Learning by driving
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied erst im Frühjahr 2017, dass Rettungsfahrzeuge nur dann Sonderrechte haben, wenn sie sowohl mit Blaulicht als auch mit Martinshorn unterwegs sind. Kommt es zu einem Unfall, weil ein Rettungsfahrzeug allein mit Blaulicht bei roter Ampel über eine Kreuzung gefahren ist, haftet der Halter des Rettungswagens mit. Zum Glück kommt es nur selten zu Unfällen mit Einsatzfahrzeugen. Trotzdem sind Schulungen und Trainings für die Fahrer unumgänglich, damit solche Unfälle, die Menschenleben gefährden, vermieden werden können. Doch nicht nur bei Fahrern von Einsatzfahrzeugen ist eine regelmäßige Schulung vonnöten, auch bei Fahrern anderer Sonderfahrzeuge können eine richtige Schulung und ein richtiges Training für die richtigen Rahmenbedingungen der Fahrer, Verkehrsteilnehmer und Arbeitskollegen beitragen. Flottenmanagement hat sich für das aktuelle Special mit dem Thema Schulungen und Trainings für Fahrer von Sonderfahrzeugen beschäftigt und zeigt auf, welche Möglichkeiten Fuhrparkleiter haben, damit ihre Fahrer fit für die Straße sind.

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Oft bieten Firmen Schulungen und Trainings als Dienstleistung an oder Organisationen haben solche Angebote für ihre eigenen Mitarbeiter, wie beispielsweise die Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. (JUH): „Trainings und Unterweisungen werden innerhalb der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. für alle Mitarbeitenden (Haupt- und Ehrenamt) angeboten, die Dienstfahrzeuge führen. Für Einsatzkräfte im Rettungsdienst und Katastrophenschutz werden darüber hinaus auch spezielle Fahreinweisungen (Motorrad, Einsatzfahrzeuge et cetera) und die gesetzlich vorgeschriebenen Unterweisungen (Sonderrechte) jedes Jahr durchgeführt“, erklärt Leander Strate, Fachbereichsleiter der Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. Auch bei Taxiunternehmen finden die Schulungen und Trainings innerhalb der Unternehmen statt oder werden unter anderem vom Deutschen Taxi- und Mietwagenverband e. V. (BZP) organisiert: „Einige Taxizentralen und -unternehmen organisieren auch Fahrsicherheitstrainings, dies ist aber freiwillig. Der Taxi-Bundesverband BZP hat gemeinsam mit Mercedes-Benz und der Versicherung Signal Iduna in der Vergangenheit vergünstigte Trainings organisiert, das Angebot wurde allerdings wegen unzureichender Nachfrage zwischenzeitlich eingestellt“, so Frederik Wilhelmsmeyer, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands e. V. Hier wurden sogar Kooperationen eingegangen, um die Schulungen qualitativ zu verbessern, doch scheint die Nachfrage aus verschiedenen Gründen, welche im späteren Verlauf noch erläutert werden, nicht ausreichend zu sein. Dienstleister wie die IFE SYSTEMS GmbH bieten externe Schulungen für die Feuerwehr, die Polizei oder den Rettungsdienst an. Auch Unternehmen und Organisationen, die keine Einsatzfahrzeuge führen, sondern herkömmliche Sonderfahrzeuge, können sich an Dienstleister wie Save4drive oder die fleet academy GmbH wenden, die für alle Flotten, bei Save4drive von 6 bis 2.000 Fahrzeugen, Schulungen anbieten. Wo die Schulungen stattfinden, können sich Interessierte fast immer aussuchen, denn die meisten Dienstleister bieten ihre Schulungen zum einen deutschlandweit an und zum anderen individuell vor Ort, also bei den Dienstleistern oder bei dem Unternehmen selbst. Organisationen, wie die JUH, haben für die Schulungen meist verschiedene Anlaufstellen, wie die Johanniter-Bildungsinstitute oder die Johanniter- Regionalverbände. Je nachdem, welche Schulung gebucht wird, kann diese allerdings auch bei Kooperationspartnern stattfinden.
Der Ablauf der Schulungen richtet sich selbstverständlich danach, was geschult werden soll und für wen die Schulung ist. Taxifahrer können sich theoretisch mit dem Stadtplan, mit Google Maps auf Prüfungen vorbereiten oder indem sie auch die Straßen abfahren: „Der Schüler muss nicht zwangsläufig jede einzelne Straße einer Stadt kennen, aber die Hauptstraßen, Hauptverkehrswege und Hauptverkehrsachsen. Er muss sicher in der Lage sein, jede beliebige Straße im Stadtplan zu finden. Zudem muss er Bahnhöfe, Behörde, Krankenhäuser etc., kurz gesagt also alle wichtigen Fahrziele und den Weg dorthin kennen. Dies wird in den Prüfungen abgefragt, entsprechend werden die Schüler sorgfältig darauf vorbereitet“, erklärt Frederik Wilhelmsmeyer.
