Sicherheit geht vor

<p> Im Jahr 2017 kamen in der Europ&auml;ischen Union 25.300 Menschen bei Verkehrsunf&auml;llen ums Leben, 20 Prozent weniger als im Jahr 2010. In Deutschland starben 2017 3.180 Menschen durch Unf&auml;lle im Stra&szlig;enverkehr, der niedrigste Stand seit 60 Jahren (Statistisches Bundesamt, Juli 2018). Die Polizei verzeichnete in den ersten acht Monaten des Jahres 2018 1,72 Millionen Verkehrsunf&auml;lle. Die Zahlen der Verkehrstoten und der Unf&auml;lle im Stra&szlig;enverkehr h&ouml;ren sich f&uuml;r den Moment viel an, gehen jedoch immer weiter zur&uuml;ck. Das haben wir unter anderem dem Euro NCAP zu verdanken, dem European New Car Assessment Programme. Die Organisation bewertet die Sicherheit von Pkw, gibt diese Informationen an den Verbraucher weiter und macht die Automobilhersteller auf M&auml;ngel aufmerksam. Wie all das genau aussieht, wer sich dahinter verbirgt und unter welchen Umst&auml;nden die Bewertung stattfindet, m&ouml;chte Flottenmanagement n&auml;her erl&auml;utern.</p>

Sicherheit geht vor
Sicherheit geht vor

1 /2

Sicherheit geht vor
Sicherheit geht vor

PDF Download

Das Euro NCAP ist eine Gruppe von Verkehrsministerien, Versicherungen, Forschungseinrichtungen und Automobilclubs aus ganz Europa, welche sich 1997 gegründet hat. Aus Deutschland zählen das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e. V. (ADAC) zu den Mitgliedern. Insgesamt wirken heute zwölf Einrichtungen aus acht Ländern mit. Die deutschen Tests finden jährlich mehrmals in Testeinrichtungen statt, unter anderem im ADAC Technik Zentrum in Landsberg am Lech in Bayern. Ziel der über 20 Jahre alten Organisation ist es, mit unterschiedlichen Tests und Bewertungen den Autokäufern oder -interessierten so genaue, zeitgerechte und verlässliche Sicherheitsinformationen über Fahrzeuge zu geben, wie es möglich ist.

Aber welche Fahrzeuge werden getestet? Alle Fahrzeuge, die auf den Markt kommen, leider nicht. Es wird eine Auswahl an besonders interessanten und, so heißt es, den populärsten Pkw unter die Lupe genommen. Dabei handelt es sich in der Regel um neue Fahrzeuge, ältere können jedoch auch unter den Testobjekten sein. Ältere Fahrzeuge, meistens nicht älter als ein bis zwei Jahre, können beispielsweise von den Herstellern selbst oder Mitgliedern des Euro NCAP vorgeschlagen werden. Die Relevanz für die einzelnen Länder oder die Popularität können Gründe für die spätere Auswahl sein. Wie gerade erwähnt, kann ein Mitglied des Euro NCAP zusätzlich ein Fahrzeugmodell sponsern und darf es dementsprechend auch auswählen. Dabei wird darauf geachtet, dass ein Pkw gerade besonders auf dem Markt im eigenen Land beliebt ist oder ob ein Segment zu dem Zeitpunkt interessant ist. Stehen die Fahrzeuge fest, werden Informationen über die populärste Variante und deren Sicherheitsausrüstung bei den Herstellern eingeholt. Diese Variante muss schließlich festgelegte Sicherheitsstandards erfüllen. Für diesen Standard gibt es seit 2016 eine erste Bewertung und falls Fahrzeuge optionale Sicherheitsmöglichkeiten wie ein Sicherheitspaket haben, können diese auch eine zweite Bewertung mit dem Sicherheitspaket erhalten. Dem muss die europäische Organisation allerdings zustimmen. Für den Test selbst werden dann vier Fahrzeuge eines Modells anonym gekauft. Erst danach erhält der Hersteller die Information, dass sein Fahrzeug gewählt wurde, und er kann nach Bedarf noch Neuerungen mitteilen. Das soll sicherstellen, dass die Bewertung aktuell ist. Bei Ausnahmen werden auch Fahrzeuge getestet, die es offiziell noch nicht beim Händler gibt. In dem Fall werden die Hersteller früher informiert, um Fahrzeuge aus den ersten Herstellungsreihen zu erhalten. Trotzdem ist hinzuzufügen, dass nur Pkw getestet werden, die für die Konsumenten käuflich sind.

