Aktuelle Rechtsprechung zur Fahrtenbuchauflage

Aktuelle Rechtsprechung zur Fahrtenbuchauflage

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Aktuelle Rechtsprechung zur Fahrtenbuchauflage

Zur Fahrtenbuchanordnung nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO gibt es eine Reihe neuer Entscheidungen, die auch im Fuhrpark relevant sind. Grundsätzlich handelt es sich bei der Fahrtenbuchauflage um eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Daher soll vor allen Dingen nicht der Umgang mit einem bestimmten Fahrzeug geregelt, sondern die generelle Beachtung der einem Kraftfahrzeughalter obliegenden Aufsichtspflichten über die von ihm in Verkehr gebrachten Fahrzeuge sichergestellt werden.

Erstreckung der Fahrtenbuchanordnung auf Nachfolgebeziehungsweise Ersatzfahrzeuge 
Regelmäßig wird sich eine Fahrtenbuchanordnung auf das konkrete Tatfahrzeug beziehen, mit dem der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften begangen wurde. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass die Behörde sich im Rahmen einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO die Bestimmung weiterer Fahrzeuge des Halters vorbehält. Dies dient nicht nur demselben Zweck, sondern ermöglicht es auch, die Fahrtenbuchanordnung auf ein Nachfolgefahrzeigbeziehungsweise Ersatzfahrzeuge zu beziehen.

Nach einer Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 22.03.2021, Az. OVG 1 B 8/20) hängt die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs nicht davon ab, ob der Halter nachträglich die Haltereigenschaft für das Tatfahrzeug verliert. Deshalb verliert die Fahrtenbuchanordnung ihren Regelungsgehalt auch nicht dadurch oder wird dadurch sogar (teilweise) rechtswidrig, wenn der Adressat der Fahrtenbuchanordnung nicht mehr Halter des konkreten Tatfahrzeugs ist, mit dem die Ordnungswidrigkeit begangen wurde, die Anlass für die Auflage gab.

Der Gesetzgeber hat den Umstand, dass es sich bei der Fahrtenbuchanordnung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO berücksichtigt. Daher muss die Behörde die Haltereigenschaft für das in der Fahrtenbuchanordnung genannte Fahrzeug nicht unter Kontrolle halten, abgesehen davon, dass die Behörde oftmals gar nicht dazu in der Lage ist, festzustellen, welches Fahrzeug an die Stelle eines früher gehaltenen getreten ist oder tritt.

Die Fahrtenbuchanordnung erledigt sich regelmäßig also nicht dadurch, dass der Verpflichtete nicht mehr Halter des in der Anordnung bezeichneten Fahrzeugs ist.

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Für Fuhrparks ist insoweit relevant, dass mit der Bestimmung von einem oder mehreren Ersatzfahrzeugen der gegenständliche Bezug zu dem in der Fahrtenbuchanordnung konkret bezeichneten Fahrzeug ersetzt wird. Dafür ist auch keine Aufhebung der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs erforderlich.

Fahrtenbuchauflage gegenüber einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts 
De Fahrtenbuchanordnung kann auch an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Halterin gerichtet werden. Dies hat das VG Gelsenkirchen (Urteil vom 23.02.2021, Az. 14 K 3990/20) entschieden. Halterin des Fahrzeugs war daher die Gesellschaft und nicht deren im Fahrzeugregister eingetragener Vertreter der Gesellschaft. Neben der Frage der wirksamen Zustellung war auch die Frage relevant, in welcher Frist eine Anhörung zu beantworten ist, die einer Fahrtenbuchauflage vorausgehen kann. Das Gericht entschied, dass es der Gesellschaft obliegt, durch interne Organisationsmaßnahmen sicherzustellen, dass an den Geschäftssitz gerichtete Schreiben der verantwortlichen Person zugeleitet werden. In diesem Zusammenhang ließ es auch dahinstehen, ob es sich bei dem auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugelassenen Fahrzeug um ein „Firmenfahrzeug“ handelt, mit der Folge, dass die „Zweiwochenfrist“ nicht gilt, weil es in die Sphäre der Geschäftsleitung fällt, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat.

