Arbeitssicherheit bei Diensträdern Bestimmungen, die Verantwortliche kennen sollten
Nach Branchenschätzungen sind derzeit mehr als zwei Millionen Diensträder in Deutschland im Gebrauch. Aber welche Arbeitgeber- und Arbeitnehmerpflichten gehen eigentlich mit einem Dienstrad einher? Und wie steht es um das Thema Arbeitssicherheit? Ein Überblick.

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Um eine Aussage zu den Anforderungen an die Arbeitssicherheit von Diensträdern zu treffen, ist zunächst einmal zu klären, ob es sich beim Dienstrad um ein Arbeitsmittel handelt. Das ist dann der Fall, wenn das Fahrrad auch für die betriebliche Nutzung vorgesehen ist. Genauer: Wenn der Arbeitnehmer sein Rad während der Arbeitszeit benutzt, um zum Beispiel Kunden zu besuchen, Materialien zu transportieren oder sich zwischen verschiedenen Firmenstandorten zu bewegen. Wird das Fahrrad lediglich auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause eingesetzt, handelt es sich um eine Privatfahrt zum Arbeitsplatz, für die Sicherheit zwar ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, aber eine deutlich andere als im betrieblichen Kontext.
Das Dienstrad als sicheres Arbeitsmittel
Stellt der Arbeitgeber also ein Rad zur Verfügung, damit mit diesem jobrelevante Tätigkeiten durchgeführt werden, ist es ein Arbeitsmittel im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung, des Arbeitsschutzgesetzes und der technischen Regeln der Betriebssicherheit (TRB). Hinzu kommen außerdem die Unfallverhütungsvorschriften (DGUV Vorschrift 71), wenn es sich bei dem Rad um eines mit maschineller Unterstützung handelt (z. B. Pedelec oder E-Bike). Klassische Fahrräder oder Pedelecs 25 sind davon nicht erfasst.
Es liegt dann in der Verantwortung des Arbeitgebers, die allgemeinen Bestimmungen für Arbeitsmittel einzuhalten. Dazu zählen:
1. die Auswahlverpflichtung des Mittels
2. eine Übergabe an den Mitarbeitenden einschließlich Einweisung
3. die Feststellung der notwendigen Kompetenz zur Bedienung des Arbeitsmittels
4. die Prüfung und Feststellung der Eignung und der Fehlerfreiheit
5. die Durchführung und Umsetzung einer Gefährdungsbeurteilung
Zusammenfassend geht es darum, geeignete Prozesse zu planen, zu installieren und durchzuführen, die eine sichere Nutzung des Arbeitsmittels erlauben. Das bedeutet im Klartext Betriebssicherheit, die sich aus Verkehrssicherheit und Arbeitssicherheit zusammensetzt. Das mag aufwendig erscheinen, tatsächlich gelten aber für ein Dienstrad, das als Arbeitsmittel genutzt wird, die gleichen Grundstrukturen wie zum Beispiel für betriebliche Laptops oder spezielles Werkzeug.

