Die Datenbank-Revolution?

<p> Immer &ouml;fter f&auml;llt in den letzten Monaten der Begriff Blockchain. Was verbirgt sich hinter der neuartigen Datenbanktechnologie? Welchen Einfluss hat sie auf die Automobilindustrie und wer wendet sie bereits an? Flottenmanagement bringt Sie auf den neuesten Stand.</p>

Die Datenbank-Revolution?

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Die Datenbank-Revolution?

Um einen Einstieg in das Thema Blockchain zu finden, muss der Begriff erst einmal definiert werden. Was also ist eine Blockchain

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Das renommierte Gabler Wirtschaftslexikon erklärt die Blockchain („Blockkette“) als eine dezentrale Datenbank, die im Netzwerk auf einer Vielzahl von Rechnern gespiegelt vorliegt. Sie zeichne sich dadurch aus, dass ihre Einträge in Blöcken zusammengefasst und gespeichert würden. Weiter heißt es: „Blockchain ist die Basistechnologie und zentrale Innovation der Kryptowährung Bitcoin. Eine Blockchain-Datenbank kann als dezentrales Buchungssystem dienen, um jegliche Arten von Eigentumsrechten digital zu organisieren. (...)“ Das Onlinemagazin „NGIN Mobility“ bringt es vereinfacht auf den Punkt: „Man kann sich die Blockchain wie ein Kassenbuch vorstellen, in dem alle Transaktionen verschlüsselt und chronologisch eingetragen wurden. Jeder Eintrag ist ein Block. Und weil die Blöcke einander folgen, wird das Ganze als ‚Chain’, also als Kette, bezeichnet.“

Für uns sind bei den Betrachtungen im Folgenden besonders die Auswirkungen und Anwendungsfelder von Blockchains im automobilen Sektor von Bedeutung. Dort sieht Axel Rogaischus, Vice President IBM Industrial Sales für die DACH-Region, verschiedene Anknüpfungspunkte für den Einsatz von Blockchains. Denn Fahrzeuge würden selbst zur rollenden „Mobilitäts-Hardware“ werden.

Für die Blockchain ergeben sich nach Rogaischus folgende Einsatzszenarien:
• das Fahrzeug als zentrales Register (Shared Ledger) einer Blockchain für Transaktionen und Services;
• die Blockchain als vertrauenswürdiger „Hüter“ (Single Source of Truth) über den gesamten automobilen Lifecycle hinweg;
• die Blockchain als Basis für transparente und jederzeit nachvollziehbare Logistikketten;
• die Blockchain als anerkannte Instanz für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in wachsenden Ökosystemen

Für den Fuhrpark ist vor allem der erstgenannte Punkt bedeutsam. Denn hier rückt das Fahrzeug selbst in den Mittelpunkt des Prozesses. „Es dient sozusagen als gemeinsames vertrauenswürdiges Register (Shared Ledger), über das unterschiedliche Akteure einschließlich des Fahrzeughalters autorisierten Zugriff auf Informationen beziehungsweise die Berechtigung zur Abwicklung bestimmter Transaktionen bekommen“, so Rogaischus weiter. Das Auto übernehme dann etwa die Funktion einer Kreditkarte, um Rechnungen an der Ladestation oder im Parkhaus zu begleichen oder um Mautgebühren oder Werkstattbesuche zu bezahlen. Ebenfalls denkbar: die Blockchain als Möglichkeit für ein fälschungssicheres elektronisches Fahrtenbuch.

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Aktuelles Magazin

Ausgabe 5/2023

Vorteile von Blockchains
Der wohl größte Vorteil: Bei einer Blockchain- Transaktion muss keine zentrale Instanz für die Freigabe einer Zahlung angefragt werden. Hier antworten stattdessen das Netzwerk beziehungsweise die dort organisierten Rechner in Echtzeit – das System ist somit deutlich schneller. Besonders von Bedeutung ist dies, wenn autonom fahrende Autos künftig das Bezahlen von Parkgebühren oder der Stromkosten (Elektrofahrzeuge) übernehmen. „Weil damit auch das sogenannte Micropayment möglich ist, um auch geringste Zahlungsbeträge zu verrechnen, könnte sogar das viel beschworene intelligente Parkplatz- Management einen großen Teil der Investitionen wieder einfahren“, äußerte Andreas Burkert in seinem Report „Das erste Auto mit Hirn“ aus der ATZelektronik 2/2017.

Außerdem garantiert eine Blockchain dem Eigentümer die Hoheit über seine Daten. Mit seinem in der Blockchain hinterlegten „Private Key“, einer Art TAN, ist nur ihm der Zugriff auf die Daten möglich. Hinzu kommt: Eine Blockchain gilt derzeit von außen als nicht hackbar, da die Informationen auf vielen Computern verteilt sind und nicht an einem zentralen Ort gespeichert werden.

Im Zusammenspiel mit KI-Lösungen sind durch die Blockchain-Technologie zudem sowohl bei der Produktion von Fahrzeugen als auch beim Service detailliertere Fehleranalysen möglich, darüber hinaus könnten Schäden oder Materialermüdung durch vorausschauende Wartungen reduziert werden.

Porsche führt in einer Mitteilung aus, wo der Nutzer die Blockchain bei einem Auto konkret bemerkt: „Das Auto wird Teil der Blockchain, sodass eine direkte Offline-Verbindung möglich ist, also ohne Umwege über einen Server. Der Prozess des Öffnens und Abschließens des Autos per App ist so mit einer Dauer von 1,6 Sekunden bis zu sechs Mal schneller als bisher.“ Und entsprechend sicherer als derzeit.