Haben die zuständigen Personen in den Technikzentren nun alle Fahrzeuge beisammen, können die Tests starten. Dabei werden die häufigsten Unfallszenarien nachgestellt, welche es in den unterschiedlichen Ländern gibt. Die Fahrzeuginsassen werden mit sogenannten Dummys dargestellt. Euro NCAP weist jedoch darauf hin, dass die Tests niemals der Komplexität der realen Welt gleichkommen können. Die Bewertungen sind trotzdem immer zeitgemäß, weil die Sicherheitsbewertungen teilweise jährlich aktualisiert werden.

Die Sicherheitsbewertung und deren Tests sind in vier Bereiche aufgeteilt: Bei der Bewertung des Insassenschutzes der Erwachsenen werden fünf Szenarien nachgestellt. Es gibt den Frontalaufprall auf ein verformbares und versetztes Hindernis (1997 eingeführt, 2015 aktualisiert), den Frontalaufprall über die volle Breite (2015 eingeführt), den Seitenaufprall (1997 eingeführt, 2015 aktualisiert), den Pfahlaufpralltest (2001 eingeführt, 2015 aktualisiert), den Schleudertraumatest (2009 eingeführt) und den AEB City, dabei wird die Notbremsautomatik getestet (2014 eingeführt, 2018 aktualisiert).

Der zweite Bereich ist der Insassenschutz für Kinder. Allein im Jahr 2017 kam durchschnittlich alle 18 Minuten ein Kind im Alter von unter 15 Jahren im Straßenverkehr zu Schaden (Statistisches Bundesamt, Juli 2018). Bei den Tests werden insbesondere die Kinderrückhaltesysteme überprüft, also Kindersitze und Babyschalen zur Sicherheit von Babys, Kleinkindern und Kindern im Pkw. Dabei werden die Fahrzeuge dahin gehend getestet, ob diese mit der Technik ausgestattet sind, die Sitze oder Schalen zu befestigen (1997 eingeführt, 2016 aktualisiert). Zusätzlich findet eine Einbauprüfung statt (2013 eingeführt, 2016 aktualisiert). Sind die Kindersitze oder Schalen leicht anzubringen, wird dies gut erklärt und halten diese auch im Ernstfall? Dabei wird getestet, ob die Sitze beziehungsweise Schalen sicher angebracht werden können und die Unterbringung von Kindern auf der Rückbank, aber auch auf dem Beifahrersitz sicher ist. Im dritten Abschnitt geht es um den Schutz von ungeschützten Verkehrsteilnehmern, also Fußgängern oder Fahrradfahrern. Hier werden folgende Situationen nachgestellt: der Kopfaufprall (1997 eingeführt, 2013 aktualisiert), ein Aufprall im oberen Beinbereich (1997 eingeführt, 2015 aktualisiert), ein Aufprall im unteren Beinbereich (1997 eingeführt, 2014 aktualisiert), die Fußgänger-AEB, also die Notbremsautomatik für Fußgänger (2016 eingeführt, 2018 aktualisiert), und das Notbremssystem für Radfahrer (2018 eingeführt). Bei den Tests des Aufpralls im Beinbereich haben die Dummys mittlerweile so sensible Beinteile, dass sogar überprüft werden kann, welche Sehnen bei einem Unfall zu Schaden kommen könnten.

