Bericht der Ethik-Kommission zum automatisierten und vernetzten Fahren

Leitlinien für das Programmieren automatisierter Fahrsysteme

Bericht der Ethik-Kommission zum automatisierten und vernetzten Fahren
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Bericht der Ethik-Kommission zum automatisierten und vernetzten Fahren
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Die von Bundesminister Alexander Dobrindt am 30. September 2016 eingesetzte Ethik-Kommission zum automatisierten Fahren unter Leitung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio hat im Juni 2017 ihren Bericht vorgelegt. Das interdisziplinär ausgerichtete, unabhängige Experten-Gremium, bestehend aus 14 Wissenschaftlern und Experten, Vertretern der Philosophie, der Rechts- und Sozialwissenschaften, der Technikfolgenabschätzung, des Verbraucherschutzes und der Automobilindustrie sowie der Softwareentwicklung, hat damit Leitlinien für die Programmierung automatisierter Fahrsysteme, genauer für das automatisierte und vernetzte Fahren, entwickelt. Neben der grauen Theorie gehörten hierzu auch Praxisfahrten mit automatisiert und vernetzt fahrenden Versuchsfahrzeugen verschiedener Hersteller.

Die von der Ethik-Kommission entwickelten ersten Leitlinien für Politik und Gesetzgebung zum automatisierten und vernetzten Fahren sollen künftig eine Zulassung automatisierter Fahrsysteme erlauben, die allerdings im Hinblick auf Sicherheit, menschliche Würde, persönliche Entscheidungsfreiheit und Datenautonomie besondere Anforderungen stellen.

Die „20 Gebote“ autonomen und vernetzten Fahrens
Der Bericht der Ethik-Kommission umfasst insgesamt 20 Thesen. Wesentliche Kernpunkte sind hier insbesondere:

• Das automatisierte und vernetzte Fahren ist ethisch geboten, wenn die Systeme weniger Unfälle verursachen als menschliche Fahrer (positive Risikobilanz).

• Sachschaden geht vor Personenschaden: In Gefahrensituationen hat der Schutz menschlichen Lebens immer höchste Priorität.

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• Bei unausweichlichen Unfallsituationen ist jede Qualifizierung von Menschen nach persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution) unzulässig.

• In jeder Fahrsituation muss klar geregelt und erkennbar sein, wer für die Fahraufgabe zuständig ist: der Mensch oder der Computer.

• Wer das Fahrzeug fährt, muss dokumentiert und gespeichert werden (unter anderem zur Klärung möglicher Haftungsfragen).

• Der Fahrer muss grundsätzlich selbst über Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeug daten entscheiden können (Datensouveräni tät).

Bei der Erstellung der Leitlinien machte sich allerdings auch bemerkbar, dass die Einstellung der Kommission gegenüber dem autonomen Fahren durchaus ambivalent war, was auch an mehreren Stellen der 20 ethischen Regeln deutlich wird.

Ethische Regeln für den automatisierten und vernetzten Fahrzeugverkehr
Grundsätzliche Einigkeit der Kommission bestand dahin gehend, dass teil- und vollautomatisierte Verkehrssysteme zunächst der Verbesserung der Sicherheit aller Beteiligten im Straßenverkehr dienen müssen. Sie sind also nur dann vertretbar, wenn ihr Einsatz im Allgemeinen die Unfallgefahr reduziert und dadurch letztlich die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer erhöht. In jedem Fall hat dabei der Schutz von Menschen Vorrang vor allen anderweitigen Nützlichkeitserwägungen. Ziel ist es, Schäden zu verringern beziehungsweise vollständig zu vermeiden. Die Zulassung von automatisierten Systemen ist deshalb nach Ansicht der Kommission nur unter der Voraussetzung vertretbar, wenn sie im Vergleich zu menschlichen Fahrleistungen zumindest zu einer Verminderung von Schäden im Sinne einer positiven Risikobilanz führt. Die Vermeidung von Unfällen ist deshalb ein generelles Leitbild, wobei technisch unvermeidbare Restrisiken einer Einführung des automatisierten Fahrens bei Vorliegen einer grundsätzlich positiven Risikobilanz nicht entgegenstehen. Damit ist das automatisierte und vernetzte Fahren dann sogar ethisch geboten, wenn die technischen Systeme weniger Unfälle verursachen als menschliche Fahrer. Allerdings wird die Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Nutzung solcher vollautomatisierter Verkehrssysteme abgelehnt, weil dies eine unzulässige Einschränkung der Freiheitsrechte eines jeden einzelnen Bürgers darstellt.

