Gier frisst Gier

Seit 1994 bin ich im Bereich des indirekten Einkaufs tätig – einem Einkaufsfeld, das in vielen Unternehmen nach wie vor stiefmütterlich behandelt wird. Oft wird dabei klassisch an die Beschaffung von Büromaterial gedacht, doch der Bereich umfasst weit mehr. Wie ich immer sage: Wir beschaffen alles. Von der Büroklammer bis zur Rolltreppe – alles, was zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Abläufe erforderlich ist. Dazu zählen Hardware, Software, Energie, Büroausstattung, Produktionsmaschinen, Instandhaltungen und eine Vielzahl weiterer Dienstleistungen (naja, zumindest alle, die jugendfrei sind). Natürlich dürfen auch die Themen Mobilität, Reisen und Dienstwagen nicht fehlen.

Gier frisst Gier
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So unterschiedlich und vielfältig die Bereiche auch sind, so gibt es doch eine Gemeinsamkeit. Getreu der Devise „Alle Jahre wieder“ kommen in großer Zahl die Serienbriefe der Lieferanten und Dienstleister, in denen Preiserhöhungswünsche geäußert werden. Bei den Begründungen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Was sich im Laufe der Jahre jedoch geändert hat, ist der Ton. War man früher noch vorsichtig in der Wortwahl, wird man heute meist vor vollendete Tatsachen gestellt. Während früher offen der Begriff „Preiserhöhung“ verwendet wurde, spricht man heute von „Preisanpassung“. Kurioserweise können Anpassungen theoretisch auch nach unten erfolgen, dennoch ist für jeden Leser dieses Begriffs erkennbar, was droht. Konnte man früher noch in einem Gespräch die Begründungen für die Erhöhung erörtern und im Rahmen einer sachlich fundierten Argumentation diese Begründungen faktenbasiert widerlegen sowie die Erhöhungswünsche teilweise abwenden, schleicht sich heute ein Automatismus ein, der an der Kooperationsbereitschaft der Geschäftspartner zweifeln lässt. Was in der Softwarebranche seinen Ursprung mit jährlichen Erhöhungen der Wartungskosten um 2 bis 3 Prozent hatte, wird mittlerweile in fast allen Bereichen versucht. Das Hauptproblem dabei: Die Forderungen werden immer dreister. Nicht selten werden Preiserhöhungen im zweistelligen Prozentbereich gefordert. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie einmal das Kleingedruckte in vielen Dokumentenvorlagen. Dabei sind die Argumente bisweilen fadenscheinig und laufen immer in die gleiche Richtung: gestiegene Energiepreise (wirklich?), höhere Lohnund Lohnnebenkosten, Lieferengpässe, Materialknappheit...

Wirklich amüsant ist, dass sich einige der genannten Argumente, die übrigens wiederholt und gebetsmühlenartig vorgebracht werden, teilweise ins Gegenteil verkehrt haben. Das heißt, viele dieser Argumente sprechen tatsächlich für Preissenkungen. Ein weiterer Aspekt ist, dass es in Deutschland einige Branchen gibt, die unter der derzeit schwachen Konjunktur leiden. Ein Blick in den Maschinenbau verdeutlicht dies deutlich. Hier nimmt der Wettbewerb zu, was eine Weitergabe der Preiserhöhungen unmöglich macht. Die Konsequenzen kann sich jeder leicht vorstellen.

Ärgerlich: Einige Unternehmen, die derzeit massiv an der Preisschraube drehen, müssten dies aus Sicht ihrer Gewinnsituation eigentlich nicht tun. Mein Lieblingsbeispiel ist die Softwarebranche. Ein einfacher Blick auf die veröffentlichten Geschäf tszahlen zeigt, dass hier mit Umsatzrenditen von teilweise 30 Prozent und mehr gearbeitet wird. Dennoch müssen die Preise angeblich weiter steigen.

Wie absurd diese Preissteigerungen sind, zeigen weitere Beispiele. Laut einer Studie des ADAC aus dem Jahr 2023 haben sich Neuwagenpreise von 2019 bis 2023 je nach Modell um 14 bis 34 Prozent erhöht. Im gleichen Zeitraum stiegen die Löhne und Gehälter im Durchschnitt um knapp 10 Prozent. Die Lebensmittelpreise sind in den letzten vier Jahren um nahezu 30 Prozent gestiegen, und auch hier liegen die Steigerungen deutlich über den durchschnittlichen Einkommenszuwächsen der Arbeitnehmer.