So kann es sich um eine Weiterbildung oder ein jährliches Training handeln, um Inhalte und Praxis aufzufrischen, oder darum etwas komplett Neues zu lernen. In der Regel besteht jedoch jedes Angebot aus einem Theorieteil sowie einem Praxisteil und kann von einem halben Tag bis zu mehreren Tagen dauern. Leander Strate von der JUH beschreibt es wie folgt: „Der Aufbau ist immer abhängig vom Themenfeld. Generell sind die Unterweisungen eher theoretischer Natur (zum Beispiel Sonderrechte). Trainings hingegen haben einen hohen Praxisanteil, um Wissen auch praktisch umzusetzen. Bei den praktischen Übungen werden die jeweiligen Einsatzfahrzeuge genutzt (zum Beispiel Rettungswagen, Motorräder, Gerätewagen Sanität). Bei den praktischen Trainings sind sowohl Tages- als auch mehrtägige Veranstaltungen im Angebot. Es werden auch Simulationstechniken genutzt.“ Nicole Dinter- Speetzen, Prokuristin bei der IFE SYSTEMS GmbH, beschreibt das hauseigene und individuelle Schulungskonzept wie folgt: „Eine Schulungsgruppe besteht aus sechs Teilnehmern, einem Trainer sowie dem SFT (Simulator) und dauert vier Zeitstunden.“ Dabei gebe es einen theoretischen Teil, der als eine Art Einführung zu verstehen ist, und drei praktische Teile: eine Eingewöhnungsfahrt, eine Stadt-Land-Fahrt: „Jede Einsatzfahrt am SFT wird aufgezeichnet und direkt im Anschluss in der Gruppe diskutiert. Die Aufzeichnung ermöglicht es, dem Ausbilder, die Fahrt zu analysieren, andere Lösungswege aufzuzeigen und ggf. Fahrfehler und Fehlverhalten aus verschiedenen Perspektiven zu verdeutlichen “, so Nicole Dinter-Speetzen, und eine Stadtfahrt: „Die Stadtfahrt ist eine anspruchsvollere Einsatzfahrt in der sich häufig erst in der Auswertung zeigt, wo und wie viele Fehler unter Stresseinwirkung gemacht wurden“, erläutert sie weiter. Daraufhin folge eine Abschlussbesprechung mit einer Zertifikatsausgabe. Weiter fährt sie fort: „Ziel unseres Trainingskonzeptes mit dem SFT ist es, zu verstehen, warum wir unter Stress nicht so funktionieren, wie wir es sonst gewohnt sind, diese Tatsache am Simulator bewusst zu erleben und unsere persönlichen Grenzen im wahrsten Sinne zu ‚erfahren‘, Gefahren schneller zu erkennen und zu lernen, sichere Entscheidungen zu treffen und so unsere persönlichen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Wir wollen über die Selbsterkenntnis dem Teilnehmer ermöglichen, ganz individuell über seinen Fahrstil nachzudenken und diesen dann aus eigener Überzeugung zu verändern.“
Die Kosten für die Schulungen werden in den meisten Fällen von den Unternehmen übernommen, die eine Schulung für die Fahrer buchen, allerdings weist Bernd Hänel, Inhaber von Save4drive, darauf hin, dass Zuschüsse auch manchmal von der Unfallkasse übernommen werden. Diese Aussage wird von Nicole Dinter-Speetzen, Prokuristin der IFE SYSTEMS GmbH, unterstützt: „In einigen Bundesländern sind die Unfallkassen nicht abgeneigt, einen Beitrag beizusteuern. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel hat die Unfallkasse dem Landesfeuerwehrverband (LFV) einen SFT, also einen Einsatzfahrten-Trainer (Simulator), gesponsert.“ Anders sieht es bei den Taxifahrern aus: „Die Kosten für die Ausbildung zum Taxifahrer (Vorbereitung für die Ortskenntnisprüfung) werden grundsätzlich von dem Fahrer selber getragen. In Zeiten des zunehmenden Fahrpersonalmangels sind aber auch viele Unternehmen bereit, die Ausbildungskosten zu übernehmen“, erklärt Frederik Wilhelmsmeyer.