Fahrtenbuchauflage für gewerbliche Fahrzeugvermietung 
Nach einer Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 01.12.2020, Az. 4 Bs 84/20) ist eine gewerbliche Fahrzeugvermietung jedenfalls (Mit-)Halterin der auf ihren Namen zugelassenen Mietfahrzeuge im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, wenn sie selbst – und nicht die von selbstständigen Handelsvertretern betriebenen Mietstationen – die Nutzungen aus der Verwendung der Fahrzeuge zieht, die Kosten für deren Unterhaltung und den laufenden Betrieb trägt und eine zumindest mittelbare tatsächliche Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge innehat. Der mit einer Fahrtenbuchauflage verfolgte Zweck – vorbeugende Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs durch eine rasche Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften – kann auch bei Mietfahrzeugen erreicht werden.

Fahrtenbuchanordnung bei fehlender Mitwirkung 
Eine Fahrtenbuchauflage kann auch bei fehlender Mitwirkung des Halters ergehen. Dies entschied das Verwaltungsgericht des Saarlandes (Urteil vom 11.11.2020, Az. 5 K 715/20). Wird einem Fahrzeughalter ein Zeugenanhörungsbogen mit einem gut erkennbaren Beweisfoto übersandt, reicht es zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht nicht aus, in einer Datei nachzuschauen, wer sich das Fahrzeug auf dem Papier ausgeliehen hat.

Die Bußgeldbehörde hat an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausgerichtet alle „angemessenen und zumutbaren“ Maßnahmen ergriffen, die im Regelfall gewöhnlich zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers führen. Dass es nicht hierzu gekommen ist, ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Halterin ihrer Verpflichtung aktiv bei der Ermittlung des Fahrzeugführers mitzuwirken, nicht nachgekommen ist.

Dabei ist es von Rechts wegen unerheblich, dass sie den Zeugenanhörungsbogen ihrem Vorbringen zufolge gar nicht zu Augen bekommen hat. Dieser wurde vielmehr von einem Mitarbeiter in ihrem Betrieb ausgefüllt und (unleserlich) unterschrieben zurückgesandt. Denn der an ihre Adresse gesandte Zeugenanhörungsbogen ist nachweislich dort und damit in ihrem Wirkungskreis angekommen. Deshalb geht es zulasten des Halters, wenn Dritte wie vorliegend ein Mitarbeiter des Betriebs den allein an die Halterin adressierten Anhörungsbogen ausfüllten und so unleserlich unterschreiben, dass die Bußgeldbehörde davon ausgehen muss, die Halterin persönlich habe diese Erklärungen abgegeben. Die Bußgeldbehörde musste deshalb davon ausgehen, dass die Halterin ausschließlich den auf dem Beweisfoto gut erkennbaren Fahrzeugführer bezeichnet hat und dieser aufgrund der Ermittlungen der Polizei als verantwortlicher Fahrer nicht in Betracht kam. Damit stand und steht fest, dass die Halterin an der Ermittlung des Fahrers nicht in der Weise mitgewirkt hat, dass der verantwortliche Fahrer ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Insbesondere ist es für die Bußgeldbehörde von Rechts wegen nicht geboten, die Fahrzeughalterin erneut zur Sache zu vernehmen, wenn diese einer auf einem Beweisfoto gut erkennbaren Person einen Namen und eine Adresse zuordnet, die sich im Nachhinein als falsch erweist. Wird einem Fahrzeughalter ein Zeugenanhörungsbogen mit einem gut erkennbaren Beweisfoto übersandt, reicht es – wie der vorliegende Fall offenkundig zeigt – zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht nicht aus, in einer Datei nachzuschauen, wer sich das Fahrzeug auf dem Papier „ausgeliehen“ hat. Vielmehr erfordert die Mitwirkungspflicht darüber hinaus, zu überprüfen, ob der „Papierausleiher“ auch die Person auf dem Beweisfoto ist. Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, fehlt es an der gebotenen Mitwirkungspflicht. Handelt ein Mitarbeiter des Fahrzeughalters an dessen Stelle, ist dem Halter diese Pflichtverletzung im Rahmen des Organisationsverschuldens zuzurechnen.

 

RECHTSPRECHUNG 

ARBEITSRECHT

Anspruch auf Nutzung eines Firmen-Pkws bei vorläufiger Dienstenthebung eines Beamten? 
Ein nach § 38 BDG vorläufig des Dienstes enthobener Beamter hat die ihm überlassenen Dienstmittel unverzüglich an den Dienstherrn herauszugeben. Die Rückgabepflicht richtet sich nicht nach der Rechtmäßigkeit, sondern allein nach der Wirksamkeit der vorläufigen Dienstenthebung. 

