Die Auto-Mobbilität

<p> Deutschland geht es nicht gut. Jedenfalls wenn man nach gewissen speziellen Kriterien geht. Politisch schlingert die GroKo zwischen Weitermachen oder Ende und Neuwahlen. Der Fu&szlig;ballhimmel ist auch nicht mehr blau gef&auml;rbt, teilweise dunkelschwarz. Es fehlen &uuml;berall die F&uuml;hrungspers&ouml;nlichkeiten, die letztendlich weiterhelfen k&ouml;nnten.</p>

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Und diese sollten nach neuem Verständnis „einigermaßen“ jung sein. Österreich, Frankreich und Kanada haben es vorgemacht. Doch wer wäre die Kronprinzessin/der Kronprinz in Deutschland? Auch da verfinstert sich der Himmel. Dabei stehen so viele wichtige Entscheidungen an. Es geht dabei aber leider nur am Rande um unsere Mobilität, die wichtigste Errungenschaft der Neuzeit. Es wird stattdessen um Flüchtlinge und Aufnahmequoten gestritten. Vor der Tür stehende Wahlen lassen sowieso den Fokus auf ganz andere Dinge richten.

Doch was nutzt die ganze Diskutiererei, wenn am Ende nichts Vorzeigbares dabei herauskommt. Die Verkehrsinfrastruktur verschlingt eine Menge Geld. Und es sollte, oder besser müsste, eigentlich noch viel mehr sein. Je länger mit der Sanierung gewartet wird, desto teurer wird die Endabrechnung. Die Steigerung ist dabei eben nicht linear, sie „potenziert“ sich gewissermaßen.

Dabei sollte man immer im Auge behalten, dass unsere Infrastruktur das Rückgrat (ja, mit „g“ drin!) unserer automobilen Bewegungsfähigkeit ist. Ein Drittel der Verkehrsleistung auf unseren Straßen wird auf den Autobahnen abgefahren,  obwohl sie mit knapp 13.000 Kilometern nur einen Bruchteil unseres Gesamtstraßennetzes ausmachen.

Dabei geht es letztendlich auch um die effiziente, wirklich äußerst optimierte Nutzung der vorhandenen Kapazitäten. Dass wir alle irgendwann nur noch mit dem Fahrrad radeln werden, E-Bikes sind eh die Renner schlechthin, ist eine romantische Zukunftsvorstellung. Abgeschaut von den Niederlanden, hofft man mit „Fahrradschnellwegen“ Verkehr von der Straße locken zu können. Die Lobby ist stark und gut aufgestellt, aber die nackten Zahlen der verfügbaren Potenziale lassen da wenig Hoffnung aufkommen. Es ist immer eine essenzielle Frage, wie „skalierbar“ Systeme sind. Für ein paar Teilnehmer geht sich das aus, für ein paar Millionen eher nicht.

Auch die Deutsche Bahn hat da wenig Alternativen zu bieten. Weder vom Komfort noch vom Preisgefüge her gesehen ist hier eine tatsächliche Entlastung zu sehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Züge aufgrund von „Überlastung“ (in Stuttgart!) gar nicht mehr fahren. Ein Armutszeugnis bei der Fahrgastplanung. Und das findet praktisch täglich überall statt.

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Und immer wieder hört man das Argument: „Eine vernünftige Bahnverbindung war nicht verfügbar.“ Oder auch das preisliche Argument, zu teuer, zu unflexibel oder zu unkomfortabel. Alternativanbieter springen hier in die Bresche: die Mitfahrgelegenheiten sowie die Fernbusse. Zeitlich nicht so flexibel, preislich aber ganz weit vorne. Obwohl sich da mittlerweile auch die Lücken schließen.

Da junge Menschen den Autobesitz eher als Belastung empfinden, ergibt sich für die Zukunft eine ganz anders geartete Situation. Carsharing, mit großen Hoffnungen an den Start gegangen, kann die Erwartungen bei Weitem nicht erfüllen. Geld verdienen kann man damit eigentlich nicht. Die neueren Modelle sehen daher eher nach klassischem Mietwagen oder sogar Leasing aus.

Im Prinzip sind das alles lösbare Probleme. Die Fahrzeuge werden immer selbstständiger. Immer mehr Assistenten unterstützen den Fahrer. Doch am Ende gibt es den Fahrer (leider) immer noch. Bis alles automatisiert abläuft (wenn es jemals dazu kommt), werden noch Jahrzehnte vergehen. Menschen werden sich mit Maschinen irgendwie einigen müssen. Das wird so einfach nicht möglich sein, ja vielleicht sogar unmöglich sein.

