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rechtliche Folgen von Obliegenheitsverletzungen

Mit Obliegenheiten werden im Versicherungsvertragsrecht Verhaltensregeln vor allem für den Versicherungsnehmer bezeichnet. Diese ergeben sich regelmäßig aus dem Gesetz, zumeist aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sowie aus dem Kleingedruckten zum Versicherungsvertrag. Es gibt eine Vielzahl von Obliegenheiten mit völlig unterschiedlichen Funktionen und Bedeutungen. Die „Anzeigepflicht“ bei Vertragsschluss ist keine echte“ Rechtspflicht, sondern „nur“ eine Obliegenheit, die den Versicherer dazu in die Lage versetzen soll, das zu übernehmende Risiko richtig zu beurteilen. Eine ganze Reihe von anderen Obliegenheiten soll verhindern, dass sich das vertraglich übernommene Risiko verändert. Hierzu gehören das Verbot der Gefahrerhöhung und die „Rettungspflicht“. Darüber hinaus statuieren viele Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) detaillierte Obliegenheiten über den Umgang mit dem versicherten Gegenstand, die ebenfalls einer Risikoerhöhung entgegen wirken sollen wie z.B. der Einbau von Sicherungsvorrichtungen und das Einhalten von Sicherheitsvorschriften. Andere Obliegenheiten sollen dem Versicherer eine ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages ermöglichen und verlangen im Allgemeinen eine Kooperation bei der Vertragsabwicklung. Die bedeutsamste hiervon betrifft die richtige und vollständige Information des Versicherers über den Hergang des Versicherungsfalls.

Bedeutung der Obliegenheiten für den Versicherungsnehmer
Die Erfüllung einer Obliegenheit ist nach herrschender Ansicht nur objektive Voraussetzung zur Erhaltung der Rechte des Versicherungsnehmers. Mangels einer „echten Rechtspflicht“ ist dieser also nicht verpflichtet, eine Obliegenheit zu erfüllen, noch kann er hierzu vom Versicherer gezwungen werden. Die Erfüllung liegt vielmehr in seinem eigenen Interesse, um sich den Deckungsanspruch gegen seinen Versicherer zu erhalten. Eine Obliegenheitsverletzung bleibt aber dennoch nicht völlig folgenlos, denn der Versicherer wird möglicherweise von seiner Verpflichtung zur Leistung frei. Mit anderen Worten: er muss unter Umständen trotz Eintritt des Versicherungsfalles nicht zahlen. Als Versicherungsnehmer sollte man daher seine Obliegenheiten beachten, um sich den Versicherungsschutz zu erhalten.

Nach dem Rechtsgrund einer Obliegenheit unterscheidet man „gesetzliche“ und „vertragliche“ Obliegenheiten. Die Unterscheidung ist bedeutsam, weil es für die vertraglichen Obliegenheiten in § 6 VVG eine allgemeine Regelung gibt, welche die zulässigen Rechtsfolgen sowie die Mindestvoraussetzungen für ihren Eintritt festlegt. Für die gesetzlichen Obliegenheiten gibt es demgegenüber keine vergleichbare allgemeine Regelung. Für letztere kommt es vielmehr entscheidend auf Regelung und Auslegung der obliegenheitsbegründenden Vertragsbedingung an.

Gesetzliche Obliegenheiten für sämtliche Versicherungszweige sind
• die vorvertragliche Anzeigepflicht (§§ 16 ff. VVG)
• die Gefahrstandspflichten (§§ 23 ff. VVG) wie z.B.
- die Verwendungsklausel, § 2 Abs. 2a AKB
- die Führerscheinklausel, § 2 Abs.2c AKB
- Sicherheitsvorschriften i.S.v. § 7 Nr.1 a und 2 AFB 87
• die Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalls (§ 33 VVG)
• und die Auskunftspflicht nach Eintritt des Versicherungsfalles (§ 34 VVG).

