Urlaubsgrüße aus der Schweiz: Bußgeldvollstreckung seit 1. Mai 2024 in Deutschland möglich
Seit dem 1. Mai 2024 können Schweizer Bußgeldbescheide ab einer Summe von 80 Schweizer Franken in Deutschland durch deutsche Behörden vollstreckt werden. Während man die Bußgeldproblematik bislang aussitzen konnte – eventuelle Probleme an der Grenze bei Wiedereinreise inklusive – ändert sich nun einiges.

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Die internationale Zusammenarbeit im Justizsektor zwischen Deutschland und der Schweiz wurde Ende letzten Jahres durch den Deutsch-Schweizerischen Polizeivertrag geregelt. Dieser „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit“ wurde am 14. Dezember 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Einzelheiten regelt ein Umsetzungsgesetz, das zum 1. Mai 2024 in Kraft getreten ist.
Deutsch-Schweizerischer Polizeivertrag: Halter- und Fahrerauskünfte
Die Zusammenarbeit im Rahmen des Deutsch-Schweizerischen Polizeivertrags erfolgt „auf Ersuchen“. Das gilt sowohl für die Strafverfolgung als auch für Bußgeldsachen. Derartige Ersuchen können insbesondere Halterfeststellungen sowie die Ermittlung von Fahrern bei Straßenfahrzeugen, Anfragen nach Führerscheinen, Identitätsfeststellungen sowie Informationen über die Herkunft von Kraftfahrzeugen betreffen. Die Aufgaben nach den Artiekln 48–51 des Deutsch-Schweizerischen Polizeivertrags nimmt das Bundesamt für Justiz als zentrale Bewilligungs- und Vollstreckungsbehörde für ein- und ausgehende Vollstreckungshilfeersuchen wahr.
Den Austausch von Fahrzeugdaten sowie Daten von Halterinnen und Haltern regelt grundsätzlich Artikel 8, mit weiteren Einzelheiten in Artikel 46. Danach dürfen Halterdaten sowie Fahrzeugdaten aus zentralen Fahrzeugregistern von den Vertragsstaaten übermittelt werden, soweit dies für Verwaltungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Straßenverkehrs, zur Überwachung des Versicherungsschutzes im Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung, zur Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Straßenverkehrs, zur Verfolgung von Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder sonst mit Kraftfahrzeugen, Anhängern, Kennzeichen oder Fahrzeugpapieren, Fahrerlaubnissen oder Führerscheinen stehen. Der Datenaustausch kann anlassbezogen im automatisierten Anfrage- und Auskunftsverfahren und im nichtautomatisierten Verfahren erfolgen. Für den Austausch im automatisierten Verfahren werden nach Möglichkeit bestehende Softwareanwendungen genutzt. Der automatisierte Austausch erfolgt über die als nationale Kontaktstellen fungierenden zentralen Fahrzeugregisterbehörden.
Für Anfragen sind das vollständige Kennzeichen oder die Fahrzeugidentifikationsnummer sowie der maßgebliche Bezugszeitpunkt zu verwenden. Das Ersuchen erfolgt nach Maßgabe des nationalen Rechts des abrufenden Vertragsstaates. Die Vertragsstaaten übermitteln dann für die Erledigung von Ersuchen folgende bei ihnen bereits gespeicherte Daten:
1. Daten von Halterinnen und Haltern:
a) bei natürlichen Personen: Familienname, Vornamen, Ordens- und Künstlername, Geburtsname, Tag der Geburt, Geburtsort, Geschlecht und Anschrift,
b) bei juristischen Personen und Behörden: Name oder Bezeichnung sowie Adresse,
c) bei Vereinigungen: benannte Vertreterin oder benannter Vertreter mit den Angaben zur natürlichen Person oder zur juristischen Person.
2. Fahrzeugdaten:
a) Kennzeichen, die Antriebsart, die Herstellerin oder der Hersteller des Fahrzeugs und die Fahrzeugidentifikationsnummer,
b) Fahrzeugtyp, Marke und Modell,
c) der Tag des Ablaufs der Gültigkeit befristet zugeteilter Kennzeichen,
d) Betriebszeitraum bei Saisonkennzeichen oder Kurzzeitkennzeichen sowie
e) Hinweise auf Diebstahl oder sonstiges Abhandenkommen des Fahrzeugs oder des Kennzeichens.
