Elektromobilität: Hürden abbauen ist die Basis

<p>Die Menschen sind wie Elektronen in einem Stromkreis – sie suchen sich den Weg des geringsten Widerstands. Wer also neue Technologien etablieren will, der muss dafür sorgen, dass die Nutzung nicht nur unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll, sondern auch sehr einfach ist. Wer heute als Mobilitätsmanager*in den Einsatz von Elektromobilität ausbauen und die Fahrzeuge überregional einsetzen will, verzweifelt nicht nur an babylonischen Verhältnissen bei den Tarifen, auch eine schlanke Abwicklung wird durch die Vielzahl der Ansprechpartner mehr als erschwert.</p>

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Zunächst standen die Reichweiten von Elektrofahrzeugen in der Kritik. Das hat sich mehr oder weniger erledigt. Nun gibt es für typische Fuhrparkfahrzeuge teilweise noch kein Pendant als E-Variante. Daran arbeiten die Hersteller mit Hochdruck. Auch in den Ausbau der Ladeinfrastruktur wird kräftig investiert. Das sollte bis 2030 entsprechend der steigenden Fahrzeuganzahl ausreichend mitwachsen. Aktuell nimmt das Bundeskartellamt die Preisgestaltung bei den Ladesäulen im öffentlichen Raum unter die Lupe und die Bundesnetzagentur konsultiert Marktteilnehmer und wird – so ist zu hoffen – auf eine Harmonisierung drängen. Das alles ist auch bitter nötig.

Abrechnungschaos muss enden 
Die derzeitigen Abrechnungssysteme und Tarifgestaltungen an öffentlichen Ladesäulen gleichen einem Irrgarten. Wer Elektrofahrzeuge einsetzt, hat kaum einen Überblick über die einzelnen Tarife und Identifikationsprozesse. Fuhrparkverwaltungen sind aufgrund des Chaos und der Vielzahl von Vertragspartnern dazu gezwungen, Ladevorgänge manuell zu buchen und zu betreuen. Das ist nicht nur sehr zeitaufwendig, sondern auch unnötig teuer. Effizienz ist etwas anderes. Dieses komplizierte Vorgehen ist einer der Gründe, warum sich die Elektromobilität nur schleppend durchsetzt. Fahrzeuge mit ausschließlich elektrischem Antrieb haben derzeit in Deutschland einen Marktanteil von 3,7 Prozent. Mit einem Marktanteil von 3,9 Prozent entscheiden sich jedoch mehr Nutzer für einen Plug-in-Hybrid. Derzeit sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Die Kluft droht laut eines aktuellen CAM-Reports aber weiter auseinanderzudriften. Im Vergleich zu 2019 nehmen Hybride in diesem Jahr mit 308 Prozent deutlich stärker zu als die reinen Elektrofahrzeuge (61 Prozent). Das zeigt: Der Elektroantrieb ist zwar im Kommen; Nutzer möchten aber die Flexibilität des Verbrennungsmotors nicht missen. Gerade Fuhrparkverantwortliche sehen sich im Zwiespalt zwischen dem Wunsch nach dringend notwendigen Investitionen in saubere, nachhaltige Mobilität und einer ineffizienten, katastrophalen Bürokratie. Das liegt nicht zuletzt an den intransparenten und komplizierten Abrechnungswegen öffentlicher Ladestationen. 

Der Ladevorgang an sich ist kein Problem – Stecker und Ladesäulen passen in der Regel zusammen. Doch viele potenzielle Kunden kommen gar nicht bis an diesen Punkt. Denn bereits im Vorfeld herrscht großes Chaos. Die meisten Ladesäulen werden von lokalen Stromanbietern monopolistisch betrieben, wodurch vor allem den E-Nutzern, die nicht aus der Region kommen, Hürden beim Stromzapfen in den Weg gestellt werden. Die Zahlungssysteme variieren nämlich je nach Anbieter und können schnell zur Kostenfalle werden. In Deutschland gibt es derzeit knapp 300 Tarife für Autostrom. Die Kosten können an einer einzigen Ladesäule sehr unterschiedlich ausfallen – unter anderem abhängig davon, ob der Kunde Vertragspartner des regionalen Anbieters ist. Kunden erhalten trotz gesetzlicher Bestimmungen vorab oftmals keinerlei Informationen über die Kosten. Vielerorts werden die Abgabepreise nicht angezeigt. Und auch der Bezahlvorgang selbst ist vielmals an individuelle Voraussetzungen geknüpft. Dazu unterscheiden sich auch die Abrechnungsmodelle stark. Das Bezahlen pro Kilowattstunde ist nur eine Möglichkeit unter vielen. Manche Anbieter rechnen pauschal pro Ladevorgang ab, andere nehmen eine Grundgebühr pro Monat und lassen sich zusätzlich die Kilowattstunden bezahlen, wieder andere bieten Monatsflatrates oder kassieren je Minute. Was nahezu überall einheitlich ist: Nicht-Vertragskunden müssen mit deutlich höheren Kosten rechnen. 

Ist man mit dem firmeneigenen E-Auto ausschließlich in der eigenen Region unterwegs, sind die Herausforderungen des Ladens noch zu bewältigen. Entweder auf dem Firmenparkplatz mit der betriebseigenen Wallbox. Oder man hängt das Fahrzeug an eine öffentliche Ladesäule und bezahlt dort relativ unkompliziert als Vertragskunde mit einer Tankkarte oder via App. Das sind überschaubare Verfahren und die Preise sind in der Regel moderat. Kniffelig wird es dagegen bei den überregionalen Fahrten, wie es bei Dienstwagen oft der Fall sein kann. Da entpuppt sich die Fuhrparkverwaltung als Herausforderung.

