Unfallursache Ablenkung

<p> Was Fuhrparkmanager &uuml;ber Ablenkungsrisiken im Dienstwagen und ihre haftungsrechtlichen Folgen wissen sollten</p>

Unfallursache Ablenkung
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Welche rechtlichen Konsequenzen für Fahrzeugführer und Unternehmen bestehen, wenn die Unfallursache „Ablenkung“ heißt, war am 27. Juni 2018 Gegenstand eines Vortrags auf dem von der VBG und der BG ETEM gemeinsam veranstalteten 1. Forum Verkehrssicherheit zum Thema „Mobilität im Wandel – Risiko Stadtverkehr“ am 27./28. Juni 2018 auf der traditionsreichen Zeche Zollverein in Essen.

In der jüngsten Vergangenheit war zu beobachten, dass Unfälle „ohne erkennbaren äußeren Anlass“ zunehmen, wenn beispielsweise ein Fahrzeug völlig ungebremst und ohne verminderte Geschwindigkeit hinten auf ein Stauende auffährt. Das Fehlen jeglicher Bremsspuren und äußerlicher Anhaltspunkte kann in einem solchen Fall deutlich darauf hinweisen, dass der Fahrer sich mit anderen Dingen beschäftigt hat, als mit dem Steuern und Lenken seines eigenen Fahrzeugs. Oftmals sind in solchen Fällen Handyverstöße im Spiel. Meist heißt die Ursache aber generell: Ablenkung.

Was bedeutet eigentlich „Ablenkung“?
Die Wortbedeutung von „Ablenkung“ laut Duden ist gleich „Abwechslung, Unterhaltung, Vergnügen, Zeitvertreib, Zerstreuung“. Diese Verständnisweise ist zwar noch wenig hilfreich, deutet aber schon in die richtige Richtung. Genau genommen geht es nämlich um die Ablenkung durch fahrfremde Tätigkeiten, wenn der Fahrer seine Aufmerksamkeit von seiner eigentlichen Fahraufgabe abwendet und zeitlich begrenzt auf ein Objekt, ein Ereignis oder eine Person richtet. Das bedeutet aber, dass es sich bei einer so verstandenen Ablenkung um eine bewusste Abwendung vom Lenken des Fahrzeugs und damit um eine bewusste Zuwendung hin zu einer fahrfremden Aufgabe handelt und nicht eben um eine bloße „Unaufmerksamkeit“, die man demgegenüber eher als ungezielte Abwendung von der eigentlichen Fahraufgabe, sprich als mangelnde Konzentration beschreiben kann. Auf diese allgemeine Unterscheidung hat bereits Ulrich Chiellino (ADAC) auf dem Kolloquium des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) 2015 hingewiesen.

Was ist also konkret unter Ablenkung zu verstehen?
Fahrfremde Tätigkeiten während des Autofahrens sind vermutlich nahezu jedem Autofahrer wohlbekannt. Es handelt sich um die ganz typischen Dinge, die der Autofahrer vermeintlich „ganz nebenbei“ tut, wenn er sich durch das Autofahren an sich nicht mehr ausgelastet fühlt oder aus Gründen eventuell falsch verstandener Zeitersparnis zusammen mit dem Autofahren gerne erledigen möchte.

Praktische Beispiele sind hier:
• Essen und Trinken
• Rauchen
• Aufheben von Gegenständen
• Brille suchen beziehungsweise wechseln/aufsetzen
• Körperpflege wie Schminken oder Rasieren
• Unterhaltung mit dem Beifahrer
• Kinderbetreuung
• Bedienung von Fahrzeugeinrichtungen
• Bordcomputer bedienen
• Eingaben ins Navigationsgerät/Routenänderung
• Radio/Musik hören/Hörbuch
• CD-Player/MP3-Player bedienen
• Telefonieren mit dem Handy (mit und ohne Freisprechanlage)
• SMS lesen und schreiben (auch mit Spracherkennungs-App) WhatsApp, Chat-Funktionen
• Smartphone: im Internet surfen/Social Media (Facebook, Twitter)
• (Blitzer-)App-Nutzung/Spiele
• Selfies am Steuer (jede/-r Vierte)
• Tablet-/Laptop-Nutzung
• Stress/Emotionen
 