Die Verantwortung für die Einführung und Zulassung automatisierter und vernetzter Systeme im öffentlichen Verkehrsraum obliegt – wie bisher die Fahrzeugzulassung – der öffentlichen Hand. Entsprechende Fahrsysteme sollen deshalb behördlich zugelassen und kontrolliert werden.

Verhalten teil- beziehungsweise vollautomatisierter Fahrzeuge in kritischen Gefahrensituationen
Ein überwiegender Teil der ethischen Regelungen befasst sich mit der Frage, wie sich ein teil- oder vollautomatisiert fahrendes Fahrzeug in kritischen Gefahrensituationen verhalten soll.

Die automatisierte und vernetzte Technik sollte Unfälle so gut wie möglich vermeiden. Die Technik muss nach ihrem jeweiligen Stand so ausgelegt sein, dass kritische Situationen gar nicht erst entstehen. Dazu gehört auch die besonders problematische Dilemma-Situationen, also eine Lage, in der sich ein Unfall unausweichlich nicht mehr vermeiden lässt und ein automatisiertes Fahrzeug vor der „Entscheidung“ steht, eines von zwei nicht abwägungsfähigen Übeln notwendig verwirklichen zu müssen. Dabei sollte das gesamte Spektrum technischer Möglichkeiten – etwa von der Einschränkung des Anwendungsbereichs auf kontrollierbare Verkehrsumgebungen, Fahrzeugsensorik und Bremsleistungen, Signale für gefährdete Personen bis hin zu einer Gefahrenprävention mittels einer „intelligenten“ Straßeninfrastruktur – genutzt und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Die erhebliche Steigerung der Verkehrssicherheit ist Entwicklungs- und Regulierungsziel, und zwar bereits in der Auslegung und Programmierung der Fahrzeuge zu defensivem und vorausschauendem, schwächere Verkehrsteilnehmer schonendem Fahren. So kann nach Ansicht der Kommission die Einführung höherer automatisierter Fahrsysteme insbesondere mit der Möglichkeit automatisierter Kollisionsvermeidung geboten sein, wenn damit vorhandene Schadensminderungspotenziale genutzt werden können.

Höchste Priorität des Schutzes menschlichen Lebens in Gefahrensituationen
Sollte es gleichwohl zu Gefahrensituationen kommen, die trotz aller technischen Vorsorge unvermeidbar sind, besitzt der Schutz menschlichen Lebens in Rahmen einer Rechtsgüterabwägung höchste Priorität. Die Programmierung ist deshalb im Rahmen des technisch Machbaren so anzulegen, im Konflikt Tier- oder Sachschäden in Kauf zu nehmen, wenn dadurch Personenschäden vermeidbar sind. Bei unausweichlichen Unfallsituationen ist außerdem jede Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution) strikt untersagt. Eine Aufrechnung von Opfern ist untersagt. Eine allgemeine Programmierung auf eine Minderung der Zahl von Personenschäden kann vertretbar sein. Die an der Erzeugung von Mobilitätsrisiken Beteiligten dürfen Unbeteiligte nicht opfern. Daher darf ein Autopilot in einem Fahrzeug in einer entsprechenden Dilemma-Situation auch keine Entscheidung darüber treffen, ob das Fahrzeug ein Kleinkind auf der einen Straßenseite oder einen Rentner auf der anderen Straßenseite überfährt.

