Sorgsamer Umgang mit Daten
Interview mit Christoph Ludewig, Vice President OEM Europe bei Geotab

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Flottenmanagement: Herr Ludewig, seit März 2021 bekleiden Sie die Position des Vice President OEM Europe bei Geotab. Mit welchen Zielen sind Sie an diese Position herangetreten und welche dieser Ziele konnten bereits erreicht werden? Auf welche Erfahrungen können Sie dabei zurückgreifen
Christoph Ludewig: Viele Jahre habe ich im Telematikumfeld bei einem großen Automobilhersteller gearbeitet, zunächst zehn Jahre auf der Nutzfahrzeugseite, später dann im Bereich Konnektivitätslösungen für Transporter- und Pkw-Flottenkunden. Dabei wurde schnell klar, dass der Zugang zu den verfügbaren Daten im Fahrzeug nicht nur für Kunden einen großen Mehrwert hat, sondern auch für unabhängige Telematikanbieter wie Geotab. Geotab hatte natürlich großes Interesse an diesen Fahrzeugdaten – im Auftrag seiner Kunden – und ist sehr schnell aktiv geworden. Denn die Welt der Fahrzeugdaten verändert sich: So mussten zuvor die Daten über Dongles oder andere Nachrüstgeräte aus dem Fahrzeug herausgeholt werden. Heute sind die Fahrzeuge oftmals werkseitig so vernetzt, dass der Hersteller technische Daten verfügbar machen und diese teilen kann. Damit hat sich auch das Geschäftsmodell von Telematikanbietern wie Geotab verändert, da oftmals keine zusätzliche Hardware mehr benötigt wird, um die Daten aus dem Fahrzeug zu senden, sondern das Vehikel selbst als Datenquelle dient. Dadurch ergeben sich auch ganz andere Möglichkeiten.
Dies bringt mich zu den Zielen, die ich in meiner Arbeit bei Geotab verfolge, um uns weiter an das sich verändernde Technologieumfeld anzupassen und für die Zukunft vorzubereiten: Dabei steht an erster Stelle, mit möglichst vielen Fahrzeugherstellern Kooperationen einzugehen, um den direkten Datenzugriff für unsere Kunden zu ermöglichen. Gleichzeitig sind wir mit unserem Know-how aus 20 Jahren im Telematik- und Datenbereich aber auch für Hersteller interessant, da diese Bereiche mehr oder weniger Neuland für sie sind. Das bedeutet beispielsweise, dass neue Player auf dem Automobilmarkt möglicherweise auf Eigenentwicklungen verzichten und stattdessen die Geotab-Technologie werkseitig verbauen. Nicht zuletzt, in Richtung Kunde gesprochen, haben wir auch ein großes Interesse daran, die Vielzahl an verfügbaren Fahrzeugdaten so aufzubereiten, dass sie einen Mehrwert für unsere Kunden haben.
Flottenmanagement: Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit mit Automobilherstellern im Bereich der Telematik für Geotab? Wie können Flottenbetreiber von der nahtlosen Integration von Fahrzeugdaten in die MyGeotab-Plattform profitieren
Christoph Ludewig: Zunächst einmal ist Telematik auch aus Sicht der Automobilhersteller sehr interessant, da neue Fahrzeuge nicht nur vernetzt sind, sondern auch jede Menge Daten generieren. Partner wie Geotab können OEMs dabei unterstützen, einen Zugang zu den Kunden zu erhalten und Daten zu monetarisieren, wie es bereits viele Hersteller angekündigt haben oder praktizieren. Für uns machen diese Kooperationen vieles einfacher und damit auch für den Kunden. Denn quasi per Knopfdruck erhält der Flottenbetreiber die gewünschten Daten, auch sehr fahrzeugspezifische Daten, auf die wir vorher nicht immer Zugriff hatten. Gleichzeitig entfallen die Werkstattbesuche für den Ein- sowie Ausbau der Nachrüstlösung und damit die verbundenen Kosten wie auch die Ausfallzeiten des Fahrzeugs.

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Nicht zu vergessen ist darüber hinaus das Thema Manipulationsschutz: Da die Elektronik im Fahrzeug fest verbaut ist, wird es sehr schwierig, Daten zu manipulieren oder die Datenübermittlung zu verhindern. Dies ist auch bei der Harmonisierung der Daten sehr entscheidend. Im Vergleich zu eigenen Schnittstellen mit den Herstellern ist auch der deutlich geringere Integrationsaufwand für den Kunden zu nennen. Denn wir stellen sicher, dass die gewünschten Daten über die Schnittstellen abgerufen werden können – heute und in Zukunft.