Diese und andere anschauliche Beispiele finden sich unter anderem in der von BMVI und DVR herausgegebenen Broschüre „Ablenkung 1 Sekunde – 14 Meter“. Nach statistischen Erhebungen sind hier vor allem das Lesen und Schreiben von SMS (Simsen) oder anderen Text- oder Bildnachrichten aus Messenger-Diensten mit 96 Prozent neben der Internetnutzung durch Surfen und der Nutzung von Sozialen Medien/Social Media (80 Prozent) sowie dem Telefonieren mit dem Handy (66 Prozent) am gefährlichsten. Erstaunlich mag anmuten, dass die Bedienung von Fahrzeugeinrichtungen mit 42 Prozent ungefähr gleich gefährlich ist wie die Bedienung des Navigationsgeräts (38 Prozent) und die Kinderbetreuung (38 Prozent). Körperpflege (20 Prozent), Rauchen, Essen und Trinken (je 16 Prozent) rangieren dabei noch im „unteren“ Bereich, wobei das Radiohören mit 4 Prozent noch am ungefährlichsten ist. Diese und andere Zahlen zu gefährlichen Ablenkungsfaktoren lassen sich in der vom DVR herausgegebenen Statistik zum Projekt „Vision Zero“ nachlesen.
 
Zahlen zum Ablenkungsrisiko
Die oben aufgezählten Verhaltensweisen lassen das Verkehrsgeschehen praktisch zur Nebensache werden. Dabei können am Steuer bereits kurze Momente der Ablenkung lebensgefährlich sein, weil dies zu einem mehr oder weniger langen „Blindflug“ führt und außerdem je nach Art der Nebenbeschäftigung die Reaktionsfähigkeit eingeschränkt ist oder Reaktionsmöglichkeiten verzögert werden oder sogar ganz fehlen. Laut einer Studie der Allianz Versicherung (Münchener Allianz Zentrum für Technik) aus dem Jahr 2016 steht jeder zehnte Verkehrsunfall im Zusammenhang mit Ablenkung (nachzulesen unter anderem bei der Aktion #FingervomHandy von BMVI und DVR vom 11. September 2017). Die insoweit zunehmende Häufigkeit von Auffahrunfällen ohne erkennbaren äußeren Anlass, meist mit fehlenden Bremsspuren, spricht hier eine deutliche Sprache.
 
Bemerkenswert ist, dass sich mehr als jeder Zweite ablenken lässt. Nach einer repräsentativen Umfrage von Kantar TNS unter mehr als 2.500 Personen (Pkw-Fahrer) im Auftrag der Kampagneninitiatoren BMVI und DVR wissen die meisten Autofahrer um die Ablenkung durch die Nutzung des Mobiltelefons am Steuer und dass diese Nebenbeschäftigung für sie und andere Verkehrsteilnehmer gefährlich sein kann, ändern aber dennoch nichts an ihrem Verhalten. So ist die Handynutzung am Steuer für 61 Prozent der Befragten sehr wahrscheinlich oder wahrscheinlich in bestimmten Situationen, wobei 52 Prozent der Befragten das Mobiltelefon nutzen, wenn sie im Stau stehen beziehungsweise in 30 Prozent der Fälle, wenn sie vor einer roten Ampel warten. Dabei ist hochinteressant, dass 92 Prozent aller Befragten das Bedienen von Mobiltelefonen im Straßenverkehr als gefährlich einschätzen und 36 Prozent der befragten Handybesitzer durch die Nutzung des Mobiltelefons im Straßenverkehr bereits in eine gefährliche Situation geraten sind, wobei 7 Prozent davon sogar bereits einen Unfall durch Ablenkung erlitten haben.
 
Was sind die Ursachen für Ablenkung im Straßenverkehr?
Wenn die meisten Autofahrer um die Gefährlichkeit der Ablenkung wissen, stellt sich die Frage, warum sie sich trotzdem beim Autofahren mit anderen Dingen befassen als dem Lenken des Fahrzeugs. Das Bedürfnis nach einer zusätzlichen Beschäftigung kommt psychologisch vor allem dann ins Spiel, wenn das Autofahren als Routinetätigkeit empfunden wird, sodass ein Gefühl der Unterforderung entsteht. Nach jüngsten Erkenntnissen aus der Hirnforschung kann aber das menschliche Gehirn nur ein bis maximal zwei komplexe Aufgaben gleichzeitig bearbeiten. Kommen weitere Anforderungen hinzu, dann arbeitet das Gehirn die Informationen nicht parallel nebeneinander, sondern nacheinander ab, wodurch zwischen den verschiedenen Aufgaben permanent hin- und hergeschaltet wird. Ein echtes Multitasking ist deshalb ab drei Aufgaben eine gefährliche Illusion, und zwar unabhängig davon, ob der Autofahrer männlich oder weiblich ist.
 