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Die oben genannte Gefährdungsbeurteilung nimmt dabei einen wichtigen Platz ein und bildet die Grundlage für das weitere Handeln. Hier hat der Arbeitgeber entsprechend den Vorgaben festzulegen, in welchen Abständen Prüfungen durchzuführen sind. So ist beispielsweise jährlich zu prüfen, ob das Fahrrad in einem einwandfreien Zustand ist. Je nach Einsatzbedingungen sind die Prüfintervalle anzupassen. Hierfür braucht es auch eine entsprechende Dokumentation. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung kann der Betrieb auch zu dem Ergebnis kommen, dass bei der Nutzung des Dienstrads Schutzkleidung und Helm zu tragen sind. Gesetzlich vorgeschrieben ist das nicht.
Weiterhin sind die Beschäftigten vor der ersten Nutzung des Dienstrads einzuweisen und in der Folge mindestens einmal pro Jahr erneut zu unterweisen. Das Fahrrad muss außerdem für die zu leistenden Tätigkeiten geeignet sein. Sind beispielsweise Lasten zu transportieren, muss das zulässige Gesamtgewicht diesem Umstand Rechnung tragen – das sicherzustellen, ist Aufgabe des Arbeitgebers.
Besonderheit Lastenrad
Besonders herausfordernd ist in der Praxis die Feststellung der erforderlichen Kompetenz zur sicheren Bedienung eines Dienstrads. Während sich zweirädrige Lastenräder noch ähnlich fahren lassen wie normale Fahrräder, kann sich die Fahrt mit einem dreirädrigen Lastenrad anfänglich schwierig anfühlen und ist vor allem in Kurven unfallträchtig. Eine gründliche Einweisung mit Fahrversuchen ist daher dringend anzuraten. Aber was sind die Gründe für das unterschiedliche Fahrverhalten? Lastenräder sind größer und schwerer als normale Fahrräder, woraus spezielle Fahreigenschaften resultieren. Sie haben einen größeren Wendekreis sowie ein anderes Lenk-, Brems- und Kurvenverhalten, besonders dann, wenn sie beladen sind. Auch spielt die Sicherheit beim Transport von Lasten eine zentrale Rolle.
Lastenräder mit zusätzlichem Antrieb (zum Beispiel Pedelecs) können zu einer Selbstüberschätzung des Fahrenden und einer falschen Einschätzung der Geschwindigkeit verleiten. Eine bewährte Lösung sind Fahrsicherheitstrainings mit dem Ziel der sicheren Radbeherrschung bei Kurven und langsamem Fahren. Auch das Balancehalten, Anfahren und Absteigen werden trainiert. Alternativ kommen als Trainingsmethode Geschicklichkeitsparcours infrage. Eine wichtige Informationsquelle ist in diesem Zusammenhang die DGUV-Information 208-055 mit dem Titel „Sicher unterwegs mit dem Transportund Lastenfahrrad“.
Die Einschätzung, ob ein Mitarbeitender fähig ist, ein Dienstrad zu nutzen, kann nicht pauschal nachvollzogen werden. Zusätzlich ergibt sich aus der Tatsache, dass die Fahrerlaubnisbehörde das Fahren mit Fahrrädern nicht verbieten kann, auch ein rechtliches Spannungsfeld. In seiner Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber seine Mitarbeitenden über die mögliche Wunschvorsorge-Untersuchung nach der DGUV-Empfehlung mit dem Titel „Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten“ zu informieren. Insgesamt hat der Arbeitgeber auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge zu sorgen (ArbMedVV §3). In dieser Untersuchung kann ein Betriebsarzt feststellen, ob ein Arbeitnehmer die körperlichen Voraussetzungen erfüllt, ein Dienstrad zu führen. Die Untersuchung soll Unfälle, Gesundheitsschäden oder andere Gefährdungen so weit wie möglich verhindern, wovon alle Beteiligten profitieren.
Für den Arbeitgeber und die Mitarbeitenden bedeutet die Untersuchung auch eine haftungsrechtliche Absicherung. Angestellte, die Fahrzeuge bedienen, können Kollegen oder unbeteiligte Dritte in eine Gefahrenlage bringen, weswegen eine regelmäßige Überprüfung der körperlichen Eignung zu beachten ist. Im Falle eines Unfalls muss der Arbeitgeber in Verdachtsfällen einen Nachweis darüber erbringen, ob der eigene Mitarbeitende die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit erfüllt. Wichtig ist auch hier, die Untersuchung in regelmäßigen Abständen auch unter dem Gesichtspunkt des demografischen Wandels in der Arbeitswelt zu wiederholen. An dieser Stelle sei ausdrücklich auf das betriebliche Gesundheitsmanagement sowie ein professionelles Nachhaltigkeitsmanagement hingewiesen.
Rundum-sorglos-Pakete bringen Sicherheit und Komfort
Es gibt inzwischen viele Anbieter, die im Rahmen von Paketlösungen das Dienstrad zur Verfügung stellen und zusätzlich jährliche oder sogar halbjährliche Sicherheits-Checks gemäß UVV übernehmen. Diese beinhalten bei einem Fahrrad bis zu insgesamt 50 Punkte, darunter die Überprüfung des Rahmens, der Bremsanlage, der Beleuchtung, der Radund Tretlager und der Bereifung. Bei E-Bikes wird zusätzlich die Motorentechnik geprüft, auch eine Probefahrt gehört dazu. Je nach Ausgestaltung des Pakets erfolgen die Checks vor Ort bei den Unternehmen, eine Dokumentation ist obligatorisch. Dies erleichtert es dem Fuhrparkmanagement, seinen Pflichten nachzukommen und ein betriebssicheres Dienstrad zur Verfügung zu stellen.
Keine Frage: Wird ein Dienstrad betrieblich genutzt, sind zahlreiche Anforderungen hinsichtlich der Arbeitssicherheit zu erfüllen. Umso wichtiger ist daher die Vereinbarung von klaren Spielregeln für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, beispielsweise über eine entsprechende Nutzungsvereinbarung. Denn auch Arbeitnehmer müssen ihren Anteil an den Unfallverhütungsvorschriften erfüllen und beispielsweise ihr Pedelec oder Bike täglich vor der Nutzung einer kurzen Überprüfung unterziehen, um zu gewährleisten, dass es sich in einem sicheren Zustand befindet. Soll ein Fahrrad ausschließlich als Mitarbeiterbindungs- oder Motivationsinstrument zur Verfügung gestellt werden, kann der Arbeitgeber konsequenterweise eine betriebliche Nutzung untersagen, damit das Fahrrad nicht ungewollt zum Arbeitsmittel wird. Richtig ist aber auch: Aus eigenem Interesse an der Gesundheit der Mitarbeitenden sind Sicherheitsmaßnahmen auch in diesem Fall sehr empfehlenswert.
Empfehlung: Online-Selbstlernkurs zu Dienstradleasing
Hier gibt es einen Überblick über alle Grundlagen, Voraussetzungen und den regulatorischen Rahmen. Außerdem Wissen zu verschiedenen Anschaffungsformen, Versicherung, Steuern und Unfallverhütungsvorschriften im Zusammenhang mit Dienstradleasing. Der Kurs ist für Mitglieder kostenlos.
Weitere Informationen: https://www.mobilitaetsverband.de/online-selbstlernkurse/dienstrad-leasing.html
AUTOR
DIETER GRÜN ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Betriebliche Mobilität e. V. in Mannheim und Fuhrparkleiter in einem kommunalen Betrieb. Der Verband ist mit 650 Mitgliedsunternehmen das größte Netzwerk rund um Themen der betrieblichen Mitarbeitermobilität.

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