Das Schadengeschehen im Blick
Mitte April kam die Versicherungswirtschaft bereits zum 17. Mal zum Messekongress Schadenmanagement & Assistance zusammen. Die Bedeutung dieses Branchenevents lässt sich allein an den Zahlen erkennen: Insgesamt 1.350 Teilnehmende, 90 Aussteller und 80 Speaker trafen sich auf dem jährlich stattfindenden Messekongress in Leipzig. Auch Flottenmanagement machte sich in diesem Jahr auf den Weg in die sächsische Metropole, um einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen sowie Trends im Schadenmanagement zu erhalten.

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Naturgemäß sind Schäden und das Versicherungsgeschäft untrennbar miteinander verbunden: Denn kommt es zum Schadenfall, müssen diese Schäden begutachtet, bearbeitet und reguliert werden. Was versicherungseigene Sachbearbeiter im Innenund Außendienst respektive gesellschaftseigene Sachverständige nicht leisten können, wird an externe Dienstleister outgesourct oder von Anfang an durch spezialisierte Unternehmen realisiert. Gleichwohl ist auch die Versicherungsbranche in Bewegung: Themen wie immer häufiger auftretende Unwetterschäden mit zudem wachsendem Schadenausmaß, die zunehmende Bedeutung von künstlicher und generativer Intelligenz wie zum Beispiel ChatGPT, die weitere Digitalisierung und Automatisierung von Schäden sowie die Notwendigkeit, künftig deutlich mehr Nachhaltigkeit gerade auch in die Instandsetzung von Unfallfahrzeugen einzubringen, erfordern ein Umdenken. Daher ist der Messekongress Schadenmanagement & Assistance des Veranstalters Versicherungsforen Leipzig ein wichtiges Bindeglied, um sich über aktuelle Trends und Neuerungen austauschen zu können.
So ging Jens Ringel, Geschäftsführer der Versicherungsforen Leipzig, bei der Eröffnung der nunmehr 17. Auflage dieses Messekongresses auf die aktuellen Herausforderungen ein, denen sich das Schadenmanagement gegenübersieht: Dabei habe das klassische Schadendreieck, welches sich aus den Komponenten Kundenorientierung, Schadenaufwand und Schadenbearbeitungskosten zusammensetzt, eine Erweiterung um die Dimensionen Nachhaltigkeit und Mitarbeiterorientierung erfahren. Daraus resultierend nimmt auch die Bedeutung von Digitalisierung und Automatisierung sowie der Einsatz von künstlicher und generativer Intelligenz stetig zu, um den Herausforderungen dieses neuen „Schadenfünfecks“ gerecht zu werden und zukunftsfähig zu bleiben. Einen exemplarischen Einblick darin, wie ein überregionaler Versicherer auf diese Herausforderungen reagiert, gewährte sogleich der erste Keynote-Speaker Dr. Rainer Sommer, Vorstandsmitglied Provinzial Konzern: Ausgehend vom klaren Fokus auf die Kunden geht es in der vierdimensionalen Strategie vor allem um die kontinuierliche Optimierung der Prozesse, Praktiken und Werkzeuge, die Stärkung der Umsetzungsfähigkeit durch die Verzahnung von Prozessoptimierung und Digitalisierung sowie um die Steigerung der Mitarbeiterattraktivität. Bei der Umsetzung spielen eine entsprechende Unternehmenskultur und die Digitalisierung eine besonders große Rolle. Denn: „Digitalisierung und Automatisierung sind die Selbstverteidigung gegen den demografischen Wandel“, betonte er mehrfach in seinem Vortrag.
Im Anschluss gab es die Möglichkeit, sich im Ausstellungsbereich, dem Showroom sowie in vier Themenräumen über aktuelle Erfahrungen, Projekte, Studien sowie innovative Ansätze im Schadenbereich zu informieren. Beispielsweise eröffneten Florian Merker und Matthias Wittenberg, beide Carglass Germany GmbH, mit einem Vortrag zum Verbot von „Secure Gateways“ das Fachforum „Assistance und Cooperation“. Neben einem Überblick über die aktuelle Rechtslage wurden auch die Folgen des Urteils des EuGH für Fahrzeughersteller und freie Werkstätten beleuchtet. Gemäß dem Urteil ist es Fahrzeugherstellern untersagt worden, unabhängige Kfz-Serviceanbieter am Zugriff auf notwendige Fahrzeugdaten zu hindern. Das Urteil gewährleiste damit Rechtssicherheit und einen fairen Wettbewerb, so Merker. Dr. Ingo Blöink, Solera Audatex AUTOonline GmbH, und Arben Ndue, Solera Inc., gingen danach darauf ein, wie die CO2-Kalkulation bei Autoschäden gelingen kann. Mit einem eigens entwickelten Algorithmus ist es unter Einbeziehung einer Vielzahl von Daten, die unter anderem durch OEMs und Lackhersteller bereitgestellt werden, möglich, die Lebenszyklusanalyse bei Schadenfällen sehr präzise durchzuführen. Der Algorithmus berücksichtigt dabei Scope-3-Emissionen. Noch vor dem Mittagessen zeigte Lars Rottmann, Geschäftsführer der Hagelschaden Zentrum Deutschland GmbH, wie das Hagelschadenmanagement 4.0 aussehen kann. Er stellte anschaulich vor, wie relevant die korrekte Einstellung der Lichtverhältnisse bei Schadenscannern ist und in welchen Fällen der Scanner allein nicht ausreicht. Den entscheidenden Unterschied mache das richtige Zusammenspiel aus Technik, smarter Software und Spezialisten, so Rottmann.
Gut gestärkt und nach einem Besuch der Aussteller gab es Gelegenheit, sich beispielsweise im Forum „Claims Handling“ darüber zu informieren, wie Vermarktungsprozesse im Bereich Schadenhandling smarter gestaltet werden könnten. Martin Meier, Dienstleistungsmanagement mit Schwerpunkt Kfz von der R+V Versicherung, begann die Präsentation mit der Geschichte eines Schadenfalls, bei dem ein Kunde mit einem Restwertgutachten von seiner Kfz-Versicherung „allein gelassen“ wird. Hier setzte die R+V an und begann mit der carexpert KFZ-Sachverständigen GmbH einen neuen Prozess zu entwickeln: Ausgehend von der Frage „Wie können wir diesen unangenehmen Zustand überwinden?“ stellten Martin Meier und Michael Schiener, Teamleiter Anwendungen und zentrale Dienste bei der carexpert KFZ-Sachverständigen GmbH, den neu entwickelten Prozess vor. Nach der Schadenmeldung durch den Kunden und der Auftragserstellung an carexpert wird zunächst der Schadenumfang mittels QuickPredict ermittelt und an die Sachbearbeiter weitergeleitet. Die Vermarktungsvereinbarung kann der Kunde vor Ort oder später an carexpert übergeben, wo die Kalkulation des Restwerts und des Wiederbeschaffungswerts erfolgt. Parallel zum Verkauf des Schadenfahrzeugs durch carexpert zahlt die R+V den Wiederbeschaffungswert aus, sodass sich der Kunde weder mit dem eigentlichen Verkauf des Fahrzeugs noch mit der Verhandlung über den Restwert des Fahrzeugs beschäftigen muss. „Wir können dem Kunden durch den neuen Prozess schnellstmöglich zum Abschluss seines Schadenfalls verhelfen. Gleichzeitig bleiben wir während des gesamten Prozesses nah am Kunden, sodass dieser in keiner Phase allein gelassen wird“, so Meier.
Nützliche Anregungen, wie Schäden digital und effizient gemeldet sowie bearbeitet werden können, erhielt man hingegen im Themenraum „Assistance und Cooperation“: Bernd Grüninger und Christoph Mennicken von der DEKRA sowie Dr. Thomas Körzdörfer von der HUK-COBURG betonten, dass die Geschwindigkeit bei der Schadenbearbeitung einen direkten Einfluss auf die Kosten und die Kundenzufriedenheit hat. In Zusammenarbeit mit dem Start-up SPEARHEAD AG gelinge es, Reparaturkosten präzise vorherzusagen, indem KI und Big-Data-Algorithmen eingesetzt werden. Das System wird bereits erfolgreich angewendet und hat sich in den letzten zwei Jahren stark weiterentwickelt, erklärte Bernd Grüninger. Die HUK-COBURG ermöglicht digitale Schadenmeldungen per App und setzt KI und Telematik-Unfalldaten ein, um Kfz-Schäden auf Fotos zu erkennen. Diese KI ist auf Basis von Schadenfällen der HUK trainiert, was eine präzise Vorhersage der Reparaturkosten ermöglicht. Durch die Nutzung von KI und digitalen Prozessen wird nicht nur der Kontakt mit Kunden minimiert, sondern auch eine schnellere Schadenbearbeitung ermöglicht.