Echte dilemmatische Entscheidungen sind nach Ansicht der Kommission nicht eindeutig normierbar und daher auch nicht ethisch zweifelsfrei programmierbar. Dies gilt insbesondere für die Entscheidung „Leben gegen Leben“, die stets von der konkreten tatsächlichen Situation unter Einschluss „unberechenbarer“ Verhaltensweisen der Betroffenen abhängig sei.

Technische Systeme – auf Unfallvermeidung ausgelegt
Technische Systeme müssen auf Unfallvermeidung ausgelegt werden, sind aber auf eine komplexe oder intuitive Unfallfolgenabschätzung nicht so normierbar, dass sie die Entscheidung eines sittlich urteilsfähigen, verantwortlichen Fahrzeugführers ersetzen oder vorwegnehmen könnten. Ein menschlicher Fahrer, der unter dem Gesichtspunkt des Notstandes einen anderen Menschen überfährt und tötet, um einen oder mehrere andere Menschen zu retten, würde zwar rechtswidrig, jedoch nicht notwendig schuldhaft handeln. Derartige in der Rückschau angestellte und besondere Umstände würdigende rechtliche Beurteilungen lassen sich nicht ohne Weiteres in abstrakt-generelle Ex-ante-Beurteilungen im Vorhinein und damit auch nicht in entsprechende Programmierungen umwandeln.

Es wäre gerade deshalb aus Sicht der Kommission wünschenswert, durch eine unabhängige öffentliche Einrichtung (etwa eine Bundesstelle für Unfalluntersuchung automatisierter Verkehrssysteme oder ein Bundesamt für Sicherheit im automatisierten und vernetzten Verkehr) Erfahrungen systematisch zu verarbeiten. Dies führte letztlich dazu, dass sich die dem Menschen vorbehaltene Verantwortung bei automatisierten und vernetzten Fahrsystemen vom Autofahrer auf die Hersteller und Betreiber der technischen Systeme und die infrastrukturellen, politischen und rechtlichen Entscheidungsinstanzen verschiebt. Die Kommission vertritt deshalb die Auffassung, dass gesetzliche Haftungsregelungen und ihre Konkretisierung in der gerichtlichen Entscheidungspraxis diesem Übergang hinreichend Rechnung tragen müssen.

Dabei sollen künftig für die Schäden durch aktivierte automatisierte Fahrsysteme die gleichen Grundsätze gelten wie in der übrigen Produkthaftung. Daraus folgt zugleich die Verpflichtung der Produkthersteller oder Produktbetreiber, ihre Systeme fortlaufend zu optimieren und auch bereits ausgelieferte Systeme zu beobachten und zu verbessern, wo dies technisch möglich und zumutbar ist.

Regeln zur Mensch-Maschine-Schnittstelle
Weitere Regeln betreffen die Mensch-Maschine- Schnittstelle. So müssen Software und Technik hochautomatisierter Fahrzeuge so ausgelegt werden, dass es praktisch ausgeschlossen ist, dass es zu der Notwendigkeit einer abrupten Übergabe der Kontrolle an den menschlichen Fahrer kommt. Vielmehr müssen sich die automatisierten Systeme stärker dem Kommunikationsverhalten des Menschen anpassen und nicht umgekehrt erhöhte Anpassungsleistungen dem Menschen abverlangt werden. In diesem Sinne hält die Kommission also eine effiziente, zuverlässige und sichere Kommunikation zwischen Mensch und Maschine für sinnvoll, durch die eine Überforderung des menschlichen Fahrers vermieden wird. Insbesondere in Notsituationen muss das Fahrzeug aber in der Lage sein, auch autonom, das heißt ohne menschliche Unterstützung, in einen sicheren Zustand zu gelangen. Deshalb ist eine Vereinheitlichung insbesondere der Definition des sicheren Zustands oder auch der Übergaberoutinen wünschenswert.

