Widerruf der Privatnutzung aus „wirtschaftlichen Gründen“?

<p> Aktuelle Gerichtsentscheidungen zum Widerruf der Privatnutzung des Dienstwagens</p>

Widerruf der Privatnutzung aus „wirtschaftlichen Gründen“?
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Widerruf der Privatnutzung aus „wirtschaftlichen Gründen“?
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Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen in Hannover hat sich in zwei parallel gelagerten aktuellen Entscheidungen vom 28. März 2018 (Az. 13 Sa 304/17; 13 Sa 305/17) mit dem Widerruf der Privatnutzung des Dienstwagens „aus wirtschaftlichen Gründen“ auseinandergesetzt. Die beiden Entscheidungen sollten Sie kennen und für die Gestaltung der Dienstwagenüberlassungsverträge berücksichtigen.

Die Überlassung eines Dienstfahrzeugs auch zur Privatnutzung soll üblicherweise den Mitarbeiter besonders motivieren. Regelungen zur Dienstwagenüberlassung beinhalten deswegen zunächst einmal die Voraussetzungen, unter denen ein Mitarbeiter berechtigt ist, überhaupt einen (bestimmten) Dienstwagen zu beziehen und diesen gegebenenfalls auch für Privatfahrten zu nutzen. Die Privatnutzung ist dabei keineswegs selbstverständlich, aber ein entscheidender Motivationsfaktor. Häufig werden Arbeitnehmern im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Dienstwagen zur Verfügung gestellt, die auch privat genutzt werden dürfen.

Dabei behält sich der Arbeitgeber regelmäßig vor, die Dienstwagenüberlassung zu widerrufen. Schon bei der Gestaltung der Modelle zur Dienstwagenüberlassung und den einschlägigen Vertrags- und Regelwerken muss man sich deshalb auch Gedanken darüber machen, unter welchen Voraussetzungen der Mitarbeiter den Dienstwagen später wieder zurückgeben muss oder wann er ihn später zumindest nicht mehr für private Zwecke nutzen darf. Vor diesem Hintergrund bietet die Rückforderung des Dienstfahrzeugs durch den Arbeitgeber ein nicht unerhebliches Streitpotenzial. Vor allem dann, wenn wenig oder nichts zu den Voraussetzungen des Widerrufs der Fahrzeugüberlassung geregelt ist, bieten sich vielfältige Streitpunkte mit dem Mitarbeiter. Und das ist nicht nur ausgesprochen demotivierend, sondern auch nicht bis in alle Einzelheiten durch gesetzliche Regelungen oder Gerichtsentscheidungen klar definiert.

Prämissen der Privatnutzung: Sachbezug und geldwerter Vorteil
Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Die arbeitsvertraglich eingeräumte Möglichkeit, einen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstwagen auch für Privatfahrten nutzen zu dürfen, ist eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung (vgl. LAG Niedersachsen, Urteile vom 28.03.2018, Az. 13 Sa 304/17 und 13 Sa 305/17). Sie ist so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss (vgl. auch BAG Urteil vom 21.03.2012, Az. 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.03.2015, Az. 5 Sa 565/14; ArbG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017, Az. 14 Ca 3558/16). Diese Situation wird durch das vertraglich vereinbarte Widerrufsrecht geändert, denn ohne den Widerrufsvorbehalt ist der Arbeitgeber nach § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses die vereinbarte Privatnutzung eines Dienstwagens zu ermöglichen. Anders gewendet bedeutet dies praktisch, dass der Arbeitgeber mit dem Widerruf der Privatnutzung des überlassenen Dienstfahrzeugs zugleich quasi „ins Portemonnaie“ des Mitarbeiters greift und ihm einen Teil seines Gehalts kürzt.