Ein Elektroauto muss in der Regel alle paar Hundert Kilometer aufgeladen werden. Durchschnittlich findet etwa jeder dritte Ladevorgang unterwegs statt, so Stiftung Warentest. Und das kostet in der Fremde nicht nur mehr Geld, sondern vor allem auch Nerven. Momentan wird eine Vielzahl von Identifizierungs- und Zahlungsmitteln benötigt, sobald das Geschäftsgebiet des eigenen regionalen Anbieters verlassen wird. Da kann es auch leicht passieren, dass einem der Zugang zu einer fremden Ladestation mangels Registrierung komplett verwehrt bleibt. Einfach mit der Kreditkarte bezahlen, wie man es vom Tanken mit Benzin oder Diesel gewohnt ist, funktioniert nicht. Roaming-Optionen für Ladesäulen sind zwar im Kommen, aber längst noch nicht flächendeckend verbreitet. Doch gerade wenn man beim Nicht-Vertragspartner auftankt, geht mit dem Ladevorgang ein unnötig hoher Verwaltungsaufwand im Fuhrparkmanagement einher. Das geht insbesondere zulasten der Unternehmen, die Elektrofahrzeuge bundesweit einsetzen und sich damit für den Klimaschutz starkmachen wollen.

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Nur Kaufprämien reichen nicht 
Damit die Kaufprämie für E-Autos ein Erfolg wird, muss der Gesetzgeber also beim Thema Ladestationen nachbessern. Der geplante Ausbau der Ladeinfrastruktur auf derzeit etwa 27.000 Stationen ist durchaus löblich. Bis zu 1.000 weitere Schnellladeparks sind geplant. Jedoch ist die Verteilung regional sehr unterschiedlich. Und auch der Nutzen ist nur begrenzt, wenn etliche E-Autofahrer* innen daran gar nicht andocken können. Die Bundesnetzagentur hat deshalb im Juli 2020 ein Konsultationsverfahren durchgeführt (Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor), um die Netzzugangsbedingungen für Autostrom zu verbessern. Die Behörde will Ladesäulenbetreiber durch eine ab April 2021 gültige Regelung dazu bringen, auch den Strom der Konkurrenz anzubieten – und zwar zu deren Tarifen und Konditionen. Dadurch soll ein bilanzieller Lieferantenwechsel direkt am Ladepunkt ermöglicht werden. Für Unternehmen, die E-Fahrzeuge nutzen, bedeutet das: Sie können einen Vertrag mit einem Versorger abschließen und zu den so vereinbarten Konditionen an allen öffentlichen Ladestationen andocken. Entsprechend können die administrativen Vorgänge in der Fuhrparkverwaltung automatisiert werden. Der Bundesverband Fuhrparkmanagement begrüßt diesen Vorstoß. Viel zu lange wurde bei diesem wichtigen Thema weggeschaut. Die Abrechnungswege öffentlicher Ladestationen müssen dringend transparenter und zudem harmonisiert werden.

Fazit 
Von den Maßnahmen würden letztendlich alle profitieren: Die Betreiber sollen von den Wettbewerbern angemessen bezahlt werden. Die Kunden wären flexibler und könnten mit einheitlichen Preisen kalkulieren. Sie müssten auch keine unzähligen Apps oder mehrere Tank-, Lade- oder Kreditkarten mehr haben. Für Fuhrparkmanager* innen würden sich durch ein schlankeres, digitales Abrechnungssystem die Administration und dadurch auch der Zeitaufwand erheblich reduzieren. Das wäre deutlich kosteneffizienter. Mit der Harmonisierung würde eine große Hürde für Unternehmen beseitigt, den Anteil an E-Fahrzeugen in ihren Flotten zu erhöhen. Damit würde gleichzeitig ein wichtiger Hebel beim Umstieg auf neue Technologien aktiviert, denn Betriebe sind mit mehr als 60 Prozent aller Neuzulassungen die wichtigsten Autoeinkäufer. Elektroautos würden also attraktiver werden, mit positiven Auswirkungen auf das Klima – spätestens wenn sich die Ökobilanz der Fahrzeuge auch gegenüber modernen Dieselmotoren weiter verbessert. Weitere Informationen: www.fuhrparkverband.de

 

AUTOR

AXEL SCHÄFER ist seit 2010 Geschäftsführer des von ihm mitinitiierten und mitgegründeten Bundesverbandes Fuhrparkmanagement e. V. und Sprecher der FMFE Fleet And Mobility Management Federation Europe. Zuvor war er viele Jahre erfolgreich im Vertrieb bei führenden Leasinggesellschaften tätig, bevor er sich 1991 selbstständig machte. Der diplomierte Finanzierungs- und Leasingwirt (VWA) ist seit 1992 als Autor, Trainer/Fachreferent in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig. Seine Kernkompetenz liegt nach wie vor in Fuhrparkmanagement und Leasing. Von 1992 bis 2012 war er Autor und Herausgeber des Praxishandbuchs Fuhrparkmanagement, aktuell gibt er das Fuhrparkcockpit für Mitglieder des Fuhrparkverbandes heraus, eine digitale Know-how-Sammlung, die umfangreiches Fuhrparkwissen bereitstellt.

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