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Auch im Themenraum „Technology und Transformation“ ging es um künstliche Intelligenz – dieses Mal jedoch um generative KI, also eine Form der künstlichen Intelligenz, die darauf ausgelegt ist, neue Inhalte in Form von geschriebenem Text, Audio, Bildern oder Videos zu erzeugen. Zu Beginn stellten Michael Kubijowicz, Head of Sales, und Sebastian Lins, Managing Director bei der ControlExpert GmbH, vor, wie generative KI die Schadenabwicklung neu gestaltet. Im Zentrum des vorgestellten Prozesses steht der „Claims Advisor“, der mithilfe generativer KI Schäden anhand von Bildern erkennen und analysieren kann. Auf diese Weise ermöglicht die Anwendung nicht nur eine erhebliche Beschleunigung des Schadenabwicklungsund Auszahlungsprozesses, sondern steigert auch die Kundenzufriedenheit. Ein wesentliches Feature ist die Betrugserkennung, die mit einer Genauigkeit von 95 Prozent manipulierte Bilder identifizieren kann.
Schon diese wenigen Beispiele aus einem Angebot von 90 Ausstellern und 80 Speakern an den zwei Tagen des Messekongresses Schadenmanagement & Assistance verdeutlichen die Bedeutung dieser Plattform für den fachlichen Austausch, das persönliche Vernetzen und Kennenlernen in der Versicherungswirtschaft. Bei wem nun Interesse geweckt wurde, der kann sich den 18. und 19. März 2025 bereits für den nächsten Messekongress Schadenmanagement & Assistance vormerken. Weitere Informationen sind unter www.versicherungsforen.net/mk-schaden zu finden.

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