25 Jahre Schadensteuerung
Interview mit Daniele Baldino, CEO, und Marco Heistermann, Geschäftsführer und Sales Director von AFC

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Flottenmanagement: „25 Jahre – The Next Generation” das war das Motto, unter dem AFC im April groß gefeiert hat. Würden Sie uns kurz etwas zu der Unternehmensgeschichte erzählen
Daniele Baldino: Alles begann vor 25 Jahren mit der Dienstleistung, Schäden, die in einer Waschstraße entstehen zu reparieren. Schon damals erkannten wir schnell, dass es nicht nur um das Reparieren von Schäden ging, sondern auch um die gesamte Logistik des Schadens. So entstand unser Geschäftsmodell mit dem Kernprodukt: Schadenmanagement, welches wir durch ASPS (Aktive Schaden-Prozess-Steuerung) zum Standard der Branche entwickelten. Dieser Standard beschreibt die Digitalisierung des gesamten Schadenmanagement-Prozesses auf einer Plattform, mit der sowohl AFC als auch die Werkstatt arbeiten und auf die der Kunde zugreifen kann. Das Besondere an der Einführung war, dass zum ersten Mal verstanden und schließlich umgesetzt wurde, dass ein Schaden gesteuert werden muss, wenn er effizient abgewickelt werden soll. Das war bahnbrechend und hat in der gesamten Branche Maßstäbe gesetzt.
Marco Heistermann: Wir haben uns dann auf das Kundensegment „Flotte und Gewerbe“ spezialisiert. Die Komplexität in diesem Bereich und auch die Ansprüche von Flottenkunden sind wesentlich höher. Die Fahrzeuge, die meist neuster Generation und mit modernster Technologie ausgestattet sind, müssen schnell wieder einsatzfähig sein, da ein gewerblicher Kunde mit jenen Fahrzeugen sein Geld verdient. AFC hat genau diese besonderen Bedürfnisse des Flotten- und Fuhrparkbereichs erkannt und in den letzten 25 Jahren gemeinsam mit Kunden die Lösungen entwickelt, um Standzeiten zu minimieren und Kosten zu reduzieren, die wir heute anbieten können.
Flottenmanagement: Die vergangenen vier Jahre waren branchenübergreifend von einem starken Drang zur Digitalisierung geprägt. Vor welche Herausforderungen waren Sie in dieser Zeit gestellt
Daniele Baldino: Diesen Drang zur Digitalisierung haben wir nicht allzu stark wahrgenommen, da unser gesamtes Marktumfeld schon immer auf Digitalisierung ausgerichtet war. Das Ökosystem, in dem wir tätig sind, funktioniert nur, wenn man auf einer einheitlichen, digitalen Plattform arbeitet. Das hat AFC von Beginn an verinnerlicht: Bei jeder Gelegenheit zu digitalisieren und zu standardisieren.

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Dank unserer Daten und Markt-Insights wissen wir, dass das klassische Schadenmanagement, wie wir es in der Vergangenheit erlebt haben, neue Impulse benötigt, um den aktuellen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Es gab verschiedene Entwicklungen, die uns gezeigt haben, dass Veränderungen erforderlich sind. Zum Beispiel waren wir pandemiebedingt mit Lieferengpässen konfrontiert. Zudem gibt es nach wie vor einen Fachkräftemangel und wir merken, dass die Kapazitäten in den Werkstätten deutlich zurückgehen. Wir sehen auch, dass wir aufgrund extremer Wetterereignisse zuletzt unglaublich lange in der Abwicklung von Schäden mit den Versicherern brauchten, weil dadurch überdurchschnittlich viele Schäden entstanden sind. Zudem beobachten wir stetig steigende Kosten im Bereich der Reparaturen und insbesondere bei den Ersatzteilen. All das sind Gründe, die uns dazu zwingen, uns inhaltlich und technisch weiterzuentwickeln.
Flottenmanagement: Über welche Veränderungen sprechen wir hier? Wie haben sich diese in Ihrer Arbeitsweise niedergeschlagen
Daniele Baldino: Wir fassen die neuen Entwicklungen zusammen unter dem Motto “One click does it all: Ein Klick für den Kunden, ein Klick für die Werkstatt, ein Klick für die Versicherung”. Dies ist die Synthese unserer Erkenntnisse aus den veränderten Kundenbedürfnissen, den Branchenentwicklungen und den technologischen Möglichkeiten. Wir versuchen den komplexen Schadenabwicklungsprozess für alle Beteiligte so einfach wie möglich zu gestalten. Unsere technischen Prozesse hängen nicht nur mit den Fahrern und dem Fuhrpark zusammen, sondern auch mit den Werkstätten und den Versicherern. Um die Schadenabwicklung zu beschleunigen, haben wir mit den Versicherern festgestellt, dass sich eine Kontrolle nicht lohnt: Zum Beispiel hat die Analyse der Kontrollen einer große Partnerversicherung ergeben, dass nur 0,27 Prozent des gesamten Schadenvolumens bei 10.000 Schaden-Abwicklungen beanstandet wurden. Wir wollen eine Schnittstelle etablieren, bei der wir eine Verarbeitung ohne manuelle Interaktion durchführen. Dabei erhält der Versicherer die Schadenmeldung, hat dann den Schaden im System und kann die Reserven stellen, sodass alle finanziellen Regeln abgebildet sind und bekommt am Ende die Rechnung zugesendet. Das haben wir kürzlich mit einem großen deutschen Flottenversicherer umgesetzt und der Prozess hat von der Schadenrechnungsstellung bis zur Zahlung einen Bankarbeitstag gedauert.
