Es wird Zeit
<p>Die Ladezeiten können – Stand heute – durchaus als Achillesferse der Elektromobilität angesehen werden. Das Laden wird allerdings perspektivisch schneller. Gut für die Akkus ist das nicht zwingend. Aber am Ende führt daran kein Weg vorbei.</p>

PDF Download
Es wird Zeit. Diese Floskel kann in Verbindung mit der Elektromobilität und dem Laden gleich an mehreren Stellen Verwendung finden. Es wird Zeit, dass endlich schnellere Ladetechnik verfügbar ist. Oder: Es wird Zeit, dass der Akku endlich voll ist – so dürften viele Reisende denken, die gerade an einer der schnellen Ladesäulen mit 150, 300 oder gar bald 400 Kilowatt eine Zwangspause einlegen. Dort kann man je nach Beschaffenheit und Zustand des Akkus binnen zehn Minuten Energie für 50, 100 oder 150 Kilometer nachfassen – ganz grob gerechnet. Das Problem ist, dass die Ladegeschwindigkeit derzeit einfach nicht planbar ist. Zu viele Faktoren bestimmen letztlich das Ladetempo. Als da wären die Ladeperformance des Fahrzeugs. Dann die Ladeperformance der Ladesäule. Und selbst eine Ladesäule, die nominal 300 Kilowatt Leistung schafft, muss diese Power noch lange nicht zu jeder Zeit bringen – denn es gibt auch Schwankungen im Netz. Manchmal lässt die Netzkapazität eben nur eine eingeschränkte Leistung zu – da ist der Verbraucher dann auch machtlos.
Doch wie geht man mit der Elektromobilität in der Praxis um? Da man Stand heute noch nicht binnen fünf Minuten mit prall gefüllter Batterie weiterfahren kann, kommt es bereits darauf an, mit welchem Ladestand man morgens zum Termin fährt. Hier haben diejenigen Nutzer einen Vorteil, die ihr Fahrzeug in der heimischen Garage über Nacht vollladen können. Doch nicht jeder Elektroautobesitzer hat das Privileg, über eine Steckdose zu verfügen. Es ist eben ein Unterschied, ob man morgens mit SoC (State of Charge) 100 Prozent losfährt oder eben nur mit einem zur Hälfte gefüllten Akku. Wer beispielsweise ein Tagespensum von 600 Kilometern abspult, kann je nach Auto bis zu 90 Minuten durch einen bei Losfahrt nicht ordentlich aufgeladenen Akku verlieren. Schließlich kann es ja auch mal passieren, dass man eine Ladesäule ansteuert, die besetzt ist. Dann ist entweder Warten angesagt, oder der Fahrer steuert eine Ausweichstation an. Allerdings ist die Situation hierzulande und auch in den Nachbarländern entspannt. Ein Mangel an Schnellladesäulen entlang der Autobahnen und auch im Einzugsgebiet der Autobahnzufahrten kann kaum beklagt werden.
Vorurteil Wallbox: Oft gehen Neulinge der Elektromobilität davon aus, sie müssten zwingend über eine Wallbox verfügen, um ein Elektroauto handhaben zu können. Dem ist allerdings nicht so. Selbst die großen Akkus mit 100 kWh oder mehr Kapazität können auch an der einfachen Schukosteckdose mit bis zu 2,3 Kilowatt aufgeladen werden. Leben kann man damit zwar schon, allerdings kann eine vollständige Ladung auch mal 72 Stunden oder mehr Zeit in Anspruch nehmen. Hier wäre dann je nach Nutzung eine Mischung aus heimischem Laden und der Verwendung von Schnellladesäulen der öffentlichen Ladeinfrastruktur angesagt. Ein weiterer Nachteil der Nutzung besonders geringer Ladeleistungen besteht in den relativ hohen Ladeverlusten, was sich über die gesamte Nutzungsdauer natürlich wiederum in höheren Kosten widerspiegelt. Allerdings ist immer abzuwägen: Wenn man ein älteres Haus besitzt, bei dem die gesamte Elektrik erneuert werden müsste, kann die Kostenseite wieder anders aussehen. Die größten Benefits genießen natürlich diejenigen User mit einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Allerdings muss Elektromobilität auch für Menschen funktionieren, die überhaupt keine heimische Lademöglichkeit besitzen. Das dürfte nämlich eine deutliche Mehrheit sein.
