Die aufgabenbezogene Haftung des Fuhrparkmanagements

<p>Die Verantwortlichkeit des Fuhrparkmanagements ergibt sich im Wesentlichen aus der „Halterhaftung“. Die Frage nach der Halterhaftung ist dabei recht komplex. So gibt es keine einheitliche Rechtsmaterie, an der sich ein Fuhrparkverantwortlicher hinsichtlich des rechtlichen Rahmens seiner Fuhrparkaufgaben orientieren könnte. Im Gegenteil: Da bei den rechtlichen Regelungen im Kontext mit der Halterhaftung das Fahrzeug im Fokus der Betrachtung steht, finden sich entsprechend zahlreiche fahrzeugbezogene Regelungen in ganz unterschiedlichen Rechtsbereichen des Zivil-, Straf- und Ordnungswidrigkeiten-, Verwaltungs- und Europarechts.</p>

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Haftungsrahmen: die Organisationsaufgaben im Fuhrpark 
Mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtsmaterien ist es gerade für Nichtjuristen erfahrungsgemäß schwer, den Überblick über die Rechtsgrundlagen und die rechtlichen Anforderungen an das Fuhrparkmanagement zu behalten. Einfacher wird es jedoch, wenn man sich bei der Bestimmung der Haftungsrisiken an den Organisationsaufgaben im Fuhrpark orientiert. Für die Beurteilung einer Haftung im Fuhrpark kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Fuhrparkmanagement hauptberuflich oder nur „nebenbei“ betrieben wird. So oder so, haftungsrelevant sind im Wesentlichen die folgenden drei Bereiche:

1. Fahrzeugzustand und Flottenwartung: Grundsätzlich ist der Fahrzeughalter für den Fahrzeugzustand verantwortlich. Dies gilt natürlich auch für Unternehmen mit einem eigenen Fuhrpark. Ein Halter darf die Inbetriebnahme von Fahrzeugen aus dem Fuhrpark nicht anordnen oder zulassen, wenn der Zustand des Fahrzeugs nicht vorschriftsmäßig ist. Die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs darf weder durch den Zustand noch durch seine Beladung oder Besetzung beeinträchtigt werden. Dies ergibt sich aus § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) als zentraler Vorschrift sowie aus § 31 Abs. 2 Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung (StVZO). Die hieraus resultierenden Halterpflichten betreffen also die sogenannte Flottenwartung, das heißt insbesondere den technischen Zustand der Fahrzeuge.

2. Kontrolle der Fahrzeugnutzer und Fahrer: Darüber hinaus erstreckt sich die Halterhaftung auch auf die Nutzer der Fahrzeuge, sprich die Dienstwagen- und Poolfahrzeugnutzer. Hier besteht ein recht weites Feld an Verpflichtungen zur Kontrolle der Fahrer, angefangen mit der Führerscheinkontrolle (§ 21 StVG) über die generelle Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (Eignungsprüfung, Umgang mit alkoholisierten Fahrern usw.) bis hin zu der Frage, ob Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten sind und darüber hinaus auch Aufzeichnungspflichten bestehen, beispielsweise im Zusammenhang mit Berufskraftfahrern (Fahrerkarte) oder digitalen Fahrtenschreibern.

3. Nutzung der Fahrzeuge: Schließlich gibt es Halterpflichten bezüglich der Fahrzeugnutzung im Hinblick auf die Ladung, Ladungssicherung sowie die Haftung für Überladung.

Neben diesen drei Kernbereichen kommen weitere gesetzliche Halteraufgaben in Betracht, deren Verletzung zu rechtlichen Konsequenzen führen kann.

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Der Fuhrparkleiter muss daher als Verantwortlicher für die Firmenfahrzeuge und für deren Zustand im Verkehr Kontrollpflichten wahrnehmen, um eine Haftung zu begrenzen oder auszuschließen. Dazu gehört zum Beispiel die regelmäßige Kontrolle der Verkehrssicherheit der Fahrzeuge und die Kontrolle des Führerscheins. Der Fuhrparkleiter kann sich dabei nicht auf Auskünfte der Fahrer verlassen, sondern muss die Kontrollen vielmehr selbst vornehmen oder vornehmen lassen. Zu Nachweiszwecken sollten diese Kontrollen dokumentiert werden.