Darüber hinaus brauchte es eine Schnittstelle zu den Werkstätten und zu den Gutachtern. Hier haben wir gemeinsam mit einem Partner eine KI-Lösung etabliert, die innerhalb von wenigen Minuten aus Schadenbildern einen Kostenvoranschlag generiert. Zwar ist eine KI nicht zu 100 Prozent genau und bei komplexeren Schäden muss ein Spezialist herangezogen werden. Aber auch ihm kann die Arbeit erleichtert werden, wenn es eine Kalkulation gibt, die er als Vorlage benutzen kann. Unser Ziel ist, dass die Werkstatt mit einem Klick auf Grundlage dieses Kostenvoranschlages eine Freigabe bekommt und Ersatzteile oder Werkstattmitarbeiter disponieren kann. Wir haben unzählige Kostenvoranschläge ausgewertet und festgestellt, dass wir auf der Werkstattseite 75 Prozent bei der Erstellung der Kostenvoranschläge sparen. Außerdem ist der gesamte Prozess innerhalb von fünf Minuten abgeschlossen, was enorm zur Reduzierung der Standzeiten beiträgt. Schließlich bieten wir auch eine KI-Lösung für den Fahrer an, sodass er in fast jeder Sprache seinen Schaden melden und Bilder des Schadens an AFC senden kann. Wir verarbeiten diese sowohl über die Bild-KI als auch über die klassische Plattform weiter. Mit diesen Innovationen ergänzen wir unser früheres Motto ‘One call does it all’ zu ‘One click does it all’ – für den Kunden, den Versicherer und die Werkstatt.
Flottenmanagement: Auf Fuhrparkleitern lastet immer mehr Druck hinsichtlich der Kostenersparnis. Welche Dienstleistungen bieten Sie dem Fuhrpark an und worin besteht deren Mehrwert
Daniele Baldino: Wir haben unser Produktangebot angepasst und weiterentwickelt. Das Schadenmanagement bleibt die Grundlage für die Sicherstellung der Mobilität. Der Fahrer will mobil bleiben und braucht eine Lösung, um sein Geschäft weiter betreiben zu können. Dann sehen wir im Zuge der Analyse unserer eigenen Statistiken, dass wir steigende Kosten und Schadenhäufigkeiten haben. Dies hat dazu geführt, dass wir mit den Fuhrparks in die Beratung gehen und mit Prävention und Risikomanagement versuchen, Schadenhäufigkeiten zu reduzieren. In jedem Fuhrpark hat man zehn Prozent Highrisk-Driver, die einen Großteil der Schadenkosten verursachen. Das ist keine Kostenfrage, sondern eine Frage des Verhaltens. Daraus lässt sich ableiten, dass eine reine Schadensteuerung zu wenig ist.
Außerdem stellen wir fest, dass die meisten Flotten heutzutage überversichert sind. Man sollte die Risiken versichern, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten, also große Schäden, Personenschäden, oder komplexere Haftpflichtschäden. Alles andere ist vollkommen prognostizierbar und sollte nicht mehr versichert werden. Es gibt immer noch eine gewisse Vollkasko-Mentalität, wobei der Kunde hierbei jedoch nicht nur die Schadenkosten, sondern auch die Overheads der Versicherung sowie die Versicherungssteuer trägt. Damit wird der Schaden ungefähr doppelt so teuer, wie er eigentlich ist.
Marco Heistermann: Die Frage, die unsere neuen Kunden dann immer stellen, ist: Woher wisst ihr, welche Schäden versichert und welche lieber in Eigentragung genommen werden sollten? Big Data ist hier das Stichwort. Wir haben in den letzten 25 Jahren Schäden jeder Art bei diversen Flotten und Fuhrparks bearbeitet und uns auf diese Weise eine große Kompetenz in der Datenanalyse erarbeitet. Das heißt, wir wissen sehr genau, welche Schäden in welcher Situation, in welcher Häufigkeit auftreten. Aufgrund dieser Vielzahl an Daten können wir den Kunden beraten und Empfehlungen aussprechen, welche Versicherungen sinnvoll und richtig sind.
