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Interview mit Gunnar Herrmann (Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH)

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Flottenmanagement: Herr Herrmann, Sie sind nun seit Anfang dieses Jahres Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH und damit verantwortlich für die Umsetzung der Neuausrichtung von Ford an einem der wichtigsten Standorte Europas. Können Sie bitte kurz die Kernpunkte der Neuausrichtung erläutern
Gunnar Herrmann: Die Eckpunkte für die globale Neuausrichtung sind klar festgelegt. Wir werden das Geschäft mit einem klaren Fokus auf die Bereiche Kosten, Produkt und die zukunftsträchtigen Formen der Mobilität ausrichten. Der Plan ist, bis 2022 die Kosten bei der Entwicklung und Fertigung unserer Fahrzeuge um 50 Prozent zu senken, indem schrittweise Material- und Entwicklungskosten reduziert werden. Die Einspareffekte ergeben sich in den kommenden Jahren zum Beispiel durch einen deutlich höheren Anteil von Gleichteilen über alle Fahrzeuglinien hinweg. Zusätzlich werden wir die Komplexität von Konfigurationsmöglichkeiten unserer Fahrzeuge reduzieren.
Flottenmanagement: Was bedeutet das für Ford in Deutschland
Gunnar Herrmann: Die Rolle der Ford-Werke im globalen Kontext wurde bei dem Antrittsbesuch von Jim Hackett in Deutschland klar definiert. Den deutschen Standorten kommt heute und in Zukunft eine bedeutende Rolle für den europäischen und globalen Geschäftserfolg unseres Unternehmens zu. Ich werde also mit dem Führungsteam der Ford-Werke für Deutschland die strategische Neuausrichtung mitgestalten und umsetzen.
Flottenmanagement: Smart Mobility ist ein essenzieller Bestandteil der Neuausrichtung von Ford. Welche Bedeutung haben Kooperationen wie das Projekt FordPass Bike mit der Deutschen Bahn für den Wandel zum Mobilitätsdienstleis- ter

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Ausgabe 6/2017

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Gunnar Herrmann: Wir atmen alle dieselbe Luft. Ford hat sich auf seine Fahnen geschrieben, intelligente Mobilitätslösungen zu entwickeln, die einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität leisten. Mit der DB Connect, Tochter der Deutschen Bahn, kooperieren wir schon beim Ford-Carsharing und profitieren hier von der jahrelangen Expertise, die die DB Connect mit Flinkster entwickelt hat. Gleiches gilt nun für FordPass Bike. Zusammen mit der DB Connect sind wir in der Lage, unseren Kunden in Deutschland flächendeckend einen perfekten Mobility-Service anzubieten. Wir arbeiten aber auch mit den öffentlichen Nahverkehrsanbietern sehr eng zusammen. In einigen Städten stehen an den Bahnhöfen oder Busendhaltestellen die Ford-Carsharing-Fahrzeuge, um Reisenden einen nahtlosen Übergang zu bieten und sie so ihre individuelle Fahrtroute fortsetzen können. Die Bedeutung von co-modalen Verkehrskonzepten wird zunehmen und damit auch die Zusammenarbeit von Partnern, die beispielsweise ihr Wissen, ihre Logistik und ihre IT-Kenntnisse für eine gemeinsame Zielsetzung bündeln.
