Genauigkeit zahlt sich aus

25 Jahre lang wurden der Kraftstoffverbrauch und die Schadstoffemissionen von Fahrzeugen mit Hilfe des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) gemessen. Das sollte sich ändern, als die Vereinten Nationen auch der Europäischen Union zuvor ein neues und genaueres Messverfahren vorschlugen: das „World- wide harmonized Light-Duty vehicles Test Procedure“ (WLTP). Zum 1. September 2017 trat das neue Verfahren in der EU in Kraft. Wie das neue Verfahren funktioniert und was es für den Fuhrpark bedeutet, hat Flottenmanagement im Folgenden näher beleuchtet.

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Um Fahrzeuge für den Kunden vergleichbar zu machen und ihm genaueste Angaben zu bieten sowie um die Kfz-Steuer zu berechnen, werden die Werte der Schadstoffemissionen (CO2-Ausstoß, NOX und Feinstaub) und des Kraftstoffverbrauchs genauestens berechnet und dargelegt. Dies glaubte man zumindest eine Zeit lang. Denn das alte Testverfahren NEFZ ist nicht nur ein theoretisches Messverfahren, das in den 1980er-Jahren entwickelt und 1992 eingeführt wurde, sondern es basiert auch auf Umständen und Fahrzeugen, die sich im Laufe der Jahre gewandelt haben. Die Antriebe als auch die Technologien haben sich verändert. Aus diesem Grund haben sich die Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2007 das erste Mal darüber ausgetauscht, das Testverfahren zu ändern. Das neue Verfahren sollte im Labor unter realeren und alltäglicheren Umständen stattfinden. Um das WLTP-Verfahren zu ergänzen, kamen 2012 auch die ersten Diskussionen um das Verfahren Real Driving Emissions (RDE) zustande, das draußen auf der Straße stattfindet und das Testverfahren noch realer darstellen soll. Die neue Berechnung, die deutlich mehr Faktoren berücksichtigt, dauert auf der einen Seite zwar sehr viel länger, ist jedoch auf der anderen Seite genauer und besser vergleichbar. Im Gegensatz zum NEFZ-Test, der nur für Europa galt, ist der WLTP-Test außerdem von weiteren Mitgliedern der UN übernommen wurden, wie beispielsweise den USA, Indien und China.

Wie funktioniert das WLTP-Verfahren?
Das WLTP-Verfahren findet, wie weiter oben bereits erwähnt, im Labor statt. Jeder Antrieb kann mit dem Verfahren gemessen werden. Für den Test wird das Auto auf ein Rollsystem gestellt, wodurch die Fahrt auf der Straße simuliert wird. Handelt es sich um einen Diesel- oder Benzinmotor, werden zudem an verschiedene Schläuche, zum Beispiel am Auspuff, angeschlossen. Das Auto startet kalt und mit einem Fahrer sowie 15 Prozent Zuladung in die Testphase, so wie es auch bei einer normalen Autofahrt der Fall wäre. Zuvor muss der Motor des Fahrzeugs bereits 3.000 Kilometer gefahren sein, um eine reale Fahrzeugleistung darzustellen. Es gibt verschiedene Fahrzyklen, die in 30 Minuten bei unterschiedlichsten Temperaturen abgehandelt werden. Dabei gibt es bestimmte Vorgaben, wann geschaltet, beschleunigt oder gebremst werden muss, um die Vergleichbarkeit zwischen den Fahrzeugen zu ermöglichen. Die Unterhaltungselektronik, wie das Radio, oder die Klimaanlage werden währenddessen komplett ausgeschaltet, das Tagfahrlicht am Auto ist jedoch anzuschalten. Die Reifen folgen einer spezifizierten Druckangabe, damit auch diese Angaben mit anderen Fahrzeugen vergleichbar sind. Überwacht und durchgeführt wird das Verfahren von unabhängigen Stellen; hier in Deutschland sind das beispielsweise die DEKRA oder der TÜV.

Wie funktioniert das RDE-Verfahren
Das RDE-Verfahren findet unter realen Bedingungen auf der Straße statt und dauert in der Regel 90 bis 120 Minuten bei einer Zuladung von 90 Prozent. Um dabei alle Werte zu messen, wird an das Heck des Fahrzeugs ein Portable Emission Measuring System (PEMS) installiert und kalibriert. Das PEMS sorgt für eine vollständige Echtzeitüberwachung des Fahrzeugs und besteht beispielsweise unter anderem aus einer Wetterstation, einem GPS-Gerät oder einem Abgasmassendurchsatzmesser. Allerdings kann sich ein PEMS je nach Hersteller vom anderen unterscheiden. Die Fahrt im Rahmen des RDE-Verfahrens muss auf der Autobahn (bis zu 145 km/h), auf der Landstraße (70 bis 90 km/h) und in der Innenstadt stattfinden. Darunter müssen sowohl Anstiege als auch Gefälle sein. Die Ergebnisse werden anschließend analysiert und es wird überprüft, ob Randbedingungen des RDE-Verfahrens erreicht wurden oder nicht. Die Ergebnisse des RDE-Verfahrens sind nicht, wie die Ergebnisse des WLTP-Verfahrens, vergleichbar.