Die Wahrheit sieht also anders aus: Autofahrer müssen sich im Verkehrsgeschehen auf unerwartete Ereignisse einstellen und permanent angemessen reagieren können. Dies erfordert eben eine hohe Aufmerksamkeit, um nicht nur eigene Fehler und Fehleinschätzungen zu vermeiden. Erforderlich ist es auch, vorausschauend zu fahren und dabei auch die Fehler der anderen Verkehrsteilnehmer zu kompensieren. Das funktioniert aber allenfalls dann hundertprozentig bei voller Konzentration auf die eigentliche Fahraufgabe.

Unfallstatistik und Ablenkung
Festzuhalten bleibt aber auch, dass Ablenkung in Deutschland nicht als eigene Unfallkategorie erfasst wird, also auch nicht bei der polizeilichen Unfallaufnahme. Es gibt deshalb auch – abgesehen von den oben genannten Untersuchungen – keine wirklich verlässlichen statistischen Zahlen, die belegen könnten, wie viele Unfälle tatsächlich aufgrund von ablenkenden Tätigkeiten verursacht werden. Demgegenüber werden beispielsweise in der Schweiz „Unaufmerksamkeit und Ablenkung“ als eigene Unfallkategorie geführt; im Jahre 2013 betraf dies dort rund 30 Prozent aller Unfälle.
 
Rechtliche Rahmenbedingungen: international und in Deutschland
International gibt es das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr vom 08.11.1968 (WÜ68), das als völkerrechtlicher Vertrag unter dem Dach der Vereinten Nationen zur Sicherheit des Straßenverkehrs durch Standardisierung von Verkehrsregeln beitragen will. Nach diesem Abkommen, dem auch die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, gibt es klar definierte Regeln für die Fahraufgaben: Der Fahrzeugführer muss sein Fahrzeug jederzeit beherrschen können, insbesondere bezüglich der (angepassten) Geschwindigkeit (Art. 8 Abs. 5 WÜ68). Der Führer eines Fahrzeugs muss alle anderen Tätigkeiten als das Führen seines Fahrzeugs vermeiden (Art. 8 Abs. 6 WÜ68). Jeder Fahrzeugführer muss unter allen Umständen sein Fahrzeug beherrschen, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um ständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen (Art. 13 Abs. 1 WÜ68).
 
Wer nun angesichts dieser internationalen Vorgaben davon ausgeht, dass sich entsprechende Klarheit zur Regelung von Ablenkung im Deutschen Verkehrsrecht wiederfindet, der irrt. Denn „Ablenkung“ ist im deutschen Verkehrsrecht gegenwärtig normativ überhaupt nicht speziell geregelt. Es existieren also keine auf diese Unfallursache (Fehlverhalten Ablenkung) zugeschnittenen Rechtsvorschriften. Bei Fehlen solcher Spezialnormen behelfen sich Verkehrsrechtler durch einen Rückgriff auf die allgemeinen Bestimmungen und Generalnormen. Wer sich beim Autofahren fahrfremden Aufgaben zuwendet, der muss sich im Falle eines Unfalls gegebenenfalls den Vorwurf von grober Fahrlässigkeit oder sogar von Vorsatz gefallen lassen. Denn nach der hier verstandenen Definition heißt Ablenkung eben nicht bloß Unaufmerksamkeit, sondern ein „Mehr“.
 
So umfasst Vorsatz das „Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolgs“. Der Autofahrer müsste also sein pflichtwidriges Verhalten wie das Telefonieren mit dem Handy am Steuer in seinen Willen aufgenommen haben. Dabei kann dem Autofahrer das dann folgende Schadenereignis – ein Autounfall infolge Ablenkung durch Handynutzung – durchaus sogar unerwünscht sein, wenn ihm nur diese Konsequenz überhaupt als möglich bewusst ist. Der Jurist geht hier bei der Formulierung „den Unfall als Erfolg für möglich halten und billigend in Kauf nehmen“ von der niedrigsten Vorsatzstufe, dem Eventualvorsatz, aus.
 