Denn für ein Erfordernis der Rechtmäßigkeit gibt der Wortlaut der Vereinbarung der Beteiligten keinen Anhaltspunkt. Auch stände ein solches Erfordernis mit dem Sinn und Zweck der Überlassung des Dienstwagens im Widerspruch. Dieser ist dem Beamten nach der Vereinbarung „für die Wahrnehmung der Tätigkeit als Vor-Ort-Betreuer“ zur Verfügung gestellt. Solange die vorläufige Dienstenthebung nicht im Disziplinarverfahren nach § 63 BDG vom Gericht ausgesetzt wurde, darf der Beamte aber keinen Dienst verrichten. Damit gibt es keinen Grund, weshalb sie weiterhin im Besitz des dienstlichen Arbeitsmittels „Dienstwagen“ bleiben sollte.

Unerheblich für die Rückgabepflicht ist es zudem, ob der Dienstherr nach der vorläufigen Dienstenthebung für die Nutzung des Dienstwagens weiterhin Abzüge bei der Besoldung vorgenommen hat. Ein Recht zum Behalten des Dienstwagens folgt daraus nicht. Es ist bereits kein Grund ersichtlich, weshalb es dem Dienstherrn verwehrt sein sollte, die normalerweise für eine berechtigte Nutzung des Dienstwagens vorgesehenen Abzüge in gleicher Höhe auch im Falle einer vorliegend erfolgten unberechtigten Nutzung vorzunehmen. Im Übrigen hätte der Beamte selbst dann kein Recht zum Behalten des Dienstwagens, wenn der beklagte Dienstherr berechtigte Abzüge vorgenommen hätte. Dann müsste sie die Auszahlung der ausstehenden Besoldung im Widerspruchsund gegebenenfalls Klageverfahren durchsetzen. VG Bremen, Urteil vom 02.02.2021, Az. 6 K 70/20
 

VERKEHRSZIVILRECHT

Haftung bei Kollision eines Rettungswagens im Einsatz mit Falschparker 
Kollidiert ein Rettungswagen bei seiner Einsatzfahrt aufgrund von Unaufmerksamkeit mit einem in einer scharfen Kurve geparkten Kfz, ist eine Haftungsverteilung von 75 zu 25 zulasten des Rettungswagens gerechtfertigt. Bei der Haftungsabwägung bleibt allerdings das mangels einer ausgewiesenen Parkfläche im Bereich des Verkehrszeichens 325.1 geltende Parkverbot außer Betracht, da dieses der Verwirklichung des mit dem verkehrsberuhigten Bereich geschaffenen Bewegungsund Kommunikationsraums, nicht aber der Sicherstellung ausreichenden Raums für den durchfahrenden Fahrzeugverkehr dient.

Der Geschädigte hat den Unfall mitverursacht, weil er entgegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO sein Fahrzeug im Bereich einer scharfen Kurve geparkt hat. Indem er sein Fahrzeug verbotswidrig im Kurvenbereich geparkt hat, hat er diesen verengt und damit ein Durchfahren der Kurve für andere Verkehrsteilnehmer erschwert. Durch sein verbotswidriges Parken hat er erst die Situation geschaffen, in der sein Fahrzeug der Gefahr einer Beschädigung ausgesetzt wurde, und somit einen wesentlichen Beitrag zum Unfallgeschehen geleistet. Dies führt dazu, dass die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs trotz des schwerwiegenden Verschuldens des Rettungswagenfahrers nicht hinter der des Rettungswagens vollständig zurücktritt. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2021, Az. I-1 U 122/20

