Verschlafstörung

Der Schlaf dient der Regeneration des Körpers, nicht nur des menschlichen, sondern auch des tierischen. Dieser mysteriöse Zustand, meist in der Nacht vorzufinden, ist lebensnotwendig, finden in ihm doch wichtige Reparaturen und Erneuerungen von Muskeln, Knochen und Organen statt. Gleichzeitig werden Blutdruck und Herzfrequenz heruntergefahren. Besonders aber braucht unser Gehirn diese „Refreshingphase“, um sich neu aufzustellen und überflüssigen „Gedächtnismüll“ zu entsorgen.

Verschlafstörung
Verschlafstörung

1 /2

Verschlafstörung
Verschlafstörung

PDF Download

So oder ähnlich könnte man die dort ablaufenden Prozesse interpretieren. An dieser Thematik der Reinigungsprozedur habe ich selbst wissenschaftlich einmal (theoretisch) mitgearbeitet. Doch wie sagte schon Mephisto in Goethes Faust Teil eins: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum.“ Da wundert man sich, warum diese tiefe Erkenntnis politisch nicht stärker ausgeschlachtet wird. Obwohl dann die Sache mit der Theorie gleich wieder zur Anwendung käme. Lauert da nicht hinterm (grünen) Busch der so gefürchtete Teufelskreis („Circulus vitiosus“)? Irgendwie wird man diesen Gedanken bei genauerem Hinsehen nicht los.

So ganz geklärt sind tatsächlich verschiedene Aspekte der nächtlichen persönlichen Abwesenheit (noch) nicht. Die Schlafforschung und -medizin („Somnologie“) ist eben darum auch ein aktuelles Arbeitsgebiet der Wissenschaft. Klar ist jedenfalls, dass wir in unserem Leben mit nichts mehr Zeit verbringen als mit einfach schlafen. Studien zufolge ist für Erwachsene eine durchschnittliche Schlafdauer zwischen sieben und neun Stunden pro Tag optimal. Somit geht gut ein Drittel unseres Lebens mit Schlafen drauf. Und dafür gibt es weder Mindestlohn noch Bürgergeld! Bleibt die Hoffnung, die Restzeit einigermaßen nutzbringend ausfüllen zu können.

Ausreißer gibt es allerdings wie überall auch hier. So soll Leonardo da Vinci angeblich mit lediglich vier Stunden Schlaf ausgekommen sein (anders hätte er sein umfangreiches Werk wahrscheinlich auch gar nicht geschafft). Andererseits soll Albert Einstein 14 Stunden täglich verschlafen haben, was ihn nicht davon abhielt, in der verbleibenden Zeit seine Relativitätstheorien aufzustellen.

Obwohl das Gehirn im Schlafe ja gar nicht untätig ist. In verschiedenen Phasen wird kräftig geträumt, erinnern kann man sich daran später häufig nur bruchstückhaft. Der geniale indische Mathematiker Srinivasa Ramanujan träumte gar komplexeste Formeln, die ihm nach eigener Aussage von der Familiengöttin Namagiri als Eingebung übermittelt wurden. Er schrieb diese hernach in einem Notizbuch auf, ob sie stimmten oder nicht, war ihm (fast) egal. Die Herkunft als göttliche Botschaft genügte ihm. Und in der Tat waren viele seiner intuitiv erträumten Gleichungen falsch. Leider verstarb er 1920 im Alter von nur 32 Jahren aufgrund seiner labilen Gesundheit viel zu früh. Was hätte er nicht noch alles träumen können, was zu traumhaften neuen und wichtigen mathematischen Erkenntnissen geführt haben könnte.

Das Gehirn scheint auch während des Schlafens weiter Lösungen zu Problemen suchen (und auch finden!) zu wollen, die mit in den Schlaf genommen werden. Man wacht morgens mit einer Lösung auf, die man abends vergebens gesucht hatte, einfach so frei Hirn. Es scheint also schon eine Art „gezielte Dynamik“ zu geben. Ramanujan hat davon bestimmt profitiert. Es müssen aber natürlich die entsprechenden Voraussetzungen vorhanden sein, dass das Gehirn überhaupt die Fährte aufnimmt, vergleichbar den Hunden beim Trailing. Ein Geruchsschnipsel reicht für sie aus, um daraufhin kilometerlange Fährten zu erschnüffeln.

newspaper_img

Aktuelles Magazin

Ausgabe 3/2024

newspaper_img

Sonderausgabe Elektro

Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

Das Besondere am Schlaf ist, dass man sehr schnell daraus zurück in den Wachzustand gelangen kann. Blitzschnell sind Bewusstsein und Körperfunktionen wieder voll da. Man bewegt sich im Schlaf (normalerweise) kaum, obwohl hohe neuronale Aktivitäten festzustellen sind. Schaut man in die Schlafforschung, so findet man verschiedene, genauer vier, Phasen, die sich in der Nacht in der Abfolge mehrfach wiederholen. Das geht dann über Einschlafen, Leichtschlaf und Tiefschlaf bis zu Traumschlaf mit den wirren Augenbewegungen (REM, Rapid Eye Movement) in Phase vier.

