Die neue Fünfhundert
<p>Die Mercedes-Benz S-Klasse gilt gemeinhin als Speerspitze des Automobilbaus. Entsprechend hoch sind nun die Erwartungen an das jüngst vorgestellte neue Modell. Flottenmanagement war mit dem mild-hybridisierten und der Downsizing-Logik folgenden Version S 500 4Matic unterwegs – jetzt mit sechs statt acht Töpfen unter der Haube.</p>

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Was muss eine S-Klasse heutzutage können? Ihre menschliche Fracht möglichst unhörbar, gebettet wie auf Watte, zügig und so sicher wie möglich ans Ziel bringen bei ausufernden Raumverhältnissen. Puh, das ist ein ganz schöner Katalog. Doch starten wir mal der Reihe nach. Beim Thema Geräusch liegen die Dinge ja heute ohnehin anders: Ein Elektroauto macht keinen natürlichen Motorsound mehr, also darf ein Verbrenner ruhig charakteristisch klingen. Zwar hat unsere hier getestete S-Klasse einen mit 22 PS fraglos kräftigen Elektromotor, doch der unterstützt nur den inzwischen wieder als Reihenmotor antretenden Sechszylinder mit drei Litern Hubraum, elektrischem Verdichter sowie Turboaufladung – kurzum, ein respektables Hightech-Triebwerk. Das macht neugierig, also schnell den Startknopf angetippt. Orgeln ist nicht mehr – der Dreiliter „ploppt“ an, weil der integrierte Startergenerator (Anlasser-Ersatz) den Verbrenner blitzschnell hochzieht. Akustisch fast unmerklich befindet sich der Reihensechser plötzlich im Leerlauf.
Dass man sich ganz nebenbei auch in üppigsten, anschmiegsamen Fauteuils wiederfindet, muss jetzt mal kurz zurückstehen und wird später zelebriert. Der Blick wandert gen Heckdeckel, da prangt hinten in großen Ziffern „500“ auf dem Blech – und unter der Haube werkeln einfach so zwei Zylinder weniger – das ist eigentlich wider die Tradition. Aber an die Motorenfreunde: Es gibt den Achtender ja noch in der Baureihe 223, keine Sorge. Jetzt schnell in Fahrstufe „D“ und schauen, wie sich der Sechszylinder gibt. Sanft rollt das in der Langversion auf 5,29 Meter Außenlänge angewachsene Luxusgefährt los; ein bisschen Gas lässt den Haubenstern würdevoll Richtung Himmel streben, das alte, luxuriöse Fahrgefühl ist also noch nicht ausgestorben. Währenddessen hält sich der Benziner tonal im Hintergrund, entwickelt aber mit zunehmender Drehzahl ein sportliches Timbre. Dann schiebt der Allradler auch durchaus energisch und ist schneller, als er durch zahlreiche Dämm-Maßnahmen wirkt, die den Passagier effektiv von der Außenwelt entkoppeln.
Eine bestimme technische Maßnahme sorgt indes dafür, dass Mercedes’ größtes Pkw-Modell gefühlt handlicher als eine C-Klasse anmutet. Klar, dass die Verantwortlichen den Testwagen nicht ohne die Hinterrad-Lenkung aus dem Depot lassen mit bis zu zehn Grad Lenkwinkel. Plötzlich biegt der Fünfhundert in eine enge Einfahrt, als sei er ein Kompakter, das ist wirklich ein frappierendes Gefühl. Überhaupt wirkt die schwere Oberklasse null phlegmatisch und schafft es, bei maximalem Fahrkomfort auch eine dynamische Note zu vermitteln – angesichts 435 plus 22 PS jetzt auch nicht völlig verwunderlich. Führt der Weg über eine kurvige Landstraße, bleibt der Spaß im wahren Sinne des Wortes keineswegs auf der Strecke, sondern beim Fahrer. Die exakte, leichtgängige Servo vermittelt ein Restgefühl an Fahrbahnkontakt, so entkoppelt man hier auch unterwegs ist. Hier wird deutlich, dass Mercedes eine Ingenieur-Schmiede ist, die es versteht, ihre Vehikel auf den Punkt abzustimmen. Den S 500 in Fahrt zu bringen, gelingt einfach – ein bisschen beschäftigen müssen wird man sich dagegen mit dem Infotainment.
Der Informationsaustausch erfolgt in der Hauptsache über den großen Touchscreen auf der Mittelkonsole – integral angerichtet inmitten einer stylischen Front aus edlem Holz. Hier kann man lange herumexperimentieren, will man die gesamte Tiefe der Funktionsfülle ausschöpfen. Das wird eine spannende Entdecker-Reise, und bis alles sitzt, geht viel Zeit ins Land. Der eine oder andere Besitzer wird sein Auto genauestens erkunden wollen und jeden Move beherrschen, während ein anderer Menschenschlag Gebrauch machen dürfte von der weiterentwickelten Sprachsteue- rung. Warum ewig während der Fahrt im Menü suchen, wenn der Rechner des leistungsfähigen MBUX-Systems auf zahlreiche Befehle gehorcht? „Hey Mercedes, spiele Deutschlandfunk!“ – schon schaltet das Radio den gewünschten Sender ein, klappt perfekt. Gleiches gilt für etliche andere Funktionen, einfach mal ausprobieren. Doch bevor wir den großen Benz jetzt wieder auf dem Chefparkplatz abstellen, müssen wir noch ein bisschen über Raumeindruck und Sitzkomfort philosophieren.
Waren die Langversionen in Europa früher zumindest die Ausnahme, sieht man sie neuerdings häufiger. Im Handling machen die rund elf Zentimeter Längenzuwachs auch nicht den entscheidenden Unterschied, aber weil das Plus an Länge voll auf den Radstand geht, sitzt der Hinterbänkler in der zweiten Reihe erster Klasse. Freilich kann man bei den entsprechenden Kreuzen in der Liste auch sämtlichen Sitzluxus nach hinten holen. Dann massiert und temperiert die Kontaktfläche den Allerwertesten. Je nach Option pumpt ein Kompressor auch die Seitenwangen auf mit der vom Auto in Kurven ausgehenden Dynamik, um noch mehr Komfort wie Sicherheit zu generieren. Die Lang- versionen der S-Klasse ermöglichen neuerdings sogar eine Wadenmassage im Fond, so weit ist man im Jahr 2021 schon. Dagegen gehören Features wie buntes Ambientelicht oder verschiedene Beduftungsprogramme schon zu den bekannten Goodies. Dieser Trend dürfte von den asiatischen Kunden getrieben worden sein, aber auch Europäer können hieran durchaus Gefallen finden.