Gesetzliche Obliegenheiten nur für die Schadensversicherung sind
• die Pflicht zur Anzeige einer mehrfachen Versicherung (§ 58 VVG)
• die Schadensabwendungs- und Schadensminderungspflicht (§ 62 VVG)
• und die Pflicht zur Anzeige einer Veräußerung( § 71 VVG).

In der Begründung vertraglicher Obliegenheiten ist der Versicherer im Wesentlichen grundsätzlich frei. Zu unterscheiden sind hier vertragliche Obliegenheiten, die vor dem Versicherungsfall zu erfüllen sind und solche, die nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles zu erfüllen sind. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil Obliegenheitsverletzungen vor und nach dem Versicherungsfall zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Geregelt ist dies im Einzelnen in § 6 VVG.

Vertragliche Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall sollen entweder die Gefahr mindern oder eine Gefahrerhöhung vermeiden. Zu den Obliegenheitsverletzungen vor dem Versicherungsfall gehört z.B. das Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 2 Abs.2c AKB (vgl. OLG Nürnberg, Urt. vom 22.05.1997, Az. 8 U 149/97), wobei für Fuhrparkleiter hier der Aspekt der Führerscheinkontrolle relevant werden kann, weil auch das „Fahren lassen“ ohne Fahrerlaubnis eine Obliegenheitsverletzung darstellen kann, wenn die Kontrolle der Fahrerlaubnis z.B. schlampig durchgeführt oder nicht ausreichend dokumentiert wird.

Ferner zählt hierzu das Führen eines Kraftfahrzeuges mit abgefahrenen Reifen. Auch bei der Benutzung von Sommerreifen bei winterlichen Straßenver- hältnissen ist auf Grund der seit dem 1. Mai 2006 geltenden Rechtslage nach § 2 Abs.3a StVO davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung begeht, wenn die Ausrüstung nicht an die Witterungsverhältnisse angepasst ist. Das bedeutet, dass im Winter auf schnee- oder eisbedeckten Straßen nur noch mit dafür geeigneten Reifen gefahren werden darf, wobei stets auf die witterungsbedingten Straßenverhältnisse zum Zeitpunkt der Fahrt abzustellen ist. Kommt es dabei zum Unfall, ist wegen der erhöhten Betriebsgefahr des Fahrzeugs ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers anzunehmen, welches schon nach alter Rechtslage von den Gerichten mit 20 % bewertet wurde (vgl. AG Trier, Entsch. v. 21.03.1986; Az. 6 C 220/85; ZfS 1987, 162) und auch zukünftig bei einem Regress der Kfz-Haftpflichtversicherung entsprechend zu bewerten sein wird. Vertragliche Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall sollen in erster Linie den Schaden begrenzen, den Hergang aufklären und die Schadenhöhe feststellen lassen, z.B. mit der Schadenanzeige. Bei den gesetzlichen Obliegenheiten korrespondiert hiermit die Schadensminderungspflicht.

Hervorzuheben ist insbesondere die Aufklärungsobliegenheit: So muss der Versicherungsnehmer nach § 7a Abschnitt I Abs.2 S.1 AKB nach dem Eintritt des Versicherungsfalls alles tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Diese neben der Anzeigepflicht (vgl. § 33 Abs.1 VVG) stehende umfassende Aufklärungspflicht hat zum Inhalt, dass der Versicherungsnehmer die sich auf den Versicherungsfall beziehenden Fragen des Versicherers zu beantworten und insbesondere in dem ihm zum Zwecke der Ausfüllung übersandten Schadensmeldeformular wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen hat. Der Versicherungsnehmer muss die Fragen unverzüglich, richtig und vollständig beantworten.