Widerrufsgründe von vornherein klar regeln
Wird diese Gegenleistungspflicht im Rahmen eines Formulararbeitsvertrags einseitig unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt, bedarf es einer näheren Beschreibung des Widerrufsgrundes, der auch das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der Leistung berücksichtigt. Insofern unterliegt der Widerruf der Privatnutzung jedenfalls dann der arbeitsgerichtlichen Kontrolle, wenn die Überlassung des Dienstfahrzeugs sowie die Regelung über dessen Privatnutzung formularvertraglich festgehalten werden. Üblicherweise setzt das Fuhrparkmanagement beziehungsweise die Personalabteilung Vertragsmuster ein, die für eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle Anwendung finden und deshalb im Rechtssinne als allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind, und zwar unabhängig davon, ob die Überlassung zur Regelung im Muster-Arbeitsvertrag, im Muster- Dienstwagenüberlassungsvertrag oder in einer Muster-Car-Policy oder ähnlichen Regelungen enthalten ist. In diesen Fällen unterliegt insbesondere auch ein Widerrufsvorbehalt typischerweise der sogenannten AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB durch die Gerichte. Denn einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Arbeitgeber als Verwender das Recht einräumen, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegen einer Inhaltskontrolle (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.2012, Az. 5 AZR 651/10). Ausnahmen bestehen lediglich dann, wenn die Widerrufsgründe beziehungsweise Widerrufsregelungen zur Dienstwagenüberlassung in Form einer Betriebsvereinbarung geregelt sind.

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Als typische sachliche Widerrufsgründe werden häufig angegeben: die Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung, der Wegfall der tatsächlichen Arbeitsleistung nach Ablauf etwaiger Entgeltfortzahlungszeiträume, das Ruhen des Arbeitsverhältnisses, der Verlust der Fahrerlaubnis oder ein Fahrverbot, die Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten oder die Ersatzbeschaffung, die Änderung der Arbeitsaufgabe und so weiter. In der Praxis scheitert ein Widerrufsvorbehalt häufig daran, dass der Widerrufsgrund in der Vertragsklausel bereits unzureichend konkret angegeben ist.

Widerruf aus „wirtschaftlichen Gründen“?
Eine Vertragsklausel, die den Arbeitgeber unter anderem berechtigt, die Dienstwagengestellung „aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ zu widerrufen, ist ohne nähere Konkretisierung des aus dieser Richtung kommenden Widerrufsgrundes zu weit gefasst. Nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, ist ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit. Für den Arbeitnehmer ist es typisierend betrachtet unzumutbar, die Entziehung hinzunehmen, wenn der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird und kostengünstigere Alternativen nicht vorhanden sind (vgl. BAG, Urteil vom 13.04.2010, Az. 9 AZR 113/09). Das BAG hatte bereits in der Entscheidung vom April 2010 klargestellt, dass ein vertraglich festgelegter Widerruf aus „wirtschaftlichen Gründen“ nicht den Anforderungen an die Transparenz der Widerrufsklauseln genügt. Allgemeine wirtschaftliche Gründe rechtfertigen also den Dienstwagenentzug nicht. Hinreichend wäre hingegen aber wohl eine wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers, in deren Rahmen der Arbeitgeber zur Kostensenkung auf einen Dienstwagen-Pool ohne Privatnutzung umstellt (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.2017, Az. 1 AZR 774/14; BAG, Urteil vom 24.01.2017, Az. 1 AZR 772/14).

Das LAG Niedersachsen hat hierzu weiter ausgeführt, dass bei den Widerrufsgründen zumindest die Richtung angegeben werden muss, aus der der Widerruf möglich sein soll, wie wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers. Dabei ist zu beachten, dass der Verwender vorgibt, was ihn zum Widerruf berechtigen soll. Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang beziehungsweise Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers, schwerwiegende Pflichtverletzungen) muss – je nach Lage der Dinge – konkretisiert werden.

Denn der Arbeitnehmer muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen muss. Daher müssen formularvertraglich abgefasste Klauseln zum Widerruf der privaten Nutzung des Dienstwagens in Arbeitsverträgen, Dienstwagenüberlassungsverträgen, Dienstwagenrichtlinien oder einer Car-Policy so abgefasst sein, dass die Gründe für einen Widerruf konkret benannt werden. Mit anderen Worten muss sich der Mitarbeiter von vornherein auf die Widerrufskonstellationen einstellen können, in denen er den Dienstwagen nicht länger privat nutzen kann.