Allerdings hält sich trotz der vielen Angebote die Nachfrage in Grenzen, wie man es bereits zu Anfang bei Frederik Wilhelmsmeyer vom BZP heraushören konnte. Laut Bernd Hänel, Inhaber von Save4drive, sei zwar ein großes Interesse vorhanden, allerdings hapere es letztlich an der Umsetzung. Ähnlich wird dies bei der IFE SYSTEMS GmbH wahrgenommen: „Erfreulicherweise zunehmend, allerdings immer noch nicht ausreichend, geschweige denn flächendeckend. Das Problem sind die leeren Kassen. Es werden Rettungswachen aus Kostengründen geschlossen – die Hilfsfristen bleiben aber bestehen. Werden diese nicht eingehalten, nur weil in einer Schulung eine Art Höchstgeschwindigkeit genannt wurde, hat die Kommune ein viel größeres Problem als nur ‚mal‘ einen Unfall, bei dem den Schaden die Versicherung zahlt“, erklärt die Prokuristin Nicole Dinter-Speetzen. Andreas Nickel, Geschäftsführer der fleet academy GmbH, beobachtet hingegen eine sehr hohe Nachfrage: „Die Nachfrage steigt an, da die Medien die Themen der Unterweisung gerade massiv im Fokus haben. Hierzu haben wir die ersten Inhouse-Schulungen zur Fahrerunterweisung in diesem Jahr bereits absolviert.“ Anders ist es bei Organisationen, bei denen Schulungen und Trainings Pflicht sind, wie es bei der JUH der Fall ist. Finden Schulungen und Trainings statt, werden diese oft in Zusammenarbeit mit anderen Kooperationspartnern gestaltet, wie der DEKRA, dem TÜV Rheinland, der Handwerkskammer, dem ADAC, der Bundeswehr sowie dem THW.

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Wie sinnvoll die Trainings und Schulungen sind, erläutert Frederik Wilhelmsmeyer, stellvertretender Geschäftsführer des BZP: „Fahrsicherheitstrainings sind kein Luxus, sondern ein wichtiges Werkzeug für eine professionelle Fahrweise insbesondere in widrigen Verkehrs- und Witterungssituationen. Zumindest mittel- bis langfristig zahlen sich diese immer aus.“ Bei den Schulungen für Taxifahrer kommt es jedoch nicht nur auf das Fahrzeug an, sondern auch auf die Ortskenntnisse: „Der Nachweis der Ortskunde ist nach unserer Auffassung weiterhin ein wichtiges Qualitätsmerkmal, damit der Fahrgast auf bestmögliche Art und Weise und auf dem optimalen Weg schnell zu seinem Ziel kommt. Auch modernste Navigationsgeräte sind hier kein vollwertiger Ersatz. Ein gut geschulter und versierter Taxifahrer wird diesen immer haushoch überlegen sein.“
Bernd Hänel von Save4drive warnt zudem, dass der Alltag die Fahrer so sehr in Beschlag nehme, dass vieles von dem, was gelernt wurde, schnell wieder vergessen werde, weshalb regelmäßige Informationen wichtig seien. Doch Schulungen betreffen nicht nur den Fahrer, sondern auch die zu befördernden Personen: „Trainings, Schulungen und Unterweisungen sind generell zur sicheren Beherrschung des Fahrzeugs notwendig. Das gilt für alle Mitarbeitenden in allen Aufgabengebieten der JUH. Für besondere Aufgabengebiete sind solche Schulungen zur eigenen Sicherheit beziehungsweise zur Erhöhung der Sicherheit der zu befördernden Menschen wichtig. Zum Beispiel gehören dazu: die sichere Beherrschung der Technik (Motorräder), das Fahren unter besonderem Gefährdungsrisiko (Fahrten mit Sonderrechten), das Fahren von großen Einsatzfahrzeugen (Abmessungen, Fahrverhalten et cetera), von Lkw (Gerätewagen Sanität, Gerätewagen Betreuung), die Beherrschung der Sicherung von Personen beim Transport (Personen auf Krankentragen, Personen im Rollstuhl et cetera) sowie die Beherrschung der Ladungssicherheit zur Vermeidung von Schäden durch Geräte/Ladung“, erklärt Leander Strate von der JUH. Daher sind auch regelmäßige Schulungen wichtig, weiß Bernd Hänel von Save4drive: „Die Gewohnheiten schleichen sich ein und bestimmen unser Leben. Die Unwissenheit, falsche Meinungen und ‚habe ich mal so gehört oder vom Gefühl her‘ sind Informationen, die oft nicht stimmen, dadurch passieren Unfälle und Menschen werden verletzt oder sogar getötet.“ Nicole Dinter- Speetzen von der IFE SYSTEMS GmbH bringt es auf den Punkt: „Alle Risiken einer Einsatzfahrt auszuschalten ist nicht realistisch, aber wenn Ihnen gesagt wird, dass Ihnen auf einer Baustelle etwas auf den Kopf fallen könnte, freuen Sie sich doch auch, wenn Ihnen einer einen Helm gibt, oder?“
Fazit
Wie wichtig es ist, den oben genannten Risiken aus dem Weg zu gehen und eine Schulung für die Mitarbeiter anzubieten als auch durchführen zu lassen, zeigte bereits das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Wäre der Einsatzfahrer dort korrekt informiert als auch geschult worden, hätte er eventuell das Martinshorn zusätzlich zum Blaulicht angemacht. Doch auch wenn sich nicht immer alles vermeiden lässt, sollte sich jeder Fuhrparkverantwortliche bewusst sein, wie gut und individuell die Schulungen an die Bedürfnisse angepasst werden können und wie sehr damit den Fahrern als auch den Verkehrsteilnehmern geholfen ist, wenn Fahrer von Sonder- und Einsatzfahrzeugen regelmäßig oder zumindest einmalig Schulungen und Trainings absolvieren.

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