Wer will eigentlich die Mobilitätswende und warum?
In zahlreichen Medien liest man über die Mobilitätswende. Der Dienstwagen sei ein Auslaufmodell, zudem mit viel Staatsgeld gefördert, und überhaupt sei ja das Fahrrad oder der öffentliche Nahverkehr das Modell der Zukunft. Ist das so?

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Status quo
Jahrzehnte galt es als gesetzt: Wer gute Mitarbeiter wollte, musste – neben dem entsprechenden Gehalt – auch eine gute Car-Policy im Angebot haben, damit der potenzielle Mitarbeiter ein besonders schönes Exemplar „des Deutschen liebsten Kindes“, also eines Autos, erhalten würde. Die Human-Resources-Abteilung machte Druck und dem Fuhrparkleiter war es allemal recht, dass er über mehr und größere Fahrzeuge gebieten konnte. Budget ist auch Hausmacht.
Außerdem ist der innerbetriebliche Status in der komplexen Car-Policy definiert durch Fahrzeugklasse und Leistung, Zuzahlungen werden dann oft begrenzt, damit kein zu hoher „virtueller“ Status eines Mitarbeiters im Vergleich entsteht. Ein meist fein austariertes System, das natürlich auch dazu führt, dass der Fuhrpark oft einer der größten Budgetfresser ist.
Vorteil Dienstwagen
Dienstwagen haben natürlich eine Fülle von Vorteilen. Neben dem Motivationseffekt für den Mitarbeiter sind sie oft auch schlicht unverzichtbar. Wir müssen hier trennen zwischen Fahrzeugen, die für den Betrieb notwendig sind, und reinen Motivationsfahrzeugen sowie einer Mischnutzung. Betrieblich notwendige Fahrzeuge sind beispielsweise Servicefahrzeuge, Nutzfahrzeuge und so weiter; die müssen sein, keine Frage. Reine Motivationsfahrzeuge dienen keinem inneren betrieblichen Zweck, sondern nur und ausschließlich – im Wege der Gehaltsumwandlung – der Mitarbeitermotivation. Das sind die Fahrzeuge, die gemeint sind, wenn in etlichen Medien Autos als zu Unrecht steuerlich gefördert dargestellt werden.
Komplizierter sind Fahrzeuge in Mischnutzung. Das ist beispielsweise ein Fahrzeug, das der Außendienstmitarbeiter nutzt, um mit seinen Musterkoffern beim Kunden gut anzukommen, das er aber auch privat nutzen darf. Hier sind wir dann im Spannungsfeld zwischen dem, was der Außendienstmitarbeiter gerne privat fahren möchte, und dem, wie das Unternehmen nach innen und nach außen auftreten und repräsentiert sein will. Das ist auch einer der Gründe für die Komplexität der Car-Policy.
Der Corona-Effekt
In der Corona-Pandemie erlebte das Auto – ob Dienst- oder Privatwagen – ein Revival: Denn im eigenen geschützten Kokon des Fahrzeugs konnte man sich ohne die Gefahr der Ansteckung und ohne Maske bewegen, ganz im Gegensatz zum öffentlichen Personennahverkehr. Corona führte allerdings auch zu einem Anstieg der Anfragen nach E-Bikes als Gehaltsumwandlung. Ohne Kokon, aber dennoch mit Abstand zu anderen und an der frischen Luft.

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Ausgabe 6/2023

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Mythos steuerliche Förderung
Ein Argument der Dienstwagengegner ist immer auch die steuerliche Förderung, mit der gerade „die Besserverdienenden“ noch besser gestellt würden. Das ist sicher nur teilweise richtig: Zum einen „bezahlt“ der Arbeitnehmer ja über die übliche Ein-Prozent-Regelung für sein Fahrzeug zumindest anteilsmäßig mit, was über die Erhöhung des Bruttolohns durch den geldwerten Vorteil auch zusätzliches Geld in die Staatskasse fließen lässt. Zum anderen ist das Automobil gerade in Deutschland (noch) ein wichtiger Standortfaktor. Kauft oder least ein Unternehmen Fahrzeuge, erhält der Staat neben der Versteuerung des geldwerten Vorteils auch die daraus resultierende Mehrwertsteuer. Und was auf der einen Seite im Unternehmen an Kosten angesetzt werden kann, kommt bei dem Hersteller auf der anderen Seite an Einnahmen an. Daraus wird wiederum der Lohn gezahlt und es werden Arbeitsplätze gesichert und Steuern gezahlt. Man muss die Sachverhalte immer von allen Seiten betrachten.
