Der digitale Gutachter
<p> Als neutrale Instanz werden im Schadenfall oder bei der Rückgabe eines Flottenfahrzeugs in der Regel Gutachter damit beauftragt, den Restwert des Fahrzeugs zu ermitteln. Diese übernehmen damit eine wichtige Rolle im Aussteuerungs- und Schadenregulierungsprozess. Dennoch kann sich theoretisch jeder in Deutschland als Sachverständiger bezeichnen, ohne seinen Sachverstand nachweisen zu müssen. Für den Flottenleiter gilt daher: Augen auf bei der Dienstleisterwahl.</p>

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Rainer Schwer ist Key Account Manager bei der DEKRA Automobil GmbH und gibt Flottenleitern bei der Suche nach einem vertrauenswürdigen Gutachter einen einfachen Rat mit auf den Weg: „Um sicher zu gehen, empfiehlt sich die Wahl eines Gutachters, der entweder durch eine seriöse Institution, wie zum Beispiel durch das Institut für Sachverständigenwesen IfS, zertifiziert oder aber öffentlich bestellt und vereidigt ist. Große Organisationen wie DEKRA sind ebenfalls verlässlich, da sie durch interne Maßnahmen die hohe Qualität der Dienstleistungen sicherstellen.“ Ist ein vertrauenswürdiger Partner für den Flottenalltag gefunden, sollte man diesen im Schadenfall und bei der Fahrzeugrückgabe hinzuziehen. Der Gutachter soll in diesen Fällen für eine neutrale Bewertung des Fahrzeugzustands sorgen. So schildert Dirk Winter, Geschäftsinhaber von FAC Concept: „Speziell auf unseren Alltag angewandt, übernimmt der Gutachter eine sehr wichtige und zentrale Rolle, welche die Basis für eine faire und partnerschaftliche Abrechnung des Leasing- beziehungsweise Rückkaufgutes zwischen zwei Parteien bildet.“
Leasingrückgabe
Gerade die Rückgabe von Leasingfahrzeugen ist immer wieder Anlass zum Ärger aufseiten des Fuhrparkleiters. Um diesen Ärger etwas zu reduzieren, sollte man nicht bis zum letzten Leasingtag mit der Bewertung des Fahrzeugs warten, weiß Christos Gkirtzalis, Key Account Manager bei der TÜV SÜD Auto Service GmbH: „Bereits vor der Leasingrückgabe kann der TÜV SÜD Sachverständige den Zustand des Fahrzeugs bezüglich zu erwartender Mängel bei der Leasingrückgabe beurteilen und die Entscheidungsgrundlage dafür liefern, ob eine Instandsetzung vor Rückgabe oder Rückgabe mit dem Mangel aus Sicht des Fuhrparks sinnvoller ist.“ In vielen Fällen kann man durch Smart Repair mit relativ wenig Aufwand die Rückgabekosten minimieren. Jährlich entstehen durch den hohen Verschleiß der Fahrzeuge im Flottenalltag Kosten in Millionenhöhe, wie Marius Klosa, Leiter Vertrieb und Prozessmanagement bei der GKK Gutachten GmbH, berichtet: „Zur Minimierung der Kosten bietet die GKK Gutachten GmbH den GKK ReturnCheck an. Der modular aufgebaute Prozess beinhaltet aufeinander abgestimmte Bausteine zur optimierten Fahrzeugrückgabe und auf Wunsch auch die Unterstützung bei der Fahrzeugvermarktung. Als GKK-Kunde kann man sich den Prozess ganz nach seinen Anforderungen zusammenstellen und die Rückgabekosten stark reduzieren.“ Eine Mängelanalyse kann übrigens auch bei einem Fahrerwechsel innerhalb der eigenen Flotte sinnvoll sein, wenn das Fahrzeug noch ein paar Monate weiter im Unternehmen bleibt.
Weitere Dienstleistungen
Wie schon erwähnt, übernimmt ein Gutachter im Flottenalltag neben der Beurteilung eines Miet- oder Leasingrückläufers noch weitere Dienstleistungen. Bei einem Unfallschaden beispielsweise sollte ein Sachverständiger grundsätzlich hinzugezogen werden. Im Haftpflichtschadenfall hat der Halter das Recht, den Gutachter frei zu wählen. Anders ist dies im Kaskofall. Hier obliegt die Entscheidung und Auswahl bezüglich einer Gutachterleistung dem Versicherer, jedoch kann der Sachverständige im Rahmen einer ganzheitlichen Betreuung den Fuhrpark auch im Kaskofall mit seiner Expertise unterstützen.
Darüber hinaus bieten gerade große, bundesweit agierende Sachverständigen- Organisationen noch eine Fülle an weiteren Dienstleistungen. „In den letzten Jahren ist neben den klassischen Schadengutachten, Leasingrückgabegutachten und der Hauptuntersuchung immer mehr das Thema UVV präsent. Der Fuhrparkleiter ist hier persönlich für die Einhaltung der Vorschriften, was auch strafrechtlich relevant ist, verantwortlich“, beschreibt der Geschäftsführer der Hüsges Gruppe – Die Gutachter, Arndt Hüsges.
Wie die Übersichtstabelle zeigt, bieten die Gutachter noch viele andere Dienstleistungen an und selbst dabei handelt es sich nur um einen Auszug aus dem Produktportfolio der großen Organisationen. Was alle Aufgaben allerdings gemein haben, ist der Trend zur Digitalisierung, wie der Geschäftsführer der intertaxexpert Gutachtenmanagement GmbH, Holger Piesche, weiß: „Immer wichtiger wird das Thema Digitalisierung und Consulting bei den Firmen.“ Einige Prozesse können heutzutage schon vollständig digital abgewickelt werden. So ermöglicht die mySchaden24- App eine vollständig digitale Schadenaufnahme im Falle eines Unfalls. Die mit dem Smartphone Step-by-Step erfassten Daten ermöglichen eine Prozessabwicklung innerhalb von Stunden, was zuvor Tage in Anspruch genommen hat. Auch bei der Gutachtenerstellung wird es immer digitaler, wie zum Beispiel bei den Huesges AI Services. Hier wird der Schaden am Fahrzeug über die Smartphone-Kamera gescannt. Das System zeigt unmittelbar alle Details zum Schaden an und erstellt eine Kalkulation der anfallenden Kosten. Der Vorteil solcher Lösungen liegt auf der Hand: Prozesskosten wie Anfahrtsweg des Sachverständigen, längere Bearbeitungszeiten und daraus resultierende Mehrkosten entfallen. Auch internationale Flotten oder sehr schlecht zu erreichende Standorte können so bedient werden.