Praktische Hinweise für die Vertragsgestaltung
Damit ein Widerruf des auch zur Privatnutzung überlassenen Dienstfahrzeugs konkret genug geregelt ist, um dem Transparenzgebot zu genügen, ist in der Fuhrparkpraxis unbedingt darauf zu achten, die Anlässe für den Widerruf hinreichend konkret darzustellen. Dies kann sich neben der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers auch auf die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers beziehen. Da es jedoch im Hinblick auf § 308 Nr. 4 BGB erforderlich ist, dass der Widerruf für den Arbeitnehmer zumutbar sein muss, müssen die Widerrufsgründe auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen ein anzuerkennender Sachgrund für den Widerruf der Dienstwagenüberlassung besteht, durch den die Privatnutzung eingestellt wird. Insoweit muss also ein innerer Zusammenhang bestehen zwischen der Dienstwagennutzung und dem Widerrufsgrund.

Da die Privatnutzung eines Dienstwagens wie eingangs dargestellt auch Bestandteil des Arbeitsentgelts ist, ist der Widerrufsvorbehalt jedenfalls dann zumutbar, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit ist und kein (Arbeits-)Entgelt (mehr) beanspruchen kann.

Das trifft regelmäßig zu, wenn der Mitarbeiter länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt ist (Entgeltfortzahlung nach EFZG beendet) oder das Arbeitsverhältnis ruht oder ruhend gestellt ist. Zumutbar ist ein Widerrufsvorbehalt auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer trotz fortbestehender Arbeitsverpflichtung mit Anspruch auf Arbeitslohn/Vergütung den Dienstwagen für die Tätigkeit nach dem Arbeitsvertrag vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr benötigt. Hier kann beispielsweise angeführt werden: die Änderung der Arbeitsaufgaben, die Versetzung vom Außen- in den Innendienst, die Fahrerlaubnisentziehung oder ein Fahrverbot, aber auch die Freistellung des Mitarbeiters nach Ausspruch einer Kündigung.

Eine andere Frage ist im Übrigen, ob der Widerruf mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden kann. Eine Ankündigungs- oder Ausübungsfrist muss nämlich nicht in die Widerrufsvorbehaltsklausel aufgenommen werden. Allerdings kann die fristlose umgehende Einziehung des vorher auch privat genutzten Dienstwagens im Einzelfall als unbillig anzusehen sein. So hat es das BAG zum Beispiel als unbillig angesehen, nach der fristgemäßen arbeitnehmerseitigen Eigenkündigung den Widerruf mit sofortiger Wirkung auszusprechen, weil es sich um das einzige Fahrzeug des Arbeitnehmers handelte und der sofortige Entzug zudem steuerrechtliche Nachteile beim Arbeitnehmer mit sich brachte – die Privatnutzung des Fahrzeugs erfolgte nämlich für den gesamten Monat, obwohl es an 22 Tagen nicht mehr genutzt werden durfte (BAG, Urteil vom 21.03.2012, Az. 5 AZR 651/10); in diesem Falle führte der sofortige Widerruf zu einer spürbaren Minderung des Nettoeinkommens um rund 203 Euro. Solche Gesichtspunkte sind deshalb stets im Rahmen einer abschließenden Ausübungskontrolle in Betracht zu ziehen.

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
 
 
AUTOR

RECHTSANWALT LUTZ D. FISCHER ist Verbandsjurist beim Bundesverband Fuhrparkmanagement e. V. und Mitglied der ARGE Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Verkehrsrechts. Als Autor hat er zahlreiche Publikationen zum Dienstwagenrecht veröffentlicht, u. a. in der Fachzeitschrift „Flottenmanagement“ sowie im Ratgeber „Dienstwagen- und Mobilitätsmanagement 2018“ (Kapitel Datenschutz). Als Referent hält er bundesweit offene Seminare und Inhouse- Veranstaltungen zur Dienstwagenüberlassung mit thematischen Bezügen zu Arbeitsrecht/ Entgeltabrechnung/Professionellem Schadenmanagement/ Datenschutz. Zudem hält er Vorträge unter anderem für FleetSpeakers und das „Dialogforum für Fuhrpark- & Flottenmanagement“ von Management Circle.
 