Flottenmanagement: Ein Wandel sollte nicht nur nach außen stattfinden, sondern auch im Inneren. Welche Projekte oder Initiativen haben Sie gestartet, um auch innerhalb der Ford- Werke zum nachhaltigen Mobilitätsanbieter zu werden
Gunnar Herrmann: Das JobTicket oder die Ford-Carsharing-Fahrzeuge, die sich unsere Mitarbeiter vor den Werktoren ausleihen können, sind eine sinnvolle Initiative. Viel wichtiger aber ist das Umdenken, und dass alternative Mobilitätsformen auch gelebt werden. Unsere Mitarbeiter am Standort Köln sind Leidtragende der äußerst angespannten Verkehrssituation in und um Köln. Und mittlerweile überlegt so mancher Mitarbeiter, ob er nicht vielleicht doch besser aufs Fahrrad steigt oder die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, wenn er nur ein paar Kilometer bis zu Ford fahren muss. Einige unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von insgesamt rund 18.000 am Standort Köln haben sich bei der bundesweiten Aktion „Stadtradeln. Radeln für ein gutes Klima“ registriert. In Köln lief die Aktion für drei Wochen im Sommer. Insgesamt hat das Team von Ford über 40.000 Kilometer auf zwei Rädern zurückgelegt. Die Aktion zeigt: Stimmen die Anreize oder die Rahmenbedingungen, muss es nicht immer der Weg mit dem Auto zur Arbeit, zum Einkauf oder zum Treffen mit Freunden in der Stadt sein.
Flottenmanagement: Angesichts der Feinstaubbelastung und möglicher Fahrverbote für Dieselfahrzeuge gewinnt das Thema Elektromobilität zunehmend an Bedeutung. Wie weit ist Ford aktuell beim Thema Elektromobilität und was können wir in naher Zukunft erwarten
Gunnar Herrmann: Wir haben zuletzt verkündet, 4,5 Milliarden US-Dollar in Elektromobilität zu investieren. In Europa wird Ende 2019 der Transit Custom PHEV, ein Plug-in Hybrid, auf den Markt kommen. Und im Jahr 2020 ein rein elektrischer kleiner SUV mit einer Reichweite von rund 480 Kilometern. In den kommenden fünf Jahren kommen global 13 neue Hybrid- und Elektrofahrzeuge auf den Markt. Die Modelle Mustang und F-150 sollen dann 2022 um Hybridversionen ergänzt werden. Zusammengefasst ist es unser Ziel, „smart vehicles in a smart world“ anzubieten. Autonom, vernetzt, integriert, multimodal, allzeit verfügbare Echtzeitinformationen, Car-, Bike- und Ridesharing, Fahrdienste und Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge sind hier nur einige Schlagwörter für unsere Strategie zur mobilen Welt von morgen.
Flottenmanagement: Die letzte Meile, sprich der Transport von Sendungen beziehungsweise Paketen, gewinnt von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Mit der StreetScooter GmbH sind Sie in diesem Umfeld eine Partnerschaft eingegangen. Was sind die Inhalte dieser Partnerschaft? Gunnar Herrmann: Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Post DHL Group bezieht sich aktuell ganz konkret auf die Entwicklung und Produktion des StreetScooter Work XL – eines batterieelektrischen Transporters auf Basis des Ford Transit. Bis Ende 2018 sollen 2.500 Fahrzeuge dieses Typs bei StreetScooter produziert und bei der Deutschen Post beziehungsweise DHL in Dienst gestellt werden. Ein darüber hinausgehender Verkauf dieses Fahrzeugs an Drittkunden wäre grundsätzlich möglich, aber da gibt es noch keine finalen Pläne. Daneben arbeiten wir auch intensiv an einer hauseigenen komplementären Lösung zum Themenkreis: Mit dem Ford Transit Custom PHEV werden wir ab 2019 einen Transporter mit seriellem Plug-in- Hybrid-Antrieb anbieten, der mit seinem Range- Extender, einem 1,0-Liter-EcoBoost-Motor, ein anderes Nutzungsspektrum bietet – lokale Emissionsfreiheit in Städten und Umweltzonen bei gleichzeitig 500 Kilometer Gesamtreichweite. Beide Konzepte ergänzen sich aus meiner Sicht hervorragend.