Nun möchte unsere neue Regierung einige Entlastungen auf den Weg bringen – an sich sicher lobenswert. Allerdings stellt sich bei der Betrachtung der angestrebten Maßnahmen bereits vor deren Umsetzung die Frage, ob diese tatsächlich alle erreichen, die man damit ansprechen möchte. Nehmen wir zum Beispiel die Gastronomie. Hier soll die Mehrwertsteuer von 19 Prozent wieder auf 7 Prozent gesenkt werden. Wir erinnern uns: Im Zuge der Corona-Krise wurde diese Maßnahme bereits einmal umgesetzt. Der Effekt für die Verbraucher: Null. Essen in Restaurants wurde nicht günstiger. Dann kam die Erhöhung von 7 Prozent auf 19 Prozent, und diese wurde gleich überproportional weitergegeben. Ganz nebenbei sei erwähnt, dass aktuell zwei unterschiedliche Steuersätze gelten. Wer im Restaurant isst, zahlt 19 Prozent, während diejenigen, die ihr Essen mit nach Hause nehmen, eigentlich 7 Prozent zahlen. Ich kenne kein Lokal, das hier sauber trennt. Es gibt keine unterschiedlichen Speisekarten, die dies differenzieren.

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Mit Blick auf die bevorstehende erneute Senkung der Mehrwertsteuer wurden einige Gastronomiebetriebe gefragt, ob sie diese denn an die Verbraucher weitergeben würden. Eine deutliche Mehrheit hat dies klar mit „Nein“ beantwortet. Entsprechend würde der Vorteil in die Taschen der Betreiber und nicht in die der Verbraucher fließen. Meine Meinung: Gier sollte nicht durch Subventionen befriedigt werden. Daher sollte die Umsetzung nicht erfolgen.

Bei den Strompreisen zeigt sich ein ähnliches Bild. Der eigentliche Preistreiber, nämlich der Staat mit seinen diversen Steuern und Abgaben auf den Strompreis, möchte nun die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau reduzieren. Gleichzeitig kündigen die Anbieter schnell wieder Preiserhöhungen an. Auch hier ist zu befürchten, dass die dringend erforderlichen Kostensenkungen der Gier einiger Unternehmen zum Opfer fallen.

Es gibt jedoch auch andere Beispiele für Gier. Nehmen wir die Kraftstoffe. Über die unfassbare Dreistigkeit beim täglichen Spritpreis-Jo-Jo habe ich mich bereits geäußert. Mir ist bis heute nicht klar, wie sich der Wert des im Tank gelagerten Kraftstoffs innerhalb von 24 Stunden um bis zu sieben Mal verändern kann. Schlimm dabei: Es wird nichts dagegen unternommen. Statt die Nutzung von Apps zur Ermittlung des besten Zeitpunkts fürs Tanken zu empfehlen (Motto: Bitte den Wecker stellen, wer sparen will), sollte hier das Problem an der Wurzel gepackt und gelöst werden. In anderen Ländern gibt es diese Spielerei nicht!

Es kommt noch besser. Eine Aussage des bereits erwähnten Automobilclubs zu den aktuellen Benzinpreisen in Deutschland, die sich angeblich auf dem niedrigsten Niveau seit Beginn des Jahres befinden sollen, hat mich zur Prüfung der Preisentwicklung veranlasst. Zahlte ich zu Jahresbeginn für einen Liter E10 noch 1,529 €, so kostet dieser aktuell zur gleichen Uhrzeit und an der gleichen Tankstelle 1,599 €. Interessant wird es allerdings, wenn man sich die Rahmenbedingungen ansieht. Am 07.01.2025 wurde das Barrel Rohöl der Sorte Brent mit 77,27 USD notiert. Gleichzeitig gab es für einen Euro 1,03422 USD. Demnach kostete ein Barrel Rohöl 74,71 €. Am 15.05.2025 notierte das Barrel bei 64,36 USD. Gleichzeitig gab es für einen Euro 1,1187 USD. Somit kostete ein Barrel 57,53 €. Anders ausgedrückt: Insgesamt ergibt sich ein um circa 23 Prozent niedrigerer Ölpreis. Häääh??? Wo bleibt der Vorteil für Unternehmen und Verbraucher

Es genügt nicht, wenn ausschließlich die Politik zum Handeln aufgerufen wird. Hier müssen alle Akteure mitwirken. Die Preisgestaltung vieler Produkte und Dienstleistungen scheint sich nicht mehr an den tatsächlichen Gegebenheiten der Märkte zu orientieren. Spekulation, unrealistische Margenziele, Shareholder-Value und überhöhte Managergehälter – all das passt nicht mehr in die aktuelle Zeit. Wir müssen uns vom Egoismus abwenden, der gefühlt immer mehr um sich greift, und die Herausforderungen gemeinschaftlich angehen, indem jeder seinen Beitrag leistet. Andernfalls: Siehe Überschrift.

 

AUTOR

PETER INSAM ist seit rund 30 Jahren im Einkauf für Betriebsmittel und Investitionsgüter unterwegs, von denen er seit mehr als 25 Jahren die Geschicke verschiedener nationaler und internationaler Fuhrparks in Unternehmen aus verschiedenen Branchen gelenkt hat. Darüber hinaus sammelte er zahlreiche Erfahrungen im Rahmen von Auslandsaufenthalten in Frankreich und Australien. Seit Ende 2014 ist Peter Insam zudem Mitglied des Redaktionsbeirates von Flottenmanagement und gibt regelmäßig in der Rubrik „Meine Meinung“ tiefe Einblicke in die Arbeit eines Fuhrparkverantwortlichen und das Leben eines Autoenthusiasten.

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