Verzögerungen bei der Unfallreparatur gehen zulasten des Schädigers 
Verzögerungen bei der Reparatur des unfallbeschädigten Kfz, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zulasten des Schädigers. Insofern kann von dem Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung auch für einen längeren Zeitraum (hier: 104 Tage) beansprucht werden. Hat die Werkstatt die Verzögerung mit Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen (hier: Airbag-Modul für die Beifahrerseite) begründet, trifft den Geschädigten keine dahin gehende Schadenminderungspflicht, selbst bei anderen Werkstätten oder bei dem Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu forschen. Er darf sich vielmehr grundsätzlich darauf verlassen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um die zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemühen wird. Der Geschädigte muss sich zur Verkürzung der Ausfallzeit grundsätzlich nicht mit einer Teilreparatur seines Kfz zufriedengeben. Dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung steht nicht entgegen, dass dem Geschädigten während der Ausfallzeit seines Kfz von einem Familienmitglied ein anderes Kfz zur Verfügung gestellt worden ist. Insofern handelt es sich um die freiwillige Leistung eines Dritten, die den Schädiger nicht entlastet. OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.03.2021, Az. I-1 U 77/20

Haftung bei falschem Abbiegen an einer Verkehrsinsel 
Wie ein „Idealfahrer“ im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG verhält sich nicht, wer statt rechts links an einer Verkehrsinsel vorbei nach rechts abbiegt, um von dort sofort nach links auf einen Parkplatz einzubiegen. Ein solcher Ab- und Einbiegevorgang stellt auch einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 StVO dar, selbst wenn es kein Zeichen 222 gibt, das nur eine Vorbeifahrt rechts von der Verkehrsinsel zulässt. Ein Verursachungsbeitrag des Unfallgegners lässt sich in einem solchen Fall hingegen grundsätzlich – ohne Darlegung besonderer Umstände – nicht damit begründen, er habe im konkreten Fall im Hinblick auf den eigenen Abbiegevorgang die zweite Rückschau nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Hs. 2 StVO unterlassen können und müssen, um den falsch einbiegenden Gegenverkehr wahrzunehmen und dadurch den Unfall zu vermeiden. OLG Hamm, Beschluss vom 22.02.2021, Az. 7 U 16/20

Keine Haftung aus mündlichem Schuldanerkenntnis am Unfallort 
Die Erklärung eines Unfallbeteiligten am Unfallort, er habe das andere Fahrzeug „übersehen und trage die alleinige Schuld an dem Verkehrsunfall“ stellt mangels erforderlichen Rechtsbindungswillens kein (deklaratorisches) Anerkenntnis dar.

In dieser – bestrittenen – Aussage ist kein Schuldanerkenntnis zu sehen. Ein wirksames abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB scheidet schon mangels Einhaltung der Schriftform aus. Aber auch ein formlos mögliches deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist vorliegend abzulehnen. Durch dieses wird ein bestehendes Schuldverhältnis lediglich bestätigt. Das deklaratorische Schuldanerkenntnis braucht sich zwar nicht auf einen ziffernmäßigen Betrag zu beziehen, es genügt, wenn die Ersatzpflicht dem Grunde oder dem Verschulden nach anerkannt wird. Es muss hierbei aber der vertraglich bestätigte Anspruch aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt auf irgendeine Weise hergeleitet werden können. Eine solche Erklärung ist in der – bestrittenen – Äußerung vor Ort, er sei schuld an dem Verkehrsunfall, nicht zu sehen.

Mündliche Äußerungen, die in der ersten Aufregung an der Unfallstelle abgegeben werden, können im Allgemeinen nicht als rechtsverbindliche Anerkenntniserklärung gewertet werden, sondern haben nur als unüberlegte Beruhigungen für den Verletzten zu gelten. Für das Schaffen eines neuen Schuldgrundes besteht unmittelbar nach dem Unfallgeschehen kein Anlass. Regelmäßig sind Äußerungen zur Verursachung oder zum Verschulden des Verkehrsunfalls durch die Aufregung nach dem Unfall veranlasst und nicht Ausdruck des Willens, eine – versicherungsvertragsrechtliche bedenkliche – rechtsverbindliche Erklärung abzugeben. So verhält es sich auch hier. Ein Wille, sich durch das Schuldeingeständnis, das zudem auch nach Vortrag der Klägerseite erst nach einiger Diskussion über den Unfallhergang gefallen sein soll, rechtlich zu binden, ist nicht ersichtlich. OLG Hamm, Beschluss vom 22.02.2021, Az. 7 U 16/20