Schließlich muss auch künftig klar unterscheidbar sein, ob ein fahrerloses System genutzt wird oder ob ein menschlicher Fahrer mit der Möglichkeit des „Overrulings“ die Verantwortung über das Fahrzeug behält. Bei nicht fahrerlosen Systemen muss die Mensch-Maschine-Schnittstelle so ausgelegt werden, dass zu jedem Zeitpunkt klar geregelt und erkennbar ist, welche Zuständigkeiten auf welcher Seite liegen, insbesondere auf welcher Seite die Kontrolle liegt. Die Verteilung der Zuständigkeiten (und damit der Verantwortung) zum Beispiel im Hinblick auf Zeitpunkt und Zugriffsregelungen sollte dokumentiert und gespeichert werden. Das gilt vor allem für Übergabevorgänge zwischen Mensch und Technik. Eine internationale Standardisierung der Übergabevorgänge und der Dokumentation (Protokollierung) ist anzustreben, um angesichts der grenzüberschreitenden Verbreitung automobiler und digitaler Technologien die Kompatibilität der Protokoll- oder Dokumentationspflichten zu gewährleisten.

Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, Lernende beziehungsweise im Fahrzeugbetrieb selbst lernende Systeme einzusetzen. Deren Verbindung zu zentralen Szenarien-Datenbanken kann ethisch erlaubt sein, wenn und soweit hierdurch ein Gewinn an Sicherheit erzielt wird. Selbst lernende Systeme dürfen aber nur dann eingesetzt werden, wenn sie die Sicherheitsanforderungen an fahrzeugsteuerungsrelevante Funktionen erfüllen und die aufgestellten ethischen Grundregeln nicht ausgehebelt werden. Insoweit hält es die Kommission für sinnvoll, relevante Szenarien an einen zentralen Szenarien- Katalog einer neutralen Instanz zu übergeben, um entsprechende allgemeingültige Vorgaben, einschließlich etwaiger Abnahmetests, zu erstellen.

Datenschutz und Datenverarbeitung Ein weiterer Schwerpunkt der ethischen Regelungen liegt im Bereich von Datenschutz und Datenverarbeitung. Denn es ist denkbar, dass es künftig Geschäftsmodelle gibt, die sich die für die Fahrzeugsteuerung erheblichen oder unerheblichen Daten zunutze machen, welche durch das automatisierte und vernetzte Fahren entstehen. Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten stößt das erlaubte Geschäftsmodell an seine Grenze in der Autonomie und Datenhoheit der Verkehrsteilnehmer. Dabei kommt es künftig im Dienstwagenbereich darauf an, dass sowohl das Unternehmen als auch der Fahrzeughalter und der Dienstwagennutzer grundsätzlich über Weitergabe und Verwendung ihrer anfallenden Fahrzeugdaten entscheiden. Die Freiwilligkeit einer solchen Datenpreisgabe setzt aber das Bestehen ernsthafter Alternativen und Praktikabilität voraus. Hier soll im Übrigen einer „normativen Kraft des Faktischen“ frühzeitig entgegengewirkt werden, so wie sie etwa beim Datenzugriff durch die Betreiber von Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken im Internet vorherrscht.

Aufklärung der Öffentlichkeit über neue Technologien
In jedem Falle hält es die Kommission für erforderlich, die Öffentlichkeit hinreichend differenziert über neue Technologien und ihren Einsatz aufzuklären. Zur konkreten Umsetzung sollten daher in möglichst transparenter Form Leitlinien für den Einsatz und die Programmierung von automatisierten Fahrzeugen abgeleitet und in der Öffentlichkeit kommuniziert und von einer fachlich geeigneten, unabhängigen Stelle geprüft werden.

