Servicewüste
Hand aufs Herz: Welches Bild sehen Sie vor Ihrem geistigen Auge beim Begriff „Wüste“? Sicherlich die typische Szenerie eines Westernfilms mit einer über den staubigen Pfad getriebenen Steppenhexe, begleitet von Hitze, vom Heulen des Windes und ansonsten absoluter Stille. Ach ja, und natürlich die grimmigen Gesichter der Bösewichte, auf die man vielleicht im staubigen Saloon trifft.

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Nun, Parallelen zu einigen Kfz-Werkstätten könnte man da bisweilen schon sehen. Beispielsweise bezüglich der Hitze aus dem Begriff „Hotline“ für die Voranmeldung, wobei man sich hier öfters die Frage stellt, ob „Coldline“ nicht zutreffender wäre. An der Kundenannahme kommt man sich gerne mal wie im Saloon vor, trifft man doch dort häufig auf Stille, weil niemand dort zu sein scheint, der sich dem Kunden annimmt. Hat man über den staubigen Weg zur Werkstatt gefunden, kann man dort bisweilen in grimmige Gesichter derjenigen blicken, die mit gewissem Unmut ihrer Arbeit nachgehen. Bleibt das Heulen. Nun, danach dürfte Ihnen spätestens beim Blick auf die Rechnung zumute sein.
Zugegeben, das trifft nicht auf alle Werkstattbetriebe zu und klingt vielleicht etwas übertrieben. Fakt ist jedoch: Werkstätten sind teuer geworden. Ein Blick auf aktuelle Stundenverrechnungssätze löst schnell nervöse Zuckungen aus. Rechnungen für die Reparatur des Privatwagens sollten vorzugsweise per Überweisung beglichen werden, da bei Zahlung mit EC- oder Kreditkarte diese danach glüht und beides – Geldbeutel und die Gesäßtasche, in welchem dieser verstaut ist – gleich kokeln lässt. Vergleicht man dann die erbrachte Leistung mit der Rechnungshöhe, fragt man sich umgehend, warum der mobile Defibrillator nicht zur Pflichtausstattung im Auto (wie der Verbandskasten) zählt und immer mitgeführt werden sollte. Platz hierfür wäre ja im Kofferraum vorhanden.
Schon wieder übertrieben? Dann achten Sie einfach mal auf die Abläufe bei der nächsten Inspektionsbeauftragung für Ihren Privat- oder Dienstwagen bei der Herstellerwerkstatt Ihres Vertrauens. Sie bekommen kurzfristig einen Termin? Herzlichen Glückwunsch, wobei der Begriff „kurzfristig“ ziemlich dehnbar ist. Im Regelfall rufen Sie zunächst Werkstattpartner über seine Hotline für eine Terminvereinbarung an. Oft genug geht der Anruf ins Leere. Oder man erhält den Hinweis, dass aktuell alle Plätze belegt sind und man mit dem nächsten verfügbaren Kundendienstmitarbeiter verbunden wird. Das ist dann der dezente Hinweis darauf, dass Sie sich nun in der Warteschleife befinden. Glückwunsch, denn jetzt haben Sie ganz unerwartet Zeit. Nutzen Sie sie! Holen Sie sich ein Tässchen Kaffee oder fangen Sie mit dem Rauchen an. Oder schreiben Sie ein paar dienstliche E-Mails. Und wenn Sie befürchten, man könnte sich bei Ihnen beschweren, weil Sie während des Wartens telefonisch nicht verfügbar waren, keine Sorge. Lassen Sie einfach den Begriff „Hotline“ fallen ... und schon ist alles wieder gut! Bemitleidende Blicke und tröstende Worte sind Ihnen sicher! Nimmt dann bei der Cold..., ähm, Hotline jemand ab, stellt sich Ihnen bei den von der Händlerwerkstatt unterbreiteten Terminvorschlägen die Frage, ob Sie nicht irrtümlich die Telefonnummer Ihres Arztes oder der Physio-Praxis gewählt haben. Kurzfristig bedeutet mindestens zwei bis drei Wochen Vorlaufzeit. Hier ist zu hoffen, dass Sie in dieser Zeit das vom Hersteller für Ihr Fahrzeug vorgegebene Inspektionsintervall nicht zu heftig überziehen. Das könnte nämlich später gerade bei Kulanzfällen negative Konsequenzen haben. Die Höhe und Gewährung der Kulanz ist nämlich sehr oft davon abhängig, ob für das Fahrzeug alle Wartungsintervalle pünktlich eingehalten wurden.
Ist der Inspektionstermin dann endlich da, vermerken Sie sich einfach mal offensichtliche Mängel, die bei der Durchsicht entdeckt werden müssten: Falscher Reifendruck, eingerissene Wischergummis, Motoröl, feucht ... und füllen Sie vorher mal juxhalber den Behälter des Waschwasserbehälters der Scheibenreinigungsanlage randvoll. Warum? Dazu später mehr. Nach dem Inspektionstermin mit dem Privat- oder Dienstwagen prüfen Sie dann einfach mal die durchgeführten Inspektionsarbeiten. Warum ich das erwähne? Seit Jahren verfolge ich Berichte über Werkstatttests, für die verschiedene Fachzeitschriften mit Mängel präparierte Autos zur Inspektion abgeben und danach prüfen, ob auch alles nach Herstellervorschrift abgearbeitet wurde. Leider finden sich in den seltensten Fällen Betriebe, die strikt nach den Vorgaben vorgehen und die entsprechenden Listen Schritt für Schritt tatsächlich abgearbeitet haben. Dumm, weil ihnen dann die präparierten Mängel aufgefallen wären. Tschüss, perfekte Leistung.
Damit aber leider nicht genug. Ein Blick in die Rechnung zeigt die volle Berechnung der nicht vollständig erbrachten Leistung. Hier trifft man dann auch auf zum Teil hemmungslos überteuerte Positionen. Beispiel Motoröl. Für Werkstätten ist es das flüssige Gold. Da werden vollsynthetische Schmierstoffe verwendet und nicht selten mit Preisen jenseits der 20 Euro pro Liter berechnet. Wer weiß denn schon, dass es sich hierbei meistens um Fassware handelt, die unter 5 Euro pro Liter kostet. Das sind Margen, von denen viele nur träumen können. Bei den Originalersatzteilen sieht es auch nicht viel besser aus. Eigenes Beispiel: Ich hatte kürzlich einen Kupplungstausch an meinem Privatwagen anstehen, bei dem die Händlerwerkstatt für den Kupplungssatz mehr als das Doppelte dessen berechnen wollte, was im freien Handel hierfür aufgerufen wird – wohlgemerkt, gleicher Kupplungssatz mit identischer Teilenummer.