Die übermittelten Daten dürfen verwendet werden, um der Halterin oder dem Halter die Möglichkeit einzuräumen, die Geldbuße zu akzeptieren; im Übrigen nur, um die fahrzeuglenkende Person zu ermitteln. Bei Datenabrufen muss der empfangende Vertragsstaat sicherstellen, dass die Übermittlung an oder der automatisierte Abruf durch die örtlich zuständige Behörde von der zentralen Registerbehörde protokolliert wird. Diese Daten dürfen nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle, insbesondere der Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Übermittlungen verwendet werden. Sie sind in geeigneter Weise gegen zweckfremde Verwendung und gegen sonstigen Missbrauch zu schützen und spätestens nach sechs Monaten zu löschen.

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Weitere Einzelheiten der Ermittlung von Halterinnen und Haltern sowie lenkenden Personen (nach Art. 8) regelt der Artikel 46. Nach dessen Absatz 2 ermitteln die zuständigen Behörden eines Vertragsstaates auf Ersuchen der zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates die Identität der fahrzeuglenkenden Person, der eine Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des Straßenverkehrs vorgeworfen wird, befragen diese zum Sachverhalt und übermitteln die Erkenntnisse an die ersuchende Behörde. Die Ermittlung der Lenkerin oder des Lenkers nach diesem Artikel erfolgt nur, wenn die zu erwartende Geldforderung mindestens 60 Euro in der Bundesrepublik Deutschland oder 70 Schweizer Franken in der Schweizerischen Eidgenossenschaft beträgt und Maßnahmen des ersuchenden Vertragsstaates zur Ermittlung der fahrzeuglenkenden Person ergebnislos verlaufen sind.
Die Bußgeldvollstreckung muss aber „teurer“ als bei der Halter- oder Fahrerermittlung sein: Nach Artikel 48, der die Voraussetzungen von Vollstreckungshilfeersuchen regelt, wird auf Ersuchen wechselseitig Vollstreckungshilfe bei Entscheidungen geleistet, mit denen das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde eines Vertragsstaates eine Zuwiderhandlung gegen Straßenverkehrsvorschriften feststellt und deswegen gegen eine natürliche oder eine juristische Person eine Sanktion verhängt hat. Dabei muss die verhängte Geldforderung mindestens 70 Euro oder 80 Schweizer Franken betragen. Zuvor muss aber der betroffenen Person rechtliches Gehör gewährt werden und gegen die Entscheidung konnten Rechtsmittel eingelegt werden. Die Vollstreckungshilfeersuche sind dabei auf die Vollstreckung eines Geldbetrags beschränkt.
Ablehnungsgründe für eine Hilfe in Vollstreckungssachen sind nach Artikel 49 zum Beispiel, wenn die der Entscheidung zugrunde liegende Zuwiderhandlung nach dem nationalen Recht des ersuchten Vertragsstaates (also hier in Deutschland) nicht geahndet werden kann. Dies dürfte vor allem die Haftung des Halters für Verkehrsverstöße betreffen. Denn mit Ausnahme der Kostentragungspflicht des Halters für Parkverstöße nach § 25a StVG kennt das deutsche Recht keine reine bußgeldrechtliche Halterhaftung.
Aber auch dann, wenn mit der Bußgeldvollstreckung gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen wird oder bereits Verjährung eingetreten ist, ist eine Vollstreckungshilfe abzulehnen. Gleiches gilt, wenn die von der Vollstreckung betroffene Person keine Gelegenheit hatte, sich gegen den Bußgeldvorwurf zu verteidigen, oder keine Rechtsmittelbelehrung erfolgt ist. Wenn die betroffene Person in dem Verfahren im ersuchenden Vertragsstaat keine Gelegenheit hatte einzuwenden, dass sie für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich ist, kann sie dies im Vollstreckungshilfeverfahren gegenüber der zuständigen Behörde – in Deutschland gegenüber dem Bundesamt für Justiz – geltend machen. Das gilt auch dann, wenn die zugrunde liegende Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergangen ist und die betroffene Person nicht über das Recht zur Anfechtung und über die Fristen gemäß dem Recht des ersuchenden Vertragsstaates belehrt worden ist.
