„Gerade ländlicher Raum bietet gute Voraussetzungen für E-Mobilität“

Interview mit Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

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Flottenmanagement: Frau Bundesministerin, in 66 Städten in Deutschland drohen Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge (Anmerkung der Redaktion: Im Nachgang des Interviews wurde bekannt, dass in Hamburg bereits ab dem 31. Mai Fahrverbote gelten). Die Verunsicherung im Autoland Deutschland ist groß, der Diesel erfreut sich in den Fuhrparks allerdings (fast) ungebrochen großer Beliebtheit. Wäre die blaue Plakette für Sie zumindest nicht zeitweilig eine Option, um das Problem der Fahrverbote zu umgehen

Svenja Schulze: Plaketten würden Fahrverbote nicht umgehen, sondern deren Kontrolle vereinfachen. Zentrales Ziel der Bundesregierung ist es, Fahrverbote zu vermeiden.

Der Bund darf die Kommunen dabei nicht im Stich lassen. Wir helfen deshalb mit dem Sofortprogramm „Saubere Luft“, aber das reicht nicht überall, um Fahrverbote zu verhindern. Es liegt auch an der Autobranche. Wir brauchen neben funktionierenden Software-Updates zügig Hardware-Nachrüstungen. Dafür trete ich schon lange ein. Nur wenn beides kommt, wird die Luft in allen Städten besser. Nur dann kann im Sinne der Verbraucher der Wertverlust der Fahrzeuge abgemildert und es können Fahrverbote vermieden werden. Das muss das Ziel sein.

Flottenmanagement: Erzieherische Politik entspricht nicht Ihrer Haltung, sagten Sie zuletzt in einem Interview mit der „Rheinischen Post“. Aber wie kann man ohne Leitlinien aus der Politik die ausgerufenen Klimaziele erreichen, gerade in Anbetracht dessen, dass im Automobilbereich SUVs und größere Fahrzeuge immer beliebter werden

Svenja Schulze: Erzieherische Politik wäre für mich, wenn man den Leuten vorschreiben wollte, wie und wie viel sie sich fortbewegen dürfen. Das lehne ich entschieden ab. Denn die jeweiligen Lebenssituationen der Bürgerinnen und Bürger sind so unterschiedlich und teilweise so komplex, dass sich die Politik nicht anmaßen sollte, zu wissen, welche Mobilitätsform jeweils besser für die Betroffenen ist. Denn gerade wenn Beruf und Familie zeitlich unter einen Hut gebracht werden müssen, schränkt sich das Spektrum der möglichen Verkehrsmittel in vielen Fällen recht schnell ein.

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Das Ablehnen erzieherischer Politik bedeutet aber nicht, dass die Politik keine Leitlinien setzen sollte. Eine solche Leitlinie ist zum Beispiel, dass wir den Anteil von Elektrofahrzeugen deutlich erhöhen wollen. So können wir unsere Klimaschutzziele erreichen, ohne Abstriche bei der Mobilität machen zu müssen. Durch den Umweltbonus und den Ausbau der Ladeinfrastruktur fördern wir diese Entwicklung. Und die Automobilhersteller bringen jetzt auch immer mehr attraktive E-Fahrzeugmodelle mit hoher Reichweite auf den Markt. Zugegebenermaßen tun sie das nicht ganz freiwillig, sondern unter anderem, weil sie die von der Politik vorgegebenen Emissionsgrenzwerte einhalten müssen. Wenn Sie so wollen, greift die Politik bei den Herstellern dann schon ein – was aber letztlich den Kunden und der Umwelt zugutekommt.

Flottenmanagement: Vor allem die ländliche Bevölkerung ist häufig vom Auto abhängig. Wie kann man sie von einem Verzicht auf das eigene Fahrzeug überzeugen

Svenja Schulze: Es geht es nicht darum, dass die Leute auf das Auto verzichten sollen. Was wir erreichen müssen, ist, die CO2-Emissionen pro Kilometer zu reduzieren. Hier wird die Elektromobilität eine ganz zentrale Rolle spielen. Und gerade der ländliche Raum bietet gute Voraussetzungen für die Elektromobilität. Denn hier ist das Aufladen relativ einfach, da die Fahrzeuge meist auf dem eigenen Grundstück abgestellt werden. Bei den Reichweiten der neueren Elektroautos muss man dann auch keine Angst mehr haben, mit leerem Akku auf der einsamen Landstraße liegen zu bleiben.

Flottenmanagement: Kürzlich brachten Sie in einem Interview den Vorschlag, die Kaufprämie für E-Transporter auf 7.000 Euro zu erhöhen. Wie realistisch ist das Ganze? Und was macht Sie sicher, dass dadurch die Absatzzahlen signifikant steigen würden

Svenja Schulze: Der Umweltbonus beträgt heute 4.000 Euro. Nun gibt es im Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft“ derzeit noch eine zusätzliche Förderung für die Anschaffung von E-Transportern, die in Städten mit zu hoher Stickstoffdioxidbelastung eingesetzt werden. Zusammen mit dem Umweltbonus beträgt die Förderung hier schon jetzt 7.000 Euro und mehr. Wir sollten diese Förderhöhe auf alle E-Transporter ausweiten, unabhängig von der Region, in der sie eingesetzt werden, indem wir den Umweltbonus entsprechend erhöhen. Eine entsprechende Ankündigung findet sich ja auch im Koalitionsvertrag.