Alleinverschulden Fußgänger für Unfall beim Überqueren der Fahrbahn: Anscheinsbeweis 
Der § 25 Abs. 3 StVO stellt an denjenigen Fußgänger, der beabsichtigt, die Fahrbahn zu überqueren, erhöhte Sorgfaltsanforderungen. Nach der Rechtsprechung muss ein Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn, auf der der Fahrzeugverkehr grundsätzlich den Vorrang hat, besondere Vorsicht walten lassen. Er muss an nicht besonders vorgesehenen Überquerungsstellen (wie Fußgängerüberwegen i. S. v. § 26 StVO) auf den bevorrechtigten Verkehr Rücksicht nehmen und bei Annäherung eines Fahrzeugs warten. Er darf insbesondere nicht versuchen, noch kurz vor einem herannahenden Fahrzeug die Fahrbahn zu überqueren.

Betritt ein Fußgänger die Fahrbahn unter einem groben Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO, spricht gegen diesen regelmäßig der Anscheinsbeweis der schuldhaften alleinigen Unfallverursachung. OLG Koblenz, Urteil vom 21.12.2020, Az. 12 U 401/20

Haftungsverteilung bei Bremsmanöver in Waschanlage 
Ein Fahrzeug, das vom Transportband einer Autowaschanlage gezogen wird, befindet sich nicht „im Betrieb“ i. S. v. § 7 Abs. 1 StVG. Das gilt auch dann, wenn der Fahrer in der Sorge, auf ein vor ihm befindliches Fahrzeug gezogen zu werden, bremst, sodass das Fahrzeug von der Mitnahme des Transportbands rutscht und deshalb durch Betriebseinrichtungen der Waschstraße beschädigt wird. Fährt der vor dem beschädigten Fahrzeug gewaschene Pkw verzögert aus der Waschstraße aus und hat dies den Bremsvorgang des Fahrers des nachfolgenden Pkw ausgelöst, trifft dessen Halter und Fahrer ein nicht unerhebliches Mitverschulden i. S. v. § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB. OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.01.2021, Az. 1 U 63/19

Mitverschulden des Verletzten wegen Aufstellen des Warndreiecks nach Verkehrsunfall

Bei Unfällen mit Fußgängern haben der in Anspruch genommene Halter und Haftpflichtversicherer auch ohne den Beweis eines Verschuldens aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeugs für den unfallbedingten Schaden gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG einzustehen. Hinsichtlich des Fahrers gilt die Haftung aus vermutetem Verschulden, für dessen Entlastung er selbst die Beweislast gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG trägt.

Gegenüber dem unfallursächlichen Aufmerksamkeitsund Reaktionsverschulden des Pkw-Fahrers wiegt auch ein stark eigengefährdendes Verhalten des durch den Unfall schwer verletzten Helfers, der ein wegen eines anderen Unfalls aufgestelltes, dann aber umgestürztes Warndreieck wieder aufstellt und hierzu die Fahrbahn betritt, deutlich weniger schwer (1/3). Im Rahmen einer Pannenhilfe unterliegt derjenige, der deswegen die Fahrbahn betreten muss, nicht den Regeln für Fußgänger. Der Verkehrsteilnehmer, der bei einem Unfall oder einer Panne Hilfe leistet, ist nicht schon deshalb von der Pflicht befreit, um seinen eigenen Schutz bemüht zu bleiben. Er muss sich im eigenen Interesse umsichtig verhalten und das Risiko, infolge seiner Hilfeleistung selbst verletzt zu werden, möglichst ausschalten. Bei der Beurteilung der Schwere des Verschuldens gegen sich selbst ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass der Geschädigte mit der Absicht, Hilfe zu leisten und Gefahren für andere abzuwenden, das Warndreieck wieder aufstellte. Hierfür hat er sich über die Mittellinie der Gesamtfahrbahn dem bereits an einem bestimmten Ort befindlichen Warndreieck genähert, um dann ... auf dem kürzesten Weg über einen Fahrstreifen zu diesem zu gehen und dieses neu aufzustellen. Dass er hierbei den sich nähernden Verkehr auf der linken Geradeausspur nicht beachtete, bleibt vorwerfbar, ohne dass dieser Vorwurf eine besondere Schwere erreicht. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2020, Az. 1 U 63/20
 