Flottenmanagement: Das autonome Fahren wird über kurz oder lang das Autofahren revolutionieren. Was sind aus Ihrer Sicht die Hürden für eine flächendeckende Einführung von autonomen Fahrzeugen
Gunnar Herrmann: Technisch gesehen ist die Entwicklung auf einem guten Weg. Probleme existieren derzeit noch in Innenstädten, wo die Verkehrslage oft komplex ist und vielfach keine gut sichtbaren Fahrbahnmarkierungen existieren. Hilfreich wäre auch, wenn Standards und Infrastruktur für den Austausch verkehrsrelevanter Daten zwischen den Autos geschaffen würden. Diese könnten sich dann beispielsweise über Staus oder plötzlich auftretendes Glatteis gegenseitig informieren. Eine weitere Hürde stellen sicherlich juristische und versicherungstechnische Haftungsfragen dar, speziell für die vollautonomen Fahrzeuge, die ohne Lenkrad und Bremspedal ausgestattet sind.
Flottenmanagement: Welche Bedeutung haben Kooperationen, um zur Massentauglichkeit dieser Technologie beizutragen
Gunnar Herrmann: Kooperationen sind die Zukunft! Und gerade beim autonomen Fahren wird es ohne Partner schwer. Wir sind kürzlich in den USA mit dem Fahrdienstvermittler Lyft eine Partnerschaft eingegangen. Erklärtes Ziel ist es, eines Tages auf einer gemeinsamen Technologieplattform selbstfahrende Ford-Fahrzeuge einzusetzen. Mit Domino’s Pizza, dem Weltmarktführer im Bereich der Pizza-Lieferdienste, startet die Ford Motor Company in den USA eine branchenweit einmalige Zusammenarbeit für die Auslieferung von Pizza in autonom fahrenden Autos.
Flottenmanagement: Die Vielzahl von neuen Mobilitätsbedürfnissen ist kaum mehr von einem Anbieter allein zu stemmen, aber auch neue Lösungsansätze müssen erst entwickelt werden. Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Rolle der Ideengeber/ Entwickler verändert
Gunnar Herrmann: Große Teile der sich verändernden Mobilitätsbedürfnisse werden vom digitalen Wandel getrieben. Vor einigen Jahren hätte niemand gedacht, dass man irgendwann im Auto online ist und sich seine SMS vorlesen lässt und diktiert oder die wesentlichen Funktionen des Fahrzeugs über einen Klick am Lenkrad per Sprachsteuerung steuert. Die Vernetzung des eigenen Fahrzeugs war aber sicherlich nur der Anfang einer Entwicklung, die rasant fortschreitet. Aus diesem Grund sind Ideengeber in den Bereichen, in denen das Know-how nicht im eigenen Haus vorhanden ist, von essenzieller Bedeutung. Ford sucht die Nähe zu Start-ups und App-Entwicklern, um zum Beispiel kundenfreundliche Servicedienstleistungen zu entwickeln. Dies auch vor dem Hintergrund verkehrsüberlasteter Metropolen, Staus auf Autobahnen und einer sich stetig verschlechternden Bilanz für die Umwelt.
Flottenmanagement: Wie wichtig sind hierbei Kooperationen, aber auch die eigene Belegschaft
Gunnar Herrmann: Wir haben im vergangenen Jahr 35 Entwicklerteams zur „Ford SYNC AppLink Mobility Challenge“ nach Berlin eingeladen und prämiert. Zuvor hatten wir sie aufgefordert, Apps zu bestimmten Mobilitätsthemen mit Blick auf eine optimierte Fahrzeugauslastung und eine effizientere Nutzung des Stadtverkehrs zu entwickeln. Die Entwickler dieser Apps sind vor ein paar Jahren noch als IT-Nerds abgetan worden. Heute ist das Smartphone bei vielen Menschen aber die Schaltzentrale fürs Leben. Die eigene Belegschaft, die größtenteils in Köln oder im Speckgürtel wohnt, sieht sich derzeit denselben Problemen im täglichen Straßenverkehr gegenüber wie unsere Kunden, für die wir moderne Mobilitätsdienstleistungen anbieten. Die eigene Belegschaft muss darüber hinaus mit auf den Weg genommen werden, dass Ford nicht nur Autos baut, sondern intelligente Mobilitätsdienstleistungen ein wichtiger Bestandteil unseres Geschäftserfolgs sind.

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