Demgegenüber bedeutet Fahrlässigkeit das Außerachtlassen der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt, wobei dies bei der groben Fahrlässigkeit eben in einem besonders groben Maße geschieht. Die Sorgfaltspflichtverletzung geschieht dann in einem besonders schweren Maße, wenn der Autofahrer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem Autofahrer in der Situation einleuchten muss.
 
Was im Straßenverkehr zu beachten ist, ergibt sich vor allem aus der Straßenverkehrsordnung (StVO) und dem Straßenverkehrsgesetz (StVG). So legt die allgemeine Norm des § 1 StVO die Grundregeln fest, wobei die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht erfordert (§ 1 Abs. 1 StVO). Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird (§ 1 Abs. 2 StVO).
 
Haftungsregelungen im Zivilrecht – ein Überblick Für den Autofahrer (Fahrzeugführer) folgt die Haftung aus § 18 StVG. Hierbei handelt es sich um eine Form der Gefährdungshaftung für vermutetes Verschulden mit der Möglichkeit der sogenannten Exkulpation. Der Fahrer kann also widerlegen, dass er schuldhaft (also fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Daneben trifft ihn die allgemeine Deliktshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. der Verletzung von Schutzgesetzen (wie StVO, StVG, StVZO, StGB).
 
An dieser grundsätzlichen Haftung hat sich auch jüngst durch das 8. Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 16. Juni 2017 (BGBl. I 2017, 1648; in Kraft : 21. Juni 2017) nichts geändert. Denn nach § 1a Abs. 4 StVG bleibt der Nutzer automatisierter Fahrfunktionen bei Kraftfahrzeugen mit hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion (§ 1a StVG) eben Fahrzeugführer, auch wenn er sich von der Technik unterstützen lässt. Wer hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktionen aktiviert und zur Fahrzeugsteuerung verwendet, ist Fahrzeugführer, auch wenn er das Fahrzeug im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung der Funktion nicht selbst steuert.
 
Allerdings ist hier die Mensch-Maschine-Schnittstelle nach § 1b StVG relevant, der die Rechte und Pflichten des Fahrzeugführers bei Nutzung hochoder vollautomatisierter Fahrfunktionen konkretisiert. So darf der Fahrer sich bei Nutzung der automatischen Funktion zwar vom Straßenverkehr abwenden, muss aber wahrnehmungsbereit bleiben (§ 1b Abs. 1 StVG ). Rechtlich ungeklärt ist allerdings, ob sich der „wahrnehmungsbereite“ Fahrer schon allein wegen der Reaktionszeit bis zum Zurückschalten auf die eigentlichen Fahraufgaben daneben auch anderen (fahrfremden) Tätigkeiten zuwenden darf. Zweifelhaft ist dies für das Bearbeiten von E-Mails, das Surfen im Internet, das Ansehen von Filmen und Fotos auf dem Tablet-PC, das Zeitunglesen, das Spielen mit den Kindern auf dem Rücksitz oder die Körperpflege (Rasieren, Schminken).
 
Außerdem besteht die Verpflichtung zur unverzüglichen Übernahme der Fahrzeugsteuerung. Denn nach § 1b Abs. 2 StVG wird vom Fahrer erwartet, dass er die Fahrzeugsteuerung „unverzüglich“ wieder übernimmt, wenn er vom System hierzu aufgefordert oder es für ihn erkennbar notwendig wird. Unverzüglich bedeutet hier also nicht weniger als ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB), weshalb zumindest ein Fahrlässigkeitsvorwurf erforderlich sein dürfte. Dieser trifft den Fahrzeugführer dann, wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr gegeben sind. Die Sonderregelung des § 63a Abs. 1 StVG schreibt in diesem Kontext die Speicherung der durch ein Satellitennavigationssystem ermittelten Positions- und Zeitangaben vor, wenn ein Wechsel der Fahrzeugsteuerung zwischen Fahrzeugführer und dem hoch- oder vollautomatisierten System erfolgt oder eine entsprechende Aufforderung zur Übernahme der Steuerung durch das System oder bei technischer Störung erfolgt. Relevant ist dies für die Entkräftung des Schuldvorwurfs durch den Fahrer, wenn ein Unfall ausschließlich auf ein Systemversagen zurückzuführen ist. Die Beweislast liegt dann beim Fahrer.
 