Halterverantwortung, Organisationsverantwortung und Delegation: Wer haftet? 
Organisatorisch gibt es mehrere verantwortliche Personen im Unternehmen, die dafür sorgen müssen, dass die Fuhrparkaufgaben auch umgesetzt und gesetzeskonform ausgeführt werden.

In erster Linie steht die Geschäftsleitung des Unternehmens in der Verantwortung. Juristen sprechen insoweit auch von der primären Verantwortlichkeit der Geschäftsführung. Diese richtet sich wiederum einerseits nach der funktionalen Organstellung im Gesellschaftsrecht sowie andererseits nach der Zuordnung der konkreten Verantwortlichkeiten im Strafrecht (§ 14 Abs. 1 StGB) oder im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 9 Abs. 1 OWiG). So haften beispielsweise bei einer Aktiengesellschaft primär deren Vorstand sowie bei einer GmbH grundsätzlich primär deren Geschäftsführer. 

In zweiter Linie steht das Fuhrparkmanagement mit in dieser Verantwortung. Die Mit-Verantwortung des Fuhrparkmanagements ergibt sich unter anderem aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB beziehungsweise § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG. Voraussetzung hierfür ist eine Delegation der Halteraufgaben, die grundsätzlich möglich ist.

Halterhaftung durch Pflichtendelegation 
Bei der Pflichtendelegation kann die Halterverantwortlichkeit auf ausgewählte Personen im Unternehmen übertragen werden.

Die Halterpflichten können von der Geschäftsführung auf andere Personen im Unternehmen wie den Fuhrparkleiter übertragen werden. Dies kann ganz unterschiedlich erfolgen. Die Delegation kann sich aus gesetzlichen Vorschriften, dem Arbeitsvertrag des Fuhrparkleiters, der Aufgabenbeschreibung zum Anstellungsvertrag, der Funktion, in welcher der jeweilige Mitarbeiter faktisch tätig ist, sowie aufgrund einer gesonderten Beauftragung oder sonstigen einzelvertraglichen Regelungen ergeben. Eine Delegation von Halterpflichten kann formfrei geregelt werden, sollte aber aus Nachweisgründen stets ausdrücklich und möglichst schriftlich erfolgen.

Aus der Pflichtendelegation resultiert dann als Konsequenz auch eine Übertragung der Haftung. So kann die Geschäftsleitung ihre eigene Haftung mittels Delegation der Halterverantwortlichkeit entweder einschränken oder völlig ausschließen. Eine wirksame Pflichtendelegation setzt jedoch voraus, dass die Geschäftsführung als verantwortlichen Fuhrparkleiter eine zuverlässige, erprobte und sachkundige Person mit der Erfüllung der Halterpflichten ausdrücklich beauftragt hat. Besonders wichtig ist, dass die Erfüllung der Halterpflichten „in eigener Verantwortung“ des auserkorenen Fuhrparkleiters liegt. Erforderlich ist ferner, dass der halterbeauftragte Fuhrparkleiter eine klare Vorstellung von den in eigener Verantwortung zu erfüllenden Aufgaben hat. Er muss außerdem die Befugnis erhalten, die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Entscheidungen selbstständig und ohne Weisung des Halters beziehungsweise dessen gesetzlichen Vertreters zu treffen.

Auch bei einer Delegation bleiben die Überwachungspflichten der Geschäftsleitung gegenüber dem Fuhrparkmanagement bestehen. Die Unternehmensleitung haftet daher auch weiterhin subsidiär nach den Grundsätzen der Organ- und Vertreterhaftung nach § 14 Abs. 1 Nr.1, 2, 3 StGB beziehungsweise nach § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 OWiG. Auch kann eine Pflichtendelegation keineswegs die eigene Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung für die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen nach § 130 OWiG ersetzen. Fehlt die Organisation des Fuhrparks oder ist sie mangelhaft, verbleibt es jedenfalls bei der Haftung der Unternehmensleitung. Die regelmäßige Überwachung der Fuhrparkleitung durch die Geschäftsleitung mittels stichprobenartiger und unangekündigter Kontrollen ist daher geboten, wenn eine „Enthaftung“ mittels Aufgabendelegation funktionieren soll.