Deutsch-Schweizerischer-Polizeivertrag-Umsetzungsgesetz
Das zugehörige Deutsch-Schweizerischer-Polizeivertrag-Umsetzungsgesetz wurde am 19. Dezember 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Der Deutsche Bundestag hatte bereits im Herbst des Vorjahres am 19. Oktober 2023 ziemlich geräuschlos nahezu einstimmig den Gesetzentwurf des Umsetzungsgesetzes angenommen. Hiermit sollen die Zuständigkeit und das Verfahren einschließlich des Rechtsschutzes für ein- und ausgehende Vollstreckungshilfeersuchen sowie erforderliche Folgeänderungen geregelt werden. Im Bundesgesetzblatt vom 14. Mai 2024 wurde nunmehr bekannt gemacht, dass das Umsetzungsgesetz am 1. Mai 2024 in Kraft getreten ist. Das bedeutet, dass die Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsregelungen in der Schweiz nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des DeutschSchweizerischen Polizeivertrags begangen worden sein müssen. Es kommt also auf das Tatdatum und nicht auf das Datum des Bußgeldbescheides an.
Nach § 4 des Umsetzungsgesetzes erfolgt eine Anhörung der betroffenen Person zum schweizerischen Vollstreckungshilfeersuchen. Dabei werden auch die relevanten Unterlagen mit übersendet. Die betroffene Person erhält Gelegenheit, sich binnen zwei Wochen nach Zugang des Anhörungsschreibens zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist kann das Bundesamt für Justiz über die Bewilligung der Vollstreckung entscheiden oder einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Die Anhörungsschreiben können vollständig durch automatische Einrichtungen erstellt werden. Die Anhörung unterbleibt jedoch, wenn die Vollstreckung als unzulässig abgelehnt wird oder von vornherein die schweizerische Entscheidung durch das Gericht bestätigt und „umgewandelt“ werden soll.
„Notwendiger“ Rechtsbeistand inklusive, aber nur die Ausnahme
Nach § 5 des Umsetzungsgesetzes kann sich die von einem schweizerischen Vollstreckungshilfeersuchen betroffene Person in jeder Lage des Verfahrens eines Rechtsbeistands bedienen.
Ein Fall der „notwendigen“ Rechtsbeistandschaft liegt vor, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsbeistands geboten erscheint, die betroffene Person ihre Rechte nicht selbst hinreichend wahrnehmen kann oder die betroffene Person sich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes in Haft befindet und deshalb Zweifel bestehen, ob sie ihre Rechte selbst hinreichend wahrnehmen kann.
Liegt kein Fall der notwendigen Rechtsbeistandschaft vor, so ist die betroffene Person bei der Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens zur Vollstreckung der schweizerischen Entscheidung darauf hinzuweisen, dass sie die Bestellung eines Rechtsbeistands beantragen kann. Bei Auslandsbezug macht es jedenfalls Sinn, selbst einen Rechtsanwalt zur Interessenwahrnehmung einzuschalten.
Einspruch gegen die Vollstreckungsbewilligung
Gegen die Bewilligung der Vollstreckung einer schweizerischen Entscheidung durch das Bundesamt für Justiz kann die von einem schweizerischen Vollstreckungshilfeersuchen betroffene Person innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Bewilligung schriftlich Einspruch einlegen. Die Regelungen der deutschen Strafprozessordnung (und des Ordnungswidrigkeitengesetzes, das hierauf Bezug nimmt) über Rechtsmittel und Fristen gelten entsprechend.
Vorsicht also vor der Versäumung dieser Frist, denn wenn der Einspruch nicht rechtzeitig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder sonst nicht wirksam eingelegt wird, verwirft ihn das Bundesamt für Justiz als unzulässig. Gegen die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Einspruchs kann die betroffene Person innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung einen schriftlichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Bei einem zulässigen Einspruch prüft das Bundesamt für Justiz als Bewilligungsbehörde, ob die Bewilligung der Vollstreckung aufrechterhalten oder dem Einspruch abgeholfen wird.
Gegen die Bewilligung der Vollstreckung und gegen die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Einspruchs ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Die Sachen landen letztlich also beim Bußgeldoder Strafrichter beim Amtsgericht. Wie im deutschen Bußgeldverfahren entscheidet das Gericht durch Beschluss: Sind Vorschriften über die Einlegung des Einspruchs nicht beachtet, so verwirft das Gericht den Einspruch als unzulässig. Hier wäre dann Schluss, denn dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Soweit die Vollstreckung zulässig ist und die Geldstrafe oder Geldbuße nach Artikel 50 des Deutsch-Schweizerischen Polizeivertrags fehlerfrei angepasst wurde, wird der Einspruch durch Beschluss als unbegründet zurückgewiesen.