Das Unternehmen als Halter des Dienstwagens steht demgegenüber nach § 7 Abs. 1 StVG in der Halterhaftung. Dies ist eine Gefährdungshaftung, allerdings ohne Möglichkeit der Exkulpation wie beim Fahrer. Für die vertretungsberechtigten Organe des Unternehmens besteht daneben die allgemeine Deliktshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Schutzgesetzverletzung (zum Beispiel StVO, StVG, StVZO, StGB und so weiter), § 831 BGB. Primär verantwortlich ist somit die Geschäftsleitung (§ 14 Abs. 1 StGB, § 9 Abs. 1 OWiG) des halterverantwortlichen Unternehmens (Vorstand einer AG, Geschäftsführer einer GmbH, persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder Komplementär einer Kommanditgesellschaft wie GmbH & Co. KG).
 
Sekundär Verantwortlicher kann auf Unternehmensseite stets der Fuhrparkmanager sein (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB, § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG), denn eine Delegation von Halteraufgaben und -pflichten ist grundsätzlich möglich. Dies hat dann zur Folge, dass die Halterpflichten den Fuhrparkmanager unmittelbar treffen. Es liegt also im ureigenen Interesse des Fuhrparkmanagements an der Haftungsvermeidung, grundsätzlich etwas gegen das Unfallrisiko der Ablenkung zu tun.
 
Abgesehen von den Haftungsrisiken besteht auch als unangenehme finanzielle Nebenfolge die Möglichkeit der Leistungskürzung bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 VVG im Rahmen der Volloder Teilkaskoversicherung. Denn danach ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt. Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Was kann das Fuhrparkmanagement gegen das Unfallrisiko Ablenkung tun
Es ist eigentlich Aufgabe der Verkehrspolitik und der Gesetzgebung, schärfere Sanktionen festzulegen oder sonstige Vorgaben des Gesetzgebers für das Unfallrisiko Ablenkung zu schaffen. Möglicherweise helfen auch eine verbesserte technische Fahrzeugausstattung, die gegebenenfalls die Nutzung von Geräten oder einzelnen gefährlichen Funktionen verhindert, oder eine Anpassung der Mensch-Maschine-Schnittstelle durch verstärkten Einsatz von Sprachsteuerung, um den Fahrer bei der primären Fahraufgabe zu entlasten.
 
Bis es hier nähere Vorgaben und Regeln gibt, muss das Fuhrparkmanagement mit den Managementinstrumenten zurechtkommen, die auch heutzutage schon möglich und sinnvoll sind. Neben der allgemeinen Kontrolle der Fahrer beziehungsweise des Fahrpersonals durch Führerscheinkontrolle und Fahreignungskontrollen (beispielsweise bei Verdacht von Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch) kann der Ablenkung am Steuer weitgehend nur vorbeugend entgegengewirkt werden. So kann, wenn der Mitarbeiter als Dienstwagenfahrer am Steuer oder grundsätzlich bei Auswärtstätigkeiten für das Unternehmen erreichbar sein muss, die Frage der Handynutzung besonders regelungsbedürftig sein. Zum einen betrifft dies die Festlegung der Pflicht-Fahrzeugausstattung im Rahmen der Erstellung einer Car-Policy durch Vorgabe von Ausstattungsmerkmalen (Freisprechanlage, Einbindung des Mobiltelefons in den Bordcomputer). Zum anderen betrifft dies das Regelwerk zum Einsatz von Mobiltelefonen in Dienstwagen, beispielsweise durch eine „Dienstanweisung mobile Kommunikation“. Auswirkungen hat dies natürlich auch auf die Arbeitssicherheit am Steuer durch eine entsprechende Aufklärung und Information der Dienstwagennutzer durch eine entsprechende regelmäßige Fahrerunterweisung.
 
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
 
 
 
AUTOR

RECHTSANWALT LUTZ D. FISCHER ist Verbandsjurist beim Bundesverband Fuhrparkmanagement e. V. und Mitglied der ARGE Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Verkehrsrechts. Als Autor hat er zahlreiche Publikationen zum Dienstwagenrecht veröffentlicht, u. a. in der Fachzeitschrift „Flottenmanagement“ sowie im Ratgeber „Dienstwagen- und Mobilitätsmanagement 2018“ (Kapitel Datenschutz). Als Referent hält er bundesweit offene Seminare und Inhouse- Veranstaltungen zur Dienstwagenüberlassung mit thematischen Bezügen zu Arbeitsrecht/ Entgeltabrechnung/Professionellem Schadenmanagement/ Datenschutz. Zudem hält er Vorträge unter anderem für FleetSpeakers und das „Dialogforum für Fuhrpark- & Flottenmanagement“ von Management Circle.

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