Den durch Pflichtendelegation in die Halterverantwortung genommenen Fuhrparkmanager treffen die Pflichten eines Fahrzeughalters nach § 7 StVG unmittelbar. Weiter „nach unten“ in der Hierarchie der Fuhrparkverwaltung können die Halteraufgaben nicht ohne Weiteres delegiert werden. Das führt zu nicht unerheblichen zivilund strafrechtlichen Haftungsrisiken, weil bei Verletzung von zivilrechtlichen Halterpflichten im Schadenfalle neben einer Schadenersatzhaftung auch ein Regress des Fuhrparkbetreibers gegen den Fuhrparkleiter denkbar ist. Diesem Risiko kann durch eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung oder eine D&O-Versicherung begegnet werden.

Haftung für Organisationsverschulden 
Grundsätzlich kommt auch ein Organisationsverschulden des Fuhrparkleiters als Haftungstatbestand in Betracht. Dieses kann darin liegen, dass die gesetzlichen Halteraufgaben nicht eingehalten werden und dies nur durch entweder fehlende Aufsicht, Fortbildung oder Auswahl ungeeigneter Personen zu erklären ist. Eine Erschwernis bietet hier naturgemäß der Umstand, dass es abgesehen von Zertifizierungslehrgängen bislang noch keinen anerkannten Berufsausbildungsabschluss für Fuhrparkmanager gibt.

Anknüpfungspunkt für die Haftung ist das Unterlassen der erforderlichen und gehörigen Aufsichtsmaßnahmen nach einem Akt der Delegation, zum Beispiel nach der Übertragung von Halteraufgaben durch die Geschäftsleitung an das Fuhrparkmanagement. Einem Unternehmen droht hier eine Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG. Anlasstat eines Unternehmensangehörigen kann insbesondere eine Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG sein. Verübt ein Fuhrparkmitarbeiter eine Ordnungswidrigkeit, insbesondere nach § 130 OWiG, so drohen eine Geldbuße, Verfall und Einziehung, zumindest aber ein Verwarnungsgeld nach §§ 56 ff. OWiG.

Besonders praxisrelevant ist hier die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten nach dem Fahrpersonalgesetz (FpersG). So kann sich die arbeitsbedingte Übermüdung unter Verletzung tariflicher oder gesetzlicher Arbeitszeitvorschriften regelmäßig als Organisationsverschulden des Arbeitgebers darstellen, das nach § 254 BGB als Mitverschulden der Schadensersatzforderung gegenüber dem Mitarbeiter entgegengehalten werden kann. Bei einem arbeitszeitwidrigen Verhalten kann das Mitverschulden des Arbeitgebers ein Organisationsverschulden darstellen und als Unfallursache derart überwiegen, dass der Arbeitgeber seine Schadensersatzforderung verliert.

Ferner kann beispielsweise ein Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften (wie Verletzung der Sicherheitsbestimmungen über das Verschieben von Fahrzeugen) als grobe Fahrlässigkeit für ein Organisationsverschulden zu bewerten sein. Auch obliegt dem Arbeitgeber die Verpflichtung, für einen sicheren Transport eines Mitarbeiters zum Einsatzort Sorge zu treffen. Deshalb gehört es zu den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers nach § 618 BGB, dem Mitarbeiter für die Reise zum Einsatzort ein verkehrssicheres Fahrzeug zur Verfügung zu stellen (BAG, Urteil vom 23.03.1983, Az. 7 AZR 526/80).

Regresshaftung gegenüber der Berufsgenossenschaft für Arbeitsunfälle 
Der Fuhrparkleiter muss außerdem dafür sorgen, dass die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften wie die Unfallverhütungsvorschrift „Fahrzeuge“ (DGUV Vorschrift 70) für den Einsatz von betrieblichen Pkw und Lkw eingehalten werden. Die vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlung gegen eine ganze Reihe von DGUV-Vorschriften stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 58 DGUV Vorschrift 70 i. V. m. § 209 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII dar. Relevant sind hier insbesondere die regelmäßige Kontrolle der Betriebssicherheit der Firmenfahrzeuge durch Sachkundige, die Prüfung von Fahrzeugen durch das Fahrpersonal sowie die Fahrzeugausstattung mit Warnkleidung sowie die Ladungssicherung für alle Fahrzeuge im Unternehmen. Die Ladungssicherungspflicht richtet sich außerdem auch nach § 22 StVO; diese trifft neben Fahrer und Halter auch jede andere für die Ladung des Fahrzeugs verantwortliche Person. Gibt es keinen Ladeverantwortlichen, dann haftet der Fuhrparkleiter für die unzureichende Ladungssicherung.