Die Auskunftspflicht (vgl. § 34 VVG) umfasst alle Angaben, die der Versicherer nach seinen Erfahrungen für sachdienlich halten kann, um sich ein möglichst zuverlässiges Bild von dem für seine Leistungspflicht maßgebenden Tatbestand zu verschaffen. Hierzu gehört auch die Pflicht, wahrheitsgemäß, vollständig und richtig Auskünfte zu erteilen, damit der Versicherer ohne eigene Nachforschungen sachgemäße Feststellungen über Ursache und Ausmaß des Schadens treffen und demgemäß den Schaden regulieren kann. Nach § 7a Abschnitt I Abs.2 Satz 1 Abschnitt VI AKB i.V.m. § 6 Abs.3 VVG besteht Leistungsfreiheit des Versicherers u. a. dann, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hat. Der Versicherungsnehmer kann sich später nicht darauf berufen, dass der Versicherer den wahren Sachverhalt noch rechtzeitig genug erfahren habe oder dass der Versicherer sich die erforderlichen Informationen anderweitig hätte beschaffen können.

Der Versicherungsnehmers begeht ferner durch falsche Angaben in der Schadensanzeige zu den Fahrzeugschlüsseln eine Obliegenheitsverletzung (vgl. LG Berlin, Urt. vom 13.01.2005, Az. 17 O 271/04). Der Versicherungsnehmer verletzt eine Aufklärungsobliegenheit aus dem Versicherungsvertrag, wenn er falsche Angaben zur Anzahl der Fahrzeugschlüssel macht und durch Querstriche in weiteren Rubriken des Fragebogens auch die Fragen falsch beantwortet, wo die Ersatzschlüssel sich zum Diebstahlszeitpunkt befanden und wer ggf. Zugang zu den Schlüsseln hatte bzw. sich verschaffen konnte.

Auch das Verschweigen von Vorschäden bei der Schadenregulierung kann eine Obliegenheitsverletzung darstellen. Wer in einem Schadensanzeigeformular die Frage der Versicherung nach Vorschäden nicht korrekt beantwortet, d.h. nicht alle bekannten (reparierten oder unreparierten) Vorschäden angibt, riskiert ebenfalls seinen Versicherungsschutz (vgl. OLG Koblenz, Urt. vom 30.11.2000, Az. 10 U 1627/999). Solche falschen Angaben sind geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes nach § 13 Abs.1 AKB stellen die Unfallfreiheit und das Vorhandensein von beseitigten oder unbeseitigten Schäden wesentliche Bewertungsfaktoren dar (vgl. OLG Köln, Urt. vom 09.03.1999, Az. 9 U 130/98, VersR 2000, 224). Im Zweifel sollte man bei der Versicherung nachfragen, zumal in entsprechenden Fragebögen üblicherweise ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass im Falle von unvollständigen oder unwahren Angaben der Verlust des Versicherungsschutzes droht.

Auch wer nach einem Unfall erstmal „auf den Schrecken“ Alkohol zu sich nimmt, muss ggf. damit rechnen, dass dieser Nachtrunk nach einem Verkehrsunfall als Obliegenheitsverletzung angesehen wird. Ein Nachtrunk ist zur Verschleierung des Sachverhalts geeignet, weil dadurch die Feststellung, ob der Versicherungsfall durch Alkoholeinfluss des Fahrers und damit grob fahrlässig verursacht ist – und die damit verbundene mögliche Leistungsfreiheit des Versicherers – erheblich erschwert wird. Zu achten ist also darauf, ob der Genuss von Alkohol nach einem Verkehrsunfall gemäß den vertraglichen Regelungen untersagt ist, also z.B. dann, wenn sich der Versicherungsnehmer auf Grund einer Rechtspflicht für eine polizeilich angeordnete, nicht durch Nachtrunk verfälschte Blutentnahme bereit halten muss. Ist aber bei einem Unfall weder Fremdschaden entstanden noch gibt es andere Unfallbeteiligten, besteht keine Verpflichtung, etwa jede Alkoholaufnahme solange zu unterlassen, bis nicht mehr ernsthaft mit einer polizeilichen Kontrolle gerechnet werden muss. Anders verhält es sich aber dann, wenn der Versicherungsnehmer nach einem Unfall den Nachtrunk in der Erwartung eines polizeilichen Einsatzes zu sich nimmt, um den Sachverhalt zu verschleiern oder die Tatsache des Nachtrunks zu einer solchen Verschleierung ausnützt (BGH, Urt. vom 05.05.1983, ZfS 87, 118; OLG Nürnberg, Urt. vom 20.7.2000, Az. 8 U 4357/00).