Flottenmanagement: Erst vor ein paar Wochen wurde eine Partnerschaft zwischen BMW und Geotab geschlossen. Können Sie bitte einmal kurz die Inhalte dieser Partnerschaft vorstellen und erläutern, welche Vorteile sich hieraus für die Kunden beider Unternehmen ergeben
Christoph Ludewig: BMW ist unsere jüngste Partnerschaft und funktioniert im Grunde erst einmal ähnlich wie die anderen Kooperationen mit den OEMs: Die Datenabfrage für unsere Kunden wird an die jeweilige Cloud des Herstellers geschickt, woraus wir die Daten erhalten und in unserem Geotab-System darstellen. Das heißt, der Kunde kann ohne zusätzliche Einbauten auf die Fahrzeugdaten zugreifen. Das Besondere bei der Partnerschaft mit BMW ist aber die große Vielzahl an Daten, die zur Verfügung gestellt werden und uns neue Möglichkeiten für Analysen sowie Reports bieten. Denn das Geotab-System ist in der Lage, wirklich alle Datenpunkte miteinander in Relation zu setzen. Dadurch, dass die Konnektivität für alle BMW-Modelle ab dem Baujahr 07/2018 geboten ist, können unsere Flottenkunden im Prinzip auf den Gesamtbestand ihrer BMW-Fahrzeuge digital zugreifen.
Flottenmanagement: Gewerbliche Flotten bestehen oftmals aus Fahrzeugen von verschiedenen Herstellern. Welche Herausforderungen ergeben sich für Fuhrparkverantwortliche dadurch bei der Integration einer Telematikplattform? Wie kann Geotab bei der Integration Unterstützung liefern
Christoph Ludewig: Ein großer Vorteil bei Geotab ist, dass wir grundsätzlich alle Fahrzeuge integrieren können – sei es über eine fest verbaute oder eine nachgerüstete Lösung. Das heißt, unser System ist unabhängig von der Datenquelle, was auch ein wichtiges Kriterium für den Flottenkunden ist. Denn der Kunde möchte am Ende die gewünschten Daten übersichtlich und im gleichen Format erhalten. Um diese Daten zu bekommen, brauchen wir lediglich die FIN-Nummer des Fahrzeugs. Über eine Schnittstelle fragen wir beim Hersteller an, ob das Fahrzeug so weit vernetzt ist, dass wir es ohne Nachrüstlösung in unser System einbinden können oder eben nicht. Die Antwort erfolgt in Sekundenschnelle. Ist das Fahrzeug vernetzt, genügt eigentlich nur noch ein Knopfdruck und einige Minuten später, wenn die Fahrzeugtelematik aktiviert wurde, werden die Daten an die Server des Herstellers geschickt und von dort aus an uns in das Portal des Kunden.
Flottenmanagement: Fahrzeuge werden zunehmend digital und vernetzt. Wie ist Ihrer Meinung nach der Stand bei der Vernetzung von Fahrzeugen? Welche der Vielzahl von Fahrzeugdaten sind für Fuhrparkverantwortliche dabei essenziell? Wie werden diese Daten übersichtlich für Fuhrparkverantwortliche aufbereitet auf der MyGeotab-Plattform dargestellt
Christoph Ludewig: Zunächst einmal muss der Use-Case der Telematik ausgemacht werden. Bei Geotab haben wir dies in sechs große Anwendungsfälle unterteilt: Erhöhung der Produktivität der Flotte, Optimierung der Flotte, Erhöhung der Nachhaltigkeit im Fuhrpark, regulatorische Anforderungen wie Fahr- und Ruhezeiten sowie Sicherheit von Fahrer und Fahrzeug, die Konformität und der Datenschutz sowie als sechster Bereich die Erweiterbarkeit über Software- wie auch Hardware-Integration. Basierend darauf können kundenindividuelle Regelungen, Analysen sowie Reports erstellt werden und man kann ableiten, welche Daten dafür benötigt werden.