newspaper_img

Aktuelles Magazin

Ausgabe 6/2018

newspaper_img

Sonderausgabe Elektro

Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

Der letzte Bereich prüft die Sicherheitssysteme, wie Fahrerassistenten oder Kollisionsvermeidungstechnologien. 2016 wurde hier noch die Fahrdynamikregelung getestet, da diese aber nicht mehr zeitgemäß war, wurde sie aus dem Testszenario entfernt. Stattdessen werden der Gurtwarner (2002 eingeführt, 2018 aktualisiert), Geschwindigkeitsbegrenzer (2009 eingeführt, 2018 aktualisiert), Notbremsassistenten für hohe Geschwindigkeiten (2014 eingeführt, 2018 aktualisiert) und der Spurhalteassistent (2014 eingeführt, 2018 aktualisiert) untersucht. Bei der Bewertung dieser Tests hat man sich auf ein Fünf-Sterne-Schema geeinigt. Dabei ist ein Stern das schlechteste Ergebnis und fünf Sterne das beste. Wie bereits erwähnt, kann ein Fahrzeug zwei unterschiedliche Sterne-Bewertungen erhalten, je nachdem ob der Pkw noch ein optionales Sicherheitspaket vorweisen kann. So kann mit der zweiten Bewertung laut der Tester nicht nur die Sicherheitsausrüstung, sondern auch das Sicherheitsniveau bewertet werden, was im Grunde nicht heißt, dass Fahrzeuge mit einer sehr guten Standardausstattung ein schlechtes Sicherheitsniveau haben. Zudem bedeutet die Bewertung nicht nur, dass ein Modell bei den Tests gut abgeschnitten hat, sondern auch, dass die Sicherheitselemente in Europa auch zu erhalten sind. Zudem gibt es Fahrzeuge, die nur über die gesetzlich festgelegten Sicherheitsstandards verfügen. In diesem Fall würde der Pkw keinen Stern erhalten.

Wie die Gewichtung der Testergebnisse bei der Sterne-Bewertung ist, kann sich teilweise von Jahr zu Jahr ändern, weil es immer neue und innovative Technologien gibt, die die Mitglieder dazu bringt, die Schwerpunkte anders zu setzen.

 

Hier ein Überblick über die Sterne-Bewertung:
 
⭑ ⭑ ⭑ ⭑ ⭑ Gute Gesamtnote für Aufprallschutz, umfassende Ausstattung mit praxisgerechter Unfallvermeidungsstrategie
⭑ ⭑ ⭑ ⭑ Gute Gesamtnote für Aufprallschutz; zusätzliche Unfallvermeidungstechnologie kann vorhanden sein
⭑ ⭑ ⭑ Durchschnittlicher bis guter Insassenschutz, aber keine Unfallvermeidungstechnologie
⭑ ⭑ Nominaler Aufprallschutz, aber keine Unfallvermeidungstechnologie
⭑ Geringer Aufprallschutz
Quelle: www.euroncap.com/de
 

Bei den Crashtests gibt es auch die Kategorie „sicherstes Flottenfahrzeug“. Dabei siegte im Jahr 2017 der Opel Insignia und 2018 der Audi A6.

Alle Ergebnisse und Bewertungen werden regelmäßig veröffentlicht und sind auf der Internetseite von Euro NCAP abrufbar. Auch der ADAC informiert regelmäßig über neue Ergebnisse oder Tests.

Viele Automobilhersteller sehen es mittlerweile als gutes Aushängeschild an, wenn ein Modell eine gute Sterne-Bewertung des Euro NCAP vorweisen kann. Auch weil die Tests und die dazugehörigen Ergebnisse so aktuell und zeitgemäß sind. Wie bereits in der Übersicht über die verschiedenen Testbereiche zu sehen war, werden Bestandteile und Schwerpunkte der Tests regelmäßig aktualisiert und verbessert. Es werden Geschwindigkeiten vor dem Aufprall aktualisiert, die Beschaffenheit und das Material der Dummys sind sensibler geworden und die Dummys werden anders eingesetzt. Über die Jahre änderte man beispielsweise 2015 den Frontalaufpralltest über das ganze Fahrzeug, 2016 sah man sich in der Pflicht, die Tests für den Kinderschutz zu verbessern, im gleichen Jahr wurde die zweite Bewertungsmöglichkeit für optionale Sicherheitspakete eingeführt und in diesem Jahr, 2018, wurden das erste Mal auch Notbremstechnologien für Fahrradfahrer getestet sowie das automatisierte Fahren.

An diesem Punkt kommen wir zu einer Besonderheit des Euro NCAP. Denn in unterschiedlichen Jahresabständen gibt es spezielle Sicherheitskampagnen, um eventuelle Trends oder neue Technologien beispielsweise bei den Tests besonders hervorzuheben. 2008 gab es eine Kampagne zum Thema Schleudertrauma, 2013 waren es autonome Notbremssysteme, 2016 war es die Sicherheit von Leichtkraftfahrzeugen und 2018 das automatisierte Fahren.