Die Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit einer zukünftigen vollständigen Vernetzung des Straßenverkehrs mit dem Bahn- und Luftverkehr und einer zentralen Steuerung sämtlicher Kraftfahrzeuge im Kontext einer digitalen Verkehrsinfrastruktur lässt sich nach Auffassung der Kommission heute noch nicht abschätzen. Soweit Risiken einer totalen Überwachung der Verkehrsteilnehmer und der Manipulation der Fahrzeugsteuerung nicht sicher auszuschließen sind, ist aber eine vollständige Vernetzung und zentrale Steuerung sämtlicher Fahrzeuge im Kontext einer digitalen Verkehrsinfrastruktur bereits heute ethisch bedenklich. Deswegen ist nach Ansicht der Kommission das automatisierte Fahren auch nur in dem Maße vertretbar, in dem denkbare Angriffe, insbesondere Manipulationen des IT-Systems oder auch immanente Systemschwächen nicht zu solchen Schäden führen, die das Vertrauen in den Straßenverkehr nachhaltig erschüttern.

Schließlich sollte künftig die sachgerechte Nutzung automatisierter Systeme bereits Teil der allgemeinen digitalen Bildung sein. Deshalb soll der sachgerechte Umgang mit automatisierten Fahrsystemen in geeigneter Weise bei der Fahrausbildung vermittelt und geprüft werden. Alles in allem ist nunmehr zuallererst der Gesetzgeber aufgerufen, weitergehende konkrete Regelungen für die Zulassung und Nutzung teil- und vollautomatisierter Fahrsysteme aufzustellen.

Auch wenn es im Prinzip noch an der ganz entscheidenden ethischen Regelungsgrundlage für die Dilemma-Situation fehlt, was ein Autopilot tun soll, wenn es um Leben gegen Leben geht, geht Bundesverkehrsminister Dobrindt davon aus, dass es schon aufgrund der „schnelleren Intelligenz“ automatischer Fahrsysteme künftig zu weniger Verkehrsunfallopfern kommen werde. Deshalb könnten Autopiloten auch schon dann eingesetzt werden, wenn diese Frage noch nicht abschließend beantwortet sei.

Die Zukunft hat begonnen
Das Thema teil- und vollautomatisiertes Fahren wird deswegen auch weiterhin ein Zukunftsthema für Fuhrparkverantwortliche sein. Fuhrparkbetreiber und Fuhrparkmanager sind deswegen aufgerufen, die aktuellen technischen Entwicklungen im Auge zu behalten und beizeiten ihre Dienstwagenregelungen im Wege der Compliance an die aktuellen rechtlichen und technischen Entwicklungen anzupassen. Dies gilt vor allem für besondere datenschutzrechtliche Regelungen, die beispielsweise in § 63a StVG zur Datenverarbeitung bei Kraftfahrzeugen mit hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion bereits gesetzlich geregelt worden sind, aber auch für die Anforderungen der ab dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO). Der Bericht der Ethik-Kommission mit ausführlicher Begründung kann kostenlos im Internet abgerufen werden: www.bmvi.de/bericht-ethikkommission.

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
Kontakt: kanzlei@fischer.legal
Internet: www.fischer.legal

 

 

AUTOR

RECHTSANWALT LUTZ D. FISCHER aus St. Augustin berät und vertritt mittelständische Unternehmen, Unternehmerpersönlichkeiten sowie Privatpersonen im Wirtschafts-, Zivil-, Arbeits- und Verkehrsrecht und ist bundesweit als juristischer Dienstleister tätig. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Fuhrparkrechts. Rechtsanwalt Fischer ist Mitglied der ARGE (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein) und Autor zahlreicher Publikationen zum Dienstwagen- und Verkehrsrecht. Als freiberuflicher Dozent ist er für das Goethe-Institut in Bonn tätig und hält bundesweit Seminare zu „Dienstwagenüberlassung und Arbeitsrecht“ sowie zu „Professionelles Schadensmanagement im Fuhrpark“ für das Weiterbildungsinstitut CompendiumPlus aus Osnabrück.