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Wer S-Klasse im Allgemeinen und S 500 4Matic mit langem Radstand im Besonderen fahren möchte, muss traditionell tief in die Tasche greifen. Mit 103.590 Euro netto preist Mercedes sein Flaggschiff ein. Viele Sonderausstattungen braucht es hingegen nicht unbedingt, sogar luxuriöse Dinge wie adaptive LED-Scheinwerfer, Luftfederung und Servoschließung für sämtliche Türen zählen zum Standard. Selbiges gilt für die Fahrerassistenz, die S-Klasse bremst ganz selbstverständlich in vielen Situationen autonom, übernimmt außerdem die Längs und Querführung und besticht in diesem Kontext durch eine wahnsinnig feinfühlige Steuerung. Aber Mercedes wäre nicht Mercedes, wenn den Technikern es nicht gelänge, die Kunden mit Innovationen zu locken. Die im Falle eines Crashs vor Verletzung schützenden Beltbags (im Gurt integrierte Airbags) schlagen mit einem moderaten Aufpreis von 590 Euro netto nicht so arg ins Kontor, als dass man auf sie verzichten wollte. Technik-Fans möchten außerdem definitiv nicht das schon teurere (3.190 Euro netto) Head-up-Display mit Augmented Reality-Elementen missen. Hier zeigen bei aktiver Ziel- führung große, über der Fahrbahn schwebende Pfeile ziemlich eindeutig den Weg. Ein bisschen Spielzeug für Erwachsene muss eben auch in der S-Klasse sein.

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