 
 
RECHTSPRECHUNG

VERKEHRSZIVILRECHT

Haftung des Betreibers einer Auto-Waschstraße für Fahrzeugschäden
Der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordert es, dass von dem Betreiber einer Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage – zwar selten, aber vorhersehbar – nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren. BGH, Urteil vom 19.07.2018, Az. VII ZR 251/17
 
Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren – Anfahren von der anderen Fahrbahnseite
Nach § 9 Abs. 5 StVO hat sich der Führer eines Fahrzeugs beim Rückwärtsfahren, nach § 10 Satz 1 StVO derjenige, der von einem Straßenteil – hier einem Parkplatz – auf die Fahrbahn einfährt, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
„Anderer Verkehrsteilnehmer“ im Sinne der § 9 Abs. 5, § 10 Satz 1 StVO ist jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, das heißt körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt. Darunter fällt zwar „primär“ und „insbesondere“, aber nicht nur der fließende Durchgangsverkehr auf der Straße, sondern jedenfalls auch derjenige, der auf der anderen Straßenseite selbst ein Fahrmanöver durchführt, um vom Fahrbahnrand anzufahren.
BGH, Urteil vom 15.05.2018, Az. VI ZR 231/17

Haftung bei berührungslosem Unfall
Beim Betrieb eines Fahrzeugs hat sich ein Unfall ereignet, wenn sich eine Gefahr realisiert, die mit dem Fahrzeug als Verkehrsmittel verbunden ist. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es nicht auf einen Kontakt der am Unfall beteiligten Fahrzeuge an. Der Begriff „bei dem Betrieb“ ist weit zu fassen. Ausreichend ist, dass bei einer wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kfz zumindest mitgeprägt worden ist. Dabei reicht die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kfz an einer Unfallstelle nicht aus. Vielmehr ist ein naher zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang des Kfz erforderlich, wobei sich eine vom Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt haben muss, mithin das Fahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben muss. OLG Celle, Urteil vom 15.05.2018, Az. 14 U 175/17

Sonderrechte für Rettungsfahrzeuge
Eine Einsatzfahrt im Sinne des § 35 Abs. 5a StVO liegt vor, wenn sich der Fahrer nach der ihm bekannten Lage für berechtigt halten durfte, Sonderrechte in Anspruch zu nehmen. Auf eine spätere objektive Betrachtung nach Beendigung der Einsatzfahrt kommt es nicht an.
Auch bei einer objektiv unberechtigten Nutzung von Sondersignalen gilt für andere Verkehrsteilnehmer gemäß § 38 StVO das Gebot, freie Bahn zu schaffen. Der Fahrer des Sonderfahrzeugs kann in einem solchen Fall aber (mit)haften. Wer sich auf das Vorliegen einer Einsatzfahrt beruft, ist für die Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet. Hierfür reicht die bloße Vorlage des Einsatzprotokolls in der Regel nicht. OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018, Az. I-7 U 37/17, 7 U 37/17

Unfallverursacher trägt Werkstattrisiko
Das Werkstattrisiko hat grundsätzlich der Unfallverursacher zu tragen, sodass der Geschädigte die Reparaturkosten, auch wenn diese tatsächlich überhöht wären, ersetzt verlangen kann.
 
