Neue EU-Regeln für die Sicherheit und den Schutz der Fahrzeuginsassen: Der intelligente Geschwindigkeitsassistent ISA wird ab Juli 2022 Pflicht

<p>Aktuelle EU-Vorgaben haben Auswirkungen auf die künftige Gestaltung von Car-Policys zur „richtigen“ Fahrzeugauswahl und -ausstattung für den Unternehmensfuhrpark.</p>

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Ab dem 6. Juli 2022 sind durch die Verordnung (EU) 2019/2144 vom 27. November 2019 verbindliche Standards zur Einführung von Fahrzeugsicherheitssystemen für neue Fahrzeuge in allen EU-Mitgliedstaaten verpflichtend. Der technische Fortschritt bei hochentwickelten Fahrzeugsicherheitssystemen soll neue Möglichkeiten eröffnen, die Zahl der Getöteten und Verletzten bei Verkehrsunfällen zu senken. Die EU führt daher eine Reihe neuer Sicherheitstechnologien für Fahrzeuge verpflichtend ein.

Verpflichtende Einführung von Fahrzeugsicherheitssystemen 
Ein wesentliches Ziel der Verordnung ist es, die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten und verletzten Personen durch die verpflichtende Einführung von Fahrzeugsicherheitssystemen weiter zu senken. Zugleich wird eine Reihe neuer Sicherheitsmaßnahmen nach einem festgelegten Zeitschema verpflichtend eingeführt. Zu einzelnen Sicherheitsmaßnahmen werden derzeit auf EU- und UNECE-Ebene die erforderlichen detaillierten technischen Anforderungen erarbeitet, die Regelungen sind teilweise bereits in Kraft.

Die Verordnung gilt für Fahrzeuge der Klassen M, N und O und für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, die für solche Fahrzeuge konstruiert werden. Das bedeutet im Klartext, dass ab dem 6. Juli 2022 alle neuen Fahrzeugtypen – alle Pkws, Lkws, Transporter und Busse unter anderem mit Intelligent Speed Assistance (ISA) ausgestattet sein müssen. Ab dem 7. Juli 2024 ist das System dann in allen Neuwagen vorgeschrieben. Die Fahrzeughersteller müssen sicherstellen, dass Fahrzeuge so gebaut sind, dass die Gefahr von Verletzungen der Insassen und ungeschützter Verkehrsteilnehmer möglichst gering ist.

Welche Sicherheits- und Assistenzsysteme werden Pflicht? 
Fahrzeuge müssen mit einem präzisen Reifendrucküberwachungssystem ausgerüstet sein, das den Fahrer im Fahrzeug bei unterschiedlichsten Straßen- und Umgebungsverhältnissen warnt, wenn es in einem Reifen zu einem Druckverlust kommt.

Hochentwickelte Fahrerassistenzsysteme werden für alle Kraftfahrzeugklassen Pflicht; Kraftfahrzeuge müssen künftig mit den folgenden Systemen ausgerüstet sein:

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• intelligenter Geschwindigkeitsassistent 
• Vorrichtung zum Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre 
• Warnsystem bei Müdigkeit und nachlassender Aufmerksamkeit des Fahrers 
• hochentwickeltes Warnsystem bei nachlassender Konzentration des Fahrers 
• Notbremslicht 
• Rückfahrassistent und 
• ereignisbezogene Datenaufzeichnung

Detailregelungen zur Umsetzung werden von der EU-Kommission als „delegierte Rechtsakte“ erlassen, um technische Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme für Typgenehmigungen von Fahrzeugen und für selbstständige technische Einheiten festzulegen.

Der intelligente Geschwindigkeitsassistent 
ISA muss den Fahrer über den Beschleunigungsregler oder über gezielte Rückmeldungen wirksam darauf aufmerksam machen, dass die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung überschritten wird. Es muss dabei möglich bleiben, das System abzuschalten. Wird das System abgeschaltet, dürfen weiterhin Informationen zur Geschwindigkeitsbeschränkung gegeben werden. Nach jeder Aktivierung des Hauptkontrollschalters des Fahrzeugs muss sich der intelligente Geschwindigkeitsassistent im normalen Betriebsmodus befinden. ISA ist also aktiv, sobald das Fahrzeug gestartet wird. Dabei bezieht das System seine Daten aus Informationen zu Geschwindigkeitsbeschränkungen, die durch die Beobachtung von Straßenschildern und Signalen aufgrund von Infrastruktursignalen oder Daten elektronischer Karten oder beidem gewonnen und im Fahrzeug bereitgestellt werden. Damit ist ISA im Grunde genommen nichts anderes als eine Kombination aus adaptivem Tempomat, der Verkehrszeichenerkennung, Navigationssystem und fahrzeugeigenen Assistenzsystemen. Diese Technik haben heutzutage bereits viele moderne Fahrzeuge an Bord. Mithilfe der neuen systemseitigen Vernetzung soll das Fahrzeug Geschwindigkeitsbegrenzungen erkennen, den Fahrer darauf hinweisen und gegebenenfalls das Tempo reduzieren. Angestrebt ist eine möglichst niedrige Fehlerquote im realen Fahrbetrieb, die idealerweise bei null liegen soll.

 Jedoch muss der Fahrer weiterhin dazu in der Lage sein, die vom System angeforderte Fahrzeuggeschwindigkeit zu überschreiten; dies darf also – beispielsweise für Notsituationen, bei denen man sich durch starkes Beschleunigen aus dem Gefahrenbereich bewegt – nicht beeinträchtigt werden.

