Ausgedruckt: das Fahrzeug aus dem 3D-Drucker
<p> Wer das Wort „drucken“ hört, der bringt dies nicht unbedingt mit einem Fertigungsprozess in der Industrie in Zusammenhang. Doch das 3D-Druckverfahren ist eine der maßgebenden Technologien für die Zukunft der industriellen Produktion. Ob im Designprozess, im After-Sales-Bereich oder in der Serienfertigung – mittlerweile hat der dreidimensionale Druck auch viele Bereiche in der Automobilindustrie revolutioniert. Flottenmanagement wirft daher einen Blick auf dieses Verfahren.</p>

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Schon vor ein paar Jahren begann man sich in der Herstellung von Prototypen und Modellen mit dem 3D-Druckverfahren auseinanderzusetzen, da der schichtweise computergesteuerte Aufbau eine Reproduzierbarkeit der Objekte sicherstellte. Auch in der Herstellung von Werkstücken in geringer Stückzahl bewährte sich das Verfahren schnell: So wurden ab 1997 beim Kampfjet F/A- 18 Hornet von Boeing bereits 86 Teile durch ein Fertigungsverfahren mittels Schichten erstellt, hierbei wurde der schichtweise aufgetragene pulverförmige Ausgangsstoff mittels eines Lasers zu einem festen Objekt geschmolzen. Durch dieses Verfahren war es erstmals auch möglich, Werkstoffe zu erzeugen, die sich in konventioneller mechanischer oder gießtechnischer Fertigung nicht herstellen lassen.
Grundlegende Vorteile des 3D-Druckverfahrens liegen daneben auch im Entfall des Herstellens von Formen und dem Wechsel dieser, wie es beispielsweise im Spritzgussverfahren üblich ist. Auch gegenüber Verfahren, in denen Material abgetragen wird – zum Beispiel Bohren, Drehen und Schneiden – zeigt der 3D-Druck den Vorteil, dass eine zusätzliche Bearbeitung nach dem Urformen, sprich der Herstellung eines festen geometrisch definierten Körpers, entfällt. Jedoch ist wie bei anderen automatisierten Verfahren je nach Anwendungsbereich eine Nachbearbeitung notwendig. Demgegenüber liegt ein weiterer Vorteil des dreidimensionalen Drucks bei der benötigten Energie, insbesondere wenn das Material nur einmal in der benötigten Größe und Masse aufgebaut wird.
Die wichtigsten Techniken innerhalb des 3DDruckverfahrens sind das selektive Laserschmelzen wie auch Elektronenstrahlschmelzen für Metalle und das beim F/A-18 Hornet angewandte selektive Lasersintern für Polymere, Keramik und Metalle. Im sogenannten Rapid Prototyping, übersetzt: schneller Modellbau, wird das Verfahren insbesondere wie folgt genutzt: in der Stereolithografie für Kunstharze, der Herstellung eines Werkstoffes durch schichtweise aufgetragene materialisierte Punkte, beim Polyjet-Modeling, bei dem über einen Druckkopf mit mehreren linear angeordneten Düsen ein Modell schichtweise aufgebaut wird, und beim Fused Deposition Modeling, bei dem ein Werkstück schichtweise aus einem schmelzfähigen Material entsteht.
Noch vor einem Jahr bezeichnete Dr. Guido Hertel, Partner der Unternehmensberatung A.T. Kearney, den 3D-Druck als noch nicht disruptive Technologie für die Serienfertigung in der Automobilindustrie, doch in den letzten Monaten gaben sowohl Mercedes-Benz als auch Porsche bekannt, dass der 3D-Druck in der Ersatzteilproduktion angekommen ist. Im August 2017 erklärte Mercedes-Benz Lkw in einer Pressemitteilung, dass das erste gedruckte Ersatzteil aus Metall, eine Thermostatabdeckung für Lkw und Unimog aus älteren Baureihen, alle Instanzen der strengen Qualitätssicherung mit Bravour bestanden hat. „Wir stellen auch bei 3D-Metallteilen dieselbe Funktionalität, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit sicher wie bei Bauteilen aus konventioneller Fertigung“, so Andreas Deuschle, Leiter Marketing & Operations im Geschäftsbereich Customer Services & Parts Mercedes-Benz Lkw. Die Metallteile aus dem 3D-Drucker zeichnen sich laut des Nutzfahrzeugherstellers durch sehr hohe Belastbarkeit und Hitzebeständigkeit aus und überzeugen dadurch vor allem bei der Fertigung von mechanisch wie auch thermisch stark beanspruchten Bauteilen in kleinen Stückzahlen. Metallische Bauteile seien „auf Knopfdruck“ in beliebigen Geometrien und Stückzahlen produzierbar – den Start machen selten georderte Aluminiumteile.