Aber alle sind eigentlich guter Dinge, dass wir da auf dem richtigen (!) Weg AUTOR sind. Millionen werden investiert (längst nicht so viel wie bei dem Elektro- Hype), Ergebnis offen. Die wahren Probleme sind allerdings schon heute allerorten zu besichtigen. Wer da mal richtig mittendrin sein will, dem sei eine Fahrt über die A45 („Sauerlandlinie“) empfohlen.

Nicht nur, dass praktisch jede, aber auch wirklich jede Brücke marode ist und dies zu Einschränkungen bei der Befahrung führt. Nein, das Aufkommen im Lkw-Verkehr ist so auffällig, dass man es nicht mehr kleinreden kann. Jeder Rastplatz ist in den späteren Nachmittagsstunden so vollgestellt, dass man nicht mal mit einem Pkw einigermaßen vernünftig ausscheren kann. Angeblich fehlen in Deutschland rund 10.000 Stellplätze für Lkws an Autobahnen. Aktivitäten zur Behebung dieses Missstandes: Fehlanzeige. Heiße Luft haben wir im Sommer sowieso zur Genüge.

Zudem wurde ja die Lkw-Maut zum 1. Juli 2018 von 15.000 Kilometer auf 40.000 Kilometer ausgeweitet. Das sind eben zusätzlich die Bundesstraßen, die bisher außen vor waren. Aufgrund der Abnutzung der Fahrbahnoberfläche durch einen Lkw (so viel wie 60.000 Pkw) macht eine Maut schon Sinn. Wohin das eingenommene Geld dann am Ende fließt, bleibt das Geheimnis der Vereinnehmer. Viel Reden bringt viel Verdruss, also besser Mund halten.

Ab 1. Januar 2021 wird es ja die Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen geben. Der Bund übernimmt das komplette Management der Autobahnen, also Bau und Betrieb, wahlweise konnten die Länder auch noch die Bundesstraßen mit in die Waagschale werfen. Das wollte aber wohl kaum eines, da das für die entsprechenden Landesämter der Absturz in die Bedeutungslosigkeit bedeuten würde. Das Netz der Landesstraßen, das dann übrig bleiben würde, ist löchriger als jeder erdenkliche Schweizer Käse.

Da die Regierung hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist, fallen Themen wie die Pkw-Maut erst mal unter den Tisch. Von der CSU hauptsächlich vorangetrieben, ist hier bei aller Taktiererei kaum weiterer Verhandlungsspielraum. Andere Themen „deckeln“ den politischen Diskurs. Der Verkehrsteilnehmer kann eigentlich nur hocherstaunt zur Kenntnis nehmen, wie wenig er dem Gesetzgeber wert ist. Kaum ein Bereich in der Politik, eigentlich keiner, ist so bedeutend und wird so nachlässig behandelt. Wir fahren „Gegen die Wand“, ein leider früh verstorbener Freund von mir (Andreas Thiel) hat den Film seinerzeit mit Fatih Akin als Regisseur realisiert.

Doch das Problem ist tiefer gelagert. Mag man bisher den Eindruck bekommen haben, dass externe Einflüsse maßgeblich an unserem „Verkehrsdesaster“ Schuld sind, so wird man schnell bei einem genaueren Hinsehen eines Besseren belehrt. Wir alle erzeugen den Verkehr, wie sind der Verkehr, und wir sind letztendlich an allem Schuld.

Dieses scheinheilige Verschieben der Schuld an was oder wen auch immer ist der gängige Modus geworden. Jeder ist sich selbst der Nächste, wie es so schön heißt. Im Verkehr ist diese Binsenweisheit aktueller denn je. Wir erleben das jeden Tag. Eine Rettungsgasse ist mehr ein theoretisches Konzept denn eine praktizierte Maßnahme. Die Akzeptanz ist durchaus höher geworden. Allerdings reicht ein einzelner „Ignorant“, die ganze Gasse zunichtezumachen.

Vielleicht ist ja der Verkehr auf der Straße ein Spiegelbild unserer aktuellen Gesellschaftssituation. Auf der Straße ist die Lage am Ende wahrscheinlich noch deutlicher ablesbar, da sich die Gefühle dort direkter ausleben lassen. In der Anonymität des Fahrzeugs leiste ich mir mehr, als ich es zu Hause riskieren würde.