Die Berufsgenossenschaft kann die Aufwendungen, die sie bei einem Arbeitsunfall erbringt, gegenüber dem zivilrechtlich haftenden Unfallverursacher geltend machen. Ein solcher Rückgriff ist ausgeschlossen gegenüber dem Unternehmer, dem Vorgesetzten oder einem Kollegen des Verletzten – es sei denn, dieser hätte den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht. In diesem Kontext kommt also auch ein Regress gegen den Fuhrparkleiter in Betracht.

Die Haftung im Fuhrpark ist ein weites Feld. Zudem kommt es bei Haftungsfragen immer entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an. Fuhrparkverantwortliche sollten sich daher im Falle einer Inanspruchnahme rechtzeitig anwaltlich beraten lassen. Eine Rechtsschutzversicherung, die auch berufliche Streitfälle sowie das Arbeitsrecht mit umfasst, kann helfen, Kostenrisiken zu minimieren.

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin 
Kontakt: kanzlei@fischer.legal 
Internet: www.fischer.legal

 

AUTOR

RECHTSANWALT LUTZ D. FISCHER ist Verbandsjurist beim Bundesverband Fuhrparkmanagement e. V. und Mitglied der ARGE Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Verkehrsrechts. Als Autor hat er zahlreiche Publikationen zum Dienstwagenrecht veröffentlicht, unter anderem in der Fachzeitschrift „Flottenmanagement“ sowie im Ratgeber „Dienstwagen- und Mobilitätsmanagement 2018–2020“ (Kapitel Datenschutz). Als Referent hält er bundesweit offene Seminare und Inhouse- Veranstaltungen zur Dienstwagenüberlassung mit thematischen Bezügen zu Arbeitsrecht/ Entgeltabrechnung/Professionellem Schadenmanagement/ Datenschutz-) sowie Vorträge unter anderem für FleetSpeakers und das „Dialogforum für Fuhrpark- & Flottenmanagement“ von Management Circle.

 

 

RECHTSPRECHUNG 

ARBEITSRECHT

Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück ist keine Arbeitszeit 
Das Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück stellt in der Regel keine zu vergütende Arbeitszeit dar.

Vergütungspflichtig sind dagegen die Umwegezeiten, die ein angestellter Wachpolizist, der auf Weisung des Arbeitgebers den Dienst mit streifenfertiger Dienstwaffe anzutreten hat, zum Aufsuchen eines dienstlichen Waffenschließfachs außerhalb seines Dienstortes aufwendet. Dabei handelt es sich um eine vergütungspflichtige Zusammenhangstätigkeit. Zur Ermittlung der Zeitspanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Steht fest, dass Umwegezeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umwegezeiten nach § 287 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB schätzen. Wegezeiten eines Wachpolizisten zwischen Wohnung und Einsatzort beziehungsweise zwischen Dienstantrittsort und Schutzobjekt zählen, auch in Uniform und persönlicher Schutzausrüstung, zur privaten Lebensführung und sind keine vergütungspflichtigen Arbeitszeiten im Sinne von § 611 Abs. 1 BGB beziehungsweise § 611a Abs. 2 BGB. BAG, Urteil vom 31.03.2021, Az. 5 AZR 148/20