 

 

RECHTSPRECHUNG

ARBEITSRECHT

Vergütung von Fahrzeiten zwischen Lkw- Abstellplatz und Hotel bei Auslandstouren
Die Fahrzeiten eines Kraftfahrers zwischen dem jeweiligen Lkw-Abstellplatz und seinem Hotel sind nicht als Arbeitszeit zu vergüten, wenn sie außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegen. Umkleidezeiten können nach §§ 2 Abs. 1 ArbZG, 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Arbeitszeit sein, wenn sie Teil der geschuldeten Arbeitstätigkeit sind. Vorbehaltlich einer abweichenden tariflichen Regelung zählt Umkleidezeit zur Arbeitszeit und ist vergütungspflichtig, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Arbeitskleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgt. Anders ist dies zu beurteilen, wenn der Mitarbeiter die Dienstkleidung bereits zu Hause anlegen beziehungsweise erst dort ablegen kann, weil es dann an der Fremdnützigkeit des Umkleidens fehlt.
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.01.2017, Az. 7 Sa 513/15

STEUERRECHT

Privatnutzung eines betrieblichen Pkw (Ein-Prozent-Regelung): Erschütterung des Anscheinsbeweises
Nach dem Beweis des ersten Anscheins ergibt sich, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Der Anscheinsbeweis wird nicht durch die Behauptung erschüttert, dass private Fahrten mit einem anderen Fahrzeug durchgeführt worden sind, wenn das andere Fahrzeug dem Steuerpflichtigen nicht uneingeschränkt für Privatfahrten zur Verfügung stand, weil seine Lebensgefährtin dieses Fahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzte. Der Anscheinsbeweis wird auch nicht durch die Behauptung erschüttert, dass wegen der Kilometerbegrenzung gemäß Leasingvertrag eine Privatnutzung des Leasingfahrzeugs nicht in Betracht käme, wenn sich die im Leasingvertrag vereinbarte Gesamtfahrleistung auf 20.000 Kilometer pro Jahr beläuft. FG Münster, Urteil vom 21.06.2017, Az. 7 K 3919/14 E

VERKEHRSZIVILRECHT

Nutzungsausfallschaden bei zumutbarem Einsatz eines (kleineren) Zweitwagens
Neben weiteren Voraussetzungen erfordert der Ersatz des Nutzungsausfalls eine fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung. Der Anspruch entfällt, wenn der Einsatz eines Zweitwagens möglich und zumutbar ist. Das war hier der Fall. Dem Geschädigten steht unstreitig über das von seinem Arbeitgeber angebotene Mitarbeiter- Leasing ein Opel Corsa zur Verfügung, den er auch für private Fahrten nutzen kann. Für die Dauer der Reparatur des BMW Z4 war dem Geschädigten die Nutzung des Opel Corsa auch zumutbar.

Bei der Frage der Zumutbarkeit geht es im Wesentlichen um die „Fühlbarkeit der Entbehrung“ der Nutzung. Daran fehlt es, weil dem Geschädigten mit dem Opel Corsa ein weiterer Pkw zur Nutzung zur Verfügung stand. Dieser war für den Geschädigten uneingeschränkt nutzbar. Die Gesichtspunkte, die der Geschädigte anführt, namentlich, dass es sich bei dem beschädigten BMW Z4 um einen hochmotorisierten, leistungsstarken, offenen Sportwagen handele, bei dem Opel Corsa hingegen um ein „Brot-und-Butter- Auto“ und der Geschädigte längere Strecken ausschließlich mit dem BMW Z4 zurücklege, begründet die an einem objektiven Maßstab zu prüfende „Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung“ nicht, da es bei dem insoweit nach der Schilderung im Vordergrund stehende Fahrvergnügen und möglicherweise auch dem Auffälligkeitswert des BMW Z4 um in einer subjektiven Wertschätzung gründende immaterielle Beeinträchtigungen handelt, deren Bemessung nach objektiven Maßstäben nicht möglich ist.

