Etwas mehr Objektivität, bitte!
Ein uns allen noch sehr gut bekannter Politiker prägte den Begriff „Fake News“. Natürlich haben wir auch diesen Anglizismus sehr schnell in unseren Sprachgebrauch aufgenommen, statt den davor schon existierenden, aber offenbar weniger bekannten Begriff „Falschmeldung“ zu verwenden. Schlimmer noch: Mittlerweile sind viele Dinge „gefakt“ statt gefälscht oder unecht.

PDF Download
Nun, Leute, die mich kennen, wissen nur zu gut, wie ich zur weitverbreiteten Verunstaltung unserer Sprache durch die immer mehr um sich greifende und offenbar zwanghafte Verwendung von Anglizismen stehe. Noch schlimmer ist der leichtfertige Umgang mit diesen Begriffen, deren Bedeutung durch das „Eindeutschen“ verfälscht wird. Das „Handy“ ist da ein Paradebeispiel. Aber zurück zu den – von mir aus – Fake News. War der ursprüngliche Bezug auf eher politische Meldungen begrenzt, so wird der Begriff inzwischen für fast alles verwendet, was irgendwie unecht wirkt. Selbst Produkte sind nicht mehr gefälscht, sondern gefakt. Soso.
Was hat das mit dem Titel dieses Beitrags zu tun? Nun, wir hören und lesen viele Dinge, die uns als (hoffentlich) halbwegs vernünftige Menschen zwangsläufig mindestens zum Stirnrunzeln animieren. Man liest Berichte und stellt sich die Frage: „Echt jetzt? Kann das sein?“ O. k. Schlagen wir mal die Brücke zum Thema Fuhrpark. Als „Fuhrparkleider“, Pardon, -leiter ist man ja nicht nur für rein administrative Tätigkeiten da. Vielmehr hat man sehr oft eine beratende Funktion rund um das Thema. Ob es um Leasing, Kauf, Vermarktung, Markenfindung, Mobilität an sich oder einfach nur um Tipps rund um des Deutschen immer noch liebstes Kind geht: Wir werden gefragt. Woher aber beziehen wir unsere Informationen? Hier helfen uns das Internet, Händler, Messen wie zum Beispiel „Flotte! Der Branchentreff“ (etwas Eigenwerbung muss sein), TV-Sendungen oder – richtig – Fachliteratur. Sprechen wir mal über TV und Fachzeitschriften: Es gibt noch immer zahlreiche Automobilfachzeitschriften, wie beispielsweise die, die Sie gerade lesen.
Während man sich hier auf die fachlichen Belange der Flottenspezialisten fokussiert, gibt es andere große Blätter, zum Beispiel von Verlagshäusern in Stuttgart und im hohen Norden, die der breiten Masse zum Kauf angeboten werden. Würde man die Inhalte ähnlich wie ein Arbeitszeugnis beurteilen, stünde hier wohl: „Sie waren stets bemüht.“ In der Tat prahlt zum Beispiel eine große Automobilfachzeitschrift mit der Änderung der Testkriterien, die nun wesentlich mehr Punkte umfassen. Ziel: mehr Objektivität bei der Bewertung der Testobjekte. Nun könnte man meinen, dass der Begriff „Objektivität“ stets mit dem Begriff „Neutralität“ gleichzusetzen ist. Beim Blick auf die Top-20-Fahrzeuge mit den besten Testergebnissen fällt jedoch auf, dass hier lediglich ein echtes ausländisches Fabrikat in der Liste auftaucht. Die tschechische und spanische Marke eines deutschen Automobilkonzerns lasse ich bewusst außen vor, sonst müsste man auch rein deutsche Fabrikate von Herstellern, die ihre Fahrzeuge zum Teil komplett im Ausland fertigen lassen, zumindest modellweise, ebenfalls als nichtdeutsche Pkw berücksichtigen.