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Aber wir waren ja noch bei der Inspektionsrechnung. Gekrönt wird diese dann mit den sogenannten Kassenfüller-Positionen. Klassiker hier sind die Pauschalen für Kleinteile, Schmiermittel, Schrauben und Pflegemittel. Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen ist dann die Berechnung von 1,5 Liter Scheibenklar, auch wenn das Fahrzeug vorher – Sie erinnern sich – mit randvollem Behälter abgegeben wurde. Versteht sich von selbst, dass die Literpreise auch hierfür jenseits von Gut und Böse sind. Das alles klingt nicht nur fragwürdig, das ist es auch.
Keine Frage: In vielen Bereichen werden wir mit gestiegenen Kosten konfrontiert. Setzt man allerdings die hier berechneten Lohn- und Teilekosten in Relation zu den tatsächlich angefallenen Kosten, dann ist die Frage, womit das eigentlich gerechtfertigt ist, mehr als berechtigt. Das gilt umso mehr, wenn die beauftragte Leistung eben nicht vollständig erbracht wurde. Betroffen von diesen überzogenen Preisen sind Sie als privater Kunde ebenso wie der Fuhrparkverantwortliche fürs Unternehmen. Und nicht jeder hat einen Full-Service-Vertrag, bei dem die Leasinggesellschaft die Rechnungen prüft und reklamiert. In Summe werden hier Mehrbelastungen verursacht, die in Teilen auf einer nicht korrekten und fragwürdigen Arbeitsweise basieren. Mich ärgert dabei, dass man für einen klar vorgegebenen Auftrag mit ebenso klar hinterlegtem Arbeitsumfang den vollen Preis bezahlen soll, obwohl die entsprechende Leistung nicht vollumfänglich erbracht wurde.
Auch ärgert mich, dass man dies praktisch überall mit zu wenig Personal und Fachkräftemangel begründet. Dabei sind viele der Probleme hausgemacht. Während zum Beispiel die Verrechnungssätze für Mechaniker und Meister regelrecht explodiert sind, sind die Löhne und Gehälter derer, die diese Arbeiten verrichten, nicht ansatzweise in gleichem Maße gestiegen. Statt sich also das Gros der Differenz in die eigene Tasche zu stecken, einfach mal etwas mehr denjenigen bezahlen, die das mit ihrer Arbeit erwirtschaften. Ganz nebenbei würde das sicher auch die Motivation bei der Durchführung der Arbeiten steigern, was am Ende wieder eine Imageverbesserung des eigenen Betriebes und damit eine stärkere Kundenbindung mit sich bringt. Auch sollte hier unbedingt mehr in die Überwachung der Arbeitsabläufe investiert werden. Was bringen umfangreiche Prozessdefinitionen und Arbeitsvorgaben, wenn deren Einhaltung nicht kontrolliert wird? Kostet zu viel Geld? Kurzfristig: Ja. Aber: Der vergraulte Kunde, welcher der Werkstatt wegen schlechter und überteuerter Arbeitsleistung dauerhaft den Rücken zuwendet, dürfte schon mittelfristig teurer sein.
Und am Ende stimmt dann das Bild von der Wüste mit dem staubigen Pfad, der Hitze, dem Heulen des Windes und der Steppenhexe, die in die offene, staubige und verlassene Halle einer Werkstatt geweht wird, in der ansonsten Stille vorherrscht.
AUTOR
PETER INSAM ist seit rund 30 Jahren im Einkauf für Betriebsmittel und Investitionsgüter unterwegs, von denen er seit mehr als 25 Jahren die Geschicke verschiedener nationaler und internationaler Fuhrparks in Unternehmen aus verschiedenen Branchen gelenkt hat Darüber hinaus sammelte er zahlreiche Erfahrungen im Rahmen von Auslandsaufenthalten in Frankreich und Australien. Seit Ende 2014 ist Peter Insam zudem Mitglied des Redaktionsbeirates von Flottenmanagement und gibt regelmäßig in der Rubrik „Meine Meinung“ tiefe Einblicke in die Arbeit eines Fuhrparkverantwortlichen und das Leben eines Autoenthusiasten.

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