Es ist nicht entscheidungserheblich, ob es sich um eine erforderliche Reparaturmaßnahme handelt. Die vom Geschädigten zur Mängelbeseitigung von ihm beauftragten Drittunternehmer sind regelmäßig nicht seine Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB im Verhältnis zum Schädiger, sodass der Geschädigte im Rahmen des Anspruchs auf Erstattung des erforderlichen Geldbetrags grundsätzlich nicht das sogenannte Werkstattrisiko zu tragen hat. Dieses muss vielmehr in der Sphäre des Schädigers verbleiben, denn es besteht kein Sachgrund, dem Schädiger das Werkstattrisiko abzunehmen. Der Schädiger haftet ebenfalls für Folgeschäden, die während der Reparatur eines verunfallten Kfz durch Fehler der Reparaturwerkstatt entstehen. Die Ersatzpflicht erstreckt sich vor allem auch auf diejenigen Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten – etwa durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstatt – verursacht worden sind. Den beschränkten Kenntnisund Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten sind bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt, vor allem, sobald er, wie im vorliegenden Fall, einen Reparaturauftrag erteilt und das zu reparierende Objekt in die Hände von Fachleuten gibt. Der Geschädigte konnte nicht erkennen, ob eine Spureinstellung nur bei Vorliegen eines Vermessungsprotokolls notwendig ist beziehungsweise wie hoch die Lackierkosten sein dürfen und ob die Verbringungskosten und Kosten für die Erstellung von Gutachten üblich sind oder nicht. AG München, Urteil vom 16.04.2018, Az. 332 C 4359/18
 
Beweislast bei deckungsgleicher Beschädigung eines Fahrzeugs bei Vorschaden
Wird ein Fahrzeug in einem vorgeschädigten Bereich erneut (= deckungsgleich) beschädigt und ist die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Schäden deshalb streitig, muss der Geschädigte darlegen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO nachweisen, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt oder ein abgrenzbarer Teil hiervon auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist. Vom Kläger benannte Zeugen sind zum Beweis einer vollständig und ordnungsgemäß ausgeführten Vorschadensreparatur nur dann zu vernehmen, wenn das klägerische Vorbringen zu Art und Ausführung der Vorschadensreparatur ausreichend substantiiert ist; denn anderenfalls handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. OLG Hamm, Beschluss vom 10.04.2018, Az. I-9 U 199/17, 9 U 199/17

Mietwagenkosten: Navigationsgerät als Serienausstattung
Für die Beurteilung der Angemessenheit in Rechnung gestellter Mietwagenkosten ist das tatsächlich angemietete Fahrzeug maßgeblicher Vergleichsmaßstab. Die Kammer schätzt die Erforderlichkeit geltend gemachter Mietwagenkosten weiterhin auf der Grundlage des Mittelwerts aus den Tabellen Schwacke und Fraunhofer; diese Schätzungsmethode ist grundsätzlich auch anwendbar, wenn die Mietdauer lediglich vier Tage beträgt. Mietwagenkosten sind maximal in der Höhe zu ersetzen, wie sie zwischen Geschädigtem und Autovermieter vertraglich vereinbart wurden; dies gilt auch für sogenannte Nebenkosten für Zweitfahrer, Haftungsreduzierung, Winterreifen, Zufuhr- und Abholkosten et cetera. Ist das (hochwertige, Klasse 9) angemietete Fahrzeug serienmäßig mit einem Navigationsgerät ausgerüstet, sind die Kosten hierfür in den beiden Listen Schwacke und Fraunhofer regelmäßig mit enthalten und daher auch bei der Bestimmung des erforderlichen Normaltarifs bereits berücksichtigt. Ein gesonderter Zuschlag käme nur dann in Betracht, wenn feststünde, dass ein signifikanter Anteil der unter die Klasse 9 fallenden Fahrzeuge nicht serienmäßig über ein Navigationssystem verfügt. LG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 16.04.2018, Az. 3 S 9/18
 
Mietwagenkosten: Zusatzkosten für Winterbereifung
Weil der Schädiger den Zustand herzustellen hat, der ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hätte, ist er auch zum Ersatz von Mietwagenkosten verpflichtet, die er aufgrund des Ausfalls seines Fahrzeugs aufwenden muss. Der Geschädigte kann nur die Erstattung der Kosten verlangen, die er für erforderlich halten durfte. Dies ist im Einzelfall zu beurteilen und schließt es beispielsweise nicht aus, dass der Geschädigte die Mietzeit kurzzeitig – und damit verteuernd – verlängern darf, Zusatzkosten für eine Winterbereifung aufwenden oder für eine Anmietung an besonderer Stelle erstattet verlangen kann. KG Berlin, Urteil vom 05.04.2018, Az. 22 U 47/16
 

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