Elektromobilität
Einen Sonderfall stellt aktuell die Elektromobilität dar: Zur Einführung derselben und zur Motivation von Unternehmen, Mitarbeitern und auch Privatleuten hat der Staat üppige Förderprogramme aufgelegt, wie die Kaufprämie oder die Halbierung oder gar Viertelung des geldwerten Vorteils für Dienstwagen. Hier kann man tatsächlich von echten Steuervorteilen sprechen, aber diese sind politisch gewollt, um die Verkehrswende hin zur Elektromobilität zu beschleunigen. Die Kaufprämien sind ja inzwischen weitestgehend abgeschafft, die Vorteile bei der Versteuerung des geldwerten Vorteils hingegen bestehen (vorerst) weiter. Und ja, eine jährliche Vergütung aus der Treibhausgasminderungsquote (THG) gibt es noch obendrauf für den Fahrzeugbesitzer, aber das zahlt nicht der Staat, er legt hier nur die Regeln für die Vergütung fest. Das ist also schon mal keine staatliche Förderung.
Die junge Generation
Medial wird seit einiger Zeit die „junge Generation“ als Beleg angeführt, dass es Zeit sei, die Dienstwagenregelungen zu ändern oder die sogenannte Förderung womöglich ganz abzuschaffen. Überhaupt sei der Dienstwagen unmodern und völlig aus der Zeit gefallen, wie die alten weißen Männer (von denen derzeit übrigens noch sehr, sehr viele Vollzeit arbeiten).
Auch hier gilt, wie bei so vielem: Es kommt darauf an. Natürlich gibt es die junge, hippe Generation, die gerne mit dem Fahrrad oder den „Öffis“ unterwegs ist und Autos, wenn überhaupt, per Carsharing oder gelegentlicher Miete nutzt. Aber hier reden wir tatsächlich von einer kleinen Gruppe, die zudem in großen Städten lebt. Diese Gruppe ist allerdings laut und offenbar auch in den Medien gut präsent. Ein bisschen wie die Veganer, die medial laut und überrepräsentiert, aber dennoch viel weniger sind, als man denkt (2023 in Deutschland etwa 1,8 Prozent der Einwohner, was einem leichten Rückgang gegenüber 2022 entspricht). Auch haben wir nur ganze vier Millionenstädte in Deutschland: Berlin, Hamburg, München und Köln – mit zusammen gerade mal rund acht Millionen Bewohnern, was nur knapp zehn Prozent der Bundesbürger bedeutet. Nimmt man als relevant für guten ÖPNV noch die Städte über 500.000 Einwohner hinzu, können wir noch elf weitere Städte und rund sieben weitere Millionen Einwohner dazuzählen. Also selbst dann noch eine deutliche Minderheit.
Großstadt versus Land
In der Großstadt, wo der öffentliche Nahverkehr in kurzen Takten fährt, es ausreichend Fahrradspuren gibt und die zurückzulegenden Strecken insgesamt überschaubar sind sowie Carsharing-Fahrzeuge oder Roller an jeder Ecke verfügbar sind, ist ein eigenes Auto oft tatsächlich nicht notwendig. Im Gegenteil: Je weiter man in oder an der Innenstadt wohnt, desto schwieriger wird die Sache mit dem Parkplatz, sofern man keine eigene Garage, einen Hof oder einen fest zugeordneten Mietparkplatz sein Eigen nennen kann.
In kleineren Städten hingegen oder gar auf dem Land gibt es jedoch oft keine adäquaten Angebote des öffentlichen Nahverkehrs. Dort ist nach wie vor fast jeder, und das inkludiert die junge Generation, froh, wenn er endlich den Führerschein machen und sich ein Auto kaufen kann – oder eben eines von seinem Arbeitgeber gestellt bekommt. Und Parkplatzprobleme gibt es dort auch seltener, dafür sind die Distanzen größer.
Probleme des ÖPNV
Wer öfter mit der Bahn unterwegs ist, kennt die Probleme mit Verspätungen, Zugausfällen bis hin zur umgekehrten Wagenreihung oder dem Wegfall von Haltepunkten. Von geschlossenen Bordrestaurants, defekten Klimaanlagen und lärmenden oder erkälteten Mitreisenden sprechen wir da noch gar nicht. Und, natürlich: Bahn fahren ist super, wenn Abfahrts- und Ankunftsort in der Nähe des Bahnhofs liegen. Denn ansonsten wird für die Reise von Tür zu Tür vielleicht noch zweimal ein weiteres Verkehrsmittel notwendig.