Was das Gehirn mit den Träumen bezweckt, ist selbst bis heute nicht so ganz klar. Nur dass man meistens aktiv in der Ich-Form träumt und selten nur Zuschauer ist. Und tatsächlich geschehen lediglich in rund einem Drittel der Träume Dinge, die im realen Leben physikalisch so nicht möglich sind. Daran erinnert man sich aber aufgrund der grotesken Bilder (und auch Töne) eher intensiver. Wird es dann heftiger, reden wir von Albträumen. Die dafür zuständigen germanischen „Alben“ (Elfen, Geister) sitzen dann bildlich auf unserer Brust („Albdruck“). Wenn man schließlich vor Monstern zu fliehen versucht, macht der vollkommen muskelentspannte Körper nicht mit. Man kommt nicht von der Stelle und kann auch nicht um Hilfe schreien, so potenziert sich das Geschehen selbst und mündet in einer Schlafstörung.

Die Ursachen scheinen der Neurowissenschaft zufolge im limbischen System zu liegen, in dem Teil des Gehirns, der für Emotionen zuständig ist. Auf die entspannte Schulter sollte man das Ganze nicht nehmen, hat man doch nach 70 Lebensjahren rund zehn Prozent der Zeit „verträumt“. Und nicht selten waren die Alben mit an Bord. Übrigens kann man auch Alptraum sagen, obwohl die Berge (auf der Brust?) damit nichts zu tun haben.

Es gibt da aber eine interessante Variante, bei der man nicht willenlos der aufgezwungenen Traumwelt ausgeliefert ist. Dabei nimmt man das Zepter in die Hand und schreibt sozusagen das Drehbuch seines Traumes selbst. Die Rede ist vom „luziden“ Träumen, bei dem man bei klarem Verstand ist (Klartraum) und weiß, dass man „nur“ träumt, Entscheidungen aber selbst treffen kann und wer man ist. Diese Menschen haben den witzigen griechischen Namen Oneironauten („Seefahrer der Träume“) und angeblich kann man das im Traum bewusste Dahinschippern tatsächlich lernen.

Wie allerdings Realität und Traumwelt unentwirrbar durcheinander gewirbelt werden können, hat Regisseur Christopher Nolan („Oppenheimer“) in dem oscarprämierten Film „Inception“ von 2010 vorgeführt. In der Tat bleibt der Zuschauer am Ende des Films ratlos zurück, ob er einen Film gesehen oder auch „Nur geträumt“ (Hit von Nena, 1982) hat.

Aber manchmal hat man auch im Wachzustand den Eindruck zu träumen. Der Unterschied ist nicht immer sofort erkennbar. Man bekommt Nachrichten, die eigentlich nicht von dieser Welt stammen könn(t)en. So sehr, wie man beim Träumen am Ende beruhigt ist, dass dies nur eine virtuelle Sinnestäuschung ist, so sehr zweifelt man im Wachzustand ob der in dem Moment wahrgenommenen absurden oder skurrilen Zustände.

Noch schlimmer ist der Schlaf im Wachzustand, was eigentlich einen inneren Widerspruch darstellt. Sollte der Schlaf uns eigentlich etwas Gutes tun, so laufen wir doch mittlerweile dauernd Gefahr, etwas zu verschlafen. Das führt im Ergebnis dazu, dass wir ständig Entwicklungen hinterherlaufen. Aktuell handelt es sich dabei beispielsweise um künstliche Intelligenz. Schon sind die Internetgiganten auf und uneinholbar davon gesurft, allen voran Microsoft und Alphabet (Google), dicht gefolgt von Apple, Amazon und Meta (Facebook).

Wobei der KI-Hype häufig doch nur traumatische Zustände annimmt. Dieser ständigen Überhöhung folgt ganz gewiss ein „Rücksturz zur Erde“, wie das Raumschiff Orion in Raumpatrouille erfahren hat. Dort war auch alles schon maschinell intelligent, auch wenn aus einem Badewannenabfluss gestartet wurde und wichtige Schalthebel aus dem Sanitär- und Haushaltsbereich (Wasserhähne und Bügeleisen) stammten. Wie immer bleibt auch hier abzuwarten, was bleibt. Und beispielsweise ChatGPT kann ja selbst schreiben, und wie heißt es so schön: Wer schreibt, der bleibt!