VERWALTUNGSRECHT/ FAHRERLAUBNIS

BGH: Verbotenes Rennen auch bei schnellem Fahren mit nur einem Fahrzeug 
Der Gesetzgeber wollte mit § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB neben den Rennen mit mehreren Kraftfahrzeugen auch Fälle des schnellen Fahrens mit nur einem einzigen Kraftfahrzeug strafrechtlich erfassen, die über den Kreis alltäglich vorkommender, wenn auch erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitungen hinausragen, weil der Täter mit einem Kraftfahrzeug in objektiver und subjektiver Hinsicht ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt. Nach der als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestalteten Begehungsalternative des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer im Straßenverkehr sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Die Absicht des Täters, nach seinen Vorstellungen auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke die nach den situativen Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss nicht Endziel oder Hauptbeweggrund des Handelns sein. Es reicht vielmehr aus, dass der Täter das Erreichen der situativen Grenzgeschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen. BGH, Beschluss vom 17.02.2021, Az. 4 StR 225/20

Bußgeldbemessung bei Vorbeifahren an mehreren Verkehrszeichen 
Fährt der Betroffene an mehrfach hintereinander aufgestellten, die Höchstgeschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen vorbei, ohne seine Geschwindigkeit entsprechend anzupassen, so handelt er – wenn nicht gar vorsätzlich – mit gegenüber dem Regelfall gesteigerter Fahrlässigkeit, was durch Erhöhung der Regelgeldbuße geahndet werden kann. In den besagten Fällen ist der Fahrlässigkeitsvorwurf als erhöht anzusehen, was es rechtfertigt, die Regelgeldbuße entsprechend zu erhöhen. OLG Koblenz, Beschluss vom 08.03.2021, Az. 4 OWi 6 SsRs 26/21

„Handyverstoß“ durch Benutzung des Taschenrechners am Steuer 
Ein elektronischer Taschenrechner unterfällt als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO. 

Dies ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO. Die Durchführung einer Rechenoperation mittels eines elektronischen Taschenrechners zur Ermittlung eines auf dem Gerät ablesbaren Ergebnisses ist als Informationsvorgang anzusehen, sodass der Taschenrechner nach dem Wortlaut der Norm als Gerät zur Information der Regelung des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO unterfällt.

Mit der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO wollte der Verordnungsgeber das Benutzen elektronischer Geräte während des Führens eines Fahrzeugs nicht ausnahmslos untersagen. Ausweislich der Verordnungsbegründung sollte aber die Nutzung von Geräten aus den in der Vorschrift im einzelnen aufgeführten Gerätekategorien im Interesse der Verkehrssicherheit an die Erfüllung der strengen Anforderungen geknüpft werden, die in § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 und 2 StVO normiert sind. Der ausdrückliche Wille des Verordnungsgebers, sämtliche Geräte aus den aufgeführten Gerätekategorien zu erfassen, spricht für eine weite, die Wortbedeutung ausschöpfende Auslegung des Tatbestandsmerkmals des der Information dienenden Geräts.

Schließlich streitet auch der Zweck der Vorschrift für dieses Auslegungsergebnis. Die Bestimmung des § 23 Abs. 1a StVO dient dem Ziel, Gefahren für die Verkehrssicherheit zu verhindern, die aus einem Aufnehmen und Halten des Geräts oder einer mit der Gerätenutzung verbundenen nicht nur unwesentlichen Beeinträchtigung der visuellen Wahrnehmung des Verkehrsgeschehens resultieren können. Eine solche Gefahrenlage ist auch bei der Benutzung eines elektronischen Taschenrechners beim Führen eines Fahrzeugs gegeben. 
BGH, Beschluss vom 16.12.2020, Az. 4 StR 526/19

Handyverstoß bei Einklemmen des Mobiltelefons zwischen Ohr und Schulter 
Ein im Sinne von § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 StVO tatbestandsmäßiges „Halten“ liegt auch dann vor, wenn das elektronische Gerät zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt wird.

Gemäß §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Ziff. 22 StVO bußgeldbewehrt ist die Benutzung eines dort genannten elektronischen Geräts – unter anderem auch des hier in Rede stehenden Mobiltelefons –, wenn dieses für die Benutzung aufgenommen oder gehalten wird. Ein Benutzen des Mobiltelefons hat die Betroffene eingeräumt. Sie hat das Mobiltelefon aber auch – wie die genannte Vorschrift dies voraussetzt – „gehalten“, indem sie dieses zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt hat.