Die für den Ersatz des Nutzungsausfalls im Vordergrund stehende Möglichkeit des ständigen Gebrauchs und der Nutzung eines Fahrzeugs zum Transport von Personen und Gepäck ist auch mit einem Opel Corsa gewährleistet. Bei dem Opel Corsa handelt es sich – gerichtsbekannt – um einen modernen Kleinwagen, mit dem problemlos und ohne Komforteinbußen auch längere Strecken zurückgelegt werden können. Dafür spricht im vorliegenden Fall schon, dass der Geschädigte mit diesem Pkw, den er nach seinem Vortrag nur für den Weg von und zu seiner Arbeitsstelle in Rüsselsheim nutzt, von seinem Wohnort aus täglich etwa 40 Kilometer, das heißt in der Woche mithin 200 Kilometer, zurücklegt, also auch eine nicht nur geringfügige Strecke.

Soweit der Geschädigte eine Parallele zur Anmietung von Mietwagen bei einem beschädigten Pkw zieht und sich darauf beruft, dass die Kosten eines Mietwagens erstattet werden, wenn das angemietete Fahrzeug gleichwertig oder allenfalls eine Fahrzeugklasse unter dem beschädigten Fahrzeug einzuordnen sei, rechtfertigt das keine andere Beurteilung, denn diese Grundsätze gelten nur dann, wenn zu dem einem Geschädigten zu ersetzenden Schaden auch die durch die Anmietung eines Ersatzwagens entstandenen Kosten dem Grunde nach gehören. Dies ist jedoch ebenso wie im vorliegenden Verfahren auch bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nicht der Fall, wenn der Geschädigte selbst über ein Ersatzfahrzeug verfügt, das ihm uneingeschränkt zur Verfügung steht. Denn in einem solchen Fall ist die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich.
LG Bad Kreuznach, Beschluss vom 27.07.2017, Az. 1 S 3/17

Haftung beim berührungslosen Unfall
Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung ist bei einem berührungslosen Unfall Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat. Es ist im Straßenverkehrsrecht anerkannt, dass maßgeblicher Zeitpunkt für Ursächlichkeit und Zurechnungszusammenhang der Eintritt der konkreten kritischen Verkehrslage ist, die unmittelbar zum Schaden führt. Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann.
OLG München, Urteil vom 30.06.2017, Az. 10 U 4051/16

Schadenregulierung: Nachweis der Eigentümerstellung an beschädigtem Kfz?
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Geschädigte in ausreichendem Maße seinen Eigentumserwerb am beschädigten Fahrzeug dargelegt hat, weil für ihn jedenfalls die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB streitet. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Geschädigte beim Erwerb des Besitzes Eigenbesitz begründete und dabei unbedingtes Eigentum erwarb, was er zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens zwei Tage später auch noch nicht aufgegeben hatte. Dafür spricht bereits, dass er auch die Fahrzeugschlüssel nebst Papieren und Auto vom bisherigen Besitzer ausgehändigt bekam, nachdem er den vereinbarten Kaufpreis gezahlt hatte. Angesichts der Tatsache, dass der letzte eingetragene Halter und auch Eigentümer des Fahrzeugs nach eigener Aussage das Fahrzeug veräußert hatte und es niemanden gegeben hat, der selbst Ansprüche auf dieses Fahrzeug erhoben hat, besteht überhaupt kein Anlass, diese Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB nicht durchgreifen zu lassen.

Vor diesem Hintergrund ist der Haftpflichtversicherer des Schadensverursachers verpflichtet, den Schaden zu erstatten, weil die alleinige Schadensverursachung durch den Versicherungsnehmer des Versicherers unstreitig ist.
OLG Hamm, Urteil vom 28.03.2017, Az. 26 U 72/16, I-26 U 72/16

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