Grund zum Wechseln
<p> Zwar keimen bei diesen Temperaturen nur in seltenen Fällen erste Gedanken zum bald anstehenden Reifenwechsel auf, jedoch sollte die Terminabsprache mit dem Reifenservice bereits in den nächsten Wochen erfolgen, um möglichst lange Wartezeiten zu verhindern. Doch warum sollten zweimal jährlich die Pneus getauscht werden? Was hat dies mit der Beschaffenheit von Sommer- beziehungsweise Winterreifen zu tun? Und welche Details sollten bei der Anschaffung neuer Pneus beachtet werden? Antworten auf diese und weitere Fragen fasst Flottenmanagement in diesem Artikel zusammen.</p>

PDF Download
Jedes Jahr von Ende November bis Anfang Dezember findet in den Messehallen der Messe Essen eines der wichtigsten After-Sales-Events hierzulande statt – die Essen Motor Show. Doch was hat die über Landesgrenzen hinweg bekannte Tuningmesse mit dem Thema Reifen zu tun? Zum einen ist die Essen Motor Show nach der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) die zweitgrößte Fahrzeug-Messe in Deutschland und zum anderen nutzen Reifenhersteller sowie deren angeschlossene Handelsorganisationen die Plattform gern, um neben Performance-Aspekten ihrer Produkte auch deren Sicherheits- und Komfortaspekte herauszustellen und diese Fülle an Eigenschaften einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. So gehört das „TUNE IT! SAFE!“-Kampagnenfahrzeug mit der Hankook-Bereifung beispielsweise zum festen Bestandteil der Essener Messe. Doch Köln widmet der Reifenbranche in diesem Jahr – vom 9. bis 12. Juni 2020 – sogar eine ganze Messe: Zum zweiten Mal findet THE TIRE COLOGNE statt. Während man in Essen versucht, Tuningfans die Bedeutung von Reifen als Sicherheitselement näherzubringen, richtet sich das Kölner Veranstaltungskonzept vor allem an Fachbesucher, die sich in den Hallen der Koelnmesse über Innovationen und Trends informieren wollen.
Doch zurück zur eigentlichen Frage: Warum sollten zweimal jährlich die Reifen getauscht werden? Seit Dezember 2010 gibt es in Deutschland eine „situative Winterreifenpflicht“, das bedeutet, dass nach § 2 Punkt 3a der Straßenverkehrsordnung (StVO) „bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte [ein Kraftfahrzeug nur geführt werden darf], wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung genügen“. Dabei handelt es sich um eine Verhaltens- nicht um eine Ausrüstungsvorschrift und sie gibt damit auch keinen bestimmten Zeitraum für einen Reifenwechsel vor. Kommt es jedoch zu einem Unfall oder einem Kaskoschadenfall, drohen Vermögensnachteile, wenn die Bereifung den gesetzlichen Erfordernissen nicht entsprochen hat. Nun könnte man glauben, dass es von Vorteil ist, Winterreifen bis zur gesetzlich vorgeschriebenen Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimetern abzufahren, um einem Wechsel auf Sommerreifen möglicherweise ganz zu entgehen. Zwar besteht in Deutschland keine Sommerreifenpflicht, jedoch kann die Verwendung von Winterreifen ab bestimmten Temperaturen zur Erhöhung des Unfallrisikos führen. Winterreifen verfügen über eine wesentlich weichere Gummimischung als ihre Sommer-Pendants. Diese ist speziell auf kältere Temperaturen abgestimmt. Hinzu kommt die Lamellenprofilierung, welche dem Pneu insbesondere bei Schnee wesentlich mehr Grip verleiht.
Bei zweistelligen Plustemperaturen haben Winterreifen jedoch gravierende Nachteile gegenüber Sommerreifen: So erhöhen sich durch die weichere Mischung nicht nur der Reifenverschleiß und der Spritverbrauch, sondern durch das Walken der Reifen – also die Verformung beziehungsweise Instabilität des Materials bei hohen Temperaturen – verändert sich auch das Fahrverhalten des Fahrzeugs. Das kann dazu führen, dass sich das Lenkverhalten in Kurven eher als schwammig bezeichnen lässt, was in brenzligen Situationen – bei denen es auf präzise Lenkbewegungen ankommt – zum Unfallrisiko wird. Gleichzeitig führt die auf winterliche Temperaturen abgestimmte Gummimischung auch zu einem längeren Bremsweg. So kann sich dieser bei einer Vollbremsung aus 100 Stundenkilometern zum Stillstand fast verdoppeln. Ohnehin ist es nicht ratsam, Reifen „bis zur letzten Rille“ – also nicht bis zur gesetzlich vorgeschriebenen Mindestprofiltiefe – abzufahren, da sich Traktion und Bremsverhalten mit sinkender Profiltiefe verschlechtern. Für Fahrer, die grenzüberschreitend tätig sind gelten zusätzlich dann die Regelungen des Ziellandes. In Österreich beispielsweise sind 4 Millimeter Mindestprofil bei Winterreifen vorgeschrieben.