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Doch die Flexibilität kann auf Kosten der Genauigkeit gehen, denn die Zusammenhänge von Schäden sind immer schwieriger zu erkennen. Das liegt an einer weiteren Facette der Digitalisierung. Nicht nur die Prozesse rund um eine Gutachtenerstellung werden digitaler, auch das Fahrzeug an sich ist diesem Trend unterlegen und besitzt eine Fülle an Assistenzsystemen und Sensoren. „Grundlage der Assistenzsysteme sind natürlich gerade diese vernetzten Rechner, die in vielen Fällen über auslesbare Speichersysteme verfügen“, erläutert Marius Klosa die aktuellen Herausforderungen. „In diesen Speichersystemen wird eine große Anzahl von Echtzeitdaten hinterlegt, die bei entsprechender fachlicher Qualifikation des Sachverständigen umfassende Rückschlüsse auf den Unfallablauf sowie möglicherweise verdeckte Fahrzeugbeschädigungen ermöglichen. Der Sachverständige von heute muss, unter anderem im Hinblick auf das autonome Fahren auch von morgen, sich mit den entsprechenden Ausleseund Auswertungstools ausstatten sowie sich die erforderlichen Fachkenntnisse aneignen.“
Fazit
Die Digitalisierung hat ihren Preis, denn um ein Gutachten für einen modernen Pkw zu erstellen, bedarf es neben eines gut geschulten Personals auch der entsprechenden Technologien, um Fahrzeugspeicher auslesen zu können. Das dürfte gerade für kleinere Anbieter auf Dauer zum Verhängnis werden. Auf der anderen Seite beschleunigt sich eine Vielzahl von Prozessen, die Schadenregulierung wird effizienter und der Flottenleiter bekommt mehr Möglichkeiten der Steuerung. Der Sachverständige verliert durch die Digitalisierung jedoch keineswegs an Bedeutung im Aussteuerungsprozess von Flotten und ist in manchen Fällen (noch) nicht zu ersetzen.

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