Daher arbeiten zigtausende Ingenieure von Autoherstellern und Zulieferern daran, Akkus zu entwickeln, deren Aufladung einfach schneller gelingt. Die nächste Stufe wäre die Feststoffbatterie, die nicht mehr so temperaturabhängig ist. Der Akku braucht eine Wohlfühltemperatur, um optimal laden zu können. Die Elektrolytflüssigkeit in den wiederaufladbaren Batterien sorgt dafür, dass der Prozess, den Akku auf die richtige Temperatur zu bringen, zäh und energiezehrend ist. Man muss sich einen großen Akku, der über Nacht draußen verweilt hat, vorstellen wie eine tiefgekühlte Lasagne. Wärmt man sie auf, wird sie an der Oberfläche schnell heiß – aber im Kern gelingt das Erwärmen nur sehr langsam. Autos mit modernen Lademanagementsystemen temperieren den Akku, bevor man eine Ladesäule anfährt. Aber dennoch gilt als Faustregel: Wer nicht zu Hause laden kann, sollte lieber abends auf dem Rückweg (wenn das Antriebssystem noch warm ist) laden als morgens unmittelbar nach dem Losfahren, wenn das Fahrzeug vorher die ganze (potenziell kalte) Nacht stand.
Der Ausblick: Es gibt zahlreiche Forschungsprojekte, die sich mit Ladetechnologien beschäftigen, die es erlauben, Energie für 400 Kilometer binnen 15 Minuten nachzufassen. Dafür werden beispielsweise 450 Kilowatt benötigt – eigentlich nicht sonderlich weit weg von heutigen in der Serie vorkommenden Ladeleistungen. Allerdings müsste diese Ladeleistung auch bis zu einem hohen Ladestand vorhalten und reproduzierbar sein – daran hapert es heute vor allem. Meist laden die Fahrzeuge anfangs mit großer Power, um dann schon nach wenigen Minuten nur noch langsam Energie aufzunehmen. An diesem Punkt müssen die Techniker dringend arbeiten. Hier könnten Feststoffbatterien Abhilfe schaffen, mit denen ab dem Jahr 2025 oder zumindest 2030 für den Serieneinsatz zu rechnen ist. Zunächst kommt allerdings noch die Erhöhung der Bordspannung. Aktuell ist 800 Volt zwar schon in Gebrauch, aber nur bei sehr wenigen Fahrzeugen. Diese Technologie wird in den nächsten Jahren massiv ausgerollt werden. Hierzu gibt es bereits zahlreiche Ankündigungen. Freilich ist langsames Laden schonender für den Akku – aber unterwegs ist das schwierig. Die meisten Hersteller geben immerhin bis zu acht Jahre Garantie auf die Batterie oder 160.000 Kilometer lang.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 4/2023

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Es gibt neben der Ladeleistung auch noch eine weitere Schraube, an der die Ingenieure dringend drehen müssen: die Energiedichte. Wenn die Energiedichte verdoppelt würde, könnte man auf gleichem Bauraum die doppelte Strommenge speichern, was das Elektroauto in der praktischen Anwendung deutlich verbessern würde. Denn dann wären plötzlich vierstellige Reichweiten realistisch und man näherte sich diesbezüglich dem Diesel an. Dann wäre zumindest eine lange Reise am Stück denkbar. Und klar, in Verbindung mit einer großen Batteriekapazität ist das schnelle Laden natürlich wieder ein großer Vorteil. So wird die Elektromobilität Stück für Stück optimiert, und eines Tages ist sie in der praktischen Handhabung vielleicht einmal mit dem Verbrenner vergleichbar. Das wird natürlich noch eine Weile dauern, ist aber denkbar.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 4/2023

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026
0 Kommentare
Zeichenbegrenzung: 0/2000