Obliegenheitsverletzungen vor dem Versicherungsfall sind:
• die Verwendung des Fahrzeugs zu einem anderen als dem angegebenen Zweck,
• die Benutzung des Fahrzeugs durch einen unberechtigten Fahrer,
• wenn der Fahrzeugführer bei einem Unfall im öffentlichen Straßenverkehr nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hatte,
• die alkohol- oder drogenbedingte Fahruntüchtigkeit
• eine nachträgliche Gefahrerhöhung ohne Einwilligung des Versicherers.

Obliegenheiten im bzw. nach dem Versicherungsfall sind:
• die umfassende und wahrheitsgemäße Aufklärung des Versicherers über alle Umstände des Versicherungsfalls, die für das Regulierungsverhalten des Versicherers von Bedeutung sein können
• die Verpflichtung, sich nach einem Unfall nicht unerlaubt vom Unfallort zu entfernen bzw. bei berechtigtem Entfernen die Feststellungen nach träglich zu ermöglichen
• die schriftliche Anzeige des Versicherungsfalls innerhalb von einer Woche
• die Anzeige, wenn ein Ermittlungsverfahren gegen den Versicherungsnehmer eingeleitet oder gegen ihn ein Strafbefehl oder ein Bußgeldbescheid erlassen wurde,
• die Anzeige, wenn der Geschädigte seine Ansprüche direkt beim Versicherungsnehmer geltend macht,
• die unverzügliche Anzeige, wenn gegen den Versicherungsnehmer zivilrechtliche gerichtliche Schritte eingeleitet werden, und ggf. Rechtsmittel einzulegen, wenn kurz vor Frist ablauf keine Weisung der Versicherung vorliegen sollte,
• das Unterlassen eines Schuldanerkenntnisses gegenüber dem Anspruchsteller

Zurechnung des Verhaltens Dritter
Der Versicherungsnehmer muss ggf. bei Obliegenheitsverletzungen auch für das Fehlverhalten Dritter einstehen. Dem Versicherungsnehmer wird das (Fehl-)Verhalten eines Dritten zugerechnet, wenn der Dritte als „Repräsentant“ des Versicherungsnehmers zu qualifizieren ist. Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, auf Grund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Es geht hier also um den tatsächlichen Umgang mit dem versicherten Risiko wie z.B. die Wartung eines Fahrzeugs. Dabei reicht die bloße Überlassung der Obhut des Fahrzeugs aber nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutendem Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln. Übt der Dritte auf Grund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, kann dies unabhängig von der Übergabe der versicherten Sache für seine Repräsentantenstellung sprechen. Nach der neueren Rechtsprechung kann sich die Repräsentantenhaftung sowohl aus der Risikoverwaltung als auch aus der Vertragsverwaltung ergeben. Ein nur angestellter Kfz-Fahrer ist nicht schon wegen seiner Obhut über das Fahrzeug als Repräsentant anzusehen.