Wechselzeitpunkt
Aufgrund der Jahreszeit und der anhaltenden Temperaturen unterhalb der 7-Grad-Grenze, welche vielerorts neben der Faustregel von O(ktober) bis O(stern) als Indiz für den richtigen Wechselzeitpunkt genutzt wird, fällt die Wahl dieser Tage noch auf die Winterpneus. Doch sind beide Regeln nicht längst überholt? Moderne Sommerreifen können auf Nässe und bei trockenen Bedingungen auch noch knapp über dem Gefrierpunkt Vorteile gegenüber den Winterspezialisten hinsichtlich Traktion und Bremsverhalten aufweisen. Insbesondere durch innovative Reifenmischungen, verbesserte Profilierungen und breitere Reifen haben Sommerpneus auch bei niedrigen Temperaturen ein ähnliches Gripniveau wie Winterreifen. Vielmehr hat die witterungsbedingte Straßenbeschaffenheit, also ob schneebedeckte, reifüberzogene oder vereiste Fahrbahnverhältnisse vorherrschen, den entscheidenderen Einfluss auf den Reifengrip als nur die reine Außentemperatur. Einen Anhaltspunkt für die Straßenbeschaffenheit liefern die meisten Fahrzeuge heute bereits in Serie – einen Warnton beziehungsweise eine Warnleuchte, die bei einer Außentemperatur von drei bis vier Grad aktiv werden und den Fahrzeugführer auf möglicherweise glatte Straßen hinweisen. Auch die Faustregel von O(ktober) bis O(stern) soll vor allem als Orientierungshilfe für den richtigen Wechselzeitpunkt verstanden werden und nicht als unumstößliche Regel. Denn Ostern kann zwischen dem 22. März und dem 25. April liegen. Das bedeutet, wenn wir beispielsweise den Ostermontag – den 13. April 2020 – zugrunde legen, ist selbst mit Beendigung der Osterfeierlichkeiten noch nicht gesagt, dass danach die Gefahren von Temperaturen um den Gefrierpunkt oder die des Schneefalls gebannt sind. So musste der Winterdienst im Mai letzten Jahres ausrücken, um die Autobahnen 4, 9, 71 und 72 von Schnee und Glätte zu befreien.
Ein paar Hinweise für die Nutzung von Winterreifen: Unter bestimmten Umständen ist ein Geschwindigkeitssticker am Armaturenbrett Pflicht. So muss der Aufkleber im Fahrzeug vorhanden sein, wenn die zugelassene Maximalgeschwindigkeit der Winterreifen unter der im Fahrzeugschein eingetragenen Geschwindigkeit liegt. Konkret heißt das: Wenn die Höchstgeschwindigkeit eines Autos mit 210 Stundenkilometern aufgeführt ist und die Maximalgeschwindigkeit der montierten Reifen liegt bei 190 Stundenkilometern, ist der Aufkleber im Sichtfeld des Fahrzeugführers gemäß § 36 Absatz 4 und Absatz 5 StVZO erforderlich. Folglich darf man mit den Reifen auch nur höchstens Tempo 190 fahren. Andernfalls droht ein Bußgeld von 20 Euro. Auch moderne Fahrzeuge, die eine elektronische Warnmeldung im Display anzeigen, sobald die zulässige Höchstgeschwindigkeit der Reifen erreicht ist, benötigen einen solchen Aufkleber. Zugleich müssen Winterreifen, die nach dem 31. Dezember 2017 hergestellt wurden, das Alpine-Symbol (auch Schneeflockensymbol genannt) aufweisen, um den Vorschriften der StVO für Winterbereifung zu entsprechen. Für Reifen, die bis zu diesem Stichtag produziert wurden, gibt es aber noch eine lange Übergangsfrist: Selbst wenn sie nur das M+S-Zeichen tragen, dürfen sie noch bis zum 30. September 2024 auch bei winterlichen Straßenverhältnissen gefahren werden.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 1/2020

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Produktionszeitraum
Der Produktionszeitraum eines Reifens ist an der sogenannten DOT-Nummer auf der Reifenflanke zu erkennen: Die ersten beiden Ziffern geben die Produktionswoche an, die letzten beiden das Produktionsjahr. Die DOT-Nummer 0118 bedeutet also, dass der Reifen im Januar 2018 produziert wurde. Bei Nichtbeachtung und damit falscher Bereifung nach der Richtlinie 92/23/EWG drohen ein Bußgeld in Höhe von 60 oder 80 Euro, je nach Behinderung des Straßenverkehrs, und zudem ein Punkt in Flensburg. Kommt es zu einem Unfall, drohen zusätzlich spürbare Auswirkungen auf die Kasko- und Haftpflichtversicherung. Auch Fahrzeughalter müssen mit einer Geldbuße und einem Punkt rechnen, wenn diese bei winterlichen Straßenverhältnissen eine Fahrt ohne Winterreifen zulassen.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 1/2020

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026
0 Kommentare
Zeichenbegrenzung: 0/2000