Bei einem anderen großen Blatt fällt schon seit vielen Jahren auf, dass ein großer Automobilhersteller, ebenfalls aus dem Norden, mit all seinen Produkten und Fabrikaten Testsiege abonniert hat. Völlig egal, welche Marken hier für den Vergleichstest in der nächsten Ausgabe angekündigt werden, das Ergebnis ist so vorhersehbar, dass man sich das Geld für den Kauf der Zeitschrift getrost sparen kann. Liest man diverse Testberichte, fällt auf, dass Kriterien, die bei ausländischen Fabrikaten zur Abwertung führen, bei deutschen Fabrikaten nur beiläufig oder überhaupt nicht erwähnt werden. Klar, dass da die Bewertung besser ausfällt. Gleiches gilt zum Beispiel beim Vergleich der Fahrwerke. Da wird ein deutsches Produkt mit adaptivem Fahrwerk gegen ein Produkt mit herkömmlichem Fahrwerk getestet. Das Ergebnis ist auch hier vorprogrammiert.
Anderes Beispiel gefällig? Deutschlands Bestseller gewinnt so ziemlich jeden Vergleichstest, sofern dieser Bestandteil eines deutschen Fachmagazins ist. Kurios: Bei einem großen Vergleichstest der Kompaktklasse in mehreren Runden in einem bekannten US-Fachmagazin schafft genau dieser hochgelobte Testsieger nicht einmal den Sprung in die zweite Runde und schifft gegen ein japanisches Produkt gnadenlos ab. Ach ja, dieses japanische Produkt fehlte beim letzten „Bergkönig“- Test, bei dem am Ende –Sie ahnen es – dann wieder der Wolfsburger Bestseller ganz oben stand.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 6/2023

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Drittes Beispiel: Preise. Als Fuhrparklenker und Einkäufer wissen wir nur zu gut, wie dramatisch sich die deutschen Automobile in jüngster Zeit verteuert haben. Wenn man beispielsweise sieht, dass der günstigste Wolfsburger Dauertestsieger brutto hart an der 30.000-Euronen-Marke kratzt oder ein im Vertrieb beliebtes und modellgepflegtes aktualisiertes Münchener Modell bei 45.200 Euro brutto startet, dann ist das ein absolut wichtiges Thema. Beiläufig sei hier übrigens erwähnt, dass bei Letzterem sogar die sicherheitsrelevante Gurthöhenverstellung eingespart wurde. Gleichzeitig wirft das die Frage auf, welcher Ottonormalverbraucher sich ein derartiges Automobil überhaupt noch leisten kann. Wird das in den Fachzeitschriften ähnlich stark gewichtet? Natürlich nicht. Da wird dann noch immer von akzeptablen Preisen gesprochen. Akzeptabel für wen? Nun, hier kann man gleich zu den TV-Sendungen herüberschwenken. Wer hier Rat oder Empfehlungen sucht, sollte schon vor dem Einschalten seine finanziellen Verhältnisse prüfen. Was hier gezeigt wird, ist einfach nur noch absurd. Höher, schneller, weiter. Statt sorgfältig Fahrzeuge zu vergleichen, die für den Alltagsgebrauch in jeder Hinsicht realistisch und vor allem finanzierbar sind, zeigt man uns Möchtegern-Spezialisten, die Automobile aus abgehobenen Preisklassen mit ebenso abgehobenen Leistungen über Rennstrecken prügeln und über Schwimmwinkel und Driftfähigkeit philosophieren, sodass dem seriösen Betrachter ernsthaft ein Genickbruch durch heftiges Kopfschütteln droht.