Ein Beispiel hierfür ist der Reifendruck: Die Kontrolle und die Behebung eines falschen Reifendrucks sind relativ einfach, jedoch wird dieser „Datenpunkt“ oftmals vernachlässigt. Das kann nicht nur zu einem erhöhten Reifenverschleiß führen, sondern auch zu enormen Auswirkungen auf Verbrauch und Sicherheit des Fahrzeugs. Wie am Beispiel von BMW kurz aufgezeigt, gibt es eine Vielzahl von Daten, die in modernen Fahrzeugen heute erfasst werden. Diese variieren oftmals von Hersteller zu Hersteller. Daher haben wir einen Telematikstandard, die sogenannten Fleet Data Recommended Best Practices, erstellt, damit OEMs die flottenrelevanten Daten in der richtigen Frequenz im richtigen Datenformat bereitstellen können.
Flottenmanagement: In vielen Fuhrparks wird das Thema Elektromobilität deutlich vorangetrieben. Welche Möglichkeiten bietet Geotab an, um Flotten bei der Umstellung auf beziehungsweise beim Einstieg in die Elektromobilität zu unterstützen
Christoph Ludewig: Wir unterteilen unsere Unterstützung beim Umstieg auf die Elektromobilität in drei Segmente, die aufeinander aufbauen. Das erste Segment nennen wir „Go Electric“. Es hilft dabei zu entscheiden, wie der Fuhrpark elektrifiziert werden kann. Bei der Entscheidung kann zum Beispiel unser Tool „Electric Vehicle Suitability Assessment“ (kurz: EVSA) helfen, welches den Fuhrpark anhand von Echtdaten analysiert und das Elektrifizierungspotenzial identifiziert, samt geeigneter Elektromodelle. Das darauf aufbauende Segment bezeichnen wir als „Operate Electric“. Es leistet Unterstützung bei der Umsetzung der Elektrifizierungsstrategie im Tagesgeschäft. Sprich durch Alarme und Reportings wird beispielsweise die „Charge Assurance“ sichergestellt, also dass ein Fahrzeug auch wirklich geladen wird. Der letzte Bereich „Scale Electric“ befasst sich damit, die Elektrifizierung in der Flotte weiter voranzutreiben. Hierbei werden verschiedenste Analysen angewandt, wie beispielsweise zum Energieverbrauch, zu den Veränderungen der Batterieladekapazität über die Nutzungsdauer, aber auch darüber, wo geladen wird und wie die Ladevorgänge abgerechnet werden. Zu guter Letzt finden Kunden auf dem Geotab Marketplace verschiedene Add-ins unserer Partner, die Funktionalitäten dieser Partnersysteme mit unseren Tools kombinieren. Das könnte beispielsweise in Form eines Lastmanagements für die Ladeinfrastruktur am Unternehmensstandort geschehen.
Flottenmanagement: Datenschutz und Datensicherheit haben in einer immer digitaler werdenden Welt höchste Priorität. Wie werden Daten bei Geotab geschützt? Inwieweit sind personenbezogene Daten im Bereich der Telematik von Relevanz
Christoph Ludewig: Bei Geotab hat das Thema Datenschutz höchste Priorität. Das bedeutet zunächst einmal, dass wir alle Daten als personenbezogen behandeln; auch wenn die Daten auf niemanden zurückgeführt werden können. Jedoch können bestimmte Datenfragmente beispielsweise über die FIN-Nummer und einen Zeitstempel sehr einfach zugeordnet werden. Daher gehen wir grundsätzlich von personenbezogenen Daten aus. Das bedeutet im nächsten Schritt, dass unser Vertragspartner, sprich das Unternehmen, zunächst einmal die Fahrer über die Datenerhebung informieren muss. In der DSGVO gibt es hierfür verschiedene Mechanismen, die das berechtigte Interesse des Unternehmens an den Umgang mit dem Arbeitsmittel Auto regeln. Grundsätzlich empfehlen wir aber immer dazu, den Betriebsrat von Anfang an ins Boot zu holen. Wir fungieren somit als Data-Processor. Das Unternehmen ist und bleibt Data-Owner und bestimmt, was mit den Daten passiert.
Last, but not least sind wir auch beim Thema Datensicherheit vollkommen transparent. Die Daten von Fahrzeugen in Europa bleiben auch in Europa und werden nicht an Server in Nordamerika gesendet. Hier müssen wir wirklich unterstreichen, dass Datenbusiness, Datenschutz und Datensicherheit das Kerngeschäft von Geotab umschreiben. Fehler würden daher ein massives Existenzrisiko bedeuten, weswegen wir unsere Mitarbeiter regelmäßig und sehr penibel im Umgang mit den Daten schulen.

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