Flottenmanagement: Diese Lösung, die Sie anbieten, haben Sie PRIME genannt. Können Sie das weiter ausführen
Daniele Baldino: PRIME steht für Predictive Risk Insurance Mobility Excellence. Predictive drückt den oben beschriebenen Gedanken der Prävention aus: Der beste Schaden ist der, der überhaupt nicht auftritt. Damit verbunden ist das Thema Risikomanagement (Risk), also die Analyse von Fahrverhalten und Schadenverteilung. Bei Insurance geht es um den Versicherungsschutz, den man wirklich braucht. Mobility meint, dass im professionellen Flottenbereich alles mit dem Thema Mobilität steht und fällt. Wir stellen Ersatzmobilität bereit und halten die Standzeiten über eine effiziente und effektive Schadenabwicklung so kurz wie möglich. Schließlich noch Exzellenz: Wir sind mit sehr professionellen Unternehmen unterwegs und möchten deren Erwartungshorizont treffen. Das ist der Anspruch, den wir an uns selbst haben. Daraus besteht unser Angebot: Eine Kombination aus Schaden- sowie Risikomanagement und eine Versicherungslösung.
Flottenmanagement: Kann ich diese Lösungen auch einzeln buchen und gibt es Voraussetzungen für bestimmte Module wie beispielsweise die Anzahl von Fahrzeugen
Marco Heistermann: AFC hat sich historisch darauf spezialisiert, vor allem große Fuhrparks in seinem Portfolio zu betreuen. In diesen Fuhrparks sind effiziente und kostenoptimierte Prozesse Standard. Aufgrund zunehmender Komplexität und gestiegenem Kostenbewusstsein, begrüßen wir mittlerweile jedoch auch vermehrt mittlere und kleine Fuhrparks. Bereits ab einer Fuhrparkgröße von 20 Fahrzeugen ist es sinnvoll, sich mit uns in Verbindung zu setzen, um die Einsparungspotentiale, die durch professionelles Schadenmanagement generiert werden können, auszuloten.
Daniele Baldino: Das Schadenmanagement ist die Kernleistung, die jeder Fuhrpark mit uns vereinbaren sollte, denn ohne dieses fehlen uns die Informationen, die notwendig sind, um dem Fuhrpark eine hochwertige Beratung zukommen zu lassen. Das Schadenmanagement ist die Voraussetzung, um PRIME zu realisieren. Der übliche Prozess verläuft so, dass Kunden mit dem Schadenmanagement starten und wir dann mit dem Risikomanagement in die Beratung einsteigen. Beim Versicherungsmanagement überlegen wir, wie man optimale Deckungskonzepte entwickeln kann, so dass nur das nötigste versichert wird. Nur in dieser Kombination können wir bis zu 30 Prozent der Kosten im Fuhrpark senken, denn die Komponenten Schaden- sowie Risikomanagement und Versicherung müssen miteinander verzahnt sein.
Flottenmanagement: Last, but not least: In welche Richtung wird sich das Schadenmanagement Ihrer Meinung nach mittelfristig beziehungsweise langfristig entwickeln
Marco Heistermann: E-Mobilität ist und bleibt natürlich ein Thema. KFZ-Versicherungsprämien steigen bedingt durch höhere Schadenkosten stetig. Werkstattkapazitäten und Werkstatt-Know-how, gerade für die speziellen Anforderungen von Flottenkunden, sind und bleiben limitiert. Das hat auch für kleinere Fuhrparks in zunehmendem Maße eine höhere Relevanz. Diese müssen im Schadenfall kompetente Werkstattpartner haben, die zertifizierte Services bieten können. Wir haben bei AFC aktuell ein Werkstattnetzwerk von knapp 300 Werkstadtpunkten, mit denen wir auch zukünftig die vielfältigen Anforderungen der diversen Hersteller abdecken können. Dabei identifizieren wir uns nicht durch das größte Werkstattnetz, sondern legen den Fokus auf gleichbleibende und hohe Qualität. Der Grad an Automatisierung wird in Zukunft noch weiter zunehmen. Alle am Schadenprozess Beteiligten müssen, wie bei AFC heute schon gelebt, vernetzt und synchron miteinander agieren. KI wird sicherlich in manchen Bereichen für Entlastung sorgen, bei einem schweren Unfallschaden wird aber auch weiterhin der Mensch eine wichtige Rolle in der Schadenaufnahmen und -abwicklung einnehmen.
Daniele Baldino: Wir möchten uns noch stärker auf den Kunden ausrichten: Obwohl wir eine standardisierte Vorgehensweise haben, sind wir bekannt für maßgeschneiderte Lösungen mithilfe unserer technischen Möglichkeiten. Jeder Fuhrpark hat spezifische Anforderungen – sei es bei der Aufnahme, der Abwicklung oder der Abrechnung – und wir setzen alles daran, diese passgenau zu erfüllen. Wir werden unsere Plattform und unsere Prozesse weiter optimieren und investieren viel in die Weiterbildung unserer Schadenmanager, um den Bedürfnissen unserer Kunden bestmöglich gerecht zu werden.

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