Ein Prokurist, dem das versicherte Fahrzeug aufgrund seines Arbeitsvertrages zur geschäftlichen und privaten Nutzung mit vollumfänglicher Sorge auch hinsichtlich etwaiger Schadenmeldung an den Versicherer überlassen ist, ist hingegen als Repräsentant anzusehen (vgl. BGH, VersR 1986, 696). Auch der Fuhrparkleiter kann unter den o.g. Voraussetzungen Repräsentant des Versicherten sein. Kommt es auf Kenntnisse oder auf Erklärungen an, kann auch das Verhalten eines sog. Wissensvertreters oder eines Wissenerklärungsvertreters relevant werden, wenn dieser an Stelle des Versicherungsnehmers Kenntnisse hatte oder entsprechende Erklärungen hierüber tätigen solle. Dies setzt aber voraus, dass es sich um Mitarbeiter handelt, die vom Versicherungsnehmer im Rechtsverkehr mit der Erledigung bestimmter Aufgaben betraut und zivilrechtlich entsprechend bevollmächtigt wurden – wie z.B. der Fuhrparkmanager mit entsprechendem Aufgabenkreis.

Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung
Die Sanktion einer Obliegenheitsverletzung erfolgt nach dem sog. „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ mit der vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers. Rechtspolitisch ist dies umstritten, weil Zweifel an der Präventivwirkung der Sanktion und an ihrer Verhältnismäßigkeit bestehen. Die Rechtsprechung hat daher den Anwendungsbereich dieses Prinzips begrenzt und die Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit des Versicherers in Fortbildung des Gesetzes verschärft. Bei einer Obliegenheitsverletzung bleibt die Haftung der Versicherung im Außenverhältnis gegenüber dem geschädigten Dritten bestehen, soweit dieser nicht über anderweitige Ersatzmöglichkeiten verfügt. Die Obliegenheitsverletzung hat also die Leistungsfreiheit des Versicherers nur im Innenverhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer bzw. einem Mitversicherten zur Folge. Die Unterscheidung, ob die Obliegenheitsverletzung vor (vgl. § 6 Abs.1 und 2 VVG) oder nach dem Versicherungsfall (vgl. § 6 Abs.3 VVG) eingetreten ist, wird hier relevant:

Verletzt der Versicherungsnehmer schuldhaft eine vertragliche Obliegenheit, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen ist, so kann der Versicherer nach § 6 Abs.1 S.2 VVG binnen eines Monats nach Kenntniserlangung hiervon fristlos den Vertrag kündigen. Die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Obliegenheitsverletzung besteht aber nur, wenn diese überhaupt vertraglich vereinbart ist, der Versicherungsnehmer die Obliegenheit schuldhaft verletzt hat und der Versicherer das Kündigungsrecht fristgerecht ausgeübt hat. Kein Kündigungsrecht des Versicherers besteht, wenn die Obliegenheitsverletzung als unverschuldet anzusehen ist. Kündigt der Versicherer nach Kenntnis einer Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall nicht innerhalb eines Monats, kann er sich bei Eintritt eines Versicherungsfalls wegen dieser Obliegenheitsverletzung nicht auf Leistungsfreiheit berufen.

Wurde vor dem Versicherungsfall eine Obliegenheit verletzt, die der Verminderung der Gefahr oder der Vermeidung einer Gefahrerhöhung dienen sollte (sog. Gefahrstandsobliegenheit, § 6 Abs.2 VVG), kann sich der Versicherer dann nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn die Obliegenheitsverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistung des Versicherers nicht kausal war. Hat z.B. der Versicherungsnehmer entgegen dem Versicherungsvertrag Sicherheitsvorkehrungen wie z.B. das Aktivieren der Alarmanlage des Geschäftswagens unterlassen, so muss der Versicherer im Falle eines Einbruchs in das Fahrzeug dennoch leisten, wenn der Versicherte nachweist, dass der Einbruch auch bei aktivierter Alarmanlage gelungen wäre.

Die Verletzung einer Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls führt nur unter strengeren Voraussetzungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Im Unterschied zu den Obliegenheitsverletzungen vor dem Versicherungsfall setzt die Leistungsfreiheit hier keine Kündigung des Versicherers voraus. Die Leistungsfreiheit tritt nicht ein, wenn die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung bleibt der Versicherer nach § 6 Abs.3 VVG zur Leistung verpflichtet, wenn die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung hatte. Hier steht dem Versicherten der Kausalitätsgegenbeweis offen.