Auch Porsche Classic reproduziert seltene Teile mittels 3D-Druckverfahren: Besitzer eines Porsche 959 bekommen beispielsweise den Ausrückhebel der Kupplung aus dem Drucker. Per selektiver Laserschmelze wird aus einem pulverförmigen Werkzeugstahl Schicht für Schicht der Ausrückhebel für den Hightech-Porsche, von dem es noch lediglich 292 Exemplare gibt, gefertigt. Dabei schmilzt der energiereiche Lichtstrahl das Pulver an den gewünschten Stellen unter einer Schutzgasatmosphäre zu einer Stahlschicht. Die anschließende Druckprüfung mit einer Belastung von rund drei Tonnen sei laut Porsche für das neue Teil keine Herausforderung. Auch der Praxistest im Fahrbetrieb wurde erfolgreich gemeistert. Interesse am Einsatz von 3D-Druckern bei ausgewählten Schäden an Oldtimern zeigt auch die Generali in Deutschland und startete Ende Juni als erster Versicherer im deutschen Markt ein Pilotprojekt. „Wir freuen uns, dass wir die Ersten im deutschen Versicherungsmarkt sind, die die 3D-Drucktechnologie in der Schadenregulierung testen, um die Kundenzufriedenheit weiter zu steigern“, erklärte Roland Stoffels, Country Head of Claims und Geschäftsführer der Generali Deutschland Schadenmanagement GmbH, in einer Pressemitteilung.

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Ausgabe 4/2018

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Dass sich das 3D-Druckverfahren bei der Ersatzteilproduktion nicht nur auf wenige Stückzahlen beschränken muss, zeigen die Ambitionen von BMW Motorrad: Bis 2019 sollen weltweit zunächst 250 ausgewählte Motorrad-Vertriebspartner mit einem fest installierten 3D-Drucksystem ausgerüstet werden. Das System mit integriertem Bearbeitungszentrum erlaubt die Herstellung und nachträgliche Bearbeitung von großen und komplexen Bauteilen wie beispielsweise Kegel- und Tellerrädern oder Motorgehäusen. So können dann auch nicht bevorratete Ersatzteile „just in time“ bereitgestellt werden. Dem nicht genug sollen kleinere Bauteile, wie etwa Handbrems- und Kupplungshebel, Fußbrems- oder Schalthebel, Ventildeckelhauben, Gabelbrücken oder Blinkergläser mithilfe eines mobilen 3D-Druckers sogar unterwegs vom Kunden ausgedruckt werden, da sich das handliche Hightech- Gerät bequem in einem Topcase oder einem Seitenkoffer verstauen lässt. Die benötigten Konstruktionsdaten sowie Materialspezifikationen werden über eine Cloud bereitgestellt und können einfach per Mobiltelefon, Tablet oder PC auf die Drucksysteme übertragen werden. Inwieweit solche Systeme nach der Markteinführung im September 2018 den Weg auch in den Automobilbereich finden, ist bisher nicht bekannt.