Alternative Fahrrad
Das Fahrrad, und hier insbesondere moderne E-Bikes mit dem kleinen Elektroantrieb als Helfer auf steilen oder langen Strecken, wird tatsächlich immer beliebter, auch im Unternehmen. Das liegt – wieder einmal – an der steuerlichen Förderung, denn wird die Leasingrate zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn übernommen, fällt kein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer an. Auch sonst bietet das E-Bike eine Fülle von Vorteilen: tolle CO2-Bilanz für die Fahrtstrecke, die Bewegung ist gut für die Gesundheit und man steckt sich nicht bei anderen Mitreisenden mit Viren aller Art an wie im öffentlichen Personennahverkehr.
Dem gegenüber stehen natürlich das volatile Wetter, die Tatsache, dass man vom Regen nass oder von der Sonne verschwitzt ankommen kann, sowie die um ein Vielfaches erhöhte Gefahr eines tödlichen Verkehrsunfalles gegenüber der Fahrt mit dem Auto, insbesondere wenn es auf der Fahrtstrecke keine durchgängigen und abgegrenzten Fahrradwege gibt.
Vorteil Mobilitätskarte
Schließlich gibt es auch noch die Mobilitätskarte, bei der der Arbeitgeber dem Mitarbeiter ein bestimmtes Guthaben zur flexiblen Nutzung von verschiedenen Verkehrsmitteln (von Carsharing über Taxi und Flugzeug bis zum Roller oder der Bahn) zur Verfügung stellen kann. Oft, aber nicht immer, ist die Verwendung für einen fest zugeordneten Pkw im Leasing ausgeschlossen. Steuerlich ist das Ganze etwas komplex, weil je nach Verkehrsmittel unterschiedlich zu versteuern ist. Daher lohnt sich hier der spezialisierte Dienstleister besonders. Vorteil: Mitarbeitermotivation durch flexible Verkehrsmittelwahl, es können mit kleineren Guthaben auch jene Mitarbeiter bedacht werden, bei denen das Budget für einen „richtigen“ Dienstwagen nicht ausreichen würde, und natürlich wird in der Regel auch einiges an CO2 eingespart.
Was ist mit den Nachbarn?
Die lieben Nachbarn. Immer wieder ein Thema, wenn plötzlich der Dienstwagen weg ist oder er auch nur kleiner geworden ist. Denn der Status des Menschen definiert sich ja nicht nur innerbetrieblich oft anhand des Dienstwagens, es geht auch um die Nachbarschaft. Peinlich, aber in Deutschland noch oft Realität. Da muss die Story dann stimmen.
Fazit: Der Fuhrpark- oder Mobilitätsverantwortliche und damit auch die Personalabteilung, muss künftig breiter aufgestellt sein. Der klassische Dienstwagen ist beileibe nicht tot, aber es können in etlichen Fällen auch andere, neue Anforderungen von bestehenden oder potenziellen Arbeitnehmern in Sachen Mobilität an die Verantwortlichen herangetragen werden.
Eine ganz andere Frage ist natürlich die, welche Art des Dienstwagens kurz- und mittelfristig angeboten wird. Denn, auch das gehörte „früher“ dazu, es geht nicht mehr um permanent größer, schneller, mehr PS. In Zeiten des Downsizings haben die Fahrzeuge oft weniger Leistung, und das bei zunehmendem Gewicht dank all der ganzen Sicherheits- und Assistenzsysteme, die die Europäische Union – sinnvollerweise – in den Fahrzeugen vorschreibt.
Vielleicht macht das am Ende den Reiz der Elektromobilität für viele Dienstwagenberechtigte aus: Denn die aktuellen Elektroautos haben vor allem Leistung im Überfluss, auch wenn man sie ob der dann rapide sinkenden Reichweite nicht ständig abrufen sollte. Aber man könnte. Und das Gefühl der unmittelbaren Reaktion auf das Gaspedal, auch wenn es nur um kleine Beschleunigungen geht, ist im Elektroauto einfach sensationell. Da kann man den Mehraufwand des Stromladens dann auch mal auf sich nehmen, zumal dafür ja auch ein großer Steuerrabatt beim geldwerten Vorteil lockt.

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