Zur Erfüllung des Tatbestands genügt nicht, dass die Betroffene das Mobiltelefon zu irgendeinem Zeitpunkt aufgenommen haben muss. So genügt ein Aufnehmen des elektronischen Geräts in dem Zeitpunkt, da der Motor des Fahrzeugs abgeschaltet ist, nicht zur Tatbestandserfüllung.

Ein „Halten“ von Gegenständen ist dem Wortsinn nach ohne Weiteres auch ohne Benutzung der Hände möglich. Auch der Zweck der Vorschrift steht einer entsprechenden Annahme jedenfalls nicht entgegen. Der Verordnungsgeber hat zwar der Benutzung von elektronischen Geräten mit den Händen eine erhöhte Ablenkungswirkung beigemessen; er hat aber ersichtlich auch in den Blick genommen, dass fahrfremde Tätigkeiten unabhängig hiervon eine die Verkehrssicherheit gefährdende Ablenkungswirkung entfalten. Dass es sich bei der Benutzung eines Mobiltelefons auch in der hier geschehenen Weise um eine fahrfremde Tätigkeit handelt, kann dabei keinem Zweifel unterliegen. Sie birgt auch ein nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial. Dabei geht es nicht einmal in erster Linie um eine Erschwernis des Schulterblicks oder auch des Blicks in den Spiegel. Neben dem Telefongespräch als solchem beansprucht vielmehr insbesondere auch das höchst unsichere und daher letztlich unverantwortliche Halten des Mobiltelefons zwischen Ohr und Schulter selbst die Aufmerksamkeit des Fahrers über Gebühr. Es besteht das Risiko, dass das Mobiltelefon sich aus seiner „Halterung“ löst und den Fahrer dann zu unwillkürlichen Reaktionen verleitet, um zu verhindern, dass es – etwa – im Fußraum des Fahrzeugs unauffindbar wird. Schon um diesem Risiko entgegenzuwirken, wird der Fahrer einen ansonsten dem Verkehrsgeschehen zuzuwendenden Teil seiner Aufmerksamkeit seinem Mobiltelefon schenken.

Bei alledem verkennt der Senat nicht, dass der Verordnungsgeber ausweislich der Verordnungsbegründung davon ausgegangen ist, dass unter „Halten“ ein „in der Hand halten“ zu verstehen ist. Vielmehr erfasst der Normwortlaut die hier in Rede stehende Konstellation zwanglos und ihre Bußgeldbewehrung ist auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckt. OLG Köln, Beschluss vom 04.12.2020, Az. 1 RBs 347/20

Scanner eines Paketauslieferungsfahrers als verbotenes elektronisches Gerät 
Der Scanner eines Paketauslieferungsfahrers ist ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO. 

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen belegen eine vorsätzliche verbotswidrige Nutzung eines elektronischen Geräts im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO.

Die Feststellungen tragen die Annahme, dass der Betroffene ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient, benutzt und hierzu aufgenommen hat. Der Scanner wird den Feststellungen zufolge mit einem Akku oder einer Batterie betrieben, stellt also ein elektronisches Gerät dar. Dieses Gerät zeigte dem Betroffenen die auszuführenden Aufträge und die Lieferadressen an und diente damit seiner Information und Organisation. Von der Erledigung eines Auftrags erhielt der Auftraggeber jeweils über den Scanner eine Nachricht, sodass das Gerät auch der Kommunikation diente. Dadurch, dass der Betroffene den Scanner in der Hand hielt und auf die Tastatur tippte, hat er das Gerät aufgenommen und bedient. Nach dem Wortlaut der Norm ist der Tatbestand mithin erfüllt, und zwar vorsätzlich. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und dem Zweck der Norm. Der Gesetzgeber wollte der unfallgefährlichen Ablenkung der Kraftfahrzeugführer durch Mobiltelefone und andere elektronische Geräte entgegenwirken und hat den Tatbestand zudem offen formuliert. Der Scanner wird wie ein Mobiltelefon über eine Tastatur bedient und verfügt auch über ein Display. Die Bedienung des Gerätwws erfolgt weitgehend in gleicher Weise wie bei einem Mobiltelefon und führt ebenso wie dieses zur Ablenkung des Fahrers. OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2020, Az. 4 RBs 345/20

 

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