Abseits der Ersatzteilproduktion hat sich der 3D-Druck aber bereits in der Produktentwicklung bewährt. So gab Stratasys Anfang Juni bekannt, dass das Audi Vorseriencenter mit dem Kunststoff-3D-Druck-Zentrum in Ingolstadt den weltweit einzigen Multimaterial-3D-Vollfarbdrucker nutzen wird, um den Produktentwicklungsprozess zu verbessern und Designfreigaben bei Prototypen zu beschleunigen. Damit lassen sich beispielsweise Vorlaufzeiten von Prototypen-Rückleuchten um bis zu 50 Prozent reduzieren, da die Deckgläser mittels 3D-Druck hergestellt werden können. Zur Produktion der Deckgläser für Rückleuchten wandte man bislang herkömmliche Methoden, wie das Gießen und Fräsen, an. Die größte Herausforderung bei diesen Methoden sind die verschiedenfarbigen Elemente der Rücklichtblende. Die einzelnen Farbteile mussten bisher im Anschluss zusammengefügt werden, da sie nicht in einem Stück hergestellt werden konnten. Dieser zeitaufwendige Vorgang verlängert die Vorlaufzeiten für die Bauteilfreigabe. Der Multimaterial-3D-Vollfarbdrucker ermöglicht es Audi nun, vollständig transparente, mehrfarbige Deckgläser für Rückleuchten in einem einzigen Druckvorgang herzustellen. Darüber hinaus sollen in Zukunft transparente Bauteile in verschiedenen Farben und Strukturen mit über 500.000 Farbkombinationen gedruckt werden können, die den strengen Anforderungen des Design-Freigabeverfahrens von Audi entsprechen. „Das Design ist für Audi-Kunden einer der wichtigsten Faktoren in der Kaufentscheidung, daher ist es unerlässlich, dass wir in der Designund Konzeptphase der Fahrzeugentwicklung höchste Qualitätsstandards einhalten“, so Dr. Tim Spiering, Leiter Audi Kunststoff-3D-Druck- Zentrum. „Daher müssen die Formen und Strukturen unserer Prototypen exakt mit den fertigen Bauteilen übereinstimmen. Sie dürfen keinen Verzug aufweisen, müssen von höchster Qualität und in Farbe und Transparenz absolut originalgetreu sein.“
Die Schnelligkeit des 3D-Drucks macht sich auch der Motorsport zunutze: So entstanden viele Aerodynamik-Teile für die Prototypen des Volkswagen I.D. R Pikes Peak kurzfristig aus dem 3DDrucker: „Wir haben rund 2.000 Teile gedruckt. Dadurch haben wir viel Zeit gespart“, beschreibt Dr. Hervé Dechipre, der als CFD-Ingenieur bei Volkswagen Motorsport für die Aerodynamik des I.D. R Pikes Peak verantwortlich zeichnet. Mit einem Modell im Maßstab 1:2 testete Volkswagen Motorsport eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten des Pikes-Peak-Renners im Windkanal. Im Anschluss erhielt die Karosserie im 1:1-Format den letzten Feinschliff im Porsche Entwicklungszentrum in Weissach. Trotz der kurzen Entwicklungszeit, erst im September 2017 haben die Wolfsburger beschlossen, mit einem Elektrorenner beim Pikes Peak International Hill Climb mitzumachen, fielen beim harten Bergrennen nicht nur der Rekord für Elektroautos und der Gesamtrekord, sondern Romain Dumas ist auch der erste Fahrer, der das Rennen in unter acht Minuten bewältigte.
Die Grenzen des 3D-Drucks sind dabei noch nicht erreicht: So setzt bereits mehr als jedes vierte deutsche Industrieunternehmen das Verfahren ein. Das ergibt eine repräsentative Befragung von 553 Fertigungsunternehmen ab 100 Mitarbeitern im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Der Verband geht davon aus, dass der 3D-Druck mittel- bis langfristig die derzeit gängigen Produktionsverfahren, Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten in bestimmten Bereichen maßgeblich beeinflussen könnte. Sieben von zehn Unternehmen (70 Prozent) sagen, dass 3D-Druck die Industrie disruptiv verändern wird. Dabei erwartet jedes zweite dieser Unternehmen (49 Prozent), dass die disruptiven Veränderungen bereits in den kommenden zehn Jahren eintreten. Die Möglichkeiten, die das Fertigungsverfahren bietet, sind schon jetzt einer der Gründe für die zunehmende Durchdringung in der Industrie. Erst im Mai gaben das Self-Assembly Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und die Designabteilung von BMW bekannt, erfolgreich Technologien für aufblasbare Materialien im 3D-Druckverfahren entwickelt zu haben, die sich selbst verformen, anpassen und ihre Gestalt verändern können. So kann das Druckprodukt aus Silikon je nach Menge des Luftdrucks seine Form verändern. Die pneumatische Steuerung im System sorgt dafür, dass das gedruckte Gebilde eine Vielzahl von Formen, Funktionen und Festigkeitsstufen annimmt. Das visionäre Projekt soll damit auch dazu beitragen, konventionelle Ansätze wie etwa Vorder- und Rücksitze für die Mobilität der Zukunft obsolet zu machen: „Es ist nicht mehr nötig, das Auto der Zukunft in eine bestimmte Form zu pressen. Innenräume könnten auch formbare, baukastenähnliche Strukturen annehmen“, erläutert Martina Starke, Leiterin der Bereiche BMW Brand Vision und BMW Brand Design bei der BMW Group. Aus diesem Grund konzentriert sich die Studie derzeit gänzlich auf technologische Dimensionen und Materialeigenschaften.

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