In diesem speziellen Test rund um das Thema automatisiertes Fahren haben sich die Tester auf Fahrzeuge geeinigt, die bis zum zweiten Level (nach der Society of Automotive Engineers, kurz: SAE) klassifiziert wurden. Diese sind aus Sicht von Euro NCAP einfache Fahrerassistenzsysteme, da die Technologien den Fahrer nicht ersetzen, sondern unterstützen. Fahrzeuge mit einem höheren Level, die dem Fahrer erlauben würden, dem Fahrzeug die Kontrolle zu überlassen, sind auf den europäischen Straßen nicht erlaubt und wurden aus diesem Grund auch nicht getestet.

Um die Assistenzsysteme zu bewerten, wurden kritische Verkehrssituationen nachgestellt. Getestet wurde dabei unter anderem die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage (ACC), die die Fahrgeschwindigkeit an das vordere Fahrzeug anpasst und gleichzeitig den gesetzlich vorgegebenen Sicherheitsabstand einhält. Das ACC arbeitet neben den vorhandenen Spurhalteassistenten und der Notbremsautomatik. Obwohl viele Fahrzeuge dabei gut abschnitten, hatten einzelne Modelle dabei Probleme. Als Grund nennen die Verantwortlichen Algorithmen, die nicht den Situationen gerecht arbeiten. Als generelle Problematik bei Verkehrssituationen wird das Ein- und Ausscheren von Fahrzeugen genannt. Wohingegen Menschen solche Situationen erahnen können und die Möglichkeit haben, auch bei einem plötzlichen Aus- oder Einscheren intuitiv zu reagieren, bleibt dies weiterhin eine Schwierigkeit der Assistenzsysteme.

Zusätzlich wurden Lenkassistenten, neben den Spurhalteassistenten, unter die Lupe genommen. Dabei gab es zum einen das Szenario, dass ein Pkw eine S-Kurve entlang fahren musste, und zum anderen einem kleinen Hindernis ausweichen beziehungsweise dieses umfahren. In diesem Fall sollte das System das Fahren unterstützen, aber mit dem Lenkwiderstand nicht behindern.

Euro NCAP kam nach diesen Tests zu dem Schluss, solche Arten von Assistenzsystemen noch nicht mit in die normale Bewertung zu integrieren. Zum einen, weil diese zunächst besser erforscht und verstanden werden sollen, und zum anderen, weil die Tests gezeigt haben, dass die Technologien noch nicht als autonom verstanden werden können. Kollisionen konnten während der Tests nur verhindert werden, weil die Fahrer eingreifen konnten. Man sollte diese Systeme eher als passive Helfer verstehen, so die Verantwortlichen. Diejenigen, die sich für ein neues oder gebrauchtes Fahrzeug interessieren und eines leasen oder kaufen möchten, womöglich auch im Fuhrpark, können sich also mithilfe der Ergebnisse und Bewertungen der Euro NCAP gut aufgehoben fühlen. Die Ergebnisse sind aktuell und weisen einen hohen Standard auf. Vergleicht man das Gesamtpaket mit dem amerikanischen Pendant, fällt auf, dass das Konzept des Euro NCAP strenger und detaillierter sein könnte, auch wenn die Kriterien der Bewertung den neuen Technologien und Anforderungen regelmäßig angepasst werden. Auffällig einfach erscheint es, an fünf Sterne heranzukommen, wohingegen es bei den amerikanischen Konkurrenten nur eine geringe Zahl an Fahrzeugmodellen schafft. Das spricht also entweder für besonders sichere Fahrzeuge in Europa und gute festgelegte Standards oder für schlechte Standards in den USA. Auch könnte es bei den vielen Technologien mehr als nur fünf Sterne geben, um eine besonders detaillierte Bewertung anbieten zu können. Schlecht ist eine Bewertung des Euro NCAP jedoch auf keinen Fall.

0 Kommentare

Zeichenbegrenzung: 0/2000

newspaper_img

Aktuelles Magazin

Ausgabe 6/2018

newspaper_img

Sonderausgabe Elektro

Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

countdown-bg

Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026