Fahrradlieferanten: Anspruch auf Stellung eines verkehrstüchtigen Fahrrads 
Fahrradlieferanten, die Speisen und Getränke an Kunden ausliefern, haben gegen ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf Stellung eines verkehrstüchtigen Fahrrads und eines internetfähigen Mobiltelefons zur dienstlichen Nutzung, wenn der Arbeitsvertrag nicht wirksam etwas Abweichendes regelt. Der Anspruch folgt aus §§ 611a, 615 S. 3, 618 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag. Vor dem Hintergrund der rechtlichen Anerkennung eines tatsächlichen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers kann dieser den Anspruch auf Stellung der zwingend zur Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Arbeitsmittel einklagen und kann nicht auf Ansprüche auf Annahmeverzugslohn verwiesen werden. Die Pflicht, ohne finanziellen Ausgleich zwingend notwendige Arbeitsmittel von einigem Wert selbst stellen zu müssen, kann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht wirksam begründet werden. Eine solche Regelung benachteiligt den Arbeitnehmer nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen. Hessisches LAG, Urteil vom 12.03.2021, Az. 14 Sa 306/20

Dienstwagen-Sonderausstattung: unzulässige Kostenübernahme durch Arbeitnehmer 
Die Grenzen zulässiger Vertragsgestaltung sind überschritten, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet wird, Mehrkosten für eine von ihm gewünschte Sonderausstattung eines Dienstwagens in den ersten zwölf Monaten des 36-monatigen Leasingvertrags zu zahlen, ohne dass die Dauer der tatsächlichen Nutzung des Dienstwagens durch ihn berücksichtigt wird. 
LAG München, Urteil vom 03.12.2020, Az. 3 Sa 563/20

VERKEHRSZIVILRECHT

Vorfahrtsregelung bei Stau auf der bevorrechtigten Fahrspur 
Die Norm des § 18 Abs. 3 StVO, wonach der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn die Vorfahrt hat, bezieht sich auf bauliche Gegebenheiten und setzt eine Einfädelspur und eine Fahrspur voraus. Ist dies der Fall, ist der Verkehr auf der Fahrspur gegenüber dem Verkehr auf der Einfädelspur bevorrechtigt. Dieses Vorrecht bleibt auch dann erhalten, wenn die Fahrzeuge auf der Fahrspur verkehrsbedingt zum Stehen kommen. Der Wortlaut des § 18 Abs. 3 StVO „Vorfahrt“ leitet sich nicht aus einer Bewegung („fahren“) ab, sondern aus einem „Vorrecht“, das der Gesetzgeber für die sich auf der Fahrspur befindlichen Fahrzeuge gegenüber dem Verkehr auf der Einfädelungsspur normiert hat. OLG Celle, Urteil vom 23.06.2021, Az. 14 U 186/20

Rechts vor links: Haftungsverteilung bei Missachtung der Vorfahrt 
Bei der Vorfahrtsregelung rechts vor links müssen beide von rechts kommenden Fahrspuren (Fahrbahn und Gegenfahrbahn) beachtet werden. Weiterhin erstreckt sich das Vorfahrtsrecht von rechts auf die gesamte Straßenbreite. Es ist gestattet, an stehenden Fahrzeugen mit dem erforderlichen Seitenabstand vorbeizufahren und hierzu auch die linke Fahrbahnhälfte mitzubenutzen. Das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO wird hierbei nicht verletzt. Der Vorfahrtsberechtigte muss sich im unübersichtlichen Kreuzungsbereich keines Einweisers bedienen, wenn er unter Inanspruchnahme der linken Fahrbahnhälfte an rechts parkenden Fahrzeugen vorbeifahren will. Den Vorfahrtsberechtigten trifft kein Mitverschulden, wenn ihm die Vorfahrt durch zu schnelles Einfahren in den Kreuzungsbereich genommen wird. LG Hechingen, Urteil vom 11.12.2020, Az. 1 O 207/19

Ersatzfähiger Schaden bei Reparatur eines Busses 
Nutzt ein Busunternehmen seine eigene Werkstatt zur Reparatur seines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Busses, beschränkt sich der zur Herstellung erforderliche Betrag auf die insoweit anfallenden Kosten. Die höheren Kosten einer externen Werkstatt können grundsätzlich zugrunde gelegt werden, wenn das Busunternehmen einen Teil der Kapazitäten seiner Werkstatt als freie Werkstatt zur Gewinnerzielung verwendet. Voraussetzung ist allerdings, dass es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast hinreichend dazu vortragen kann, dass es in der Zeit der Reparatur des Busses Fremdaufträge hätte annehmen können. Da die Geschädigte hier die – letztlich auch genutzte – Möglichkeit gehabt hat, den Bus in der eigenen Werkstatt zu reparieren, beschränkt sich der zur Herstellung erforderliche Betrag auf die insoweit anfallenden Kosten, nicht aber auf die Kosten, die im Falle einer Reparatur in einer externen Werkstatt anfielen. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.06.2021, Az. 1 U 142/20