Ist hingegen der Einspruch wegen Unzulässigkeit der Vollstreckung begründet, wird die schweizerische Entscheidung für nicht vollstreckbar erklärt. War aber lediglich die Anpassung der Geldbuße nach Artikel 50 des Deutsch-Schweizerischen Polizeivertrags fehlerhaft oder wurde diese ganz unterlassen, passt das Gericht die Geldforderung an und erklärt die Entscheidung für vollstreckbar. Rechtsmittel gegen die gerichtlichen Beschlüsse ist – vergleichbar dem deutschen Recht in Bußgeldsachen – die Rechtsbeschwerde (§ 11 Umsetzungsgesetz), die aber zugelassen werden muss. Die Rechtsbeschwerde steht sowohl der betroffenen Person als auch dem Bundesamt für Justiz als Bewilligungsbehörde zu; es entscheidet das Beschwerdegericht.
Bei Auslandssachverhalten, die ein Bußgeld oder eine Geldstrafe zur Folge haben, ist die Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistands zur Rechtswahrnehmung dringend anzuraten. Entsprechende Vorsicht gilt übrigens auch bei einer Umgehung der Rechtshilferegelungen, wenn ausländische Stellen unter Umgehung des Bundesamts für Justiz den Versuch unternehmen, Geldforderungen unterhalb der Schwellenwerte von 70 Euro oder 80 Schweizer Franken direkt beim Betroffenen einzufordern.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
Kontakt: kanzlei@fischer.legal
Internet: www.fischer.legal
AUTOR
RECHTSANWALT LUTZ D. FISCHER ist Mitglied der ARGE Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Verkehrsrechts. Als Autor hat er zahlreiche Publikationen zum Dienstwagenrecht veröffentlicht, unter anderem in der Fachzeitschrift „Flottenmanagement“ sowie im Ratgeber „Dienstwagen- und Mobilitätsmanagement 2018–2020“ (Kapitel Datenschutz). Als Referent hält er bundesweit offene Seminare und Inhouse-Veranstaltungen zur Dienstwagenüberlassung mit thematischen Bezügen zu Arbeitsrecht, Entgeltabrechnung, Schadenregulierung und -management, Datenschutz sowie Elektromobilität.
RECHTSPRECHUNG
ARBEITSRECHT
Unwirksamer Widerruf der Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung
Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ist grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Denn sie ist Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts. Der Anspruch des Klägers auf weitere Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs wäre daher nur dann zu verneinen, wenn die Beklagte zur Rückforderung berechtigt wäre, namentlich eine wirksam vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten oder von einem wirksam vereinbarten Widerrufsvorbehalt wirksam Gebrauch gemacht worden wäre.
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs zur Privatnutzung ist nicht untergegangen. Das in der Vertragsergänzung vereinbarte Widerrufsrecht ist nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil es inhaltlich zu weit gefasst ist und den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt.
Die Vertragsergänzung sieht vor, dass ein funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug zur Verfügung gestellt wird, sofern hierfür die Berechtigung nach den jeweils gültigen Regelungen gegeben ist, wobei für die Einzelheiten auf die Geschäftsfahrzeug-Regelung verwiesen wird. Jedenfalls die Klausel zur dienstlichen Notwendigkeit des Geschäftsfahrzeugs, auf welche sich die Arbeitgeberin beruft, ist unter mehreren Aspekten intransparent und daher unwirksam:
Die Aufgabe erfordert eine dauerhaft hohe Mobilität, die durch ständig wiederkehrende, dienstliche Abwesenheiten von mehr als 50 Prozent geprägt ist. Ein vorübergehendes Mobilitätserfordernis begründet keine Notwendigkeit eines funktionsabhängigen Geschäftsfahrzeugs. Die dienstliche Abwesenheit von mehr als 50 Prozent ist gegeben, wenn der Mitarbeiter dauerhaft an mindestens der Hälfte der Arbeitstage dienstlich unterwegs ist. Diese Abwesenheit ist gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum (> sechs Monate) nachweisbar.
Unklar ist bereits, wann eine „dauerhaft hohe Mobilität“ zu verneinen ist. Angesichts der Verwendung des Wortes „gegebenenfalls “ stellt sich allerdings schon die Frage, unter welchen Voraussetzungen die dienstliche Abwesenheit für mehr als sechs Monate nachweisbar sein muss. Das Wort „gegebenenfalls“ relativiert das Erfordernis der Dauerhaftigkeit insgesamt; es sind also auch Fälle denkbar, in denen ein derartiger Nachweis nicht nötig ist und/oder auch ein kürzerer Zeitraum ausreichend sein könnte.
