goodyear Dunlop?

Dr. Bernd Löwenhaupt: Im Prinzip wird unsere Entwicklung durch das EU-Label kaum beeinflusst. Unsere AA-Konzeptreifen, die wir auf der Messe ausgestellt haben, erreichen die Höchstwerte nach dem neuen EU-Label und halten alle anderen Kriterien auf dem guten Niveau des vergleichbaren Vorgängermodells. Zugunsten des Rollwiderstandes und des Nassbremsverhaltens mussten wir dennoch gewisse Abstriche bei der Laufleistung machen. Jedoch bestand speziell beim Verhalten auf nasser Fahrbahn für die Marken Goodyear und Dunlop wenig Nachholbedarf, da wir schon über Jahre hinweg laut Vergleichstests vieler Autozeitschriften in diesem Bereich führend sind. Insgesamt zeigt sich, dass bei der Entwicklung für die Fahrzeughersteller der Rollwiderstand an Bedeutung gewonnen hat, aber der Sicherheitsaspekt immer noch die entscheidende Rolle einnimmt.

Flottenmanagement: Mit dem EfficientGrip SUV bieten Sie einen rollwiderstandsoptimierten Reifen für SUV und 4x4-Fahrzeuge an. Welche Vorteile bietet der EfficientGrip SUV im Gegensatz zu einem Standardreifen?

Dr. Bernd Löwenhaupt: Ich würde zwischen SUVund Pkw-Reifen nicht groß unterscheiden. Die EfficientGrip-Modelle sind abgeleitet von unseren Sommerreifen und besitzen daher ein ähnliches Profil, eine ähnliche Mischung und auch eine ähnliche Konstruktion. Die Vorteile des neuen Reifens zeigen sich, genauso wie bei Pkw- Reifen, in einem geringeren Treibstoffverbrauch und einer verbesserten Gesamtperformance.

Flottenmanagement: Für Transporter sind bisher nur wenige Energiesparreifen verfügbar. Sehen Sie gerade in diesem Bereich Handlungsbedarf? Welche Schwierigkeiten bestehen bei der Entwicklung von Energiesparreifen speziell für Transporter?

Dr. Bernd Löwenhaupt: Transporterreifen gehen in die Richtung von Lkw-Reifenkonstruktionen. Gerade in diesem Bereich ist die Laufleistung und die Robustheit für den Kunden das Entscheidende. Wenn man sich heute einmal die Palette von Transporterreifen, den sogenannten CReifen, anschaut, dann sind nur wenige mit Full Silica ausgestattet, um gute Nässe- und Rollwiderstandswerte zu erhalten. Dennoch sind schon seit vielen Jahren C-Reifen mit Silica-Technologie bei Mercedes und VW in der Erstausrüstung erprobt und nutzen den Vorteil des verminderten Rollwiderstandes. Eine A-Einstufung durch das EU-Label ist jedoch deutlich schwieriger für C-Reifen. Derzeit ist eine C-Einstufung machbar, aber dass alle Kriterien verbessert werden und dabei die wichtigen Kriterien des Transportermarktes wie zum Beispiel Laufleistung beibehalten oder verbessert werden, dafür bedarf es noch weiterer Entwicklungen.

Flottenmanagement: Viele Autofahrer behandeln ihre Reifen falsch. Deshalb schreibt die EU vor, dass Modelle, die ab November 2012 neu eingeführt werden, mit einem Reifendruckkontrollsystem ausgestattet werden müssen. Sehen Sie durch die EU-Verordnung ein größeres Potenzial für RunFlat-Reifen? Welche Vorteile bietet ein RunFlat-Reifen dem Verbraucher?

Dr. Rainer Landwehr: Als Nicht-Techniker habe ich gelernt, dass ein falscher Luftdruck ein großer, wenn nicht der größte Feind des Reifens ist. Viele Eigenschaften des Reifens wie Rollwiderstand, Haftung und Energieverbrauch, sprich die Kriterien des EU-Labels, werden durch einen falschen Reifenluftdruck negativ beeinflusst. Deshalb ist es eine gute Sache, wenn ab Ende 2012 alle neu zugelassenen Fahrzeugtypen mit einem Reifendruckwarnsystem ausgestattet werden müssen. Die Aufmerksamkeit wird somit auf das wichtige Thema Luftdruck gerichtet. Zum anderen denken wir, dass die Verpflichtung durchaus als ein Marktkatalysator wirkt und somit die RunFlat-Technologie weiter beschleunigen kann. Denn um einen RunFlat-Reifen montieren zu können, ist ein solches Reifendruckkontrollsystem Vorraussetzung, denn sonst würden Sie nicht merken, dass ein Reifen Luft verliert.

Dr. Bernd Löwenhaupt: Die sparsamste Technik, den Rollwiderstand zu senken, ist, den Reifenluftdruck zu erhöhen. Wenn man mit zwei bis drei Zehntel mehr Druck fährt, werden alle Eigenschaften besser, aber es hat einen Nachteil: Der Komfort wird schlechter. Doch dies ist natürlich für viele Fahrzeuge nicht akzeptabel. Statistiken zeigen, dass viele Autofahrer eher mit zu wenig Luftdruck fahren, daher ist eine solche Vorgabe sehr wichtig. Denn es macht wenig Sinn, den Rollwiderstand zu senken, indem der Autofahrer mit einem halben Bar zu wenig fährt, wodurch natürlich auch alle anderen Reifeneigenschaften schlechter werden. Daher sind die Monitoring-Systeme eine ganz wichtige begleitende Maßnahme, um die Sicherheit zu erhöhen und den Verbrauch sowie den CO2-Ausstoß zu minimieren.