Ereignisbezogene Datenaufzeichnung 
Dies bedeutet, dass die Daten, die im Zeitraum kurz vor, während und unmittelbar nach einem Zusammenstoß anonymisiert in einem geschlossenen System aufgezeichnet und gespeichert werden können, folgende Parameter umfassen: Fahrzeuggeschwindigkeit, Abbremsen, Position und Neigung des Fahrzeugs auf der Straße, Zustand und Grad der Aktivierung aller Sicherheitssysteme an Bord, das auf dem 112-Notruf basierende bordeigene eCall-System, Aktivierung der Bremsen sowie sonstige relevante Eingabeparameter für die bordseitigen aktiven Sicherheits- und Unfallvermeidungssysteme. Diese Daten müssen systemseitig gegen Datenverlust geschützt sein; eine Deaktivierung der Aufzeichnung ist daher nicht möglich.

Die Daten müssen die Identifizierung des genauen Fahrzeugtyps, der Version und insbesondere der im Fahrzeug eingebauten aktiven Sicherheitssysteme ermöglichen. Sie können den nationalen Behörden auf Grundlage von Unionsrecht oder nationalem Recht im Einklang mit der DSGVO ausschließlich für Zwecke der Unfallforschung und -analyse über eine Standardschnittstelle zur Verfügung gestellt werden. Ausgeschlossen muss sein, dass die letzten vier Ziffern des fahrzeugunterscheidenden Teils der Fahrzeug-Identifizierungsnummer oder sonstige Informationen, die eine Identifizierung des einzelnen Fahrzeugs, des Eigentümers oder des Halters ermöglichen könnten, aufgezeichnet und gespeichert werden.

Weitere Regelungen für leichte Nutzfahrzeuge, Busse und Lastkraftwagen 
Die Verordnung beinhaltet auch Anforderungen an Frontschutzsysteme für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge (Klassen M1 und N1). Darüber hinaus beinhaltet sie besondere Anforderungen an Busse und Lastkraftwagen. Fahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 und N3 müssen mit einem Spurhaltewarnsystem und einem hochentwickelten Notbremsassistenzsystem ausgerüstet sein, das Fußgänger und Radfahrer in unmittelbarer Nähe der Vorder- oder Beifahrerseite erkennen und einen Zusammenstoß verhindern kann. Weitere Anforderungen bestehen für wasserstoffbetriebene sowie automatisierte und vollautomatisierte Fahrzeuge.

Auswirkungen auf die Halter- und Fahrerhaftung 
Die Assistenzsysteme sollen dem Fahrer das Leben erleichtern und das Fahren sicherer machen. Der Fahrer ist aber zu jeder Zeit dafür verantwortlich, dass er sich mit seinem Fahrzeug an die geltenden Verkehrsregeln hält. Sprich: Der Fahrer muss ein lokales aktuelles Tempolimit jederzeit beachten. Er hat die Pflicht, die ordnungsgemäße Funktion der Assistenzsysteme im Blick zu behalten und bei Fehlfunktion oder Versagen die volle Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten. An der Halterhaftung aus § 7 StVG und der Haftung des Fahrers nach § 18 StVG ändert die EU-Verordnung 2019/2144 also vorerst nichts.

Auswirkungen auf Car-Policys 
Über die Pflichtausstattung von Fahrzeugen im Fuhrpark im Bereich der Sicherheitstechnik müssen sich Fuhrparkmanager künftig weniger Gedanken machen. Die EU-Verordnung 2019/2144 beinhaltet klare Vorgaben, die im Rahmen der Beschaffungs-Compliance künftig zu beachten sind.

Das intelligente Geschwindigkeitskontrollsystem ISA dürfte dabei die Fahrzeugkosten nicht nennenswert verteuern. Bereits seit März 2018 müssen in der EU alle Neufahrzeuge über das Notrufsystem eCall mit einem integrierten GPS verfügen. Auch ein Großteil der weiteren Technologie, die die neue EU-Verordnung vorschreibt, gehört vielfach zum Standard. Viele Neufahrzeuge verfügen bereits über einen kamerabasierten Tempomaten, Verkehrszeichenerkennung und Notbrems- sowie Spurhalteassistent. Eine Vernetzung mit dem Geschwindigkeitskontrollsystem bedeutet laut EU-Kommission eine Preiserhöhung zwischen 47 und 62 Euro pro Fahrzeug. Nach einer Schätzung der US-amerikanischen Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA sollen die Gesamtkosten zwischen 186 und 249 Euro pro Fahrzeug liegen. Das nunmehr EU-seitig vorgeschriebene Mehr an Sicherheit wird daher mit überschaubaren Kosten im Fuhrparkbudget verbunden sein.

Fuhrparkmanager müssen sich hinsichtlich der Umsetzung der EU-Verordnung auf dem Laufenden halten. Dabei müssen sie insbesondere den Anforderungen an den Datenschutz gerecht werden. Insoweit müssen künftig auch die Informationen für Fahrzeugnutzer zur Aufklärung über die Datenverarbeitung im Kraftfahrzeug bezüglich der neuen Vernetzung der Assistenzsysteme angepasst und ergänzt werden. Eins ist sicher: Die höhere Technisierung im Fuhrpark bleibt auch in Zukunft ein – auch rechtlich betrachtet – mehr als spannendes Thema.

 

AUTOR

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, fischer.legal, St. Augustin 

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