Erste Anwendungen
Die Zuffenhausener testen seit knapp einem halben Jahr mit dem Berliner Start-up XAIN einige der Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain. Dabei im Fokus: die oben bereits erwähnte Verund Entriegelung des Fahrzeugs per App sowie befristete Zugangsberechtigungen, die der Besitzer anderen Nutzern erteilen kann. Ebenfalls sollen autonome Fahrfunktionen verbessert werden, indem Fahrzeugdaten verschlüsselt gesammelt und aufgezeichnet werden. Über sogenanntes auditierbares Daten-Logging können so entsprechende Fahrzeugdaten lokal in einer verteilten Blockchain verschlüsselt werden. Der Clou: Der Autohersteller hat hier keinen Zugriff auf die Daten, außer der Nutzer macht sie ihm explizit zugänglich. Letztlich entscheidet nur er über die Verwendung der Daten. Noch läuft das Projekt in einer Prototypenphase, Porsche IT-Vorstand Lutz Meschke erwartet, „dass wir damit 2021 an den Start gehen und Blockchain-Technologie integrieren können.“

Daimler ist ebenfalls auf dem Feld aktiv und testete zu Jahresanfang eine interne Kryptowährung. 500 ausgewählte Mercedes-Benz-Fahrer bekamen als Belohnung für besonders umweltfreundliches Autofahren sogenannte Mobicoins gutgeschrieben. Nach Ablauf der dreimonatigen Testphase erhielten die Fahrer mit den meisten virtuellen Münzen eine Prämie, unter anderem Tickets für Motorsportevents.

Als einer von mehreren Autobauern probt unter anderem Volkswagen mit der Blockchain-Technologie für Paketdienste. Das Ganze funktioniert wie folgt: Dem Zusteller wird ein Code bereitgestellt, der es ihm ermöglicht, den Kofferraum eines entsprechenden Fahrzeugs einmalig zu öffnen und dort das Paket abzulegen. Dadurch sind erneute Zustellversuche oder die Abholung der Sendung durch den Empfänger nicht mehr erforderlich.

Auch einige Zulieferer haben die Blockchain- Technologie mittlerweile für sich entdeckt. So setzt ZF sie beispielsweise für sein eWallet-Projekt ein. Das selbstfahrende Elektroauto kann neben Mautgebühren, die im Vorbeifahren an Sensoren direkt bezahlt werden, auch kleine Beträge begleichen, beispielsweise wenn induktiv eine geringe Menge Strom geladen wird. Der Technologiekonzern geht sogar noch einen Schritt weiter und macht das Auto gleichzeitig auch zu einer Einnahmequelle. So ist es möglich, das Fahrzeug für Carsharing freizugeben. Den Rest erledigt das Auto von allein – es bewegt sich autonom an die gewünschte Örtlichkeit des Carsharing-Nutzers, der Mietpreis wird direkt abgebucht.

Blick in die Zukunft
In der Automobilbranche steckt das Thema Blockchain trotz zunehmender Bemühungen noch in den Kinderschuhen. Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter 177 Vorständen und Geschäftsführern von Unternehmen der Automobilindustrie mit 20 und mehr Mitarbeitern in Deutschland im Jahr Herbst 2017 ergab, dass gerade einmal ein Drittel der Befragen bislang von der Blockchain als Technologie für den Unternehmenseinsatz gehört hat. Zum Vergleich: Bei Big Data (96 Prozent), 3-D-Druck (92 Prozent) oder Internet of Things (73 Prozent) liegen die Anteile deutlich darüber. „Blockchain wird nicht nur die Finanz- oder Energiewirtschaft verändern, Verwaltungsvorgänge oder etwa die Logistik revolutionieren“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Gerade im Verkehrssektor gibt es faszinierende Einsatzszenarien. Viele der aktuellen Herausforderungen der Automobilindustrie können mit Blockchain leichter bewältigt werden. (…)“

Zu den größten Hinderungsgründen zählen die Kosten (60 Prozent), die unklare rechtliche Situation (43 Prozent), etwa beim Datenschutz, sowie das fehlende Know-how im Unternehmen (29 Prozent). Gut jedes vierte Unternehmen (27 Prozent) gibt an, bislang auch keine Notwendigkeit zu sehen, die Technik zu nutzen. Acht Prozent gehen davon aus, dass die Blockchain ihnen keinen Mehrwert liefern werde. Es darf davon ausgegangen werden, dass sich diese Zahlen in den kommenden Jahren deutlich wandeln.

Doch nicht nur für die Autohersteller, sondern auch für die Nutzer ergeben sich völlig neue Dimensionen. Es erscheint nicht unrealistisch, dass Autobesitzer/-nutzer künftig entscheiden können, wer Zugriff auf ihre Daten erhalten soll und zu welchem Preis. Christian Reichenbach, Transformation Consultant bei Hewlett Packard Enterprise (HPE), macht sich in einem HPE-Blogeintrag Gedanken, was mit solchen Blockchain-as-a- Service-Anwendungen möglich wäre: „So könnte beispielsweise eine Ölgesellschaft über eine solche Plattform benachrichtigt werden, wenn der Füllgrad des Kraftstofftanks eine bestimmte Schwelle unterschreitet. Die Ölfirma könnte dann einen Rabattcoupon für Benzin an das mobile Gerät des Fahrers schicken, um diesen an eine ihrer Tankstellen zu locken. Die Kopplung von Stoßdämpferdaten mit der GPS-Positionierung könnte die staatliche Straßenaufsicht über Schlaglochprobleme informieren, die behoben werden müssen, bevor es zu einem Unfall kommt.“

Noch erscheinen die Szenarien etwas abstrakt, aber vielleicht sind sie in ein paar Jahren schon Realität ...

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Ausgabe 4/2018

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