Was, bitte schön, bringt mir ein 600-Plus-PS-Gefährt mit bombastischen Zeiten in der Grünen Hölle auf dem alltäglichen Horror-Pendler-Trip auf der A5? Was bringt mir ein „sportlich“ abgestimmtes Fahrwerk, wenn mich genau dieses bei einer Fahrt durch die deutschen Schlaglochwüsten ständig zum Zahnarzt treibt, weil mir dieser die deswegen herausgefallenen Füllungen ersetzen muss, oder der mich begleitende Opa über die Sinnhaftigkeit der Haftcreme für seine Dritten ins Grübeln gerät? Und warum sollte man über Landstraßen driften? Ach so, könnte ja sinnvoll sein, wenn man so gerade eben an einem Reh vorbeiwischt und dieses mit hohem Schwimmwinkel elegant, leicht mit dem Heck aneckend und dadurch unverletzt in den Straßengraben befördert, um so den nachfolgenden Verkehr vor dem sonst unvermeidlichen Wildschaden zu bewahren. Sie sehen, was ich meine: Fachzeitschriften und TV-Automobilsendungen informieren zumeist subjektiv und völlig an der Realität vorbei. Dafür noch gutes Geld bezahlen? Da kann man sich doch besser beim Händler des Vertrauens mit Werbematerial eindecken. Kostenlos.
Expertise müssen wir uns selbst aneignen, wie es übrigens für jeden Job erforderlich ist. Wir müssen uns auf unsere praktische Erfahrung verlassen. Statt Testberichten blind zu vertrauen, testen Sie also selbst. Setzen Sie sich ruhig mal in ein Automobil eines ausländischen Herstellers, egal ob Koreaner, Japaner, Schwede. Sie werden überrascht sein, denn: Kein Hersteller kann es sich heute noch erlauben, schlechte Autos zu produzieren. Wer hiermit Flottenerfahrung gesammelt hat, benötigt keine „gefakten“ Testberichte, die zumeist versteckte Werbung für bestimmte Fabrikate machen, statt tatsächlich einmal deutlich kritischer zu sein. Wir benötigen keine Automobile, die mit ihren harten Fahrwerken unsere Rückenprobleme verschärfen, immer schneller auf 100 km/h beschleunigen und immer mehr technische (und oftmals nicht funktionierende) Spielereien verbaut haben, die uns nur unnötig ablenken.
Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sollten das oberste Gebot sein. Wenn wir schon dabei sind, Hand aufs Herz: Sind Sie gerade von der Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der Premium-Produkte noch so überzeugt, wie sie es vielleicht vor vielen Jahren mal waren? Wie oft stehen Ihre Flottenfahrzeuge wegen Defekten in der Werkstatt, obwohl die Teile angesichts der knappen Fertigungstoleranzen und des damit uns verkauften hohen Qualitätsgrads eigentlich ein Leben lang halten müssten? Injektoren, Turbos, Getriebe und auch zum Teil Motorendefekte machen ebenso auf sich aufmerksam wie ausfallende Steuergeräte. Abstürzende Infotainmentsysteme sollen hier nur beiläufig erwähnt werden. Sie wollen ein Indiz für Langlebigkeit? Hier ein Tipp aus der Praxis: Suchen Sie mal bei den einschlägigen Automobilmarktplätzen nach Gebrauchtwagen und filtern Sie hier nach Fahrleistungen AB 300.000 KM aufwärts. Achten Sie mal auf die Fabrikate, die Ihnen dann aufgelistet werden …
Fazit: Fake News sind viel weiter verbreitet und sogar in unserem automobilen Alltag anzutreffen. Diese zu erkennen, dafür bedarf es eigentlich nur etwas Logik und Objektivität.
AUTOR
Peter Insam ist seit rund 30 Jahren im Einkauf für Betriebsmittel und Investitionsgüter unterwegs, von denen er seit mehr als 25 Jahren die Geschicke verschiedener nationaler und internationaler Fuhrparks in Unternehmen aus verschiedenen Branchen gelenkt hat Darüber hinaus sammelte er zahlreiche Erfahrungen im Rahmen von Auslandsaufenthalten in Frankreich und Australien. Seit Ende 2014 ist Peter Insam zudem Mitglied des Redaktionsbeirates von Flottenmanagement und gibt regelmäßig in der Rubrik „Meine Meinung“ tiefe Einblicke in die Arbeit eines Fuhrparkverantwortlichen und das Leben eines Autoenthusiasten.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 6/2023

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026


0 Kommentare
Zeichenbegrenzung: 0/2000