Wie funktioniert das Verfahren mit einem Elektro- oder Plug-in-Hybridantrieb?
Bei Elektro- und Hybridfahrzeugen kommt es beim WLTP-Verfahren weniger auf die Schadstoffemissionen an, sondern auf den Verbrauch und die Reichweite, die man damit erzielen kann. Bei elektrifizierten Fahrzeugen wird die Durchschnittsgeschwindigkeit des Testzyklus erhöht, was zu einem höheren Energieverbrauch führen kann. Der Verbrauch wird hier nicht wie bei Diesel oder Benziner in Litern, sondern in Kilowattstunden pro 100 Kilometer berechnet. Voraussetzung für den Testzyklus ist, dass die Batterie des Fahrzeugs komplett geladen ist. Nach dem Test mit leerer Batterie wird das Fahrzeug an ein Ladegerät angeschlossen, das mit einem Stromzähler verbunden ist. Der Stromzähler erfasst nicht nur die Strommenge, sondern auch die Energieverluste, die eine Batterie beim Laden hat. Das Ergebnis des Stromzählers wird danach durch die Reichweite geteilt, die das Fahrzeug zuvor zurückgelegt hat.

Bei einem Plug-in-Hybrid-Fahrzeug ist das Testverfahren durchaus komplizierter. Hier absolviert das Fahrzeug mehrmals die Testzyklen, weil hier der Verbrauch des elektronischen Motors als auch des Benzinmotors gemessen werden muss. Das Fahrzeug startet zunächst mit voller Batterie, dabei wird der Testzyklus so oft gefahren, bis die Batterie leer ist. Währenddessen kommt es immer wieder dazu, dass der Verbrennungsmotor einsetzt. Dabei werden die Emissionen zu jeder Zeit gemessen, auch dann, wenn die Batterie leer ist und die Emissionen nur vom Verbrennungsmotor und der Bremsenergierückgewinnung kommen. Mit der mehrstufigen Messung können die Schadstoffemissionen und der Kraftstoffverbrauch als auch die elektrische Reichweite und das Wichtigste, die Gesamtreichweite, gemessen werden. Der CO2-Ausstoß wird durch das Verhältnis von elektrischer und gesamter Reichweite berechnet.

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Was ändert sich?
Im Vergleich zum alten NEFZ-Verfahren haben sich das Fahrverhalten, die Auswahl an Fahrsituationen, die Distanzen, die Temperaturverhältnisse, die Durchschnitts- und die Höchstgeschwindigkeit, die höhere durchschnittliche und maximale Antriebsleistung, die dynamischen und repräsentativen Beschleunigungen und Verzögerungen sowie die Stopps als auch die optionale Ausstattung im Testprozess verändert. Zwar können der Verbrauch und die Schadstoffemissionen höher sein oder stark variieren, allerdings ist das gesamte Ergebnis auch realistischer. Durch die strengeren Messbedingungen kommt es auch dazu, dass die höheren Werte zu einer höheren Kfz-Steuer führen oder diese maßgeblich beeinflussen könnten. Zwar ist das Verfahren bisher nur auf alle neu hergestellten Autos anzuwenden und allerdings sollen bis 2021 auch alle ab September 2018 zugelassenen Fahrzeuge mit WLTP berechnet worden sein. Ab 2019 wird das RDE-Verfahren nicht nur verbindlich, sondern alle neu zugelassenen Autos seit September 2018 müssen dann durch das WLTP-Verfahren getestet worden sein. 2020 will die Europäische Kommission schließlich die NEFZ-CO2-Ziele mit den WLTPCO2-Zielen vergleichen und anpassen, woraufhin bis 2021 die Umrechnungen beendet worden sein sollen.

Auswirkungen auf den Fuhrpark
Das neue Testverfahren wird fast alle Firmen treffen, die einen Fuhrpark haben. Fuhrparkleiter, die einen reinen Nutzfahrzeug-Fuhrpark haben, können sich noch etwas Zeit lassen. Denn für Nutzfahrzeuge gelten die bisher angegebenen Daten, die auch in der Zeitleiste zu sehen sind, ein Jahr versetzt, also immer ein Jahr später. Allerdings muss über kurz oder lang die Car-Policy an das neue WLTP-Verfahren angepasst werden. Hinzu kommt, dass die Kfz-Steuer für höhere Kosten verantwortlich sein könnte. Diese Kosten könnten jedoch dadurch reduziert werden, dass weniger Ausstattungsmöglichkeiten angeboten werden. Denn ein schönes Panoramadach, eine Anhängerkupplung, ein Reserverad oder spezielle Felgen können die Ergebnisse des WLTP-Tests und damit die Kfz-Steuer schnell ansteigen lassen. Leichtlaufreifen oder ein R-Line-Aerodynamikpaket können hingegen für eine Senkung sorgen. Auch die Obergrenze des CO2-Ausstoßes muss damit in einigen Unternehmen überdacht werden. Diese wenigen Änderungen sorgen auch für große Auswirkungen auf die bisher bestehenden Dienstwagenüberlassungs- und Arbeitsverträge. Jeder Fuhrparkleiter und jedes Unternehmen sollte sich also unverzüglich über all diese Bereiche Gedanken machen und diese intern absprechen, damit keine rechtlichen Konsequenzen daraus resultieren.

Fazit
Die neuen WLTP- und RDE-Testverfahren werden nicht nur Abteilungen vieler Autohersteller umkrempeln, sondern auch den Fuhrpark so mancher Unternehmen. Es muss nicht heißen, dass insbesondere die Kfz-Steuer höher werden muss, doch sollte man dies nicht ausschließen, wenn man sich ein neues Fahrzeug zulegt und dieses mit vielen Ausstattungsmöglichkeiten versieht.

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