Die Intransparenz der Klausel ergibt sich auch aus der Kombination von auflösender Bedingung in Anlage 1 mit dem Widerrufsvorbehalt der Vertragsergänzung. Es ist für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer unverständlich, wenn einerseits die Voraussetzungen für den Entzug des Geschäftsfahrzeugs detailliert geregelt werden, andererseits aber nach der Vertragsergänzung jede Änderung der vertraglichen Aufgaben zum Widerruf berechtigen soll. Insoweit liegt auch eine Überschneidung der Regelungen vor. Die auflösende Bedingung betrifft nicht nur das Ende der relevanten Tätigkeit, sondern auch den Fall des Wegfalls der dienstlichen Notwendigkeit. Führt eine Änderung der arbeitsvertraglichen Aufgaben zu einer geringeren Nutzung des Geschäftsfahrzeugs, so wäre sowohl der Anwendungsbereich des Widerrufsvorbehalts als auch der Anwendungsbereich der auflösenden Bedingung betroffen. LArbG Hamm (Westfalen), Urteil vom 23.01.2024, Az. 6 Sa 1030/23
Außerordentliche Kündigung bei unerlaubter Tankkartennutzung zu Privatzwecken
Die private Nutzung einer Tankkarte entgegen den Regelungen einer Dienstwagenrichtlinie kann eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Auch die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten kann an sich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise erwartet werden kann. Der Arbeitnehmer ist in jedem Fall verpflichtet, vom Betrieb Schäden abzuwenden, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist.
Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze ist die außerordentliche Kündigung vom 5. November 2021 wirksam.
Der Arbeitnehmer hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Tankkarten entgegen der Dienstwagenrichtlinie der Arbeitgeberin beziehungsweise entgegen deren Weisungen genutzt, wodurch er das Vermögen der Arbeitgeberin um insgesamt 2.801,04 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) geschädigt hat.
Entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers ergibt sich aus der Dienstwagenrichtlinie mit hinreichender Deutlichkeit, dass ihm die Nutzung der Tankkarten zur Betankung seiner privaten Fahrzeuge nicht erlaubt war. Die Dienstwagenrichtlinie ist nicht wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam. Werden in einem Arbeitsverhältnis Tankkarten, Kreditkarten oder Kontokarten zur Verfügung gestellt, so ist zunächst davon auszugehen, dass diese lediglich für die Bestreitung der arbeitsvertraglichen Pflichten und dienstliche Zwecke gedacht sind. Der Arbeitgeber erfüllt durch die Übergabe dieser Karten seine Vorschusspflicht aus § 669 BGB. In diesem Sinne ist auch die Dienstwagenrichtlinie der Arbeitgeberin formuliert. Gemäß Ziffer 2 der Dienstwagenrichtlinie wird die Auswahl des zur Verfügung stehenden Pkw von der Arbeitgeberin getroffen. Gemäß Ziffer 3.1 der Dienstwagenrichtlinie ist der Mitarbeiter verpflichtet, den Pkw bei Dienstreisen einzusetzen. Das vom Arbeitnehmer reklamierte Wahlrecht der Nutzung etwaiger zur Verfügung stehender Privatfahrzeuge für den Einsatz bei Dienstreisen wird durch Ziffer 3.1 der Dienstwagenrichtlinie unterbunden. Gemäß Ziffer 6.5 der Dienstwagenrichtlinie ist der Mitarbeiter verpflichtet, den Weisungen der Arbeitgeberin in Bezug auf die Nutzung der Tankkarte Folge zu leisten. Aus Ziffer 6.5 der Dienstwagenrichtlinie in Verbindung mit Ziffer 3.1 der Dienstwagenrichtlinie ergibt sich damit eindeutig, dass der Einsatz der Tankkarten nur bei Nutzung des Dienstwagens erlaubt sein sollte.
Nach alledem war aus der Dienstwagenrichtlinie auch für den Arbeitnehmer erkennbar, dass ihm die Tankkarten (nur) im Zusammenhang mit dem Firmenfahrzeug überlassen worden sind. Eine Befugnis zur Nutzung der Tankkarten zur Betankung von Privatfahrzeugen auf Kosten der Beklagten ist dem Arbeitnehmer durch die Dienstwagenrichtlinie gerade nicht erteilt worden. LArbG Niedersachsen, Urteil vom 29.03.2023, Az. 2 Sa 313/22 (Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BAG: 2 AZN 296/23)

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