Aber wer redet denn hier schon ernsthaft von KI, wenn Deutschland schon bei der Digitalisierung schlaftrunken im weltweiten Ranking um Mittelfeld umhertaumelt. Das bereitet nicht nur Unternehmen, Arztpraxen, Schulen, Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen schlaflose Nächte. Aber damit nicht genug, dafür müsste man ja schließlich auch mit großer Bandbreite flächendeckend vernetzt sein. Auch hier kommt man aus dem Gähnen nicht heraus. Wie tief musste der Schlaf sein, dass wir heute da stehen, wo wir nicht sein wollen

Dazu kommt der Infrastrukturschlaf. Irgendwie dachte (träumte?) man, die Brücken halten ewig. Aber das würden sie nicht mal, wenn gar keiner darüber fährt. Davon gibt es auch einige. Sie heißen Geisteroder auch So-da-Brücken. Die sind jetzt nicht mit Natriumcarbonat umfänglich gereinigt worden, sondern sie sind einfach nur „so da“. Ihren ursprünglichen Zweck erfüllen sie nicht, aber vielleicht einen anderen als Denkmal oder Kunstwerk. Eines der bekanntesten Beispiele ist die „tote Brücke von Euskirchen“ an der A1, die es bis auf das Cover des 2001 von der Kölner Rockband BAP veröffentlichten Album „Aff un zo“ geschafft hat und wo dieses auch präsentiert wurde. Als des Kölschen nicht mächtig könnte man auf die Idee kommen, es bedeute „Auf und zu“, wegen der Brücke halt, aber tatsächlich verbirgt sich dahinter „Ab und zu“. Wahrscheinlich gibt es ab und zu mal eine Alptraumbrücke (für die am Bau Beteiligten). Meistens sind Finanzierungslücken für die restliche Straßenanbindung der Grund. Bautechnisch ist es sinnvoll, zuerst mit dem Brückenbau zu beginnen, da das enorme Gewicht zum Absinken führen kann und die Anschlüsse davon in der Folge betroffen wären.

Derweil Deutschland wie im Traum gelähmt zusieht, wie große Unternehmen wie Europas größter Chemiekonzern BASF sich still und leise aus unserem Wachzustand aus dem Staub machen. Weil in Deutschland aus verschiedensten Gründen heraus einfach kein Gewinn mehr erzielt werden kann, werden Verlagerungen nach China, Polen oder sonst wohin auf den Weg gebracht. Darüber kann die Regierung in den wenigen Wachphasen gar nicht erst nachdenken, denn sie ist mit sich selbst und der Beschaffung schnöden Mammons beschäftigt, um die sich auftuenden und immer größer werdenden Finanzlöcher eher zu verstopfen als zu stopfen. Schon in der Bibel ist der dem Aramäischen entlehnte Begriff als Besitz oder Vermögen erwähnt, dessen Herkunft eher auf Unwahrheit und Lüge beruht. Zwei Worte, die im politischen Umfeld nicht fremd sind, vielleicht noch ergänzt durch traumatische Gedächtnislücken.

Autoexperten sehen Deutschland beim Elektroauto schlafenden Auges ins Nichts fahren. Keine Anreize oder Rabatte und zusätzlich die Förderung von Verbrennern konterkarieren das Ziel der Bundesregierung. Auch hier ist der Handlungsspielraum nur noch im luziden Träumen auszumachen. Die Virtual Reality (VR) und noch schlimmer die Augmented Reality (AR) vermischen sich zusehends mit den (physikalisch auch nicht immer so klaren) Realitäten.

So ersehnt man eigentlich, auch angesichts der Weltlage überhaupt, den Piks, der all dem Humbug ein Ende setzt oder zumindest einen Weg daraus zu finden hilft. So wie einst Prinzessin Ariadne in der griechischen Mythologie den geliebten Theseus nach dem Töten des furchtbaren Minotaurus mit einem Faden aus dessen Labyrinth befreite. Noch heute findet der sogenannte Ariadnefaden Anwendung beim Höhlentauchen oder bei Feuerwehreinsätzen, um den Ausgang wiederzufinden.

Reicht das alles nicht aus, schlafen und träumen wir einfach weiter. Was das angeht, haben wir ja auch praktisch keine Wahl. Luzides Träumen ist eine Option, aber an den anstehenden Wahlen ändert es nichts. Und auf das Wecken gegen weiteres Verschlafen müssen wir wohl noch warten (bis die KI so weit ist). Bis dahin lassen wir uns vom Sandmännchen Sand in die Augen streuen (was für eine schreckliche Vorstellung), um gut einzuschlafen. Da hält man es besser mit dem niederländischen „Slaap lekker!

 

AUTOR

PROFESSOR DR. MICHAEL SCHRECKENBERG, geboren 1956 in Düsseldorf, studierte Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promovierte. 1994 wechselte er zur Universität Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von Transport und Verkehr erhielt. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet er an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders im Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem Verhalten darauf.

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Onlineverkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein-Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen bei Evakuierungen.

0 Kommentare

Zeichenbegrenzung: 0/2000

newspaper_img

Aktuelles Magazin

Ausgabe 3/2024

newspaper_img

Sonderausgabe Elektro

Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

countdown-bg

Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026