Aus der Beschränkung des § 6 Abs.3 VVG folgt im Umkehrschluss, dass der Versicherer bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls auch dann leistungsfrei ist, wenn die Obliegenheitsverletzung keine nachteiligen Auswirkungen auf die Regulierung durch den Versicherer hatte. Die Rechtsprechung verlangt hier aber zusätzlich, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer zuvor klar und unmissverständlich darüber belehrt hat, dass er seinen Anspruch auf die Leistung auch dann verliert, wenn dem Versicherer durch die unrichtigen Angaben kein Nachteil entsteht.

Anders als die Verletzung vertraglicher Obliegenheiten folgt die Verletzung gesetzlicher Obliegenheiten keiner bestimmten Regelung. Die Rechtsfolgen sind vielmehr in den einzelnen gesetzlichen Obliegenheiten selbst abschließend geregelt. Auch die Verletzung einer gesetzlichen Obliegenheit löst in der Regel nur bei Verschulden des Versicherungsnehmers eine Sanktion aus, vorausgesetzt, die Obliegenheitsverletzung ist kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls bzw. für den Leistungsumfang des Versicherers. Bei den meisten gesetzlichen Obliegenheiten ist die Leistungsfreiheit des Versicherers aber davon abhängig, dass dieser rechtzeitig den Rücktritt bzw. die Kündigung erklärt.

Die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung – die Leistungsfreiheit – treten nicht automatisch kraft Gesetzes und ohne weiteres Zutun des Versicherers ein. Die Inanspruchnahme der vertraglich ausbedungenen Leistungsfreiheit hängt deshalb von einer Entschließung des Versicherers ab, die gegenüber dem Versicherungsnehmer zu erklären ist (BGH, Urt. vom 26.01.2005, Az. V ZR 239/03).

Die Regressbegrenzung in der Kfz-Haftpflichtversicherung
Wenn der Versicherer infolge einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers leistungsfrei ist und als Folge davon gegen diesen einen Anspruch darauf hat, die dem geschädigten Dritten bereits geleisteten Aufwendungen erstattet zu bekommen, kann dies leicht sehr teuer werden. Um eine Existenzvernichtung des Versicherungsnehmers zu vermeiden, müssen die Versicherungen ihre Regressforderung der Höhe nach begrenzen. Sofern der gesamte von der Versicherung zu regulierende Schaden nicht geringer ist – in diesem Falle wäre der Regress auf die Schadenshöhe begrenzt – gelten folgende Höchstbeträge:

• Bei Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall: 5.000 Euro.
• Bei Obliegenheitsverletzung im bzw. nach dem Versicherungsfall ist die Regressbegrenzung abgestuft:
• Bei einer besonders schwerwiegenden vorsätzlich begangenen Obliegenheitsverletzung ist der Versicherungsregress auf 5.000 Euro begrenzt.
• Im Normalfall einer fahrlässigen Obliegenheitsverletzung nach dem Versicherungsfall beträgt der Regressbetrag höchstens 2.500 Euro.
• Wurde die Obliegenheitsverletzung grob fahrlässig begangen, jedoch ohne Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Feststellung und den Umfang des zu ersetzen den Schadens, entfällt der Regress gänzlich.

Ein Regressbetrag von 5.000 Euro kann nur überschritten werden, wenn sowohl eine Obliegenheitsverletzung vor und eine solche nach dem Versicherungsfall zusammentreffen. In einem solchen Fall werden die Beträge addiert. Wenn z.B. der Versicherungsnehmer im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholkonsums einen Verkehrsunfall verursacht (Regress: 5.000 Euro) und dann noch Unfallflucht begeht (Regress i.d.R.: 2.500 Euro), dann beträgt der Gesamtregress höchstens 7.500 Euro.