Zusammenhang zwischen Kraftfahrzeugbrand und Betriebsvorgang 
Ein enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen einem Kraftfahrzeugbrand und dem Betriebsvorgang eines Fahrzeugs liegt jedenfalls vor, wenn dieses noch circa zwei Stunden vor dem Brand gefahren wurde. Für eine Zurechnung ist nicht erforderlich, dass der Halter gegenüber der Versicherung beweist, durch welche Betriebseinrichtung der Brand verursacht worden ist. Es reicht aus, dass unstreitig oder bewiesen ist, dass der Brand in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs entstanden ist. Die Versicherung könnte aber ihrerseits darlegen und beweisen, dass der Brand von außen herbeigeführt worden ist, was den Zurechnungszusammenhang entfallen ließe. OLG Celle, Urteil vom 12.05.2021, Az. 14 U 189/20

Keine Halterhaftung bei Einsatz eines Traktors als Arbeitsmaschine 
Beschränkt sich der konkrete Einsatz eines Traktors darauf, dass dessen Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Traktors als Kraftfahrzeug mitgeprägt wurde, scheidet eine Haftung aus Betrieb gemäß § 7 Abs. 1 StVG aus.

Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat. Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kraftfahrzeug kann jedoch zu bejahen sein, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet.

Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht das Unfallgeschehen zu Recht nicht der von dem Traktor ausgehenden Betriebsgefahr zugerechnet, weil das Risiko, das sich vorliegend verwirklicht hat, nicht in den Schutzbereich des § 7 StVG fällt. Es lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden, wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage steht. Dabei ist im vorliegenden Fall insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Straße, auf welcher sich der Traktor im maßgeblichen Zeitpunkt befunden hat, während des Unfallgeschehens für den allgemeinen Verkehr abgesperrt war und ein – ursprünglich vorgesehener – Abtransport des Baumes mit dem Traktor aufgrund der Stammlänge nicht möglich war, sodass der konkrete zum Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort beschränkt war. Hinzu kommt, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach seinem erfolglosen Versuch des Wegziehens beziehungsweise Wegdrückens des Stammes durch die nachfolgende Sägetätigkeit eingetreten ist. Demnach ergibt sich bei der notwendigen Gesamtbetrachtung, dass bei dem konkreten Einsatz des Traktors in Gestalt des Wegziehens beziehungsweise Wegdrückens des Baumes die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Traktors als Kraftfahrzeug geprägt wurde. OLG Hamm, Beschluss vom 18.05.2021, Az. 9 W 14/21

Nachweis für die sorgfältige Überwachung eines Gabelstaplerfahrers 
Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB wurde dadurch verletzt, dass der Fahrer den Gabelstapler im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt hat, ohne diesen ausreichend kenntlich zu machen. An den Nachweis einer ausreichenden Überwachung eines angestellten Kraftfahrers sind im Interesse der Verkehrssicherheit strenge Anforderungen zu stellen. Eine sorgfältige Überwachung erfordert fortdauernde, planmäßige, unauffällige und unerwartete Kontrollen, deren Intensität vom Gefahrenpotenzial sowie von der vorherigen Vergewisserung über die Eignung des Verrichtungsgehilfen abhängen, während beispielsweise Schulungen allein nicht ausreichend sind. Hinzu kommt, dass der Gabelstaplerfahrer in seiner informatorischen Anhörung vor dem Landgericht persönlich erklärt hat, es gebe keine Vorschriften, wonach man den Gabelstapler im öffentlichen Verkehrsraum absichern müsse, und er kenne keine Vorschriften, die er bezüglich des Gabelstaplerfahrens einhalten müsse. OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.02.2021, Az. 4 U 8/20

 

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