Dass die Absatzzahlen durch die Förderung steigen, nehmen wir an, weil wir zum Beispiel von Kommunen wissen, dass eine höhere Förderung den Kauf von E-Transportern wirtschaftlich macht.

Flottenmanagement: Eine schwedische Studie aus dem letzten Sommer hat aufgezeigt, wie umweltschädlich die Produktion der Akkus für Elektroautos ist. Ein Fahrzeug mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor könne mehrere Jahre gefahren werden, bevor es die Umwelt so stark belastet habe wie die Akku-Produktion für ein durchschnittliches E-Auto, so eines der Ergebnisse der Studie. Macht sich die Politik nicht auch etwas unglaubwürdig, E-Autos als Heilsbringer darzustellen

Svenja Schulze: Nein, und auch die Studie sagt eigentlich nichts anderes.

Richtig ist: Ein Elektroauto hat aufgrund der aufwendigeren Herstellung erst einmal einen größeren ökologischen Rucksack, bevor es den ersten Kilometer fährt. Einmal auf der Straße, schwindet dieser Nachteil wieder und kehrt sich ins Positive. Ein Auto fährt nicht nur drei, vier Jahre, sondern mehr als zehn. Was zählt, ist die gesamte Lebensdauer. Ein E-Auto ist so selbst beim heutigen deutschen Strommix schon erheblich umweltfreundlicher. Und nicht zu vergessen: Es kann zwei- bis dreimal effizienter sein als ein Benziner oder Diesel.

Flottenmanagement: Ihre Vorgängerin Frau Hendricks dachte laut über kostenlosen öffentlichen Nahverkehr nach. Darüber wurde in der Bundesrepublik bereits hitzig debattiert, eine komplette Gratisnutzung des ÖPNV erscheint unrealistisch. Sie sagten unlängst, dass der ÖPNV zumindest phasenweise kostenlos sein sollte. Wie kann das konkret funktionieren? Und wen möchten Sie damit ansprechen

Svenja Schulze: Wir wollen, dass der ÖPNV mehr Gewicht bekommt in der Verkehrspolitik, wir wollen, dass mehr Menschen bereit sind, Bahnen und Busse zu nutzen. Dafür müssen sie bequem und möglichst günstig sein. Deshalb sollte man auch darüber diskutieren, wie man günstigere ÖPNV-Angebote schafft. Dabei spielen auch kostenlose Angebote eine Rolle: Freie Fahrten für Kinder, Schüler oder Senioren werden zum Beispiel in manchen Kommunen diskutiert.

Flottenmanagement: Die Welt wird immer digitaler und vernetzter, gerade auch durch Apps im Mobilitätsbereich. Welchen Einfluss haben sie auf den Umweltschutz

Svenja Schulze: Das muss man differenziert betrachten. Die Digitalisierung bietet Potenziale, um die Umweltbelastung des Verkehrs zu verringern. So kann mir eine App genau sagen, welches Verkehrsmittel für meinen nächsten Weg das geeignetste ist und per Knopfdruck auch schon ein Ticket buchen oder eine Reservierung vornehmen. Dann könnten mehr Wege mit der Bahn, dem Mietrad oder dem elektrischen Carsharing-Auto statt mit dem eigenen Benziner oder Diesel zurückgelegt werden. Auch im Güterverkehr kann durch die Digitalisierung eine bessere Auslastung des vorhandenen Laderaums oder eine effizientere Tourenplanung erreicht werden.

Steigende Effizienz und sinkende Kosten können wiederum mehr Verkehr auslösen, was positive Umwelteffekte wieder aufzehren kann. Deshalb ist es wichtig, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass wir mit der Digitalisierung auch eine Umweltentlastung erreichen.

Flottenmanagement: Abschließend noch ein Blick in die Zukunft. Das automatisierte Fahren wird in den nächsten Jahren kommen, viele Konzerne testen derzeit schon selbstfahrende Fahrzeuge. Was halten Sie vom automatisierten Fahren? Kann es sich auch positiv auf die Umwelt auswirken

Svenja Schulze: Ich bin fest davon überzeugt, dass das automatisierte Fahren kommen wird. Schon heute wird ja der Fahrer von immer mehr „Helfern“ im Fahrzeug unterstützt. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und beschleunigen, bis hin zum autonomen Fahren auf bestimmten Strecken oder in bestimmten Situationen.

Das automatisierte Fahren kann sich in verschiedener Hinsicht positiv auf die Umwelt auswirken. So wird der Computer in verschiedenen Situationen effizienter fahren als der Mensch, allein schon, weil keine Emotionen im Spiel sind. Und beim sogenannten Platooning, dem elektronischen Koppeln von Fahrzeugen, kann der Luftwiderstand und somit der Energieverbrauch vor allem von Lastwagen deutlich gesenkt werden. Es können auch neue Mobilitätsangebote durch autonom fahrende elektrische Kleinbusse entstehen, die eine Alternative zum eigenen Auto darstellen können. Das erproben wir gerade auf dem Campus der Charité in Berlin.

Allerdings kann auch hier der Effekt eintreten, dass das automatisierte beziehungsweise künftig sogar autonome Fahren zu mehr Verkehr führt. So würde der Lkw-Transport durch den Wegfall des Fahrers deutlich günstiger, was zu mehr Güterverkehr auf der Straße führen kann. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen mehr Güter auf die Schiene bringen. Es kommt also auch hier auf die Rahmenbedingungen an, um die Potenziale des automatisierten Fahrens für mehr Umweltschutz zu heben.

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