Schaut man sich mal ganz unvoreingenommen an, was da auf unseren Straßen los ist, so bekommt man schon Beklemmungen. Wir reden in der Gesellschaft ständig über „Mobbing“. Ich habe noch keine vergleichbare Diskussion im Verkehr wahrgenommen. Doch genau dies passiert ständig und überall.

Dabei soll es jetzt weniger um die Hierarchisierung Autofahrer – Radfahrer – Fußgänger gehen. Diese gibt es zweifellos. Es geht hier um das Verständnis des „Miteinander“. Ob automatisierte Systeme daran etwas grundsätzlich ändern können, wage ich zu bezweifeln. Mensch bleibt Mensch, am Ende bestimmen wir ja die Vorgehensweise.

Schon vor vielen Jahren, also 2000, wurde von Uniroyal eine Verkehrsuntersuchung zum Thema „Verfall der Sitten?“ veröffentlicht. Dort wurden verschiedene Thesen zum individuellen Verhalten aufgestellt. Besonders interessant ist dabei These 11: „Als Hauptursache für Regelverstöße gilt heute vor allem der Egoismus des Einzelnen.“ Dabei werden auch der zu komplizierte Regelkatalog und das daraus resultierende zu enge Regelkorsett kritisiert.

Würde man diese Studie neu auflegen, wären die Ergebnisse wahrscheinlich deutlich „deprimierender“. An einem Beispiel sei dies dokumentiert. Jeder Autobahn-Autofahrer kennt das. Man wird überholt und das überholende Fahrzeug wechselt direkt, ohne Sicherheitsabstand, auf die Spur des Überholten.

Automatisierte Fahrzeuge müssten sofort mit einer starken Bremsung reagieren, um den Sicherheitsabstand wiederherzustellen. Der könnte natürlich dann auch geringer ausfallen. Beim Platooning auf der A52 hatten die Lkw nur einen Abstand von 15 Metern. Trotzdem denkt der Mensch eigentlich nur nach vorne, was hinter ihm passiert, ist nicht mehr von Interesse. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Es ist zu befürchten, dass, sozusagen als Spiegelbild unserer politischen Situation, die Kooperationsbereitschaft auch auf der Straße weiter abnimmt. Verschärft wird die Wahrnehmung natürlich durch die überbordende Anzahl an Baustellen. Und dazu kommt noch die Lkw-Misere, wie schon beschrieben. Es ist eigentlich nur zu verständlich, dass angesichts dieser „Randbedingungen“ Emotionen hochkochen.

Nirgendwo im zivilen Leben wird, allein schon in der Werbung, mit so vielen Emotionen gearbeitet wie in der Automobilbranche. Gefühl pur, alles wird herein projiziert: Gefühl, ja sogar Liebe, ewige Jugend, Abenteuerlust, oder einfach Zuverlässigkeit. Unvergessen die Ohrfeige, als ein Fahrzeug, welcher Marke auch immer, mal versagt haben soll. Auch der Autofahrer ist anscheinend nur eine Zeiterscheinung. Wer weiß, was tatsächlich in 50 Jahren (noch) los ist.

Aber wie soll es tatsächlich weitergehen? Eine Frage, keine Antwort. Oder doch? Man sollte die Situation realistisch bewerten. Das heißt weder zu negativ noch zu positiv. Nach meinem Studium in Köln (und meinen aktuellen Untersuchungen zum dortigen Rosenmontagszug) habe ich mir das Rheinische Grundgesetz zu eigen gemacht.

Gewisse Weisheiten haben das Recht, alle Zeiten zu überdauern. Es steht dort unverrückbar geschrieben: „Et kütt wie et kütt.“ Und letztendlich hoffen wir doch darauf: „Et hätt noch emmer joot jejange.“ Ich bin ein Freund der einfachen Sprache. Diesen Zitaten ist einfach nichts hinzuzufügen.

 

AUTOR

PROFESSOR DR. MICHAEL SCHRECKENBERG, geboren 1956 in Düsseldorf, studierte Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promovierte. 1994 wechselte er zur Universität Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von Transport und Verkehr erhielt. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders im Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem Verhalten darauf.

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Onlineverkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein- Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen bei Evakuierungen.

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